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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.08.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140820026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914082002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914082002
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-08
- Tag 1914-08-20
-
Monat
1914-08
-
Jahr
1914
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Veite 2. Nr. 422. Nveno-tturrgsve. leipziger Tageblatt. mitten»« aus dem Heimweg sich besinden. „Lombardia" sügt hinzu, daß die englische Maß- nahme, die, wenn sie allgemein mied, an 18 000 in England lebende Italiener betressen muß, erst dann ergangen sei. nachdem Italien die englischen Bewerbungen nm Ausgabe seiner Neutrali» tat adgelehnt bade. Mailand. 20. August. lSig. Drahtmeld.s Wir die Mailänder Zeitungen berichten, hat auch Belgien am 16. d. M. sämtliche Italiener aus Belgien auvgewiesen. unter Zurllckbehal- tung der hrerespslichtigen Männer. ,Englands heuchelet.^ Wien. 10. August. Die ..Wiener All gemeine Zeitung" schreibt unter dem Titel „Englands Heuchelei": Staatssekretär Grey gab als -'»rund der Kriegserklärung Eng lands gegenüber Deutschland die Verletzung der Neutralität Belgiens durch Deutsch land an. Die englische Negierung lieh uri>i ot orist verkünden, daß England nicht dulde, dasz sein« Unterschrift aus dem Vertrage nicht rezpektirrt würde. Nach Mitteilungen unseres Gewährsmannes stellte im Jahre IE, Lord Lansdomne, der da malige Minister des Aeuszcrn im Kabinett Balfour, mit DelcasiV den Entwurf eines Bündnisvertrages und einer Militärkonoention fest. In dem Dokument war die Verpflichtung Englands statuiert, im Kriegsfälle gegen Deutschland 200 00V Mann in Belgien landen zu lassen und, vereint mit der französischen Armee, die ebenfalls nach Belgien einuiriicken hätte, Deutschland non der belachen Grenze aus anzugrcifen. Ob die damalige belgische Negierung von England über diese projektierten Ab machungen unterrichtet war, wissen wir nicht. Aber es ist eine historische Tatsacl-e, für deren Richtig leit wir uns absolut verbürgen, dafz vor neun Jahren die englische Regierung bereit war. «inen Vertrag abzuschlieszen. der Verpflichtungen zur Verletzung der belgischen Neutralität enthielt. Es ist auch mehr als wahrscheinlich, dasz auf diese Idee König Eduards Vll. und Delcass^s in London und Paris wieder zurückgegrisfrn wurde, und dasz es nur durch das rasche und entschiedene Vor gehen der deutschen Heeresleitung durch die Er oberung Lüttichs gelungen ist, den englisch-fran zösischen Plan zu zerstören. Die Geschichte von dem geplanten Vertrag im Jahre 1005 ist aber jedenfalls wieder ein deutlicher Beweis dafür, wie wenig cusrichtig die englische Politik die ganze Zeit hindurch gewesen ist. Mißgeschick russischer TorpeöojSger Aus Stockholm wird gemeldet: Wie schwedisch« Zeitungen aus Finnland erfahren, sind zwei russische Torpedojäger zusammenge- stotzcn und mit schweren Beschädigungen von einem Dampfer in flaches Wasser gezogen worden. Lin anderer Torpedojäger ist schon früher ge strandet. Ein vierter geriet auf «in« russische Mine und wurde in di« Luft gesprengt. Der Befehlshaber des Sveaborger Kriegshasena beging Selbstmord, vermutlich wegen dieser Unfälle. Kufgebauschtes Gerücht. Aus Rom wird gemeldet: Die römuchen Blätter wissen zu melden, in der Nähe des montenegrinischen Häsens Antivari