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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.09.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-09-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140912027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914091202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914091202
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-09
- Tag 1914-09-12
-
Monat
1914-09
-
Jahr
1914
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velG E. Nr. 4S5. Svenü-Nvsvade. -lraberunruhen !n Kairo. Die „Frkf. Zg." meldet weiter, daß laut der Bologneser Zeitung „II Resto del Carlino" unter den Arabern in Kairo eine lebhafte Gä rung herrsche. Am 1. September hätten arbeitslose Araber an vier Punkten der Stadt die Nahrung s- mittellciden geplündert und vorüber gehende Europäer beschimpft. Erst al» ägyptische» Militär mit Maschinengewehren erschienen sei, hätte sich die Menge beruhigt. — Infolge der Sch wie» rigkeiten des Verkaufs der Baumwoll ernte herrsche in Aegypten große Not. Rumänien bleibt neutral. Ein Leipziger Blatt verbreitete gestern die Nach richt, die rumänische Regierung habe den in Deutschland weilenden rumänischen Studenten tele graphisch Einberufungsbefehle zugehen lassen. Diese Meldung, die mit Rücksicht auf die politische Haltung Rumäniens lebhafte Beunruhi gung hcrvorgcrufen hat, ist, wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, völlig unzutreffend. Rumänien ist nach wie vor fest entschlossen, seine "Neutralität streng zu wahren. An diesem Entschluß, der in den Kronräten vom 1». und 21. August gefaßt wurde, vermögen weder die russischen Einjchüchte- ruugsvcrsuchc, noch die Bukarester Kundgebungen für den Dreiverband etwas zu ändern. Diese Kund gebungen am allerwenigsten. Das sollte man vor allen Dingen in Deutschland glauben, wo man in der letzten Zeit leicht geneigt gewesen ist, in den Hoch rufen auf Frankreich einen Beweis der Volks stimmung zu erblicken. Dav „Volk" bestand in diesen Füllen aus Bukarester Studenten, die zwei Abge ordnete, die aus Frankreich nach Bukarest zurück kehrten, am Bahnhofe mit den Rufen „Hoch Frank reich!" empfingen, und seit dem Tage diese Hochrufe des öfteren wiederholt haben. Das Regierungsblatt, die „Ink pendance Roumaine" bezeichnet diese Rufe denn auch kurzweg und ablehnend als „Kundgebun gen Jugendlicher", und warnt davor, ihnen erhöhte Bedeutung beizumessen. Es muß stets von neuem darauf hingewiesen wer den, daß die Blätter aller Parteien die Politik König Karols restlos billigen. Ein Artikel der „In- Kpendance Roumaine". der von fast allen Blättern übernommen worden ist, und im Anschluß an die Kronratssitzung vom 21. August erschienen war. stellt voller Genügtuung fest, daß sich in dieser ernsten Zeit die ganze Nation einmütig und vertrauend um ihren König schare. König Karol habe in fast bOjährlger Regierungszeit den Beweis geliefert, daß er der rich tige Mann am richtigen Platze sei. Er habe das Volk im Jahre 1878 zum Siege geführt und im Jahre 1912 durch die abwartende Politik mehr er reicht, als durch die stärkste Offensive. Die „Indsi-- pcndance Roumaine'^ weist ferner darauf hin, daß König Karol deutscher und russiscl>er Gencralfeld- marschall sei, also nach zwei Seiten Bewegungssrei- i-eit habe, die er sich erhalten müße. Diese militä rische Stellung des Königs werde sicherlich nicht ohne Bedeutung sein, wenn dereinst, ganz gleich, von wel cher Seite, der Frieden diktiert werde. Wenn Ru mänien bis dahin neutral gebliäben wäre, so würde sicherlich im Friedensvertrage das Interesse Rumä niens nicht unberücksichtigt bleiben und die Neutra lität vom Sieger belohnt werden. Dieses Ziel müße Rumänien auch weiterhin bei seiner Politik der Neutralität vor Augen haben. Jede andere Politik würde dem Lande zum Schaden gereichen. Gröensvecleihung. König Friedrich August hat u.) ver liehen das R i t t e r k r e u z des M i l i t ä r - S t.