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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.11.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-11-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141105025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914110502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914110502
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-11
- Tag 1914-11-05
-
Monat
1914-11
-
Jahr
1914
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veue 2. Nr. 563. Nvenü-Nllsgsde. teiführer der Tories mit dem Ministerium, die am letzten Mittwoch des Oktober einberufcn war. nm über Portugals Beteiligung am Krieg zu beschlichen, negativ verlaufen. Die Mehrzahl der Parteiführer hat sich gegen einen Krieg ausgesprochen, zum Teil mit dem Hinweis auf die Zerstörung Belgien». .Zmparcial" schreibt, daß die Regierung noch keinen Beschluß ge sagt habe, ob sie angesichts der starken Opposition zu einer Einberufung des portugiesischen Kongresses schreiten soll, ohne dessen Zustimmung eine Führung des Krieges unmöglich sei. Vie Haltung Rumäniens unü Vulgariens. ** Mailand. 5. November. (Eigene Drahtnachricht.) Die bulgarische und die rumänische Negierung haben bisher in Nom keinerlei Erklärung über ihre Stellungnahme zum türkisch-russischen Kriege abgegeben. Eine Neu, tralitätserklärung liegt von keinem der deiden Staaten vor. Dagegen haben sowohl Ru mänien wie Bulgarien am Tage des türkisch-russischen Kriegsausbruchs die allgemeine Preß- und Tele grammzensur eiugeführt und gleichlautende Verbote über Veröffentlichungen von Nachrichten über Truppenbewegungen erlassen. Verhaftung türkischer Agenten in Kairo. * London, ü. November. Die „Times" mel den aus Kairo: Hier wurden türkische Agenten verhaftet. Die hiesigen Deutschen und Oesterrcicher sind in Kvnzcntrc»!' nslager gebracht worden. Die Bemannungen der in Alexandrien befindlichen Schiffe feindlicher Na. tionalität wurden nach Malta gebracht. Rufrechterhaltung üer Mobilisierung in Schweben. r. Berlin. 5. November. (Eigene Draht nachricht.) Wie aus Stockholm gemeldet wird, Hal das schwedische Ministerium infolge der a n- dauernden Zusammenziehung russi scher Truppen in Finnland die Aufrecht erhaltung der Mobilisierung für die ganze Dauer des Krieges zum Schutz der Neutralität beschlossen. Auf Grund des neuen schwedischen Heeresgesctzes wurden im Oktober 12 000 Rekruten mehr eingestellt, als in den Vorjahren. Vas Urteil von Serajewo unb -ie ^Instrumente -er höheren Gerechtigkeit". * Budapest, 5. November. Anknüpfend an einen Artikel des „Temps", der in Besprechung des Urteils von Serajewo schrieb, datz die serbi- ichen Truppen berufen seien, dem Kaiser von Oester reich zu zeigen, datz cs eine höhere Gerechtigkeit gebe als die, welcl>e in Serajewo im Namen des Nüon- archen verkündet wurde, und datz die Russen, Fran zosen, Belgier und Japaner unerbittliche Instru mente dieser höheren Gerechtigkeit seien, sagt der „Pester Lloyd": Nach dieser Erklärung ist die volle Solidarität der Entente- Mächte mit den Mördern von Serajewo nutzer Zweifel gesetzt, also ungerecht. Ser bien allein für den Eerajewoer Anschlag verantwort lich zu machen. Der Komitatfchigctst ist Ge meingut der Entente; sie hat ihn seither in den Progroms von London, Expropriationen von Paris und Meuchelmordprämien