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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.11.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141111020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914111102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914111102
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-11
- Tag 1914-11-11
-
Monat
1914-11
-
Jahr
1914
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veur 2. Nr. S74. Nvenü»No«gade. Leipziger Logedlau. Anarchie in Albanien. Mailand, 11. November. Einer Meldung der „Unione" aus skutari zufolge hat die Inter nationale Kontrollkommission für Albanien ihre Tätigkeit so gut wie ein gestellt. Seit zwei Monaten sei die Kommission nicht mehr zujaininengetrcien, «andern verkehre nur schriftlich, da die Mitglieder der Tripel- entente sich weigern, mit den Ner- tretcrn des Dreibundes weiter- zuarbeitei«. Infolgedessen herrsche in Albanien vollständige Anarchie, jeder Distrikt habe seinen eigenen Fürsten ausgerusen. so das? zurzeit acht albanische ..Fürsten" existierten. Essad Pascha wird nur im Küstengebiet an erkannt, während südlich von Palana der König von Griechenland als Herrscher Albaniens ausgerusen sei. Vie Zeigen -es Krieges für Manchester. Amsterdam, 11. November. (E i g. Draht der.) Di« Zeitung „Guardian" in Manchester schreibt in ihrer Nummer vom 5. November, berg der Fabri kantenverband in Manchester für die Baumwoll industrie und die Appr?turwerkstätten die -Stillegung von weiteren 33 Prozent Betrieben zum 1. Dezember beschlossen hat. Ein ,Uianenstü<kchen", ausgeführt von einem -eut-chen Kriegsschiff. Unter dieser Tpitzmarlc schreibt die „La-Plata Post": Einem aus Nordamerika hier angekommenen Prioatbriefe, den ein zur Bemannung des argen tinischen Niesenpanzerschines „Rivadavia" gehöriger Maat geschrieben bat. entnehmen wir, daß ein deutscher Kreuzer, dessen Namen wir nicht nennen wollen, am 7. v. M. in den Hasen von Porto Nico einlief, obgleich ein französisches und englisches Kriegsschiff dies zu hindern suchten, Kohlen und Oel lud, in zehn Stunden damit fertig war, obgleich cs 1300 Tonnen Steinkohlen und 1.D Fast Oel gewesen sein sollen, und abends um 7^, Uhr wieder auslies. Drausten in der Bucht warteten nicht nur zwei, sondern vier feindliche Kriegsschiffe. Das deutsche Kriegsschiff kam nach kurzem Feuergcfecht dank seiner grasten Geschwindigkeit glücklich durch, lief den Hafen von Barbados an, hißte auf dieser englischen Besitzung die deutsche Flagge, nahm so viel Kohlen und Lebensmittel mit, als es möglich war. und setzte die übrigen dort lagernden Steinkohlen in Brand. Vorher hatte der deutsche Kreuzer zwei englische Kausfahrleischisfc in den Grund gebohrt: die Bemannung setzte er im nächsten Hafen an Lano. Eiferne kreuze. Mit dem Eisernen Kreuz wurden ferner ausge zeichnet: der Oberstleutnant und Kommandeur des Ncserve-Feldartillcric-Regimcnts 21 Ernst Bloch mann (1. Klasse), der Sohn des im Ruhestands lebendrn Kirchenrats O. Blochmann, der Unteroffi zier der Reserve der banr. Feldartillerie Cand. rer. tcchn. Hans Thiede mann, der Schnellfahrer beim Stabe der 26. Brigade Bruno Thierbach, Mitglied des A. D. A. C., der Gefreite der Reserve im Infanterie-Regiment 177 Paul Vogel, der Fähnrich im Infanterie-Negiment 178 Hans Walger, der Leutnant der Referv; in einem Ne- serve-Infanterie-N:giment Felix Oehme, Mit inhaber der Cpezialfabrik elektrischer Maschinen, vormals Albert Ebert, der Feldwebel im Fust- artilleric-Regiment 19 Fritz Eisenreich, d:r Feldwebel im Neservr-Grenadier-Negiment 100 Ewald Voigt, srühcr aktiv im Grenadier-Re giment 101, sämtlich aus Dresden, der Oberleutnant der Landwehr und Führer der 5. Ersatz-Batterie des Fustartill.