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Vene 2 Nr. 4S0. Morgen*Nusgadr. Leipziger Tageblatt. vonnerstag, 10. Septemver 1SI4 sich beim Generalkommando. Da er aber wegen der politischen Lage nicht direkt nach Durazro zurück- kehren wollte, wurde er in Kriegsgefangenschaft ge nommen, hat aber auf sein Ehrenwort hin Be wegungsfreiheit erhalten. „wie -rutsche Gefangene behan-elt werüen sollen!" Berlin, S. September. (Eigener Drahtbericht.) Der „Petit Parisien " hat eine Umfrage er« lassen, wie man die deutschen Gefangenen behandeln solle. Ein Maler Adolphe Billette erwidert darauf: „Man sollte die Gefangenen mit Schmutz bewerfen, man sollte sie hungern und dürsten lassen, bis ihnen die Zunge zum Halse heraushängt. Eine Reihe anderer Briefe legt Verwahrung dagegen ein, daß man den Ge fangenen in den Lagern eine zu grobe Be wegungsfreiheit lasse, das mühte geändert werden." Sentimentalen Deutschen sei dieser leidenschaft liche Ausbruch zu gefälliger Beachtung empzohlen. Vie Vum-Vum-Gejchosie, die in der von uns gestern abend wiedergepebenen Meldung des Wolff-Bureaus beschrieben wurden, würben am Mitnvochnachmittag im Auswärtigen Amte einer groben Anzahl von Vertretern der auswärtigen Presse — Amerikanern, Schweden, Holländern, Schweizern und Dänen — von einem Vertreter des Kriegsministeriums vorgelegt. Wetirr^ üer LanüesverräLer. Strasburg i. Elsa», 9. September. Der „Elfäisec" veröffentlicht in seiner heutigen Rümmer folgende Ertläruiig: „Beim Pekanntwerden der ersten Bruchstücke e'nes Leitartikels im „E cho d e P a r i s" vom 21. August d. I., unterzeichnet von dem bisherigen Abgeordneten Wetterlö, war ich geneigt, an eine Mystifikation zu glauben. Ich hielt es für aus geschlossen, dah ein deutsch er Abgeordneter zum Ueberläufer, zum Verräter seiner Wähler und seines Volkes werden tonnte. Auch Herrn Wetter!«', hielt ich trotz allem einer solchen Hand lungsweise nicht für fähig. Ich sehe mich jetzt schmerzlich enttäuscht. Es dürfte keinem Zweifel mehr unter liegen, daß der betreffende Artikel seiner Feder ent stammt. Herr Wetterlö hat damit in geradezu verbrecherischer Weise dem Programm der elsah - lothringischen Zentrumspartci zuwiderge handelt. Herr Wetterls hat sich damit des schwersten Verbrechens schuldig gemacht bezüglich der vor zwei Jahren der Fraktion des Landtages bestimmt ab gegebenen Versprechungen. Der Verwerflich keit seines Handelns scheint er sich bewußt gewesen zu sein, bezeichnet er sich doch selbst als ehemaligen Abgeordneten. Damit gibt er zu erkennen, daß er sich nicht mehr als Mitglied unserer Partei, nicht mehr als Vertreter einer Wählerschaft betrachtet, welche die Prinzipien der elsaß- lothringisihen Zentrumspartei zu den ihrigen ge macht hat. Indem Herr Wetters jede Gemeinschaft zur Partei und Fraktion selbst gelöst, hat er dieselbe der Notwendigkeit enthoben, ihn als Unwür dig e n a u s z u st o b e n. K. Haub, Vorsitzender der Zentrumsfraktion des Landtages." Die russischen Techniker in Mittweida. Dresden, 9. September. Die in den Tages zeitungen vielbesprochene Angelegenheit des Tech nikums Mittweida bedarf der Richtigstellung. Zur Zeit der Mobilmachung waren am Technikum 25bSchülerruisischerStaatsangehörig, keit vorhanden, von denen aber eine große Anzahl wegen der Schulferien Mittweida verlassen hatte. Von den in Sicherungshaft genommenen russischen Technikern war ein großer Teil wegen Unverdächtigkeit wieder entlassen worden. 