offenbart, welche die russische Heeresleitung auf die Köpfe unserer Truppen führer setzte. Eiserne Kreuze. Mit dem Eisernen Kreu.1 wurden ferner ausge zeichnet: der Leutnant und Kompanicsührer im Zn jantericregiment Nr. 177 Rudolf G e i tz l e r, dec Leutnant der Reserve und Kompanieführer im Zn fanteriercgiment Nr. 103 Alfred Mönch, Gym nasiallehrer an der Dreikönigsschule in Dresden, der Oberapotheker Franz Bürctncr von der Johan- nisapotheke in Dresden, der Vizefeldwebel im In fanterieregiment Nr. 10b Heinrich Lange aus Dresden, der Rechtsanwalt und Notar E. Müller aus Schkeuditz, Dr. phil. P. Brcmstedt, Hilfs arbeiter beim Kaiserlichen statistischen Amt in Ber. Leipzig« Tageblatt. vjxmuäe! o clioo o cvMN KOMOW 'eQ-- v uk ^enville XsnZle kisenbsbnea -------- Lbsusseen kortr ^.keig. lnanrLi-eare AM Xsi'ke cjek*Lcnlacnk um Vpel'li. lin, der Unteroffizier im Feldartillerreregiment Nr. 23 Dr. phil. Fritz Winkler, wissenschaftlicher Hilfs arbeiter bei der Kgl. Gemäldegalerie zu Dresden, der Radfahrer im Reserve-Infanterieregiment Nr. 178 Arthur Sützmilch, bekannter Dresdner Renn fahrer, der Vizefeldwebel der Landwehr im Reserve- Pionierbataillon Nr. 12 A. Krotz, Baumeister im Kgl. Militärbauamt II Dresden, Ofsizierstellver- treter im Infanterieregiment Nr. 178 Wolfgang Mühle, dritter mit dem Eisernen Kreuz ausge zeichneter Sohn des Schuldirektors Mühle-Vriesmtz, Rittmeister der Landwehr Ferdinand Frei herr v. Hausen, Sohn des verstorbenen Kreis hauptmanns v. Hausen, der Vi-ewachtmeister Otto Leistner, Beamter der Dresdner Bank in Dresden, der Gefreite in der Fernsprcchabteilung des 12. Armeekorps Max Reimann aus Meu elwitz. der Leutnant in der 49. Reserve-Kavallerieabteilung Grassel, der Unteroffizier in einem Ersatz-Infan terieregiment Walter Schalter, der Gefreite im Landwehr-Infanterieregiment Nr. 30 Alfred Pfefsermann, sämtlich aus Schmölln, der Sol dat im Infanterieregiment Nr. 139 Curt Dien hold aus Döbeln, der Soldat im Infanterieregi ment Nr. 139 Max Feiler aus Dobeln. weitere Mel-ungen. Die Kaiserin ist am Donncrstagmorgen zu Laza- rcttbcsuchen nach dem Westen abgcreist. * Der japanische Kriegsminister Oka ist schwer erkrankt. A- Amtlich wird mitgeteilt, datz die Verteilung der diesjährigen Nobelpreise auf den nächsten Herbst verschoben worden ist. Der Zeitpunkt für die Preisverteilung wird von 1910 an vom 10. De- .zember auf den 1. Juni verlegt. 1910 kommen die Preise für 1915 und 1910 zur Verteilung. -k Das Seekricgsgericht von Konstantinopel hat 3 0 französische, 8 russische und 1 belgischen Dampfer in Konstantinopel beschlagnahmt. becvk unü Sericvt. Reichsgericht. : Leipzig, 5. November. Unter der Anklage des Landesverrats hatte sich heute der am 9. Mai 1862 in Nancy ge borene Kaufmann G.wrg Luck, zuletzt in Saar brücken wohnhaft, vor dem vereinigten zweiten und dritten Strafsenat des Reichsgerichts zu verant worten; er wurde dem Gerichtshof aus der Unter suchungshaft vorgeführt. Den Vorsitz in der Ver handlung führte Senatspräsident Dr. Menge, die Anklagebehörde vertrat Landgerichtsdirektor Dr. R o- senthal und als Verteidiger fungierte der Rechts anwalt b:im Reichsgericht Zusrizrat Brücklmeier. Vier Zeugen waren geladen, darunter der Eisenbahn telegraphist Rauhhuth. Gegen diesen Zeugen sowie gegen den Angeklagten Luck hat das außer ordentliche Kriegsgericht in