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188 en sehr zuverlässig ist, soll «das Tier nach dem an. Da es mit Rindergeschlecht verwandt erscheint, so haben es die «Erklärer der Bibel gern als Büffel gedeutet. Aber den kannte man zu jener Zeit rn Palästina gar nicht, er kam erst im Mittelalter aus Indien. Ebensowenig kann auch das den Hebräern unbekannte Nashorn gemeint sein, zumal das afrikanische zwei Hörner trägt. Die Schilderung des Charakters des Tieres widerspricht aufs deut lichste dem Gedanken an die scheue, furchtsame und zartgebaute Antilope. Luther entscheidet sich denn auch in seiner Bibeluber setzung stets für das Einhorn, über dessen Vorstellung der 91. Psalm gar keinen Zweifel läßt. Weit bestimmtere Nachrichten finden sich bei den Griechen. Sie gehen bis ins Jahr 400 vor Christo zurück. Um diese Zeit behandelt der am Hofe des Perserkönigs Artaxerxes Mnemon lebende Arzt Alesias das Tier in seinen! allerlei Naturwunder beschreibenden Werke „Jndika". Er rechnet es zu den wilden, pferdeähnlichen Eseln, gibt ihm einen weißen Leib, einen purpurroten Kopf mit dunkelblauen Augen und auf -er Stirn ein eine Elle langes Horn, das unten weiß, in der Mitte schwarz und oben rot erscheint. Der durch Jahrtausende erhaltene Glaube, daß geschabte Teilchen des Horns, in einen Trank gemischt, jedes Gift unschädlich machen, findet sich schon hier. Wir begegnen ihm noch im 16. Jahrhundert in Deutschland. Denn 1593 erließen die Medici von Augsburg ein eigenes Manifest, in -em sie das Einhorn als untrügliches Mittel aeflen das stäMe Gift, wie sie es selbst an einem Kinde erprobt, er klärten, Die Apotheken früherer Zeit führten es denn auch als be liebtes Mittel, -och handÄt es sich hier offenbar um das durch See fahrer .aus Grönland gebrachte Horn des Einhornfisches. In Paris, der Schloßkirche zu Kopenhagen, -er Kunstkammer rn Dresden bewahrte man Hörner des Tieres in kostbaren Futteralen und an goldenen Ketten aufgehängt. Diese langen, gewundenen, äußerlich gelben, innerlich weißen, zckhnartigen Gebilde waren Überaus kostbar; sie galten viele tausend Taler. Später freilich, als sich -er Glaube an ihre Wirksamkeit verlor, konnte man ein Dutzend für einen Taler erhalten. Wie Ktesias, so erwähnen auch Plinius und der Bater der Zoologie, Aristoteles, in seiner „Üiswris ÄvimLlium" daS Einhorn. Am eingehendsten schildert es Aolian, der es im innersten Indien leben läßt. Seine Beschreibung stimmt im allgemeinen mit den früheren überein. Im Aeußeren hat es Pferdegröße, gelbliches Haar, den Schwanz eines Ebers, ein schwarzes, sehr spitzes Horn und eine widerliche, starke, brüllende Stimme. Gegen andere Tiere ist es gutmütig, bei seinesgleichen aber streitsüchtig, selbst dem Weibchen gegenüber, und nur -ie Brunstzeit macht es sanft. Meist schweift es einsam in wüsten Gegenden umher. Man soll bisweilen Junge gefangen Haben, nie aber ein ausgewachsenes Exemplar. Plinius weiß ungefähr das Gleiche zu erzählen; ihm schließt sich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts noch Philes aus Ephesus an. In viel späterer Zeit erst begegnen unS Schriftsteller, die das Einborn als Augenzeugen gesehen haben wollen. Da ist vor allem Ludovicus Bartema, ein römischer Patrizier, der um 1511 ein Reisewerk über Aegypten, Arabien, Syrien und Indien verfaßte. Diesem zeigte man rn einem ummauerten Hofe zu Mekka zwei Ein- Hörner als Wundertiere. Sie waren füllenähnlich, wieselfarben, hatten einen Hirschkopf, ein drei Ellen langes Horn, spärliche Mähne, doppelte Hufe und schienen sehr wild. Der Sultan von Mekka hatte sie als äußerst wertvolles und kostbares Geschenk vem Könige der Aethiopier erhalten. Bei dem spanischen Arzte Garcia um die Mitte des 16. Jahrhunderts, der 30 Jahre in Indien lebte und in seinen Angaben sehr zuverlässig ist, soll das Tier nach dem Zeugnisse glaubwürdiger Männer unweit des Kaps der guten Hoffnung Vorkommen, ein Landtier sein, das auch im Meer sich