14 von ihnen, ausschließlich Finnländer, Balten und Polen, baten, an dem Unterricht teilnehmen zu dürfen. Es ist ihnen dies mit Zustimmung der deutschen Techniker bis zum Schlüsse Les Halbjahres ttür 14 Tage) auch zugestanden worden, doch kam dieser Unterricht nicht zur Ausführung. Inzwischen sind auch die betreffenden 14 Techniker wieder in Sicherungshaft genommen worden, so daß gegenwärtig kein Schüler russizcher Staatsangehörigkeit mehr am Technikum ist. Eine Hoffnung Dr. Franks. Berlin, 9. September. cEig. Drahtbericht.) In einem Artikel über den gefallenen Dr. Frank, den sein Frattionskollege Dr. Südekum in der „Vofsi- fchen Zeitung" veröffentlicht, teilt er auch ein Stück aus einem Briefe mit, den Frank am 31. August, aus geschossen wurde, wie behauptet wird, von russi schen Studenten. Die schön st eBrückeLüttich» und di« meisten Brücken im Maastale wurden von den Belgiern in ganz zweckloser Weife selbst gesprengt. Unsere Truppen errichteten in kür zester Zeit Notbrücken. Zwischen Lüttich und Tirlemont, wo unsere Trup pe» in breiter Front sich vorwärtsbewegten, steht es bis auf wenige Stellen friedlich aus, als ob nie der Fuß eines Soldaten die Gegend betreten hätte. Nir gends hat man den Eindruck, als ob unsere Truppen ohne Not zerstört oder verbrannt hätten. Tirle mont selbst ist gänzlich unversehrt. Don Löwen ist lediglich derjenige Stadtteil ntcdcrge- brannt, in dem die heimtückischen Ueberfälle und an haltenden Straßcnkampfe slattgcfunden haben. Unsere Truppen selbst suchten zu retten, was zu retten war. In der Stadt Brüssel ist keinem menschlichen Wesen auch nur ein Haar gekrümmt worden. Das Eigentum der Bürger wird auf das peinlichste respektiert. Alle Requisitionen der Truppen wie alle Einkäufe der einzelnen Soldaten erfolgen gegen Barzahlung. Das große Industriebccken vonCharleroi ist so gut wie vollständig verschont geblieben; alle Fabriken und Werke sind intakt. In der weiteren Umgebung von Ma »beuge sind die großen Orte im wesentlichen unberührt. Dagegen sind Zer störungen in der näheren Umgebung, soweit sie im Bereich der Geschütze der Festung liegen, erheblich. An dieser Stelle schiebt Dr. Hclfferich ein, daß die bei Ausfällen aus Maubeugc gefangenen Eng länder übereinstimmend aussagtcn, daß sie ihre scharfe Munition aus einem in Mau- beuge eingerichteten Depot erhielten, wo bei zu beachten ist. daß das englische Gewehrkaliber nicht mit dem französischen identisch ist, die Munition also speziell für englische Truppen bcrcitgestellt war. Bei englischen Soldaten wurden große Mengen von D u m - D u m - G c s ch o ss c n vorgesunden. In die Gegend .zwischen Sambre und Maas kehrten, nachdem dort erbitterte Kämpfe statt gefunden hatten, die Bewohner zurück und über zeugten sich, daß der deutsche Soldat, solange man ihm nicht ans Leben geht, der friedlichste Mensch der ganzen Welt ist. Im Tal der Maas istDinant total zerstört worden, weil unsere Truppen nach friedlicher Kapitulation der Stadt und mehr tägigem Aufenthalt plötzlich von allen Seiten her von den Einwohnern beschaffen wurden. Aus dem gleichen Grunde mußte die Zerstörung eines großen Teils der Stadt Andenne erfolgen. Den meisten übrigen Orten des bevölkerten Maastales ist von den Schrecken des Krieges nichts i.nzumerkcn. Der Gesamteindruck ist, daß unsere Truppen nur dort zerstört haben, wo die bittere Notwendigkeit des Gefechtes es verlangte oder wo das Verhalten der Einwohnerschaft die schwersten Repressalien nötig machte. An zahlreichen Stellen ist klar ersichtlich, daß unsere