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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.11.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-11-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141114025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914111402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914111402
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-11
- Tag 1914-11-14
-
Monat
1914-11
-
Jahr
1914
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vetle 2. Nr. 580. ttvena-nusgave. c etpzigrr LagrdlaU. Washington meldet, daß dort Besorgnis wegen de« Schicksals des amerikanischen Kreuzer» „N o r th - C a r o l i n a " herrscht, der sich am 2. November in Beirut befand und von dem seither die amerikanische Admiralität nichts mehr gehört bat. bis am Dienstag nachmittag ein verricht ein ging, wonach das Schiff auf eine von den Türken gelegte Mine gestoßen und unter gegangen sei. Da jedoch die amerikanische Admira lität keine Bestätigung dieser Nachricht zu erhalten vermochte, ist dem amerikanischen Gesandten in Konstantinopel Weisung erteilt, eine Unter« suchung anzustellen, (?) Aufruf -es Sultans an firmer unü Flotte. Konstantinopel, 14 November. Der -ultan erlies; folgendes Manifest: An meine Armee uns Flotte! Jnsolgc der es r t l ä r u n g des Krieges zwischen den Großmächten wäret ihr unter die Fah nen berufen worden, um nötigenfalls gegen die aus eine Gelegenheit lauernden Feinde die Rechte und die E x i st e n z unserer Regierung und des Landes zu verteidigen, das stets ungerechten und unerwarteten Angriffen ausgesetzt war. Wäh rend wir so in bewaffneter Neutralität lebten, er öffnete die russische Flotte, welche in das Scknvarze Meer ausgelaufen war, um im Bosporus Minen zu legen, plötzlich das Feuer gegen ei nen Teil unserer Flotte, welcher gerade Manöver abhielt. Und wayrend wir erwarteten, das; R u s; l a n d diesen dein Völkerrecht wider- siechenden Angriff wieder gutmochen werde, bat dieser Staat ebenso wie seine Verbündeten Frankreich und England die Ve« Ziehungen zu unserer Regierung ab gebrochen, indem sic ihre Botschafter abb.riesen. Unmittelbar daraus überschritt die russische Armee unsere Ost grenze, während die ver. einigte englische und französische Flotte die Dardanellen sowie englisch« Schiffe Akaba bombardierten. Angesichts derartiger, auf einanderfolgender Akte verräterisch.'! Feindselig keiten waren wir gezwungen, den Frieden aufzu geben, welären wir immer gewünscht hatten, und vereint mit Deutschland und Oesterreichs Ungarn zu den LiKaffen zu greifen, um unsere ge- sctzmätzigen Rechte zu verteidigen. Seit Iahr- lmndcrtcn hat Rußland unserem Reiche schwere Rach teile zugefügt, und war immer bemüht, sei es durch Krieg, sei es durch List oder Intrige, jede sich kund gebende Aufrichtung, die zur Erhöhung der natio nalen Kraft und Gröhe hätte führen können, zu unterdrücken. Rußland, England und Frankreich, die Millionen von Muselmanen unter ihrer tyrannischen Verwaltung halten, haben niemals aufgehört, Hinter gedanken gegen unser erlauchtes Kalifat zu hegen, mit dem die Muselmanen durch Religion und Ge fühl verbunden sind. Sie wurden die ll r - Heber und Anstifter allen Unglücks und Ungemachs, das gegen »ns gerichtet war. Durch den großen Heiligen Krieg, den wir heute unternehmen, werden wir mit Gottes Hilfe den Angriffen ein Ende setzen, die einerseits gegen den Ruhm des Kalifats, anderseits gegen die Rechte des Reiches gerichtet sind. Di« ersten Schläge, die wir mit Hilfe Gottes und dem Beistände des Propheten unseren Feinden durch unsere Flotte im Schwarzen Meere und die tapfere Armee an den Dardanellen, bei Akaba und an der Grenze des Kaukasus versetzten, haben unsere Ueberzeugung be stärkt. daß der Kampf aus dem Wege des Rechtes sieggekrönt fein wird. Die Tatsache, baß Gebiete und die Armeen der Feinde heute unter dem festen Drucke unserer