- Heinrichs-Ordens: dem Generalobersten Frhrn. v. Hausen. Eeneraladjutanten des Königs. Chef des 16. Inf.-Regts. Nr. 182, n la suite des 1. Iüg -Bats. Nr. 12, dem General der Art. z. D. v. Kirchbach, » la suite des 2. Feldart.-Regts. Nr. 22, dem General der Inf. dElsa, kommandie renden General des Xll. (1. K. S.) Armeekorps, ü 1» suite des 1. (Leib) Gren.-Regts. Nr. 160, dem General der Kav. v. Laffert, kommandierenden General des XIX. <2. K. S.s Armeekorps, dem Obersten Frhrn. n. Oldershausen. Komman deur des 6. Inf.-Regts. Nr. 105, Zionia Wilhelm II. von Württemberg", dem Major Fürstenau, Bats.-Kommandeür im 6. Ins. Regt. Nr. 105, „König Wilhelm II. von Württemberg": die silberne Militär-St.-Heinrichs-Medaille: dem Bizeseldwebcl P f l i e g a c r s d o r f e r im 6. Inf.- Regt. Nr. 105, „König Wilhelm II. von Wurttem- Lelpziger Tageblatt. Leichnei MgsanIM! berg": Las Ritterkreuz 1. Klasse des Al- brechts-Ordens mit Schwertern: dem Hauptm. o. Craushaar, Komp.-Ehef im Schützen- iFüs.-s Regt. ..Prinz Georg" Nr. 108: die Fried rich-August-Medaille in Silber am Bande sür Kriegsdienste: dem Vizefeld- w-'bel Schulz im 6. Inf.-Rcgt. Nr. 105 „König Wilhelm II. von Württemberg": dieselbe Medaille in Bronze am Bande für Kriegsdienste: den Soldaten Stahmann, Kostler im 6. Inf.- Regt. Nr. 10b „König Wilhelm II. von Württem berg": bf die Erlaubnis zur Anlegung nichtsächsischer Ordensnuszeichnungen erteilt: des Königlich Baye rischen Militär-Verdienst-Ordens 2. Kl.: dem Generalmajor z. D. Stark. Kommandant des Truppenübungsplatzes Königsbrück: desselben Ordens 1. Klasse mit der Krone: dem Major Frhrn. v Fritsch, diensttuendem Flügeladjutanten des Königs. Neue komman-leren-e Henerale. Aus den jüngsten Beförderungen des „Militär- Wochenblattes" ersieht man die Ernennung von vier neuen kommandierenden Generalen. Es sind dies der Generalleutnant v. Eben, der bisher die 30. Di vision kommandierte und der zum General der In fanterie befördert worden ist. während sein Korps nicht genannt wird, und ferner die bereits verab schiedet gewesenen Generale der Artillerie v. Gro nau und der Infanterie Kündell, die Patente ihres Dienstgrades erhalten haben: bas gleiche gilt von dem ebenfalls inaktiven Generalleutnant von Zrvehl, der zum General der Infanterie befördert worden ist. Vie Reichsregierung und -er Helüento- -es fibg. Vr. Frank. Mannheim. 12. September. (Eig- Drahtmeldung.j Wie gemeldet wird, hat auch der deutsche Reichskanzler zum Tode des im Felde ge fallenen sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Dr. Frank das Beileid der Reichsregie rung übermittelt „für den in der Verteidigung des Vaterlandes gestorbenen Reiche tagsabgeordneten". Auch diese Vcileidskundgebung beweist, wie außer ordentlich ernst es der Reichsrcgierung mit der Be folgung des Kaiserwortes ist: „Ich kenne jetzt keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!" Fernwirkungen -es Krieges in Mbanien. Mailand, 12. September. (Eig. Drahtmeldung.) „Lombardia" meldet aus Durazzo: Die Aufstän dischen haben in Durazzo eine provisorische Regierung eingesetzt, die aus den Ministern des früheren Fürsten von Albanien besteht. Die neue Regierung hat in offizieller Form den Fürsten Wilhelm des Thrones für verlustig und seine in Durazzo gelegenen Güter für Staatseigen tum erklärt. — Zn der nach Skutari zurückgekehrten Kontrollkommission sind ernste Diffe renzen ausgebrochen, da sich die Vertreter des Dreiverbandes weigern, fernerhin mit den Vertretern der Drei bundmttchte zusammen zuarbeiten und deren Austritt aus der Kontroll kommission fordern. Benedig. 