habe ein viertel st ündi- gesEesecht zwischen Aufklärungsfchiffen dereng- l i s ch - s r a n z ö s i j ch c n Flotte und dem öster reichischen Geschwader stattgesunden, wobei ein österreichisches Linienschiff geji nkcn sei. In Wirklichkeit beschränkt sich der Vorfall auf eine Beschießung der österreichischen Kriegsjacht „Taurus" durch einen französischen Kreuzer. Dessen Schicksal ist zur Stunde noch nicht bekannt. Der „Taurus" hatte am 8. März den Fürsten und die Fürstin von Albanien nach Durazzo gebracht. .... sthllmmer als -le Herero!" Ein Feldartillerieossizier schreibt vom westlichen Kriegsschauplatz?: „Die Belgier benehmen sich s chl e ch t e r a l s d i e Herero und die Balkanvölker. Die hierauf be züglichen Zeitungsberichte sink nur allzu wahr! In keiner Weise übertrieben! Vericlnvendcn Sie nicht das Geringste an die dort durchkommenden Gefangenen! Die Hunde müsztcn bei Wasser und Brot arbeiten, bis ihnen die Haut an den Knochen schlottert. Fort mit der drutschen Weich herzigkeit!" Die Hyänen -es Schlachtfel-es. Einer Feldpostkarte entnimmt die „Deutsche Tageszeitung": . . . Einer vcn den belgischen Gefangenen hatte die ganze Feldtasche voll abgeschnitte ner Finger, von denen die Ringe nicht so her- unterqingen. So wie unsere Truppe einen Schuh bürt, ist sie fast zügellos und geht drauf. Wir tun alle unsere Pflicht und keiner wird entwischen! Srleftauben zu Spionagezwecken. Aus Stuttgart wird gemeldet: Das General kommando des württemberaischen Armeekorps gibt be kannt, dah bei Andernach eine französische Brieftaube abgefangen wurde, die genaue Angaben über deutsche Truppentransporte beförderte. Als Auflassungsort kommt wahrscheinlich Württemberg, vielleicht auch Baden in Betracht. Es besteht die Möglich keit, dah mehrere französische Brieitaubensta.ionen in den genannten Gebieten im Betriebe sind. Das Generalkommando will hierdurch die öffentliche Auf merksamkeit hierauf lenken und bittet gleichzeitig, entsprechende Beobachtungen unverzüglich an da» Generalkommando gelangen zu lassen. Vie Srü-er Lambon in Lon-on. Der frühere französische Botschafter in Berlin Jule? Cambon ist aus Kopenhagen in Lon don eingetroffen. Er wurde zusammen mit seinem Bruder Paul, dem Botschafter in London, vom König Georg empfangen. Kriegsfreiwillige in Englan- un- in Veutjchlan-. Auf einen Aufruf, der zum Eintritt als Frei willige Polizisten und Gendarmen auffordert, haben sich in England zwischen dem 15. und 17. August ganze 15 000 Leute gemeldet. Bei uns meldeten sich 1>L Millionen Kriegsteilnehmer. Gerettetes Gei-. Nach der „Köln. Ztg." gelang es der Landes« bank in Wien mit Unterstützung des deutschen Generalstcrbes, eine Sendung von zehn Millionen Kronen, die an ihre Pariser Filiale ging, unmittelbar vor der französischen Grenze anzuhalten und zurückzudirigieren. Auch andere sehr große österreichische Geldsendungen nach Paris wurden rechtzeitig in Sicherheit gebracht. /irbeitslofenunterftützung keine Armen unterstützung. Das R e i ch s s ch a tz a m t hat die Auffassung des sozialdemokratischen Parteivorstandes und der Ge werkschaften, dah Unterstützungen, die an Arbeitslose in der gegenwärtigen Kriegs periode gezahlt werden, nicht als Armen unterstützungen anzusehen sind, als richtig an erkannt, und wird einen Erlaß an die Dundcsregie- rungrn richten, wonach die Unterstützungen, die Arbeitslose jetzt aus öffentlichen Mitteln erhalten, nicht als Armenunterstützung anzusehen sind, und somit die politischen Rechte nicht berühren. Vas stille Leuchten. 