Truppen gerade zu bemüht waren, die Zerstörung auf den notwen digen Umfang zu beschränken, und alles zu schonen, was geschont werden durfte. Eine der wichtigsten Aufgaben des deutschen Generalgouvernements wird sein, den Wirtschaftsbctrieb, die Landwirtschaft, die Industrie und das kaufmännische Gewerbe wieder in Gang zu bringen. Oesterreichs /idwehr russisch- serbischer Lügen. Wien, 9. September. Das Serbische Preß- Büro kann sich nicht genug tun in langen Ve- richien über angebliche siegreiche Kämpfe bei Schabatz, über einen eklatanten Sieg einer kleinen serbischen Armee über die österreichisch ungarischen Streitträfte, deren Zahl in jedem Berichte um mehr als das Doppelte oder Dreifache wächst, über Verluste der österreichisch ungarischen Armee, die in dem gleichen Ver hältnis von Bericht zu Bericht sich erhöhen, sowie über Ruhmestaten und die strategische Uebcrlegen- heit der serbischen Streitkräfte. Daran knüpft der phantasiereiche Verfasser dieser Kriegsberichte Be trachtungen, die darin gipfeln, daß auszer den schreck lichen Akten von Grausamkeiten nichts an die öster reichisch-ungarische Offensive in Serbien erinnere, daß Oesterreich-Ungarn alle Hoffnungen auf eine neue Offensive aufgegeben habe und daß nur noch Furcht vor einer serbischen Offensive in Wien herrsche. Da diese Meldungen über serbische Siege und deren Wirkungen offenbar nur zur Irreführung der öffentlichen Meinung im eigenen Lande und einem allerdings beschränkten Teile des Aus landes nicht ausreichen, verbreitet das Serbische Preß-Büro aus Risch Berichte über russische Sieg« von kaum geringer«! Bedeutung al» den- jenigen von Schabatz, die nicht nur die öiterreichisch- ungarische Armee, sondern das ganze Reich einer unausweichlichen Katastrophe entgegenführten. Die Glaubwürdigkeit dieser Berichterstattung wetteifert mit jener des russischen Generalstabes. der den ent- cheidenden Sieg der Armee Ausfenberg wischen Weichsel und Bug mit den Worten ver» ündet: „Der Rückzug der österreichisch-ungarischen Korps zwischen Weichsel und Bug hat sich mit enormen Verlusten vollzogen. Der Widerstand Les Feindes ist gebrochen." Bezeichnender als diese Verdrehung der Tatsachen ist der Umstand, daß die bekanntlich ohne Schwertstreich erfolgte Besetzung der offenen Stadt Lemberg von der Peters, burger Telegraphcnagentur in der Form gemeldet wird, daß der Generalissimus Großfürst Nikolai Nikolajewitsch für den General Niffki, der in einem glänzenoen Siege die Festun, Lemberg eingenommen habe, als Belohnung vom Zaren einen Oroen erbittet Die Russen und Serben vergessen, indem sie sich an eingebildeten Siegen berauschen, vollständig die ungeheuren Niederlagen und Berluste, die ihnen die österreichisch-ungarischen Truppen veigesügt baden; auch suchen sie vergeblich durch die den iffrerreichnch- nngarischen Truppen zuxeichuebcnen Scheuizlich- keile» diejenigen zu verdecken, die reguläre und irreguläre Serben an Leichen. Verwundeten, Aerzten und Anstalten des Nolen Kleines verübt haben, wo bei die Serben venchweiaen, daß. wenn Ortschaften von österreichffch-ungari chen Truppen niedergebrannt und Nichrlombattanten niedergemacht wurden, dies nur eine Srriie lür deren völkerrechiswioriges und barbarisches Verhallen war. So wenig ruisljche Kriegsberichte von den Siegen der vor Lublin stehenden Armeen Lantl uno Auffen- berg wissen, ebemo übersehen die Serben die Er folge der österreichisch-ungarischen Truppen an der serbischen und monte- nearrnrschen Grenze. Wie sehr