Saarbrücken am 11. Sep tember wegen Spionage und Landes verrats bereits verhandelt, Rauhhuth ist frei gesprochen worden, und die Anklage gegen Luck ist vorn Kriegsgericht an das ordentliche Gericht, das Reichsgericht, überwiesen worden. Das Kriegs, gerrcht hat sich nämlich für unzuständig erklärt, da die dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten in die Zeit vor der Mobilmachung fällen. Der Angeklagte Luck gab in seiner Vernehmung an, datz er jetzt Reichsdeutscher sei; er habe sich in Prrutzen natura lisieren lassen. Im Jahre 1895 l>at er sich in Paris aufgchaltcn, wo er an einer Handelsschule als Lehrer ür die deutsche Sprache angestellt gewesen ist, dann and er Stellung bei den Siemens-Schuckert-Werken n Mannheim, in Stratzburg und zuletzt in Saar, »rücken. Seit 1908 ist er dort als Kaufmann selb- tändig gewesen. Mit Rauhhuth zusammen wurde Luck am 1. September unter dem Verdachte der Spio nage und des Landesverrats in Hast genommen. Die gegen ihn vorliegenden Verdachtsmoment: be ziehen sich auf eine Broschüre, in der sich Luck mit den bekannten Vorgängen in Zubern beschäftigt, auf eine An,zahl Postkarten, die in seiner Wohnung beschlag nahmt worden sind, auf die Tatsache, datz Luck Ver- vLnnerstay. S» Novemder 1914. bindungen nach Frankreich hinüber unterhalten hat, und datz er einen sein:r beiden Neffen, di« am S. Juli 1910 wegen Spionage verurteilt worden sind, und von denen der eine wieder im Dienste des franzö sischen Nachrichtenbüros steht, mehrere Monate Lei sich ausgenommen hat. Auch soll Luck mit dem Spion Wolf verdächtige Beziehungen gehabt haben. Bei dem Angeklagten sind ferner gefunden worden ein russischer Patz, eine Kart« vom westlichen Grenzgebiet und mehrere aus seiner Feder stammende Aufsätze, die eine d.'Utschfeindliche Tendenz zeigen. Das Kriegs gericht bat festgestellt, datz Luck allen diesen Dingen mit großer Gewandtheit eine harmlose Deutung ge geben hat. Er ist eine sehr vorsichtige Persönlichkeit und macht einen vertrauenerweckenden Eindruck. Sein Wunsch und Wille ist es gewesen, auf dle Wiedcrv.'reinigung Elsatz-Lothrinaens mit Frankreich hinzuarbeitcn. Bestimmte Tatsachen für eine regel rechte Spionage haben sich indessen nicht ergeben, auch nicht, datz er wichtige Nachrichten sich verschafft und weitergcgeben hätte. Der Angeklagte Luck er klärte, datz er sich in keiner Weise einer strafbaren Handlung schuldig g:macht habe, und wies dann die einzelnen Punkte der Anklage zurück. — Das Reichs gericht erkannte auf Freisprechung. Königliches LanSgerlcht. Leipzig, 4. Novrmber. * Kreditschwindeleien in Goldwaren. Bor der dritten Strafkammer des Landgerichts stand der 40- jährige Kaufmann Adolf Heinrich Kämpf aus Hildesheim unter der Anklage, sich des Kreditbetrugs in einer Reihe von Einzelfällen schuldig gemacht zu haben. Es kommen in Frage Firmen in Pforzheim und eine Uhrcnhandlung in Leipzig. Der Anklage- beschlutz besagt, datz K. im April und Mai v. I. unter der Vorspiegelung, er sei Fabrikant mit einem disponiblen Vermögen von 52 000 M und habe es übernommen, für einen Freund ein Goldwaren- geschätzt in Leipzig einzurichtcn, oder auch» er wolle selbst ein solches Geschäft aufmachen, sowie durch andere falsche Auskünfte über seine Zahlungsfähig kett die Firmen, mit denen er sich in Verbindung setzte, veranlasst hat, ihm Waren auf Kredit