12. September. sEig. Drahtmeld.) Wie die Mailänder „Lombardia" meldet, erklärte der Fürst Wilhelm von Albanien, daß er keinen Thronverzicht auf Albanien auf spreche, da die Entscheidung, ob er den euro päischen Auftrag in Albanien durchzuführen habe, von dem Ausfall des gegenwärtigen europäischen Krieges einzig und allein ab hänge. Bevor nicht der Krieg in Europa entschieden sei, könne auch keine zu seiner, des Fürsten, militärischen Stütze bereite Macht den Frieden und die Ruhe Albaniens wiederherstellen. Nur aus diesem Grunde habe er sich vorübergehend in das Ausland begeben. Nicht von dem Willen oder den vorübergehenden Handlungen der Aus ständigen hänge das fernere Schicksal Albaniens ab, sondern „von dem Europa nach dem Kriege". weitere Meldungen. Wie die „Stettiner Neuesten Nachrichten" melden, haben in Petersburg seit Kriegsausbruch zurückgehaltene Mannschaften von Dampfern der Stettiner Handelsflotte, insbesondere solcher der Stettiner Neuen Dampfer-Kompagnie, ihren Angehörigen mitgetetlt, daß sie von der russi schen Regierung freigelassen worden sind und voraussichtlich schon morgen über Haparanda, Stock- Holm und Trcllcborg in Stettin eintreffcn werden. * Nach einem Telegramm aus Aberdeen ist der als Kreuzer armierte Dampfer „Oceanic", der an der Küste von Nordschottland Schiffbruch erlitten hat, auf eine Klippe ausgelaufen. Ein Schleppdampfer hat die Mannschaft gerettet. Kriegsbil-er aus Osten. Von Paul Lindenberg, Kriegsberichterstatter. (Nachdruck verboten.) VTI. Beim Armee-Oberkommando, Ost Heer. 8. September. Den Spuren der neuen Vandalen folgten wir gestern. Von der Bahnlinie aus, auf der recht be dächtig unser langer Zug mit Offizieren, Intendantur beamten, Aersten, Krankcnhclfern, dann mit mehr denn hundert Pferden und deren Hütern, mit Wagen und Gepäck entlangrollte, sah man. wie die Russen zu beiden Seiten der Bahn gehaust. Verschiedene niedergcbrannte Gehöfte und Häuser, die Bahnböfe in Flammen aufgegangen, die Schienen und Tcle- graphenleitungen teilweise zerstört und von unseren Pionieren schnell wieder ausgebessert, Jammer und Elend hockten unsichtbar und doch merkbar am Wege, den die Truppen des Zaren genommen! Blutrot ging die Sonne hinter den stillen, weiten Waldungen unter, blutrot stieg der Mond auf und spiegelte nch in den Seen wider. In unserem bisher von fröh licher Stimmung erfüllt gewesenen Abteil verstummte das Gespräch von selbst: man gedachte der braven grauen Jungens, die zu vielen, vielen Tausenden über die schweigende Gegend verstreut waren, deren Ge danken der fernen Heimat zuwanderten, denen viel leicht bald die Schicksalsstunde schlug! — Tiefe Dunkelheit war hereinaebrochen, als unser Zug mit jähem Ruck hielt. „Äussteigen!" hieß es. Nichts zu sehen. Im Schein einiger Laternen tauch ten Uniformen auf. Ordonnanzen waren da und ver teilten die Quartierzettel. Wir waren also an unserm Bestimmungsorte angelangt, und da auch hier der Bahnhof — wie überall, ganz ohne Zweck — zerstört