451 Roman von Pauk Erabein. >xi l >. . tl- ti <» ! .^ < 0. > «!. u.. i.-iprik.) Fränzl! Wie mochte es ihr gehen? Wie mochte sie die Trennung ihrerseits überstanden haben? Mehr als ein 'Fahr umr nun seit jenem Abschied für immer dahiugcgangcn, das Leben hatte seine Wogen unablässig über ihre junge kraftvolle Seele dahintreibcn lassen, da war wohl nun fortgespült worden, was sich au Har tem und Bitterem damals an dem Rist angesetzt hatte, und klar und glatt war wieder der Spiegel dieser Seele. Aber ob wenigstens drinnen in der Tiefe noch ein leises (Zedenten lebte? Ein stilles Erinnern an die unvergessliche, heimliche sähe Seligkeit jener Sommcrtage, eine Gabe des Schicksals, für die er ein unauslöschliches tiefes Dankbarkeitsgefühl empsand. »Run, wo alles törichte Sehnen und Wünschen ja hinter ihm lag, konnte er mit vollster Herzcnsrul-e, nur mit einem leisen Hauch von Wehmut, an jene Zeit denken. Ja, er hätte Fränzl jetzt ohne Er- uhütternng seines Inneren auch im Leben geyen übertreten können, lediglich mit einem Gefühl innigster, selbstloser Freundschaft im Herzen. Wie traurig, dass das nicht sein konnte! Sann hätte er ja gehabt, was ihm fehlte, wonach unausgesprochen seine Seele so verlangte. Den vertrauten Umgang mit einem lieben Menschen, der wieder Licht und Wärme in sein Leben gc- vracht hätte. Ein Seufzer hob Hottens Brust, freilich, wer weist, ob der schöne Gedanke auch ur Wirklichkeit hätte werden können, selbst wenn ränzl ihm wirklich erreichbar gewesen wäre! Ib auch sie die Kraft der Entsagung, der ge- auterten Ruhe der Seele besessen haben würde, lolch Verhältnis zwischen ihnen zu ertragen — ;a. ob überhaupt in ihrer jungen, lcbcnsdurstigen Seele ein Gefallen an solcl-em Notbehelf vor handen gewesen wäre. Ob es sie in ihrer jugendlichen Kraftfülle nicht nach einem Voll glück verlangte, das er ihr nun einmal nicht bieten konnte. Holten liest die Hand von der Stirn sinken und spielte gedankenverloren an der Quaste der Scsfellehne. Wie dem auch war — es überkam ihn so oft ein sehnsüchtiges Verlangen, ivenia- stens einmal von ihr zu hören. Das war schließ lich doch auch nur ein berechtigter Wunsch, daß man von einem Menschen, der einem so teuer geworden war, wenigstens noch einmal eine Lebensspnr erblickte! Er begriff auch eigentlich nicht, warum er nicht schon längst einen Schritt dazu getan hatte, nun, wo er so ganz über wunden hatte. Es war ja so einfach; er brauchte ja nur einmal zu Ruth zu gehen, die hier in Berlin mit ihm lebte, ohne das; sich freilich ihre Wege jemals von selbst gekreuzt hätten. Da Hütte er ja sein Sehnen stillen, vollauf von Jränzls äußerem Leben und geheimem Fühlen erfahren tönncn. Warum hatte er bisher nur immer diesen Weg gescheut! Im Anfang war das ja wohl begreiflich geivesen: Er wollte seine kaum noch wicder- gcsundene Ruhe nicht von neuem gefährde«. Dann war cs die geheime Furcht gewesen, viel leicht von Ruth zu hören, das; Fränzl sich allzu schnell über ihre Trennung getröstet haben mochte. Das hätte ihm in seiner immer noch wunden Seele zu weh getan. Und, ivcnn er ehrlich gegen sich war, so war das auch bis in die letzte Zeit hinein wohl der cigentlickw Grund gewesen. Aber, wenn er so heute darüber nach dachte, in aller Rnt-e, so mußte er sich sagen: Es war doch eigentlich eine unmännliche Schwäche! Oder war