-Rcgts. 12 An ton Ernst Verma nn, Fürst!. Hohenzollernscher Oberförster, der Stabsarzt im Reserve-Infanterie-Neglinent 102 Dr. Ullrich aus Langebrück, der Vorsitzende des Allgemeinen Mietbewohner-Dcrcins Oberpostassistcnt I. Herr mann in Dresden, der Leutnant der Reserve im Infanterie-Negiment 178 Dr. phil. Martin Rosenmüller. Mitinhaber und Sohn des kürz lich verstorbenen Gründers der Firma Georg Nosen- miillcr, Optisch mechanisches Institut in Dresden, der Bataillonskommandeur im Schützen-Regiment 108 Major von Einsiedel, Sohn des Kammerherrn und Rittmeisters a. D. von Einsiedel, der sich 1870 das Eiserne Kreuz erwarb, der Soldat im Infanterie- Negiment 178 Willi, Günther aus Wehlen, der Oberleutnant und Batteriesührer Karl Jentsch, Schwiegersohn des Bürgermeisters Sckaale in Stadt Wehlen, der Leutnant der Reserve im Infanterie- Regiment 143 Huschle, Forstassessor in Tambach, sein Bruder, der Leutnant und Adjutant Hans Huschle, Führer der leichten Telesunkenstation 19, Söhne des Amtsgerichtsrats Huschte in Gotha, der Oberleutnant Walter Besser-Plauen suntcr gleichzeitiger Beförderung zum Rittmeister), der Leutnant der Landwehr Realgnmnasiallehrer Dr. phil. N e i n h o l d B a lt ma n n in Plauen, der Bizewachtmeister Oskar Hartenstein, Sohn des Stadtrats Kommerzienrats Leopold Oskar Har tenstein-Plauen. Weitere Meldungen. * Der belgische Gesandte in Kon stantiuovel erhielt seine Päsie zugestellt und reiste am Dienstag ab. Die Vereinigten Staaten ver treten die belgischen Interessen. Kriegsbrl-er aus Gstk^n. P.m Paul Lindenberg, Kriegsberich'eritatter.*) lNachdrnck verboten.) XVIII Alarm! Es liegt was in der Lufl, so etwas Unbestimmtes, Unheimliches! Allerhand Gerüchte schwirren von Mund zu Mund, von blutigen Zusammenstösten an der nahen Grenze, von russischen Versuchen aber maligen Durchbruchs, von unseren Verlusten und neuen Verstärkungen, die sehnlichst erwartet werden. Der neblige Abend sintt nach einem trüben Tage schwer hernieder, umhüllt mit seinem melancholischen Schleier die kleine ostpreußische Stadt, in der das bürgerliche Leben völlig durch das militärische ersetzt ward. Jetzt aber ebbt auch dieses von den Strasten zurück in die Häuser, ist's doch gleich neun Uhr, und horch, da ertönen auch schon von der Kaserne die wohlbekannten Trompctcuweiscn: „Die Schützen steh n em Schützengraben, sic wollen gerne Pulver haben", welcher Text übrigens den mannigfachsten Umwandlungen unterworfen ist. Einsam ist's auf den Gassen geworden nur die Schritte einzelner Patrouillen klappern auf dem Pflaster, ein paar in ihre Mäntel gehüllte Offiziere treten aus dem einen Hotel, das, da der Besitzer geflüchtet ist, von der Militärbehörde beschlagnahmt wurde und verwaltet wird. Einige Abschiedsworte, ein schneller Grust, dann sind die Gestalten verschwun den in dem grauen, dunstigen Meer, aus dem die Laternenflammen wie winzige Glühwürmchen her ausleuchten. Aus wenigen Fenstern nur schimmert Licht, früh beginnt für die in Bürgerquartieren liegenden Sol daten der Morgen, früh die Nacht. Diesmal aber ist der Schlaf vieler der ermüdeten Landwehrmänner unruhig: wird's Alarm geben, wird man die Trom mel hören, was ist eigentlich los, wohin soll's gehen, wird's vielleicht der