man sich in Oesterreich llngarn vor der leiblichen Offensive fürchtet, davon gibt dre geurige Meldung Zeugnis, dasz 590» Serben bei einem Einbruchsversuch bei Mitrovitza gefangen genommen wurden, wobei noch nicht festgestellt ist, ob der Grund dieier minalückten serbischen Offensive in dem Mute der Verzweiflung oder dem Hunger der serbischen Truppen zu suchen isl. Wenn endlich der russische Generalstab erklärt, dass die Hungersnot in Oesterreich- Ungarn klar geworben sei. so vermöchten ihm viele Tausende rusjischerGefangener, die für die äußerst humane Behandlung, insbefondere für die ihnen zuteil werdende Verpflegung, nachdem sie tage lang Hunger gelitten hatten, täglich ihren Dank ausfprechen. leicht eines besseren zu belehren. Die Lebensmittelpreise sind in Oesierreich-Ungarn nicht nur nicht gestiegen, sondern vielmehr gesunken, was ganz erklärlich in. oa Oesterreich Ungarn in Friedens eiten verschiedene L e b e n s m i t t e l aus- führr, während gegenwärtig die Ausfuhr unter bunden ist. Zur endgültigen Zerstörung der krank hafter Phantasie entspringenden serbischen Sieges berichte über die Kämpfe bei Schabatz sei hier der authentische Bericht zitiert, weichen der Kriegs- berickfferffatter des „Pester Lloyd" mit Bewilligung des Korpskommandaiiteil Terstyanski über diese Kämpfe veröffentlicht. Nach diesem Berichte führten die österreichisch -Anggrizchen TrupptzN zwiichen oeip 11. und 14. August den Uebergang über die «ave aus, besetzten Schabatz nach heftigem Wider stande der Lr«pp«n nn» der-> Beoöl ter» ng »nd wiesen heftige Angriffe überlegener Kräfie auf Schabatz zuruck Am 19. August griffen die öster reichisch-ungarischen Truppen mit inzwischen über eine Pontonbrücke über die Save eingetiofsenen Verstärkungen wiederholt die Serben an, welche am 18. und 19 August zu einem fluchtartigen Rück zug gezwungen wurden, der nach Behauptung von Gefangenen dem Rückzüge der Türken bei Kumänowo glich. Am 19 August abends erreichten die österreichisch-ungarischen Truppen die Linie Vukosde— Zerovac. Am 20. August traf der aus höheren strate gischen Rücksichten ergangene Befehl zum Rück züge ein. denderArmeeliMinandant Terstyanski schweren Herzens ausiührtc. Das Gros der Truppen kehrte an das nördliche Ufer de, Save zurück. Klei nere Abteilungen wurden in Schabatz zurückgeiasseii, welches von weitaus überlegenen serbischen Kräften angegriffen wurde. 2n der Rächt zum 23 August wurde die Save abermals zum Entsätze der Schabatz verteidigenden Truppen überschritten, und es gelang, die die Stadt umzingelnden Serben mit einer Attacke z u r ü ckz u w e r f e n. Da es bei der damaligen Kriegslage wertlos gewesen wäre. Schabatz zu halten, kam abends der Befehl, auf das öiierreichisch-ungarische User der Save zu- rückzugehe». Der Befehl wurde in der Nacht und nm Morgen des nächsten Tages ausgeführr. Der durch den zwölftägigen Kamps erschöpfte Feind ver- suchte nicht, den Abzug zu stören. Nachdem der letzte Mann über die Pontonbrücke rurllckgekehrt war, wurde diese abgebrochen. Der Armeekommandant Terstyaniki dementierte energisch das Telegramm, wonach der Großfürst Nikola» Nikolajewitsch dem serbischen Thronfolger zu dem Stege von Schabatz gratulierte. Das Ergebnis der Schabatzer Offensive ist die 2iihmung des serbischen Heere», dessen gestriger erste» versuch, einen Einfall in österreichisch-unga rische» Gebiet zu machen, mit dem bekannten Miß erfolg endete. Neue Reuterlügen. Nachdem die lügenhaften Engländer mit ihren Meldungen vom Tode Kaiser Wilhelms nirgends Glauben gefunden haben, versuchen sie es, Nachrichten über den Tod des Kaisers Franz Joseph zu ver breiten: Wien, 9. September. (Meldung des Wiener Korr.