etwa nur seine Eitelkeit so gross, das; er nicht hören mochte, das; man allzu schnell über ihn zur Tagesordnung über gegangen war? Wie dem auch Ivar ganz gleich, cs lag jetzt doch wirklich lein stichhaltiger Grund mehr vor, ein Wiedersehen mit Ruth ängstlich zu vermeiden, wenn er überhaupt noch daran dachte. Im Gegenteil, cS war nachgerade die höchste Zeit geworden, ihre Bekanntschaft zu erneuern, die nun schon über ein Jahr lang eingcschlasen war. Und wirklich, es hätte ihn so gefreut, Ruth wiederznsehen, schon um ihrer selbst willen. Ihr seines, klares Wesen mit sei ner steten, ruhigen Güte war ihm noch so in frischer Erinnerung. Wie wohltuend ihm damals so manchmal ein verständnisvolles Wort, ja ein bloßer Blick schon gewesen war! Wie zwei gute Kameraden hatten sie im stillen zusammcngcstan- den, die nicht viel sprachen über das, was sie innerlich verband, die aber doch recht gut wüst- tcn, was einer dem anderen war. Wenn er jetzt solch vertraute Kameradfchast hätte haben können in seiner Einsamkeit! Aber warum in aller Welt denn eigentlich nicht? Holten richtete sich, von einem aufleuch- weitere Mel-ungen. Da der Reichskanzler im Felde weilt, ist der eigentliche Leiter der Rezierungsgeichäfte Dr. Del brück. Der preußische Minister des Innern Herr v. Loebell ist gleichfalls in Berlin geblieben, ebenio Unterstautsjekretär Wah »schaff«, der für die Verbindung zwischen dem Reichskanzler und den Berliner Regierungsstellen sorgen soll. Mit dem Staatssekretär des Auswärtigen, Herrn v. Iagow. weilen u. a. auch der Gesandte v. Stumm und Geh. Legationsrat v. Radowitz im Großen Hiupt- quartier. In Berlin leitet die Geichäste des Aus wärtigen Amtes U^terstaatssekretär Zimmer mann; mit ihm sind u. a. Gesandter v. Wedel und Wirk!. Geh. Rat Ha man in Berlin zurück geblieben. Mehrere Mitglieder des d'pbnnatuchen Korps sind in Vertretung zum Dienst in das Aus wärtig« Amt berufen worden. * Einer Meldung aus Mailand zufolge hat die englisch« Regierung ein für die norwegische Regierung gebautes Kriegsschiff in Beichlag genommen. * In Osnabrück passierte gestern ein Trans portzug mit 1200 gefangenen Belgiern, darunter sehr vielen Frauen und Zivilpersonen, die als Franktireure gefangengenommen worden sind. S. Aus Koburg wird dem „Berl. Lok.-Anz." ge meldet: Der hiesige Stadtcberpfarrer Kükenthal, ein bedeutender wissenschaftlicher Botaniker, der studienhalber mit zwei deutschen Gelehrten seit An fang Juli aus Korsika weilte, ist seit fünf zehn Tagen verschwunden. Vermutlich ge riet er in Gefangenschaft. 1- Pius X. Rom, ro. August. Papst Piu» X. ist heute nacht 1 Uhr 20 Min. gestorben. * Nach einem elfjährigen Pontifikat ist Papst Pius X., der Nachfolger Leos XIII., von der Regierung der katholischen Kirche durch den Tod abberufen worden. Seine Regierungszeit war, verglichen mit der seiner beiden letzten Vor gänger, des streitbaren Pro nono, der von 1846 bis 1878 die Geschicke der römischen Kirche leitete, und des Diplomaten Leo XIII., der ebenfalls volle 25 Jahre, von 1878 bis 1903, den Stuhl Petri innehatte, recht kurz, wohl aber voll von Ereignissen, die für die Weiter entwicklung des Papsttums und der katholischen Kirche — soweit man bei diesen tausendlährigen Institutionen noch von Entwicklung überhaupt reden kann — bedeutsam waren. Papst PiusX. ist dem Neuerergeist, der seit Jahren still nnd geschäftig der katholischen Theologie den An schluß an die Wissenschaft