worden war, so mußte eine Strecke vorher Haltge macht werden. Unterdessen lieh uns auch der Mond sein nun bleiches, aber Helles Licht, und im milchigen Schimmer entrollten sich wiederum die stets von neuem packenden kriegsmäßigen Szenen mit Rossen und Reitern, einzelnen Posten und kleinen Abteilungen, mit dem scheinbaren Wirrwarr durcheinander, das sich so schnell löst, weil jeder weiß, was er zu tun hat, jeder lein Ziel kennt, jeder rasch seine nächste Pflicht erfüllt. — „Die Ordonnanzen kommen mit Pferden und Wagen nach!" — Der Befehl war gegeben, und so konnten wir dem Städtchen zuwandern, das bald er reicht war. Auf den Gassen Soldaten und Soldaten, vor den Türen »nd Häuschen die Bewohnerinnen mit ihren Kindern, den aufmerksam lauschenden Mus ketieren von den Greueltaten der Russen in den nahen Ortschaften berichtend. Merkwürdig war es, zu be obachten, welch schweren finsteren Ausdruck da die Mienen der Soldaten annahmen, wie einzelne sich unwillkürlich emvorreckten, wie einer drohend rief: „Wenn wir die Halunken nur erst vor uns haben!" Uns empfing wenige Minuten später der idyllische Frieden des von Blumen und Weinlaub umgebenen Häuschens eines der Kaplane der ehrwürdigen katho lischen Kirche, die gewaltig und eindrucksvoll mit ihrem hohen vierschrötigen Turm zum Sternenhimmel «ufragte. Und abermals einige Minuten ipäter ent bot uns der noch junge, weltgewandte Geistliche mit den klugen Augen und dem feinen, blassen Gesicht aufs herzlichste den Willkommenstrunk in würzigem Wein vom deutschen Rhein. Rasch war der Tisch ge deckt, was sich noch in der Vorratskammer fand — Sonnavenü, l2. September lS14. Brot, Butter, Wurst —. es ward mit warmer Gastlich, keit geboten, schnell fühlte man sich in dem schlichten, traulichen Raum heimisch. Und als dann die Wölkchen der Zigarren bläulich auistiegen, als aus dem Keller die zweite Flasche gekommen, du erzählte uns unser liebenswürdiger geistlicher W'.rt viel von den angstdurchsluteten Tagen, die das kaum 5000 Einwohner zählende Städtchen während der „Russenherrschaft" durchge macht, d. h. es ging hier noch gnädig ab und es blieb nur bei der Angst! Nachdem eine russische Kavallerie-Patrouille am 21. August hier eingesprengt war, forschte sie sofort nach der Post, zerstörte die Apparate und hieb einen Telegraphenpfahl um. Da ragte eine Patrouille unserer Husaren heran, die Russen nahmen Reißaus. In den folgenden Tagen aber kamen mehrere Regi menter russischer Kavallerie, auch Kaiserliche Garde aus St. Petersburg. „Wir sterben lieber, ehe wir unterliegen oder uns ergeben!", sagte sie und zeigte auf ihre adlergeschmückte Standarte. „Das Feld zeichen haben nur wir, wir Garde des Zaren!" — Da der Bürgermeister des S'ädtchens im Felde war und die übrigen städtischen Beamten, bis auf zwei, die Flucht ergriffen hatten — gleich zahllosen Einwohnern —, so wählten die einflußreicheren Zu rückgebliebenen einen „Kriegsbürgcrmeister" den Vorsteher der hiesigen Taubstummenanstalt R. Schwahn. Es war der rechte Mann an der rechten Stelle! Umsichtig, energisch, von guter Lebensart, den Ansprüchen von Freund und Feind gerecht wer dend. Er rettete wahrscheinlich die Stadt vor großem Unglück. Schlug seine Wohnstätte im Rathause auf, schlief dort, war Tag und Nacht für jeden zu sprechen. Richtete eine Dürgerwehr ein, ermahnte die Leute zur Ruhe, verhandelte mit dem russischen Komman deur. einem Dioisionsgcneral, der versprochen hatte, tüchtige Manneszucht zu halten, was auch geschah. Alles ließ sich gut an. Da