-Büros.) Das Reutersche Büro verbreitet neuerlich das Gerücht vom Tode Kaiser Franz Josephs. Dies ist ein neuer Beweis, wie skrupellos die Nachrichtenbüros und die Presse der feindlichen Mächte Nachrichten verbreiten, deren Unrichtigkeit ihnen vollkommen bekannt ist. Es gibt noch genug Vertreter neutraler Staaten in Wien, die von der glänzenden Gesundheit des Kaisers sich täglich überzeugen können. Kaiser Fran- Joseph, der unermüdlich Negierungsgeschäfte besorgt und Audienzen erteilt, empfing gestern nach mittag den Grafen Berchtold in längerer Audienz. Russisches. Nach einer Kopenhagener Meldung aus Peters burg sollen 1 Million Soldaten in Wilna konzentriert sein. Sie würden durch Extrazüge an die Grenze befördert und sollen von dort nach Berlin marschieren. Wir möchten annehmen, daß sie bei dieser Ge legenheit einigen Aufenthalt haben und dann für die Dauer des Krieges wangsweise irgendwo festgesetzt werden. Uebriqens teilt der Zar den Wahn, der in der vorstehenden Petersburger Mel dung steckt, vermutlich nicht. Diesen Schluß legt wenigstens die nachstehende Meldung nahe: Berlin, 9. September. sEig. Drahtbe richt.) Von zuverlässiger Seite wird dem „Lokal- Anzeiger" berichtet: Als vor einigen Jahren ein deutscher Prinz dem Zaren einen Besuch abstattete, sagte er zu diesem nach einer Vorführung ver schiedener Regimenter: „Mit den Soldaten mußt du doch die Welt erobern können." Darauf der Zar mit der Hand vorm Munde, damit es die dabeistehenden Offiziere nicht hören konnten: „Keine Offiziere!" Der Prinz hatte diese Aeußerung sofort an eine amtliche deutsche Stelle weitergegeben. Um gerecht zu sein: Auch an russischen Mann schaften ist mancherlei auszusetzen. Einen neuen Beleg hierfür liefert nachstehend« Meldung: Breslau, 9. September. (W. T. B.) Die „Schlesische Korrespondenz" meldet aus Striegau: Zwei russische Kriegsgefangene gerieten mit einander in Streit, wobei das Messer eine ' Rolle' spielte. Einer 'vciTnD'nömTfh, daß-der andere an der Plünderung der Regl ement skass» beteUitzt war. Liu» Untersuchung, die von Bewachungsmannschaften vorgenommen wurde, förderte tatsächlich 19 900 -tt in russischem Papiergeld zutage. Auch die übrigen Kriegs- qxfangenen verfügten über reiche Geldmittel, die sie vor dem Kriege sicher nicht besessen hatten. Seltsam paßt dazu das Benehmen russischer Staatsangehöriger im neutralen Auslände. Man meldet uns weiter: Bern, 9. September. (E i g. Drahtbericht.) Aus der Promenade beleidigen noch hier weilende Russen und Russinnen öffent lich die Deutschen. Die schweizerische Presse verlangt hiergegen die strengsten Maßnahmen. Wir dürfen gewiß annehmcn, daß vor allem die deutsche Gesandtschaft in der Schweiz nach dem Rechten sehen wird. Kriegsgefangen. Aus München wird gemeldet: Der Privatjekretär des Fürsten von Albanien, Duncan Armstrong, ist in München in Kriegsgefangenschaft genommen worden, weil er englischer H a u p t m a n n ist. Er hatte die Kinder des Fürsten non Albanien bis nach Wien begleitet nnd hatte in Durazzo einen Eeleitbrief bis nach München erhalten Er meldete veutsOe Männer. 