letzte Gang sein? So mancher wälzt sich auf der Matratze oder dem Strohlager hin und her, wacht auf, lauscht, nein, nichts zu hören. Jetzt aber schnelle Schritte auf der knarrenden Holztreppe, erst ein verhauenes, dann ein kräftigeres Klopfen an der Flurtür. Schon wird geöffnet, hu schelnde Stimmen, die Schritte eilen miede'' hinunter, hallen unten weiter. „ Raus, Kinder, schnell! Alarm! In einer Vier telstunde auf dem Marktplatz bei der Post!" tönt's in die Stube hinein, die vier Landwehrmänner teilen. Die Trommel war nicht gerührt worden, um nicht die sowieso von neuer Nussenfurcht ergriffene Ein wohnerschaft noch mehr zu erschrecken; die Häuser sind ja offen, die Flure beleuchtet, man weist, wo die Mannschaften wohnen, das geht schneller, als wenn erst das Kalbfell geschlagen wird. An dem Versammlungsort geht der Leutnant be reits ungeduldig auf und ab; den Kragen hat er bis über die Ohren hochgeschlagen, die Hände in die Manteltaschen vergraben. Denkt an das eben ver lassene warme Zimmer, denkt nach Hause an Frau und Kind, denkt vor allem, ob auch keiner von seinem Zuge fehlen wird. Die Leute hasten vorbei, das Gewehr über die ^) Der Verfasser hatte zehn Tage an einem heftigen Fieberanfall gelitten. Schuller gehängt, den Tornister auf dem Rücken, stellen sich von selbst in Rech und Glied, plaudern leise, stapfen von einem Fust auf den anderen. Kein Wort des Verdrusses oder Unwillens, man ist eben Soldat, Dienst ist Dienst und Krieg ist Krieg. Der Feldwebel erstattet secne Meldung, dast alle zur Stelle sind, ihrer hundert und etliche Mann. Der Leutnant zieht nochmals di« Karte hervor, lässt di: am Mantel befestigte elektrische Lampe aufblinlen, verfolgt den Weg, ven sie einzuschlagen Haven, um, laut Befehl, die in der Nomintener Haide unwert des Kaiser!ici)en Iagd.chlvsses gelegen« OberfiKsterei zu besetzen. Dann zieht er die Ubr hervor, Mitter nacht, drei Stunden rechnet er oen Marsch: „Na, hoffentlich gibt's dann einen guten Kaffee, falls nicht auch da alles ausgekratzt ist! „Hier rechter Flügel antreten!" erklärt der ver halten gegebene Befehl. „Zu vieren abzählen! Rechts schwenkt marsch! Eins, zwei, drei, vier, eins, zwei, drei, vier! Halt! Geradeaus!" Die kleine Truppe verschwindet im Schatten der Nacht. Aus Borposten! „Es zieht, zieht mächug!" sagte der Thüringer und troch noch mehr in seinen Mantel hinein. „steck den Kopp zwischen die Bee,re, da zicht's nich", entgegnete der VerUner, den Zigarrenstummel rn kühnem Dogen fortwerfcnd, dast die Funken sprühten. „Eigentlich, Wrrhclm", fuhr er sort — „Erich heiße rch", unterbrach ihn der Thüringer. „Ach wat, Er ch heisst überhaupt kecn vernünftiger Soldat nich", meinte der Berliner. Da wirst schon uf Wilhelm hören. Siehst du, als Wilhelm biet ick dir ne Zigarre an, als Erich nich. 2ka, worrrf hörst Le nu?" — Der Thüringer nahm lachend die Zigarre. „Säh, sah, was du gelehr.g bist, «neu« Sohne- ma«;ver egte der Becuner, „ja, et lommt nur auf die Methode au, hat jch-n rne.ir Lehrer gesagt. Ja, eigentlich Wilhelm, du hätl'st als schildk.