auf hatte, und, was hier zum ettten Mal erwähnt wird, ein bewegliches Horn hohen. Auch alle spateren Mitteilungen über das Einhorn versetzen dasselbe nach Südafrika. Die Rersenden Alleman- und Sparrmvnn im 18. Jahrhundert fanden bei den dortigen Ein geborenen, den durchaus nicht phantasiereichen Hottentotten, zahl reiche Abbildungen des Tieres auf Felsen und Gerätschaften. Um eine Darstellung in der Perspektive konnte es sich hier kaum handeln, da diese Wilden das Gesetz derselben nicht kannten. Der Reisende I. Barrow sah noch im Jahre 1806 dii?se Zeichnungen auf Fels und Stein bei den Buschmännern. Alle diese Gelehrten zweifelten nicht an der Existenz des rätselhaften Tieres. Im Jahre 1791 hatte der Forscher H. Cloete in Kapstadt aufs bestimmteste versichert, daß unweit des Tafelberges ein Einhorn ge schossen worden sei. Solche Jagden werden noch 1843 sehr ein gehend von dem französischen Konstrlaragenten F. Fresnel nach Aus- sagen der Eingeborenen in einem Bericht an die Akademie der Wissenschaften in Paris geschildert. Sie sollen im Süden von Darfur, bei Borg» und Gumoga stattgefunden haben. Die Be schreibung des Ticrbs stimmt hier ziemlich mit den alten Schrift stellern überein. Das aschgraue Horn hat eine scharlachrote Spitze, der Körper ist büffelartig, es greift mit gesenktem Kopfe an, spießt den Feind auf und zerfetzt ihn. Dabei tötet es den Menschen un- gereizt und zwecklos, ohne ihn zu fressen, denn es nährt sich von Pflanzen, Melonen und Baumwollstauden. Der Anblick der weißen Farbe versetzt es, wie einen Stier das Rot, in rasende Wut. Auch andere Zeugnisse finden sich noch im 19. Jahrhundert. Nach dem verdienten Afrikareisenden Rüppcl kommt das Einhorn in Kordofan vor; seine Angaben stützen sich auf die Aussagen von Arabern, die das Tier gesehen und getötet haben wellten. Im Jahre 1853 end lich wollte der Direktor des königlichen Zoologischen Gartens in Brüssel, Joh. Wilhelm von Müller, der eine interessante gefchicht- liche und naturwissenschaftliche Studie über das Einhorn schrieo, in -er Ambraser Sammlung zu Wien, ein wirkliches Horn des Tieres, nach dem man bisher vergeblich gesucht, entdeckt haben. Es ist dort als gerades Horn eines Rhinoceros bezeichnet, über zwei Fuß lang, braun, unten dunkel, an der Spitze aber stark ins Rete gehend. Der Knochenkern fehlt, da es über der Basis abgesägt ist, offenbar war es ein unpaares, das mitten auf -em Kopfe saß und nnt allen Beschreibungen -es Einhorns stimmt, während es zu keinem anderen bekannten Tiere paßt. Nach alledem scheint sich die Frage, ob es je ein Einhorn ge geben oder noch gibt, kaum mit Bestimmtheit löfen zu lassen. In der Einbildungskraft des Menschengeschlechts aber wird diese Rätselgestalt aus dem mystischen Tierreich ein ewiges Leben haben, dafür haben Sage, Religion und Kunst gesorgt. Hat -och die Poesie der Sage das Finsterste und Lichteste in wundervoller Weise in dieser Tiergestalt verschmolzen. Sie läßt das Einhorn jeden Menschen, -em es begegnet, töten, nur die reine Jungfrau verschont es und läßt sich sogar von ihr fangen. Dieses schöne Märchen hat ihm eine mehrfache Bedeutung in -er christlichen Symbolik ver liehen. Daß das sonst unzähmbare Tier sich friedlich in den Schoß der Jungfrau bette, wurde auf die göttliche Allmacht gedeutet, die im Schoß einer Jungfrau Mensch geworden. So erhielt es die höchsten göttlichen Ehren, indem es zum Symbol für Christus selbst wurde. Die Künstler haben die Gestatt von jeher geliebt. Häufig findet man es auf Gemälden dargesteüt als edles Pferd mit rang gewundenem Elfenbeinhorn auf der Mitte der Stirn, im Schoße der Jungfrau schlafend. Auf Grund jener poetischen Sage wurde es zugleich zum Symbol der Jungfräulichkeit und in dieser Eigen schaft das Attribut der heiligen Justina. Auch als Sinnbild der Einsamkeit, wie auf unserem Böcklinschen Bilde, wurde es, weil es einsam in Wildmssen leben sollte, vielfach verwertet. So findet es sich