zu sick-ern trachtete, mit aller Schärfe entgegcngetreten. Die Unter drückung des „Modernismus" betrachtete er als seine Lebensaufgabe. Als „Verteidiger der Kirck-e" wird ihn die katholische Welt rühmen; die objektive Geschichtsschreibung aber wird nicht »versehen, daß er durch seinen Kampf die Ver- tarrung des Kirchenglaubens gefördert und viele trebende Geister der katholischen Kirche ent- remdet hat. Pius X., mit Familiennamen Giuseppe Sarto, wurde am 2. Juni 1835 in Riese, einem kleinen Städtchen in der Provinz Treviso, geboren. In den bischöflichen Seminaren zu Treviso und Pa dua studierte er Theologie, wurde 1858 zum Priester geweiht und, nachdem er in verschiedenen kleineren Orten Venetiens als Pfarrer gewirkt hatte, 1875 zum Domherrn und Superior des Pricsterseminars in Treviso ernannt. Im Jahre 1880 lehnte er die ihm angebotene Erhebung zum Bischof von Treviso ab, nahm aber 1884 auf Be fehl Leos XIII. die Würde eines Bischofs von Mantua an. Am 12. Juni 1893 wurde er zum Kardinal und drei Tage darauf zum Patriarck)«n tenden Gedankn neu belebt, lebhaft im Sessel auf. Was hinderte ihn, zu Ruth zu gehen, jetzt auf der Stelle, und die alten freundlichen Bande von neuem zu knüpfen? Mit einem Entschluß sprang er plötzlich auf: Ja, es sollte geschehen und ohne Verzug! Er wollte das frohe, hoffnungsvolle Gefühl, das da eben in ihm aufzuspriehen begann, nicht erst wieder in zergrübelndem Nachdenken zerpflücken, und schnell griff er nach Hut und Stock, den Gedanken zur Tat zu mack-en. 21. Holten hatte den Weg aus dem Westen in den südlichen Stadtteil, wo er aus dem Adreß buch Ruths Wohnung festgestellt hatte, zu Fuß zurückgelegt, dem gewundenen Laus des Land- wehrkanals folgend. Er liebte diesen, für welt- städtische Verhältnisse stillen Weg, die Prome nade, unter den schattigen alten Bäumen, die jetzt im bunten Kleide des Spätherbstes prangten. Auf dem schwarzen, schwerflüssigen Wasserspiegel drunten schwamm schon so manches gelbe Blatt, aber noch ließ der warme leuchtende Himmel den Gedanken an das große Sterbe« nicht auf kommen. Vor dem frisch dahinschreitcnden, aber dock- all die feinen Stunmnngsrcize des anmutigen Stadtbildes aufmerksam in sich ausnehmenden Fußgänger tauchte jetzt bei der letzten Biegung des Kanals die Brücke am Halleschen Tor mit ihren weißen Marmorstatuen und die massigen Monumentalgebäudc zur Linken auf, die Wahr zeichen der neuen Gegend, in die er hier eintrat. Er kam nur selten in dieses Viertel, nur, wenn er einmal die Gräber der Seinen draußen auf den Friedhöfen an der Hasenheide aufsuchte, und jedesmal von neuem hatte er dann das Gefühl, daß er hier gewissermaßen in eine Stadt für sich, in seine Vaterstadt eintrat. In der Tat sah cs auch äußerlich so aus, wenn sich — wie jetzt wieder — seinem Auge der schmale, torweg förmige Zugang zur Blücherstraße darbot, rechts und links von den Manern der dieses Viertel begrenzenden Häuserreihen flankiert. Da flog der Blick durch den Zugang hinein in diesen Stadtteil, der seine Kindheit und Jugend gesel-en nnd daher mit ihm innerlich verwachsen war — über den Platz am Johannestisch, den jetzt die prächtige Hciligkrcuzftrct-e mit rotgolden in den Abendhimmel leuchtenden Spitzturm friedvoll schirmte, anstatt der schmucklosen Kapelle, di« ihn Donnerstag, 20. Lluguv 1914. von Venedig ernannt. Die italienisch« Regie rung erkannte ihn erst nach einiger Zeit an; er aber stellte sich mit