Verbündeten stehen, erhöht noch diese Ueberzcugung. Meine heldenmütigen Soldaten! Lasset nie ab von Festigkeit und Ausdauer in diesem Heiligen Kriege, den wir gegen Feinde eröffnen, die unsere heilige Religion und unser teures Vaterland an greifen wollen? Stürzet euch wie Löwen ungestüm aus den Feind, weil ebenso wie unser Reich auch das Leben und die künitige Lristenz von 30« MiKtonen Muselmanen, die ich durch das Heilige Fetwa zum Heiligen Kriege ausruse. von eurem Siege abhiingen. Die Wünsckr« und Gebet« von 300 Millionen unschuldiger und bedrückter Gläubigen, die in Moscheen und Medschlis sowie in der Kaaba sich mit Inbrunst an den Herrn der Welten wenden, begleiten euch! Soldaten, meine Kinder? Di« Pflicht, welch« euch obliegt, ist niemals bis jetzt irgendeiner anderen Armee der Welt auferlcgt worden. Zeigt, indem ihr diese Pflicht erfüllt, daß ihr würdige Nachfolger der Armeen der Ottomanen seit, welche einst di« ganz« Astlt erzittern ließen, damit der Feind es nicht mehr ivage, an unser Gebiet zu rühren und die Erd« von Hedschas, die die göttliche Kaaba, das Grab des Pro pheten, birgt, zu Kören. Zeiget wirksam den Feinden, daß eine Armee und «ine Flott« der Ottomanen be steht, die dem Tode für ihren Herrscher zu trotzen und die Religion, das Vaterland und die militärische Ehre mit Wassen zu verteidigen wissen, da Recht und Gerochiiokeit auf unserer Seite sind, Ungerech tigkeit und Unterdrückung auf seilen unserer Feinde. Es besteht kein Zweifel, daß zur Vernichtung der Feinde uns die Gnad: des Allmächtigen und der geistige Beistand des Propheten helfen und uns bc schützen werden. Ich bin überzeugt, daß wir aus diesem heiligen Krieg: glorreich und mächtig her- vorgehen werden. Vergeßt nicht, daß ihr in diesem Kriege ein« Waffenbrüderschaft eingcht mit zwei der bedeutend st en und mächtig- st e n Armeen der Welt. Mögen eure Mär- tvrer den Märtyrern, die euch vorangcgangen sind, einen neuen glücklichen Sieg bringen. Möge der Säbel derjenigen, die überleben werden, scharf sein. Mebmed Reschad. Eiserne Kreuze. Das Eiserne Kreuz wurde ferner verliehen: den, Unteroffizier der Reserve Gottlieb Wohlrab. Mitinhaber des Tieibangeschüftes Hermann ^Hiller- Plauen, den; Leutnant der Reserve Elster, Fabrik besitzer in Adorf, dem Unteroffizier der Reserve Bruno B o ck aus Plauen, dem Oberjäger Wa l t e r Hans Fischer, Sohn des Puppentheaterbesitzers Fischer in Plauen, dem Pionier Albert Bieder mann, Sohn des Sprueelnachtwächters Bieder mann in Brambach, dem Lehier re u r t Löffler aus Netzschkau. dem Vizeielkwebel Albin Th rum aus Pöllwitz i. V. ler empfing zugleich die goldene Verdienstmedaille), dem Unterarzt im Reserve - Infanterie - Regiment 133 Otto Leigner. Sohn des Oberrealschuloberlehrers Leisner-Chemnitz, dem Leutnant der Reserve im Jäger-Bata llon 13 Dr Zschockelt, Ratsassessor in Chemnitz, dem Leutnant im Infanterie-Regiment 104, kommandiert zum Neserve-Insanterie-Regiment 243, Kell aus Chemnitz, dem Einj -Freiw.-Unteroffizier im Infanterie-Regiment 103 Herbert Schaar schmidt aus Limbach, dem Unteroffizier und Bataillons-Tambour im Reserve-Infanterie-Regi ment 244 Alfred Joachim aus Chemnitz, dem Unteroffizier im Jnianterie-Regiment 103 Paul Richard Zichocke aus Witzjchdorf ler erhielt gleichzeitig die Friedrich-August-Medaille), dem Unteroifizier im Infanterie - Regiment 182 Referendar Georg Esche, Sohn des Brauerei besitzers Esche in Ravenstein, dein Oberleutnant im Jnfanterie-Neaiment 130 Pichl, dem Leutnant im gleichen Renment Gleisberg. Sohn des Fabrikanten Eleisbcrg in Döbeln, dem Oberleutnant der Reserve im Husaren-Regiment 18 Robert von Oehmichen auf Lichtenberg bei Waldheim, dein Organist Liebing aus Rochlitz früher in Döbeln, dem Leutnant im Infanterie-Regiment 105 Willy T b ii m mler aus Meerane Sohn der Frau verw. Thümmler, die gleichzeitig die Todesnachricht ihres zweiten Sohnes Handelssachschüler