auch im Wappen des Klosters Fulda, das der heilige Sturmio in tiefer Abgeschiedenheit gründete. Wer aber nach alledem sich mit 'dem Vorhandensein des rätsel haften Tieres auf Erden nicht befreunden kann, der wende seine Blicke zum Himmel, wo das 1690 von Hevel einaeführte Einhorn, zwischen dem großen und kleinen Hunde, als Pferd mit einem Horn gedacht, für alle Zeiten als ein leuchtendes Sternbild sicht. „Gibt es denn nicht in deiner Nachbarschaft einen braven Burschen, -en du lieben könntest? Du brauchst nicht zu erröten, wenn e8 der Fall sein sollte. Das ist -ein Reckt, und deine gute Mutter wird sicherlich nichts dagegen einzuwenoen haben Doch, bitte, öffne die Tür. Wilhelm yat doch zu viel Geheizt. Jetzt erstickt man fast. Aber wer ist denn das da drüben? Ein junger, sehr fleißiger Maler, wie mir scheint! Halt! Da bin ich neugierig. Ich werde ibm über die Schulter blicken und sehen, ob er ferne Sache gut macht." Urck auf Zehenspitzen, wie ein Kind, schleicht der gute Doktor über -en Flur und betrachtet voll Interesse das Bild von Fritz Rtzcklin, der so in seine Arbeit vertieft ist, daß er nicht hört, was um ihn vorgeht. Mit schelmischem Augeirzwinkern kohrt Meister Koolus ins KrankeiHirtrmer zurück. „El, ei. Kleine! Das muß man sagen, dem Nachbar ist ein vorzüglicher Maler, welcher sich ausgezeichnet darauf versteht, kleine, im Sturm zitternde Persönchen zu konterfeien. — Jetzt wirst du auf einmal so blaß! Kleiner Schelm, du hast also erraten, oaß es dein Porträt ist? - Ich sehe, iht liebt euch, Kinder. Ihr liebt euch. Ich gebe euch -en wohlgemeinten Rat: Heiratet euch!" Mit diesen Worten nimmt Meister Koolus rasch den Mantel um und schüttelt dem jungen Mädchen herzlich die Hand. „Ich werde wiederkammeri; ich werde bald wie-erkommen!" Im nächsten Augenblick ist er verschwunden, und die ganz ver wirrte Anna fragt sich, ob nicht alles nur ein Traum sei. „ES ist so seltsam, so wunderbar —", murmelt sie. . , » „ES ifl fast, wie rin Märchen von Johann Schmidt . . Plötzlich fällt ihr Blick auf ein auf dem Schemel liegendes , Däckckett. Der gute Doktor «wß sS vergessen haben. Sie hebt eS auf. Großer Gotts DaS find ja Banknoten, lauter Bmvknoten!. . Nutz ein Zettel fleckt bärant^?. Anna tritt ans Licht, um besser lesen zu können, denn die Buchstaben tanzen vor ihren Augen. Es stellen nur drei Worte darauf: „Zu eurem Glück!" . . . „Fräulein Anna!" ruft eine freudige Stimme auf dem Flur. Die Tür wird aufgerissen, und auf der Schwelle steht Fritz Rycklin mit strahlenden! Antlitz, glänzenden Augen. „Fräulein Anna! Hören Sie nuir! Hören Sie nur, ivas mir Wunderbares begegnet ist. Während ick arbeitete, hat eine ge heimnisvolle Han- ein Päckchen Bankscheine auf meinen Tisch ge legt, eiugehüllt in ein Papier, auf dem felgende Worte stehen: »Um Ihnen -en Weg zum Ruhme zu ebnen! . . ." Jetzt bin ich reich, und kann Ihnen nun endlich sagen, wie innig, uue über alle Maßen ich Sie liebe. Darf ich hoffen, daß Sie meine Liebe er widern und als ineine kleine Fran mein Glück mit mir teilen wollen?" Anna fliegt dein Künstler in -ie Arme und jubelt: „Ich bin auch reich geworden. Fritz! Und meine liebe Mutter wir- wieder gesund werden." „Wie herrlich! Aber wessen gütige Hand hat dies alles vollbracht?" „Tas hat -er gute Weihnachtsmann getan!" . . . ? IV Dies urar das letzte MärckM von Johann Schmidt . . . Er hatte ein großes Elen- kennen gelernt mrd hatte als gütige Fee gewaltet und das Leid in Glück verwandelt, gleichwie in seinen Büchern überirdische Wesen Lei- und Not linderten. Er hatte Dovtor Koolus unld Wilhelm geschickt, und er hatte auch, um den beiden Kindern zum Glück zu verhelfen, ihnen -ie ganze, am näm lichen Morgen vom Verleger erhaltene Summe gespendet. Unter aL--eü wunderbaren Märchen. die er erdacht, fand sich nu« wenigstens eins, das ihm selber große Freude bereitete: die Freude, andere glücklich gemacht, zu tzyven. . r : «erwtvortScher «edattem: tn pfip-ift. '