öie uf de Welt kommen sollen: was, inuner so 'ne schöne d ck: Umhüllung, nu, und denn den Kopp 'rin, La siehst de nrscht, da suhlst Le «lischt und is immer hübsch mollig, und kost' jar nrscht!" „Run aber Ruhe", mahnte der Unteroffizier. „Vorwärts!" Dio fünf tappsten los, in die Dunkelheit hinein, an die sie sich erst gewöhnen mußten, nachdem sie lo cken noch in denr vehaaKch durchwärmten, von einer Petroleumlampe erleuchteten Z «niner des Gehöfts, in welchem ein kriegsstarker Zug Infanterie unter gebracht war, gesessen hatten. „Hopplah", ries lei e der Berliner, der über eine Vertiefung :n der russischen Chaussee gestolpert war. „hier lann man sogar im Finstern fallen!" — Mai« hatte zuerst die Chaussee benutzen können, bis zu den letzten Schützengräben, die sich zu beiden Seiten von ihr hinzogen. Die Jäger eines ost- preustischen Bataillons lagen dort: man bemerkte schemenhaft etwas, das wie ein Lzako aus'ah, ver nahm auch das leise Geräusch von Spatcnarbeit, da im Schutze der Nacht die Erdarbeiten fortgefetzr wurden. Nun musste man sich rechts halten, über die Felds: gehend, ein ein, in kleinen Abständen hintereinander, vorsichtiges Geräusch vermeidend. Es war recht kalt, der Wind seufzte und raschelte in den dürren Blättern der die Landstraße besäumenden Bäume, durch die dichten Wolken brachen nur ganz verstohlen die ein zelnen Mondstrahlen. Wie drohende, unheilbergcnde Linien schloffen den Horizont bewaldete Höhenzüge ab, auf denen die russisch: Artillerie Stellung ge nommen. Jetzt ging's durch ein kleines Gehölz. Jeder batte, ohn: besondere Aufforderung, schußbereit das Gewehr in der Hand. Zuweilen knackte ein dürrer Zweig unter den Tritten, dann blieb man stehen, lauschte, die Ohren suchten ein ungewohntes Geräusch zu erhaschen, di« Augen bohrten sich ordentlich in die Finsternis ein. Und nach einer kurzen und doch so langen Minute pirschte man sich weiter. Da plötzlich ein Huscheln und Rascheln, ein lautes Knicken im Gebüsch, wie angewurzelt stehen die Fünf, die Ge wehre hochgerissen nun ein leises, ganz leises Kichern, ein Häslein war aufgestöbert worden, sich in schleunigen Sätzen rettend. „Wilhelm, warum haben wir kein Salz mit genommen", flüsterte der Berliner, „da hätten «vir 'nen schönen Sonnlagsbraten gehabt!" — Das Wäldchen hatte man hinter sich, wieder breitet: sich eine Wiese aus. Einige hundert Schritt weiter, unmittelbar neben der Chaussee, stand eine Scheune, die zur Aufbewahrung des Heues benutzt werden mochte. Dort bemerkte man die Umrisse Mttlwoül, ll. November lSll. . einiger Gestalten, die mehr und mehr zu erkennen waren, jetzt auch die Helmformen. Mit «vcnigen gedämpften Worten begrüßte man sich, reichte den fünf recht verfrorenen Kameraden die gefüllten Feldflaschen, der Unteroffizier erfuhr, dast russische Vorposten etwa 400 Meter am linken Wal dessaum lägen, daß man annehmen könne, sie wühten nichts von der Anwesenheit dieses Postens hier: die russischen Schützengräben zögen sich mehr rechts hin, 300 Meter weiter rückwärts. Dann ein Händedruck, ein „Gott befohlen!" und Auf Wiedcrs.'hen!", schnell waren die Abgclösten verschwunden. Der Unteroffizier erliest seine knappen Anord nungen, dieser links, jener rechts vom Hause Ausguck ballend, bei stündlicher Ablösung, er mit den b:iioen anderen sich's möglichst bequem machend auf der etwas in die Erde gedrückten Strohschtcht, die eine Art Mulde bildete. Die Gewehre lagen griffbereit. Neben dem Unteroffizier stk'ckten sich der Thüringer und der Berliner aus. Letzterer brummelte immer vor sich hin, schien auch etwas an den Fingern abzu zählen. „Was hast' denn?" fragte ihn der Thüringer leise, um den sofort eingeschlafenen Unteroffizier nicht zu wecken. „'s ne verflixte Rechnerei", erwiderte der Ber liner ebenso leis.'