und Kriegsfrei williger Albert Thümmler erhielt), dem Unteroifizier im Infanterie Regiment 105 Karl Hammer aus Crimmitühau, dem Gutsbesitzer Willy Eabler in Rudelswalde ter hatte mit noch einigen Kame raden gegen 200 Engländer gefangen genommen, 4 Patrouenwagen und 10 Fahrräder erbeutet). weitere Meldungen. Rach verschiedenen englischen Blättern soll Asquith im Unterhaus« befragt werden, ob dem Herzog von Cumberland die britischen und irischen Titel abgesprochen werden sollen Lord Roberts soll ;u Truppeninspektionen nach dem Kriegsschauplatz abzegangen sein. Verwundete in München liegende Franzosen bestätigen, daß Frankreich den Einmarsch in Belgien lange vor Ausbruch des Krieges beschlossen halte. Caillaux, der jetzt Oberzahlmeister in der französischen Armee ist. wurde wegen unerlaubter Entfernung von der Front zu 14 Tagen Arrest verurteilt. Eaillaux hatte sich unerlaubt nach Paris bereden * In Groß-Berlin nehmen 20 000 junge Leute an den militärischen Vorberei tungen teil. * Die Eingaben der Grundbesitzer-Or ganisation:« werden, wie die „B. Z." erfährt, den demnächst zusammentretenden Reichstag nicht beschäftigen. Ihre Besprechung würde bei den bestehmden großen Gegensätzen zu längeren Debatten führen, die möglichst vermieden werd«« sollen.' Nach -er Schlackt am tvpsztpter See. Die drei Pfälzer. Aus dem Hauptquartier im Osten, 11. November. (2s Aus einem jener Rückzüge, die nicht durch die Gewalt der Waffen, sonder« durch strategische Erwägungen anderer Art bedingt werden, kamen drei Pfälzer, die ihre letzte Arbeitsstätte in ein norddeutsches Regiment versetzt hatte, spät am 5. No vember in den Unterstand, den sie am frühen Morgen verlassen hatten. Sie trafen darin einige schwer Berwundcte, die sich während des Kampfes hierher zunickgeschlkppt batten und nun in der kalten Racht- lust entsetzlich froren. Einer der Pfälzer hatte am Tage vorher seiner Speisekammer ein Weißbrot zu gelegt; auch war er im Besitze einer Düte gemahlenen Kaffees und machte sich nun sogleich daran, den Ver wundeten einen warmen Trunk zu bereiten, worauf er mit seinen Kameraden Stroh zusammentrug, um sie zu bedecken. Das Regiment war im Schutze der "Nacht westlich auf Stallupönen marschiert. Meine Pfälzer denken aber, der Russe wird sich wohl still halten diese Nacht. Wollen auch ein paar Augen voll Schlaf nehmen. In der Morgendämmerung wird noch ein Kaffee gebraut und dann abmarfchiert. Es ist unheimlich still auf dem Felde, links auf den endlosen sumpfigen Wiesen liegt der Nebel. Zwei der Verwundeten können mit eigenen Kräften gehen, der dritte mit Unterstützung. So trotten sie aus der baumlosen Straße hin, ohne vor sich oder hinter sich etwas von Truppen zu sehen. Langsam geht es nur vorwärts. Es müssen Pausen gemacht werden. End lich kommt ihnen ein Fuhrwerk entgegen. Eines jener winzigen russischen Bauernwägelchen, von einem kleinen Pferde gezogen. Das Bäuerlein muß wenden, die Verwundeten werden auf den Wagen gesetzt, die Tornister dazu gelegt. Jetzt geht es etwas flotter. Es ist aber auch nötig. Aus dem verziehenden Nebel taucht eine Kosaken patrouille und verschwindet wieder, als zwei blaue Bohnen hinüberfliegen. „Kinder, das war eine Dummheit. Die mußten wir ronkommen laßen, daß wir die Pferde kriegten. Nu aber los. Paschall, du Pelzmütze da vorne." Das Pferd wird angetrieben. Die drei Pfälzer halten sich am Wagen oder hocken auf einer Kante auf, solange das Gleich gewicht hält. Und halten scharfe Umschau nach den ko?akisch:n Strauchrittern. „Kinder, eßt das Brot auf. S' ist ungewiß, wie lange man noch in Ruhe kauen kann," ruft der Besitzer des Brotes den Ver wundeten zu. Es ist eine jener unverwüstlichen Naturen, denen man keine Anstrengung ansieht, die immer Vorräte haben, sich zu jeder Patrouille mel den, die gegen Geschosse gefeit scheinen und in keiner Lebenslage den Humor verlieren. Seine roten Wangen leuchten in der kalten