den italienischen Behörden auf guten Fuß und trat auch mit dem König Humbert bei dessen Besuchen in Venedig in offi ziellen und persönlichen Verkehr. Nach dem Tode Leos XIII. wurde er am 4. August 1903 zum Papst gewählt und am 10. August desselben Jahres gekrönt. In der ersten Zeit ließ es der neue Papst nicht an Kundgebungen fehlen, die den Schluß zuließen, daß sein Wille ganz und gar auf das rein religiöse Gebiet gerichtet sei. Immerhin beeilte er sich, um einer falschen Deutung seiner Versöhnlichkeit vorzubeugen, den Anspruch auf den Kirchenstaat feierlich zu erneuern. Das hin derte nicht, daß er das Verbot, wonach die gläu bigen Katholiken gehalten waren, die Beteili gung an den Kammerwahlen abzulehnen, still schweigend fallen ließ. Ueberhaupt zeigte er verschiedentlich der italienischen Regierung seine Geneigtheit, Schwierigkeiten und Verschärfungen zu vermeiden. Zu seinen Verdiensten rechnet man eine Reihe von Maßnahmen zur Regelung der Geschäfte des Vatikans, des Finanzwesens, der päpstlichen Gerichtsbehörden usw. Es wird darüber gestritten, ob Papst Pius X., wenn er andere Berater gehabt hätte, die an fänglich eingeschlagene Richtung verlassen hätte. Tatsache ist, daß er alsbald einen jüngeren Wür denträger, Merry del Val, Sohn eines spanischen Botschaftsrates in London, als Staatssekretär heranzog, einen außerordentlich rührigen Geist, und ihm einen großen Einfluß einräumte. Das tat er, wie es hieß, weil ihm persönlich die diplomatischen Geschäfte nicht gut von der Hand gingen und ihm die französische Sprache nur mangelhaft geläufig war. Und Merry del Val wurde ihm unentbehrlich. Eine unheimliche Macht, so versichern die Kenner des Vatikans, sammelte sich in diesem Vertrauten des Papstes. Er war es, der unter Ausschaltung Rampollas und seiner Partei die päpstliche Po litik bestimmte, einerlei, ob es sich um Frank reich, Deutschland, Spanien, Portugal oder einen andern Staat handelte. Er trieb es, als Frank reich sich 1906 zur Trennung von Staat und Kirche anschickte, zum offenen Bruch, ohne doch dort, wie später in Portugal, den Gang der Dinge aufhalten zu können. Das Verdam mungsurteil des Papstes änderte nichts. Das katholische Frankreich ordnete das Kirchenwesen, wie es die Regierung wollte, und der Wider spruch Roms verhallte. Diese üble Erfahrung machte den Papst je doch keineswegs an seinem Ratgeber irre. Der Jesuitismus sah in dem Beispiel Frankreichs zunächst nichts anderes als ein Stück „Frei maurerpolitik", aber es lag doch nahe, darüber hinaus dem Geist der Unbotmäßigkeit nachzu spüren. Was wunder, wenn schließlich die deut sche Reformation als der Ursprung alles Uebels erkannt wurde! Und Papst Pius X. beschloß, jeder weiteren Erschütterung der katholischen Kirchenlehve von Grund aus vorzubeugen. Der Kampf gegen den „Modernismus" wurde aus genommen. Die „Reinheit der Lehre" sollte gesichert werden durch die Ausrottung jedes Kei mes eines Zweifels. Der „Reformkatholizis mus", wie er in Deutschland namentlich durch Prof. Schell, Fr. L. Kraus, Schnitzer und andere gepflegt und betrieben wurde, sollte durch den neuen Syllabus, der 65 Irrlehren der liberalen Theologie aufzählte und verurteilte, endgültig niedergeschlagen werden. Es ist kein Zweifel, daß dieses Stück Lebensarbeit des Papstes nickst umsonst gewesen ist, wenigstens fürs erste nicht. Es lebte kein Döllinger mehr. Scheu zogen sich die meisten Verkünder der wissenschaftlichen