sandte der General einige Offiziere zum ..Kriegsbüraermcister" nach dem Rathause: „Binnen zwei Stunden muß die Stadt 30 000 .st bezahlt haben, sonst sprechen dir Kanonen, die draußen auf den Hölnn stehen, ihr Wörtlein!" — Und innerhalb der verlangten Frist war das Geld bis auf 1000 .st zur Stelle, obwohl, wie schon er wähnt, gerade die beaüterten Einwohner geflohen waren. „Die tausend Mark schenke ich Ihnen", sagte der Empfänger mit den Erneralsabzeichen groß mütig. „Sie haben ja unsere Verwundeten gut be handelt". — Mit dem Geld zogen die Russi n dann am 2. September ab, als Geisel den Kymn-asialdirek- tor Dr. Schneider mitnehmend, etwa 15 Kilometer, während der letzten sechs, waren ihm die Augen ver bunden. Er wurde freundlich behandel*, allerdings stets aufs strengste bewacht, dann setzte man ihn bei einem Rittergut ab — er wird dieses Sedan tages stets gedenken! — Am nächsten Tage rückten die Unleren ein, mit Jubel emyfanaen! Sie hatten in der Nacht ein Ge fecht mit der Nachhut der Russen, die in den nahen Ortschaften schlimm gehaust und viele Bewohner niederqeknallt hatten, gehabt und ihnen beträchtliche Verluste bcigobracht. Dies das neueste Blatt aus der Chronik der kleinen ostpreußischen Stadt, in der einzelne hoch gemute Bauten viel Denkwürdiges von der großen Zeit der Ordensherrschaft berichten! vom österreich-russischen Kriegsschauplätze. (Nachdruck verboten.) An der galizisch-russischen Grenze, g. Sept. Seit Z. September sind die Russen in Lem berg, das nach den vorhergegangencn Gefechten im Süden und Südwesten aus strategischen Gründen geräumt worden war. Schon vorher war die Regierungsbehörde von Lemberg, wie auch diejenige von Czernowitz zurückgcnommen und an sicherer Stelle untergebracht worden. Die Russen haben, soweit bis jetzt bekannt geworden ist, in Lemberg den Einwohnern gegenüber ein leidliches Betragen an den Tag gelegt, wie auch aus den anderen von ihnen besetzten Orten in Ostgalizien keine groben Ausschreitungen gemel det worden sind. Die Russen, die den Wunsch haben, Galizien zu beschlagnahmen, sehen wohl schon in der dortigen ruthenischen Bevölkerung ihre zukünftigen Volksgenossen, und da erheischt es ihr eigenes Interesse, sich als milde Herren Svdroidmasvdmsn - 1'arddiiocker u. Xoklepaplore, (Urlmmai^ebv tttr. 24. veuLsAe Männer. 30s Geschichtlicher Roman von Wilhelm Jensen. Dann aber traf am Aprilausgang ein Kurier des Kaisers Napoleon in Berlin ein und über brachte ein Schreiben mit der klaren Eröffnung: der vormalige Herzog von Braunschweig, In haber des preußischen Fürstentums Oels, habe sich vermessen, als souveräner deutscher Reichs sürst ein Bündnis mit dem Kaiser von Oester reich abzuscl'ließcn und exerziere im Park seines Landschlosses Sibhllenort ein Korps ihm ans seine Werbung hin von überallher aus Deutsch land zugeslrömter Freiwilliger ein; meistens längeren Leuten, Studenten, Söhnen adliger Grundbesitzer, Mitglieder des „Tugendbundcs", doch unter ihnen besinde sich auch eine erheb liche Anzahl schon älterer vormaliger preußischer Offiziere, mancher sogar, ans dessen Kops ein Preis ausgesetzt worden. Durch seine reich haltigen nach Schweden geflüchteten Geldmittel sei „Io nommö üuc äo llrunsviek" instand gesetzt, die ihm zugeflofiene Masse zu unterhalten und zur Ausführung seines schon seit längerem ge hegten Planes militärisch anözurüsten: auch seine Ergreifung, als die eines Untertanen des König reichs Westfalen und Hochverräters wende mit einer hohen Summe belohnt werden. An den