zu Ne fern, ohne daß er den Willen hatte, zu bezahlen, wozu er auch nicht in der Lage gewesen wäre, da er ohne Vermögen war. So hat er von B. <L Co in Pforzheim für 420 .tl und von W. L Co. daseLbst für 600 goldene Ketten bezogen. Bei der Firma August W. bestellte er Brillantringe und andere Schmucksachcn für 3500 .tt. Diese Firma hat den Auftrag indessen nicht ausgeführt. Die Firma Gott fried W. hat ihm allerdings für 3441 -tt Waren zu gehen lassen, dann ihre Rückgabe gerichtlich dunh- gcsctzt und ist nur um die Gerichtskosten in Höhe von 80 M geschädigt worden. Die Firma Cl. lieferte in zwei Posten für insgesamt 5540 F Ringe, Ketten und Armbänder, wofür sie Bezahlung nicht bekom men hat. Auf weitere Bestellungen hat sie sich dann nicht mehr eingelassen, da sie Verdacht geschöpft hatte. Die Schwindeleien Kampfs erreichten ihr Ende, als er mit einer Uhrengrotzhandlung in Leip zig ein Geschäft über eine Lieferung von goldenen Uhren im Werte von 959 .il abgeschlossen hatte, die er auch bekam. Diese Firma hörte dann aber Dinge von ihrem neuen Kunden, die sie veranlaßten, am 19. September v. I. Anzeige gegen Kämpf zu er statten, die seine Verhaftung zur Folge hatte. Die Uhren konnten noch wiedererlangt werden. Der Angeklagte ist im Jahre 1910 Geschäftsführer bei Hagenbeck in Hamburg gewesen, «ie er in der Ver handlung angab; dann war er in Stellung in einem Geschäft in Aachen, das sich mit dem Vertriebe von Gold- und Silberwaren, speziell Abendmahlsgeräten, befaßte, und dort bat er sich seine Branchekenntnifsc erworben. Im März 1913 kam K. nach Leipzig, wo er sich sofort eine große Wohnung mietete und seine Schwindeleien begann. Bei seinen Bestellun gen verlangte er stets sehr schnelle Lieferung der Waren. Zahlung versprach er in der Weise, datz die Hälfte des Preises gleich nach Lieferung und der Nest in Drcimonatswcchseln beglichen werden solle. Die Waren hat er bei einem kleinen Berliner Bank hause lombardiert, und das Geld zum Lebensunter halte gebraucht. Das Gericht erkannte gegen Kämpf, der wegen Betrugs schon vorbestraft ist, auf eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren SvdrsibMLSvbwvn LkeiNdii^. ,» Lndeliv». Ostlminnb clio 81r. 24. '1'el. 12989. Lei ver KuI ckes Lebens. 20s Roman von Karl RoSncr. Eino böse 'Nacht war für Dora gekommen, eine Rächt, die unendlich lang zu währen schien, in der sie jeden Glockenschlag vernahm, in der tausend wahnsinnige halbwaclie Träume durch ihr zerquältcs Hirn huschten und tan- send Hoffnungsschimmer mit tausend Augen blicken der Verzweiflung kämpften. Morgen — wenn sie ihm morgen das sagte, was sie -dm heute nicht gesagt hatte. Aber woljer sollte sie die Krait nehmen? Klar sah iie wieder den jungen Doktor Kvr- tiny vor sich, wie er vor ihr gestanden hatte: „Rre wieder könnten Sie zum Glauben au ein anderes großes Gefühl in sich selbst kommen, wenn dieses andere Gefühl nictu einmal groß genug getvesen, um über Ihrem Mitleid zu fern!" Mitternacht war längst vorüber, aber sic fand keinen Schlaf. Verzerrte ErmncrungS- bilder und ängstigende ZukuuftSträume jagten an ihr vorüber, dis cs draußen schon hell zu werden begann. Gegen Riorgcn erst schlief sie erschöpft und ermattet einen kurzen, unruhigen Schlummer, der wohl die furchtbare fieberische Erregung von ihr nahm, aus dem sie aber mit einem Gefühle tiefster Mattigkeit