. „Da hat mir einer voy der Tele- graphenabtcilung erzählt, dast ein Telegramm ge kommen, es sollten 750000 Mark Beulegelder unter uns verteilt werden, wie nach der Stacht bei Tannenberg. Nu rechne ich aus, was wir pro Nese erhalten. Willst de helfen?" „Gern."" „Also rechne!" „Ja .wirviele sind wir?" „Viele." „Wie vl:!e?" „Noch mehr!" Da legte sich der Thüringer aus die cin3c«e Seit« und versuchte auch zu schlafen. Der Morgen graute, der Thüringer und Berliner dielten Wache. Nichts zu sehen, nichts zu hören. Doch halt, tauchte da nicht in dem ungewißen Licht eine Gestalt auf, die sich von den Ruffen her der Scheune näherte? Der Berliner, der sie auf seiner Seite zuerst entdeckt, winkte dem Thüringer, zu ihm zu kommen, ihm mit Zeichen die äußerste Vorsicht an deutend. „Is doch ein Mensch, ein Russe?" fragte er kaum hörbar, denn man konnte jetzt schon die Uniform unterscheiden. Der Thüringer nickte. Der Berliner deutete ihm an. an der Mauer sieben zu bleiben, zeigte auf das Bajonett: er selbst kauerte nieder und lugte unten hervor. Der Russe kam achtlos näher, sein Gewehr über dem Rücken, er trug etwas in der einen Hand. Als er dicht an der Scheune war, schnellte der Berliner empor und umklammerte den Russen mit beiden Armen, während der Thüringer mit gefälltem Ee- webr dastand. Ein gurgelnder Laut nur ward hörbar, etwas klar verte auf dem Boden. Die anderen drei waren sofort aufgesprungen, die Gewehre in der Hand, der Russe, den nun der Ber liner von seiner Umklammerung losliest, fiel auf die Knie und hob bittend die Hände. „Wat der hübsch Litten kann, wie der Bär im Zoologischen", meinte der Berliner. ..Wat hat er denn da fallen gelassen, der Katschmarik?" Er nahin drei mit einem Riemen übereinander zusammen geschnallte blau emaillierte Estnäpfe auf, die warm waren. „I, so 'ne liebe Seele, bringt uns 'nen heißes Frühstück. Wat die Russen doch für Gemüts brüder sind, wußten wir noch gar nicht: fewist 'ne Gegengabe für unsere blauen Dohnen." Er schnallte vorsichtig die Behälter auseinander, der Duft einer Kohlsuppe verbreitete sich wohlgefällig, dann war noch ein Fleischgericht da und ein pastetenartiges Brotaebäck. „Wie kommt denn der Kerl mit den Sachen hierher?" fragte der Unteroffizier. „Nix deutsch?" wandte er sich an den Russen, der mit angstvoll auf gerissenen Augen, dast gespenstisch das Weiße leuchtete, die Feinde betrachtete. Er schüttelte den wusck'igen Kopf. ...Kalkuliere. Herr Unteroffizier, der Bruder Micserich hat sich verloofen. Wollte zu seinem Vor posten. einein Offizier das Essen bringen, von rück wärts, von der Fcldkückv, die zweirädrigen Dinger können ja bis in die Schützengräben hinein. Offizier. Svkreidmasvdmou Lkeriebiirz n tti-lmmaii-ob« 81r. 24. Toi. 12989. Um Königreich Daheim. tff Roman oon Ada von Gersdorff. „Still, — ho, ho, was ist denn? Still, Shir-Khan, alter Bursch, was ist denn'?" Der Hund liest einen Laut hören, halb knurren, halb Winseln, und drängte sieb dicht an Jarl, bei« deckende«: Zipfel des Mantels halb ängstlich, halb zornig ablchnttelnd, jetzt mit Ge walt sich stemmend gegen das Vonvärtc-schreiten, als das dumpfe Klopsen gegen die Schisfswaud wieder ertönte, wie rufend, Einlaß fordernd, aber so unterdrückt und unheimlich. Da glitt Tino in den Schatten laullos neben Jarl und wies nach der rechten Bordscite: „Dort", flüsterte er leise, als könne ihn jemand hören, „dort . . ." Jarl, mit gespannter Ansinerlsamieit hor chend, nicht ohne ein plötzliches Gefühl des Schreckens, wandte sich dorthin, von wo «nieder bas leise Pochen klang, das er jetzt jedoch deut- lich als das Anschlägen eines