preußischen König aber ergehe die Aufforderung, eventuell der strenge Befehl, dies Betreiben innerhalb seines Staates nicht länger zu dulden, sondern ihm sofort ein Ende zu machen, widrigen falls unverzüglich französiscl-e Truppen ins Für stentum Oels cinrückcn und dies in Besitz nehmen würden; außerdem sei der „Tugendbund" augen blicklich aufzulösen und schärfste Aufsicht über alle, die ihm angehört, zu führen. Unverkennbar besagte letzteres, das Fürsten, tum Oels werde nicht nur von französischen Truppen in Besitz genommen werden, sondern auch in diesem verbleiben, und die preußische Regierung war oknmächtig.unsähig, über das darin Vorgchcndc länger achtlos hinwegzusehen. Atlfertig erließ sie jetzt ein Gebot an den Für. stcn von Oels, ohne Verzug Schlesien zu ver- I lassen, da sic sonst zur Anwendung von Gewalt gegen ihn verpflichtet und genötigt sei; mit knirschenden Zähnen zerriß der Empfängen: das ihm behändigte Schreiben als einen neuen Be weis ihrer demütigen Unterwürfigkeit unter die Befehle des französischen Oberherrschars. Doch gab er der Besonnenheit Gehör und führte noch in der Nacht seine Mannschaft unter der Schnee koppe entlang durch die Trantenauer Talenge nach Böhmen zur Stadt Nachvd hinüber, um hier auf österreichischem Boden sein Werk fortzu setzen. Ihm war's gelungen, ungefähr andert halbtausend Mann zusammenzubringen, größ tenteils Berittene, Husaren, Ulanen, doch auch einige Kompanien Jügcr.Fnßvolk, sämtlich gleich mäßig schwarz uniformiert und am Tschako mit seltsamem Emblem, einem weißen Totenkops und kreuzweis darunter liegenden Totengebeiuen ver sehen. Der geheim zum Romantischen neigende Zug des Herzogs kam darin zum Ausdruck, er wollte sich selbst und allen so Gekennzeichneten vor Augen stellen, beständig im Bewußtsein gegenwärtig erhalten, daß sie auf Lieg oder Tod ins Feld zögen; in Oels hatte man "das kleine Korps nach den Farben seiner Kleidung die „Schwarze Schar" benannt und sic hieß sich auch selbst danach. Alle ihre Angehörigen bekundeten zuversichtliche Kraft .und jiclscren Willen, jede, auch die schwerste Anstrengung zu überwinden, todesmutige Verwegenheit blitzte aus ihren Augen; rasch hatten sie sich zu straffer Ordnung für ichrcu kricgerisclu'n Zweck ansbilden lassen. Die französischen Spione waren gut unterrichtet gewesen, mehr als genügend befanden sich tüch tige preußische Offiziere, manche mit klangvollen adligen Namen, unter dem Oberbefehl des Her zogs vereinigt, und auch nach Böhmen brachte jeder Tag noch neue herzu. So ward Dörnberg und Hans Gibich bereits zwischen Leipzig und Dresden kund, daß sie sich zur Erreichung ihres Zieles nicht nach Schle sien, sondern nach Böhmen wenden mußten. Auch uu feindlichen, dem Rheinbund angehörigen wachsen, das durch die Gnade Napoleons vom Kurfürstentum zum Königreich erhöht worden, hatten sie vorsichtig alle größeren Ortschaften vermieden und öfter abgelegene Landwege ein geschlagen. Grade aus diesen aber waren sie in rascher Folge mit zwei andern Reitern zusam- mengetrofsen, die das nämliche Ziel mit ihnen im Auge hielten und von Dörnberg trotz irreführen der bürgerlicher Kleidung als ihm persönlich Nahgekomincnc erkannt wurden. Wie er, hatten beide, der Hauptmann Friedrich Karl von Katte rind der junge Leutnant Eugen von Hirschfeld an dem Kampf des Blücherschcn Korps um und in Lübeck teilgenommen, und nach ihren gleichmäßig mißglückten Anschlägen auf Magdeburg und die thüringischen Lande trachteten beide ebenfalls dem Braunschweiger Herzog zu. So