Freiheit zurück nnd ließen die Enzyklika Pasccnoi vom 8. September 1907 SvdrvidML8vdiooo ' I »rbdiinäer u. Lokiepa; iere, Vrimmal^eko ^tr. 24 einst als Kind allsonntäglich mit traulichem Glockenrus geladen hatte. Verklärt vom warmen Goldhanch der Herbstsonne lag das altvertraute Bild vor ihm, weithin konnte er die Perspektiven der Straße bis fern zum blauen Himmel hin verfolgen, den Weg, den sein Fuß vieltauscndmal gewandelt war, zur Schule und später zur Uni versität. Es mochte an der weichen Stimmung liegen, die Holten heute beherrschte, jedenfalls fühlte er sich diesmal ganz besonders bewegt von dem Anblick dieser Stätten seiner Jugend, und un willkürlich bog er an der Kirche links ab, den kleinen Umweg nach der Stelle zu machen, wo sein Vaterhaus gestanden hatte. Mit verlang samten Schritten ging er nun durch die abge legenen kleinen Straßen, die Blicke um sick schickend. Aeußerlich noch das alte Bild, die grauen, schmucklosen Häuser, fast alle noch die selben wie zu seiner Zeit, nur drei Jahrzehnte älter und etwas grauer geworden. Er kannte jedes einzelne von ihnen, knüpften sich doch an jedes hundertfältige Erinnerungen. Hier gleich rechts die drei — im Bolksmund der Gegend hießen sic die „Volkmännschen" — genossen da mals einen üblen Ruf. Allerhand kleine Leute, ja lickstschenes Gesindel hatte dazumal dort seinen Unterschlupf, und er und seine Kameraden hatten mit dem schulpflichtigen Nachwuchs dieses dunk len Geschlechts, den verrufenen „Volkmännschen", manch abenteuerlichen Strauß zu bestehen ge habt. Es war ihm immer etwas beklommen zu mute gewesen, wenn er sich einmal allein an diesen dunkel gähnenden Torsluren hatte vorbei schleichen müssen, wie etwa einst zur Zeit des Faustrechts dem Kaufmann, der auf entlegener Landstraße an einem verrufenen Raubncst vor über mußte. Wie dicht umsponnen von üppiger Romantik war überhaupt doch diese Knabenzeit gewesen! Da drüben hatte der erste Freund seiner Jugendtage gewohnt — wo mochte er heute weilen! — und hier im Laden, den da mals ein Milchgeschäft eingenommen hatte, da blonde, langzöpsige Mädel mit dem stolzen Gang, das der Gegenstand seine- ersten Schwärmens, seiner ersten Verse gewesen war! „Bon meiner Laute Saiten, soll dann so süß es gleiten, wie Nachtigallenschlag am Längcrgrab." Noch summten ihm die närrischen anphantasierten Verse im Ohr. Glückliche, selige Kinderzeit l tFortfetzuug der Morgenau-gab,.) s übe rn t »not beze rich daß nen keni als mit lasse m ä vom staal MV! Eim scheu mäu mun schm pro« ganz drin, über bewe Eine Stao Geist ziehe lete kirchl begle muni welch Wie von : langt deres nach stellui diesen mut s Pius modei Wie i Lehre dem ' Regie aus, , wie d reginv kamen Gewer des H leit al ner A worde: auch i sein, a angrif sahr n außer» lich vo an ein De freiere: dem R sah m Papstes ohne L bewegu sich gr um so von de Anhänj von d wartet, Politik Schach die n die i verlöre: sich die d wie er gungen nung d religiös, geschied Papst 1 Dreil baren ! über al Stunde rr. ! Meineid« am 8. A einem Z saß seit I verdat zusamme: geschoß i Belfort l haft nun Zelle he: geworfen über die daher im eine Mit einem ge er, M., s aussagen, dem durt Angeklag selbst sich Meineide M. zu b zu mache: dieses ihr befunden. Revtfi sei zu U> suchte Bei nur ein 8 Frag, koi nicht in 1 trage de, gericht in bei dem 1 zu verleit mittelbar zu einem Verbind»:
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