und Ermüdung erwachte. Wie abgeschlagen waren ihre Glieder, si« fühlte sich nn Innersten gebrochen, ein dumpfer Ztzopfschmcrz lähmte ihre stiedankcn. Wie Erinnerungen an ferne Zeit zogen die Schrecknisse der Nacht an ihr vorbei. .Heute also? Sie wiegte in unendlichem Schmerze den Kopf. Das ivar wohl ein Traum. — Heute nicht. Vielleicht morgen? - . * * * Tag reihte sich an Lag. Der Kranke er. holt« sich. Langsam kräftigte sich fein Körper wieder, gewannen die Züge deS Doktor Cornelius einen neuen starren Ausdruck von Leben uud Energie. Aste m»t einem mächtigen, zähen Gegner, so rang er mit der Schwäche, nnd es war, als ob sein ganzer, in der langen Zeit seines Fatalismus brach gelegener und aufgespeicherter Wille sich neu zusammeurasstc und zum Durchbruch käme. Leben! Leben! Das ivar die eine Sehnsucht, die wie ein einziger Schrei über allen seinen Gedanken und Gefühlen zitterte. Aus ihr wuchsen alle jene Träume von Glück, Besitz und Liebe, die nun immer klarer in ihrer Form vor ihn traten, und an deren Ausbau er in den vielen Halbwachen Stunden saun, während er so allein im Zimmer lag, oder während Dora, um die sich all die Zukunftsträume drehten, bei ihm ivar. Sie kam regelmäßig — der Kampf schien vorüber. Manchmal beschlich sie noch die Furcht, daß sie den Doktor Körting bei dem Kranken treffen könnte, aber der kam jetzt stets früh des Morgens, so daß sie bald auch diese Angst verlor. Er will mich meiden, dachte sie jetzt, wenn so Tag um Tag verging, ohne daß sie den jungen Arzt anders als au der Tafel sah, — er Inst mich ausgegeben! Und sie begrub in einem dumpfen Sckunerz, was da noch einmal lmtte blühen wollen. Sie Pflegte den Kranken Ivie eine Sclstvester, kein Hoffen schien sie mehr zu ken nen. Immer fester lmtte er sie eingesponncn — sie wehrte sich kaum mehr. Manchmal kam er auch darauf zu reden, wie er sich die Zukunft dachte, und sie hörte dann zu mit einer stillen Traurigkeit, die müde war und die ergeben nickte und keinem seiner Pläne widersprach. „Wenn ich erst besser bin", so bc- gönnen seine Reden meist, namentlich in der ersten Zeit, und bisweilen, ivenu er eine beson- ders gute Stunde hatte, dann sagte er wohl auch: „Wenn ich erst wieder gesund bin — —" Dann wieder fabelte er von neuen ni.cn, von denen er einmal gehört oder über sie gelesen hatte; bald wollte er es mit der Homöopathie versuchen, l>ald wieder mit einem jede medikamen töse Bcl-andlung verachtenden Naiurl-eilver- tzahrcn, das ihm von einem LeidenSgenosscn ein mal als ganz besonders erfolgreich gerühmt war- den war. Und durch all diese tastenden Pläne, durch die ziellose und kleinliche Art. wie er von »einem Vorsatz« zum anderen sprang, kam schärfer denn bislser eine Unklarl-eit und Un. ruhe, eine selbstsüchtige Zerfahrenheit iu fein Wesen, die immer mehr von ihm Besitz ergriff. Und je mehr er sich erholte, um so mehr wich ihr Mitleid, daS ihre Schwäche gewesen war. Sie fühlte, daß unter der Lethargie, die sie noch immer umfing und in Fesseln hielt, erst nur wenig, dann stärker, eine neue Sehnsucht nach dem Leben glomm — nach Befreiung. Und was sie aus eigener Schwäche verschuldet hatte, daS wurde nun in ihrem Empfinden ihm zur Schuld, und ihr Fühlen ihm gegenüber ward immer mehr erfüllt von Bitterkeit nnd von einem unterdrückten, schwellenden Haß. Er sah nicht, wie sie sich zu ihm zwang, er