25f Geschichtlicher Roman von Wilhelm Jensen. Doch mehr Zeit hatte ec für die beiden nicht übrig, rief einem gleichfalls wachqcwordcnen her- beikommendcu Rinmcisler zu: „Man soll Alarm schlagen!" und begab sich in den Saal des Gast hofs hinunter. Hier standen binnen kurzem seine Offiziere begrisslos um ihn versammelt, und ge waltsam ein Beben seiner Stimme bezwingend, sprach er zu ihnen: „Zn Berlin ist Nachricht eingetrofsen, der Bizckonig Engen Beauharnais von Italien hat den ErMrzog Johann in Un. garn besiegt und seine Armee mit der Napoleons vereinigt. Der französische Kaiser ist wieder über die Donau gegangen nnd hat das Heer des Erz herzogs Karl in einer Schlacht bei Wagram voll- ständig vernichtet. Was das besagt, versteht ihr. Unfern Weg nach Kassel ,o.tzusetzcil, wäre blin der Wahnsinn, ein Regiment kann nicht gegen Hnndcrttauscnde kämpfen, würde bis auf den letzten Mann zwecklos hingcvpsect. Wir müssen über die Eibe zurück nnd vcrsuclien, uns zu retten. Die preußische Grenze dürfen wir nicht überschreiten, damit wir unserm Staat nicht Un heil bringen; man muß uns in Berlin ver leugnen tonnen. Ich führe euch nach Mecklen burg, wenn es noch möglich, an die Ostsee zu kommen. Bei ihr allein ist Hilfe — vielleicht — eine andre gibt's nicht." Die Stimme Ferdinands von Schill war ivanNos fest geworden: mit klarer Einsicht hatte er das einzig noch Gemiedene erkannt und blitz, schnell seinen Entschluß gefaßt. In dumpfem Schweigen vernahmen die Hörer von der unge heuren Umwandlung der Kriegslage in Oester reich; mcmand sprach ein Wort, wenn Schill den Weiterritt nach Kassel unmöglich und irr. sinnig benannte, jo war cr'S. Freunde in Ber- lin hatten ihm den Boten auf Leben oder Tod nachgeschickt, ihn noch rechtzeitig ausznjind.n, zu schleunigster Umkehr zu veranlassen; cs konnte sich um eine Stunde handeln, vielleicht um Mi nuten. Der Kaiser Franz war von den Zeichcn- deulcrn in der Wiener Hofburg übel beraten worden, Spanien bildete wohl ein Wund geschwür, das an Frankreich nagte, doch mit rich tiger Schätzung halte der Kaiser Napoleon sich zunächst nicht weiter darum bekümmert, sondern sich mit der ganzen Wucht feiner Energie und Hecrkrast sturmgeschwind auf den Gegner ge worfen, der das auf ihm lastende Joch zerbrechen zu können geglaubt. Der Mißerfolg bei Aspern war nur ein bedeutungsloses Vorspiel der Tra gödie von Wagram gewesen, mächtiger denn fc zuvor, als Alleinherrscher in fast ganz Europa stand der Imperator an der Donau. Draußen auf dem Marktplatz, den Straßen von Halle dröhnten die Trommeln, schmetterte der Weckruf der Trompeten. Die Husaren fuhren aus dem Schlaf, sattelten eilfertig ihre Pferde und reihten sich, wie'S ihnen am Abend für den Morgen oorgcschrieben worden, unter den Türmen der Marienkirche auf. Nur ein halbes Dutzend von Kicnfackcln warf da und dort rote Streifen ins Dunkel hinein; auch ein Teil der Stadtbewohner, doch kein beträchtlicher, statte die Betten verlassen und bildete am Häujerrand einen neugierig gaffenden Zuschaucrkrcis. In vollendeter Ordnung ohne Gelärm vollzog sich die Aufstellung des Regiments, lautlos erschien Ferdinand Schill mit den Offizieren und er teilte kurzen Befehl zum Abmarsch. Von den Soldaten und den Hallekchen Bürgern ahnte keiner, was sich während der Nacht zugetragcn, alle waren überzeugt, es gehe weiter ans Kassel zu. Lorenz Falke und seine Tochter allein wuß- len, ein Rückzug sei's, ringsum von lauerndem Raubgctier gleichenden Gefahren umgeben; den beiden mit der Hand zuwinkend, sprach Schill als letztes: „Will'» da- Schicksal, so khr' ich noch einmal wieder bei euch ein." Daun setzte die Reiterschar sich in Bewegung, übers Stein pflaster dröhnte das