wuch die Zahl der Bereinigten aufs Doppelte au, und die vier standen gemeinsam im Begriff, südliche Richtung zu nehmen, nm über das Erzgebirge nach Böhmen hinüber zu gelangen, als ein auf der Straße umlaufendes Gerücht ihnen uner wartete Botschaft entgegentrug: Der Herzog sei mit seiner „schwarzen Hchar" ans Nachod auf gebrochen, unterm Jsartamm durch in die Lausitz eingefallen und befinde sich in der Gegend von Zittau. Das ließ die Reiter schleunigst von ihrem Vorhaben abstehen und im schärfsten Trabe ost wärts wetteriagen; sich selbst und ihren Pferden kaum einen Rostaugenblick vergönnend, ritten sie die Nacht hindurch und trafen am Morgen in Bautzen ein. Hier fanden sie die Stadtbevölke rung in höchster Bestürzung durch die Nachricht von Gefechten, die der sächsische Oberst Thielc- monn mit einem Teil seiner Truppen bei den Dörfern P tcrswalde und Nollendorf habe lie fern müssen und in denen er nicht standzuhaltcn vermocht; die schwarzen Husaren seien gleich dem Ansturm der wilden Jagd dahergefahren, alles niederreitend, zersprengend, zu widerstands loser Flucht auslöscnd. Das bestätigte sich, als die vier Zittau er reichten: zum erstenmal gerieten ihnen hier Rei ter mit dem grell am Tschako blinkenden Toten kopf zu Gesicht, gaben den Fragenlnn Anwei sung. das Kvrpslager befinde sich für heute noch bei Nollendorf. Ein etwas größeres Gezelt zeigte den Aufenthalt des Oberbefehlshabers an, davor stand ein mittelgroßer Mann in schlichtem, schwarzem, polnischem Schnürrock mit einer gleichfarbigen ländlichen Schirmmütze auf dem Kopf. An seinem Gurt hing ein Säbel herab, sonst deutete kein Abzeichen an, welche Stellung er einnahm; nur aus der Haltung einiger Offi ziere, denen er Aufträge erteilte, ließ sich schlie ßen, er müsse der Herzog sein. Die Augen aller um ihn her leuchteten in siegfroher Helligkeit, doch er sah trüb-düster dreir^ vor vier Jahren hatte Hans Gibich ihn im «Libyllcnortcr Park als einen vollständig in Gegensatz zu sciucm strahlenden Jugendbild Getretenen angetroffen, trotzdem erkannte er anch jetzt den noch stärker Verwandelten auf den ersten Blick nicht wieder. Sein dunkel verbranntes Gesicht war rundum von dichtem, verwildertem Barthaar bis fast an die Augen umdrängt, und die buschigen Brauen über diesen stachen seltsam, nicht nur frühzeitig ergraut, sondern beinah weißfarbig, von dem braunen Stirnuntergrund ab. Nun traten die Ankömmlinge, ihre Kopfbedeckung ablüftcnd, her zu, und er starrte kurz aus Gibichs kaum ver änderte Züge. Dann stieß er plötzlich mit schnei, dcndem Ton vom Mund: „Schill! — aus Wie dersehen gab ich ihm die Hand —" Dabei stürz ten große Tränen von den Wimpern des Herzogs Friedrich Wilhelm in seinen Bart hinunter, und nach einem Anhalten fügte er aus halberstickter Kehle hinterdrein: „Sie kommen — aber Sie bringen ihn nicht mit —" „Er ist in Sicherheit an der Ostsee," er widerte der Angcsprochene unwillkürlich; der Herzog schüttelte verneinend heftig den Kopf, doch verging noch eine Minute, ehe er in Worte zu fassen vermochte, was die stumme Bewegung ausgedrückt. Dann brachte ctts hervor: Ihm war vor einer Stunde Botschaft zugcgangen, Ferdinand Schill sei in Stralsund, von zehn facher Ucbermacht holländischer und dänischer Truppen überwältigt, mit dem größten Teil seiner Husaren gefallen und der im Straßen gemetzel nicht tödlich getroffene Teil seiner Offi ziere in Ketten gelegt weggeschleppt worden. (Fortsetzung tn der SonntagsausgabeF
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