sah nur — sich! Nnd wenn er tausendmal sagte: „Rur für dich will ich gesund werden, nur für dich leben — nm dich zu haben!" so klang ihr das nur Ivie Hohn auf die Wirklichkeit. Sich liebte er, sich ganz allein, nnd sie war nur das Mittel, der AZcg, den sein Egoismus ging. Er liebte sie — aber hatte er sie einmal gefragt ob auch sic glücklich wäre? Ahnte er etwa nicht, was sie ihm geopfert hatte? Doch, er wußte es, er mußte es fühlen — aber hatte er je mit einem Wort, mit einem Blicke auch nur die leiseste Dankbarkeit gezeigt? Und warum hatte er nie zu der Baronin über alles das gesprochen, so oft ihn die auch an sein.'in Krankenbette besucht hatte? Warum suchte er vor oer Baronin die Dinge so hinzu- stellen, als ob niemals zwischen ihr und ihm etwas Besonderes vorgefallcn wäre? .Hatte er im Grunde vielleicht doch kein Vertrauen in seine Pläne und Hoffnungen auf eine Wicderher- stellung? Spielte er Komödie mit sich selbst? Oder fürchtete er daS klare und vernünftige Urteil der Baronin? So tat sich nach und nach, ohne daß der Doktor Eorneltus eine Ahnung davon zu haben schien, eine breite Kluft zwischen ihm und Dora auf. Es war am Lage, da der Kranke zum ersten Riale wieder an dec Tafel erschien, an der er durch Wochen gefehlt lntttc. Die Hofrätin hatte seinen Plav mit Blumen schmücken lassen, und auch die Baronin und das kleine Fräulein IKlh l-atten ihm Bluncengaben um Teller und Gläser gelegt. Er saß zwischen der Baronin und der kleinen Lilh, die darauf bestanden hatte, an diesem Tage seine Nachbarin zu sein. Dora saß zur audercn Seite der Baronin. Die übrigen Gäste des „Alpenhofes" hatten in der Zeit von des Dok tor Cornelius' Krankheit stark gewechselt, und er fand manches neue Gesicht rn den langen Mihcn, und die kleine Lily konnte so recht in ihrem Wissen über sie alle schwelgen. Aber ihr alter Freund, den sie, wie einst, zu manchem heiteren Scherz durch ihre Mitteilungen zu stimmen hoffte, schien allen Sinn hierfür ver loren zu haben. Zerstreut nur hörte er ihrem Geplauder zu, und die Kleine, die sich durch seine Zurückhaltung verletzt fühlte, suchte seinen Beifall nun dadurch zu erregen, daß sie kleine Indiskretionen über ihm Höherstehende Personen losließ. „Wissen Sie schon, Herr Doktor, das; das Fräulein Dora mittlerweile einen stillen Der- ehrer gefunden hat?" „Fräulein Elwert?" Er wurde interessiert und sprach den Namen laut genug, daß das Fräulein ihn hören konnte. Sie beugte sich vor und sah zu ihm hinüber. Die Kleine wurde ein wenig rot, als sic das bemerkte, aber zurück konnte sic nun nicht mehr, und so fuhr sie tapfer fort. „Ja — Fräulein Dora." Und zu dem Fräulein: „Ich erzähle Herrn Doktor nur, das; Äe einen Toggenburger gefunden haben!" Auch die Baronin wurde, mm neugierig. „Wer ist denn das?" Tora aber wiegte den Kopf ein wenig und sagte ganz ernst: „Ich weiß nicht, was Sic meinen, Lilh." „Doch — der Richard! Das habe ich schon lange heraus!" Dora war lehr blaß geworden; sie beherrschte sich, soviel src konnte, aber ihre Stimme zitterte: „Welcher Richard denn?" „Nun,-Mein Bruder — der Richard — der schwärmt Sie doch an — wissen Sie denn daS nicht? Aber natürlich, das müssen Sie dock; bemerkt haben! Ich bemcrk's iinnrer gleich, wenn mich einer so still verehrt!" (Fortsetzung in der Morgens««gabe.j
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