Gegenstandes, eine- Körpers empfand. Wie seltsam sich der Hund benahm, der sonst keine Furcht kannte, genau so, als graute ihm, — und er ging erst zögernd mit, als Jarl «hn am Halsband faßte. Tino stand schon daneben und beugte sich über Bord, alsbald mit einem erstickten Schrei zurück fahrend. Jetzt bog sich auch Jarl hinüber und starrte, lange, ungläubig, entsetzt hinab, sich immer mehr vorbeugend, als wolle er hinunter zu dem, was da so dumpf dringend Einlaß und Aufnahme fordernd gepocht l)attc. Dunkel gestreckt, eine (Gestalt, eine weiße Hand, ein weißes Hebiß dicht unter dem leise, leise sich regende,! Wasser spiegel, daß es schien, als recke er sich und wolle sich hoch ziehen, in die tageshelle Tternenna.l l empor. Jetzt ganz deutlich — ganz unverkennbar — — kam d-ie Kleidung in- Licht — die nackte Brust „Der Matrose. . ." stammelte Jarl ahnend, stieren Blickes, „dec — Matrose . . Der Matrose — — tot. — Wie lange schon tot?! — Lange genug, lange genug . . . Rhir Matrose, der atnziLe, der wußte, daß ans dem lnlslos preisgcgebenen Wrack noch Men schen znrnckblieben, d«c niemand außer ihm ge sehen hatte. Der Matrose, der versprach, alles zu melden, damit so schnell als möglich Entsatz, Erlösung kam, der Matrose, der nun tot war! Der in wilder Hast, in der Angst, auch zurückgelajscn zu werden, seinem Boote nach gesprungen war in der Sturmnacht, in dunkle Wasser und sich zerschellt hatte! Der Matrose — der tote Matrose ... der da unten lag — das stumme, bleiche Gesicht still lauernd nach oben gerichtet, als horchte er, ob sich da noch etwas rege bei den verlassenen Menschen . . . ? Mit gesenkter Stirn, in schwerem, kurzem Beten zu dem allmächtigen und allbarmhcrzigcn Vater ««««glücklicher Menschen stand Jarl. Die Leiche mußte gar nicht aus dem Klippen walde lnnauegcfunden haben und in den oft nadelspitzen.Korallen unsichtbar fcstgehalten tvoc- sein, nal>e bei dem Wrack, so nahe, daß weder Fisch und Bogel sie erblickt haben mochte. lind nach einer Weile glitt säst lautlos das kleine Kapiiänsboot inS Meer und legte sich langseits des Wracks. Eine kleine Weile arbei teten der Mann und der .Knabe, still, angestrengt, nur von einzelnen gedämpften Kvmmandorvorten unterbrochen, — — dann suchte sich die Jolle ihren schmalen Weg geschickt durch und über die Klippen ins offene Meer, ein «veiles Stück hinaus. Der frühe Morgen, der den ersten fahlen Perlmnttersamn über das Meer zu werfen be gann, fand Doktor .Knut Jarl in dem Schiffs raum, der die Tonnen mit Süßwasser ent. hielt, und der kleine Schwarze mußte mit einem Hammer leicht an jedes der großen Fässer pochen, «lud bei jedem, das hohl klang, zuckle eS flüchtig ül'er des Doktors starre Zuge. Sic sprachen nicht zusammen, nur dann und wann einen flüchtigen, langen Blick tauschend, — Tino wußte lehr gut, welch furchtbare Frage er hier mit seinen« leisen Hainmerschlag zu tun hatte. Und als die steigende Sonne die blutroten Falle«, ihres .Krünungsmantels über die weite, leere Fläche des Meeres warf, stand Jarl in der Kabine des Kapitäns, und erhielt Antwort von Mund zu Mund. Und dann gab er ihm einige kurze, klare Weisungen, beinahe Befehle, enthüllte «hm sein Borhaben und sagte Lebe wohl, erwähnte keine Silbe von dem grausen Ereignis dieser Nacht, das eine ernste Wendung bedeutete für das Leben der Schiffbrüchigen, von denen nunmehr kein Lebender Kunde geben konnte. Und die weiße Jolle, mit Lebensrnitteln, Instrumenten und Waffen ausgestattct, glitt unter gewandter Führung durch