Hufgetrappel, lichtlose Fin sternis verschlang die Davouziehendcn, und laut ausschluchzcnd griff Ebergard nach dem Arm ihres Vaters, sich an ihm zu halten. Seltsame Wandlung war mit ihr vorgegangcn; wer sie zuletzt in il^rer Movelracht an dem Abend ge sehen, als Achill mit Hans Gibich und Joseph Eichendorfs am Gartentisch der Wirtschaft zum Gibichenstein gesessen, hätte sie nicht wieder er kannt. Das kleine Korps mußte an Magdeburg vor über, das nicht in die Hände des Hauptmanns von Kalte gefallen war, ein zur Mitwisserschaft gelangter deutscher Bürger der Stadt statte den tteberrumpeluugsptan für hohen Lohn verraten. Doch auch hier besaß man schon Knude vom Ausgang der Schlacht bei Wagram, wie von der Umkehr der Schillschen Husaren, und ein Teil der Festungsbejatzung erhielt Befehl, ihnen rasch den Rückweg zu versperren. Aber bei dem Dörfchen Dodendorf erzwangen sich die Reiter, einem Wettersturm gleich gegen die dreifache llcbcrzahl ansprengcnd, den Durchlaß und jag. ten in die Altmark hinauf. Die brachte Uner- wartetest ein Zusammentreffen mit einem Jäger bataillon, das, Schilt gleichfalls unterstehend, ihm von Berkin I)ee nachmarschiert war; so dumpfjiniug.seige die bürgerliche Bevölkerung des Königreichs Wesisalen sich widerstandslos der französischen Gewaltherrschaft unterwarf, so un. bezwinglich loderte in der Mehrheit der preu ßischen Truppen ein Drang, gegen das strenge Verbot ihres obersten Ariegslierrn die namen. lose Schande von Jena und Tilsit wettzumaclxn. Durch die Verstärkung fast Schill sich instand gesetzt, m jähem Anlauf die Elbbrücke bet dem mecklenburgisclicn Städtchen Dömitz übcrkreu- zend, den kleinen befestigten Ort cmzunehmcn, seinen Leuten und Pferden dort einen dringend nötigen Rastanfenthatt zu gewähren. Bei Wit tenberge hätte er näher über den Fluß gelangen können, doch er hatte sich unverbrüchlich vorge setzt, unter keinen Umständen, auch nicht in der äußersten Not, die preußische Grenze zu über schreiten. Der innerste Kern seines Wesens, ein ehernes Pflichtgefühl hieß ihn, für das, was er auf eigene Hand und Kops unternommen, keinerlei Verantwortung auf seinen in Fesseln geschmiedeten Staat zu laden. 7. Ebenso wie seit Jahren saß auch zu dieser Zeit der Bibliotheksaufseher Jakob Grimm, von Büchern umgcbcn, in seiner kleinen Studierstube zu Kassel, «ein Einkommen war nur gering, und die ihm durch Vermittlung Johannes von Müllers eröffnete Aussicht, atü Rcchtsgelehrter zum Siaatsratsauditor befördert zu werden, er freute ihn, da diese Stellung ihm reichlichere Mittel zur Anschaffung von literarischen Wer ken auf dem Gebiet seiner deutschen Sprach wissenschaft verhieß; für sein persönliches Lebens bedürfnis ließ ihn die Gehaltsverbesserung durch aus gleichgültig. Ab und zu vernahm er dies und )cnes von den draußen in der Welt sich zutragendcn Vorgängen, doch mit der nämlichen achtlosen Gleichgültigkeit. Dinge waren'S, die kamen und vergingen, Geschehnisse ohne Be. dcutung für den Fortschritt menschlicher Er kenntnis; wem nicht Bernsspflicht auferlegte, am Wechsel der politischen Gestaltungen teilzuneh. men, der handelte nach weiser Einsicht, keine wertvolle Zeit an sie zu vergeuden, sich nicht um das zu bekümmern, woran er nicht- zu ändern vermochte. Seine Lebensaufgabe stand vor ihm und mit ihr die Kürze des Daseins, das dem einzelnen zur Erreichung seines Zieles von der Nalur vergönnt war; diese Unabwend barkeit trieb zu unterlaßloscr ArbeitstLtigkeit. lForrzetzung in der Abendausgabe.)