die Klippen und Sandbänke und schoß wie ein Bogel südwärts. Als der Nachmittag in den Abend überging, stand ein Mann auf einem „Fnßbreit Land", ein König in seinem Reich, vor« Gottes Gnaden! Die Sonne legte ihm den Purpnrmantcl nm und das Meer legte sich als Teppich zu seinen Füßen. Der Wille war als Zepter in seiner Hand, welche die Waffe hielt, und die Kraft ragte als leuchtende Krone auf seiner Stirn. — Sein Volk war ein Kind. Was wollte ein König Besseres! Knut Jarl hatte die Insel gefunden — seine Insel. Er selvst kintte das Reich entdeck«, das nun sein Reich war. — Die Sonne stand noch nicht im Mittag. Die Hitze war nicht überwältigend, da wurde das Wasser Heller grün, lispelte seiner Schaum über flachem Grund, bot die Tiefe dem Auge durchscheinend einen Halt. Ta tauchten die Um risse eine? „Fußbreit Landes", — Hügelchen, Bäume, ein richtiges Wäldchen, Strauch und Buschpartien — emvor! Grün — ja wirkliches Grün, frisches Grün, süßestes Grün! Oh, du guter Gott, das mußte ja Süßwasserreaion sein! Aber wie, Wenns nicht so war? Wenn das Wasser, diese erste und letzte Bedingung zum Leben, Triukwasser, auf dieser Sandbank fehlte? Näher heran — näher — flach ging das Boot — immer näher — man konnte beinahe aussteigen und zu Fuß auf den blanken Steinen lfinübergehcn. „Zurück, Tino! Ins tiefe Wasser! Erst von außen herum um meine Insel! Man kann nicht wissen. Sind die Revolver bereit? Haft du dein Beil zur Hand? die langen Dkefser —- Mr müssen uns vielleicht erst Eintritt erkämpfen... uns lnnaufarbeiten!" Der erste Aufruf des ersten Königs an sein Volk: Waffen! und Arbeit! — Was war denn das? Warum denn das? — Der kleine schwarze Mensch hatte große Tränen in seinen schwarzen Augen. Und aus seines Herrn fragendes Anschauen stotterte er: „Zu Hause, Massa" in malaiischer Sprache, im fremdartigen Idiom seiner fernen .Heimatinsel, und Jarl erriet es nur, das Wort nnd das Gefühl: Heimat! An seine Heimat mußte es ihn wohl mahnen. Und der Mann entblößte sein Haupt und neigte es, wie in der Nacht zuvor. Tino zeigte dann kopfschüttelnd auf die Ge- wehre und sagte: „Nit Mann — da — n»x kämpfen!" Jarl nickte beruhigt. Erstens glaubte er dem Instinkt des kleinen Burschen und dann deutete auch nichts auf die 'Anwesenheit von Menschen. Tiefe Stille lag über dem Land fleckchen, dessen Konturen sein Auge umfassen konnte. Sie ivendeten das Boot nnd fuhren herum. Jarl stellte bei sich fest, daß die Insel etwa den Umfang eines reichen Güterkomplexes in Deutschland haben mochte: etwa 3—4 Meilen im Durchschnitt. Rinasherum war steiniger Grund — war eS flach, nicht näher herarv- zukommen mit einem nur irgendwie tiefgehenden Boot, als auf etwa 100 Meter. Dann hieß es Durchgang suchen. Auch hier waren keine grö^ ßeren Tiere im Wasser zu bemerken und der Himmel war leer. Nur die Vögel, — seine Vögel, die ihm zu allererst „Land" gemeldet, sah Jarl jetzt aus einer hohen, dichten Strauch partie aussteigen, ziemlich eilig, wie erschreckt oder getrieben. Durch ihn, durch die Annäherung des Bootes? Oder durch anderes Getier dort drinnen? Größeres, stärkeres Getier, das diese großen Vögel anscheinend doch fürchten mußten? L>ie strichen übrigens ziemlich steil und hoch ab. Auf eine Bemerkung Jarls zeigte Tino mit großer Bestimmtheit die Länge seines Armes, wobei unentschieden blieb, ob er die ganze Größe, die Flügelspannung oder etwa die Beine meinte. (Fortsetzung i» der «orgsxuwga»«.)
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