Morgenluft, wäh rend er den Bauern mit ungezählten „Paschalls" zur Eile treibt und di« Blicke immer wieder über die kahle Ebene wandern läßt. „Pascholl, jetzt', ver flucht, hau mal drauf da vorne." Aber das Bauern pferdchen kann nicht schneller. Es ist wie ein flacher Brunnen, der alle Tage bis aus den Grund ausge schöpft wird. Das Wasser sickert ihm nur tropfen weise zu. Da hinten vor dem dunstigen Himmel aber sprudelt etwas heran, ein breites Grwimmel, das rasch näherkommt, immer breiter, immer beweg licher — die Kosaken? Was Hilst alles Schelten und Treiben — das Bauernpferdchea krümmt sich zur Seite vor den Schlägen und trottet weiter. Die Kosaken reiten lbalopp. Es ist ein« einfache R.-ch- nung. ..Könnt Ihr noch schießen?" ruft der Pfälzer den Verwundeten zu, „dann macht euch fertig." Die Leute starren in das aufziehende Wetter, auf di: am Boden heranbrauscnde Rciterwolke. Wie- virl sind cs — zwei, drei Sotnien — ein ganzes Regiment? Ist cs nicht Selbstmord, sich dagegen zu wehren? Mord oder Selbstmord — es ist fast gleich in dem Falle . . . Plötzlich Schüsse — Mnschinen- gewehrfeuer . . . woher, wohin — gilt es uns? Nein, dort, seht hin! Schon stürzen di: ersten Pferde auf dem linken Flügel. Und nun ist es. als ob ein Riesenschwert durch die Rcitcrschar hinmähte, so fallen sir, überschlagen sie sich, zappeln am Boden. Und ein zweites Schwert faßt den rechten Flügel. Wie eine zusammenklappendc Schere, so arbeiten die beiden Maschinengewehr« «inander entgegen. Ein, zwei Minuten, dann ist alles geschehen. Hier und da rin wild hinjagendes Pferd, ein davonstürzender Reiter. Auf dem Boden nur noch ein hilfloses KSnigreiG vabeim. 12s Roman von Ada do« Gersdorsf. „Da sei (Kott vor und meine gute Freundin hier," Jarl berührte den Schaft der Browning Pistole in seiner Brnsttaselte. „Und zu welchem Zeitpunkt, Doktor Jarl, glauben Sie — da-:- Recht und die Pflicht zu tzabcm, das junge Geschöpf zu ermorden?" fragte Sammetmann ruhigen Tones, fast sarlastiick. „Darüber liesse sich reden," fuhr er fort, als der andere finster vor sich lnnstarrre. „Doktor, wenn Fräulein Relotins Sie liebte! Aber — diese blauen Augen sind talt und klar wie Polarcis, wenn sw den Ihrigen begegnen, Höch- sie ns, dass einmal cm flüchtiger Bist-» des Un- mutS hindnrcl,schiesst. Sind Sie Mann und Fran, dann hört jede llnnatnr auf, daun findet siel) tot sicher auch die Liebe, Sie sind wohl der Mann dazu, Doktor Jarl, die Liebe Ihrer Fran zu cr- lrvtzen, aber niemals der Mann sie in zarter Werbung zärtlich kosend .und girrend zu um. werben, bi- die Bezauberung langsam sich von selbst iwllziehk." „Wozu die vielen Worte, Herr Sammel- mann, Uber eine Sacke, die so aussichtslos ist, wie die Fahrt nach dem Nkvnde, in der Hoff nung dort eine Kirche oder ein Standesamt zu finden. Und zuletzt: auch wenn sie mich liebte, nleincn Tie, dass Anna Scholastika Relotins ohne regelrechte Trauung ginals eurem geliebten oder ungeliebten Manne sich ergibt?!" schloss er bitter schmerzlich. Ein leise-, sonderbares Lacken, halb gut- mütig, halb sarfastisch war des alten .Herrn Ant wort, ehe er den weissen Bart streichend, schmun zelnd sagte: „Nicht ganz so hartherzig wird sie sein! Wenn nur der Reckte kommt." „Der bin ick; nicht," seufzte Knut Jarl auf, und in seinen graublauen Angen stund ein ganzes Gewitter von zornigem Schmerz. „Oder die rechte Art —" „Die habe ich nicht." „Nun, ick aber!" „ Sie -?" „.Hm! — ja!" „Kapitän Sainineunann, bitte, über diese Sache, die für mich eine sehr ernste ist, und schon einmal nni ein Haar zu dem Bankerott eines ganzen ehrlichen Lebens geführt hätte, — über diese Sache -- bitte kein spottendes Wort," sagte Jarl mit ruhigem Ernst. „Denn Sie wol- len dock wohl nicht sagen, dass Sie selbst..." „O Himmel, nein! Und ick scherze auch ge wiss nicht über diese Sack)«. Die sei mir heilig, denn Gott weiss, dass ich sehr wohl begreife, wie der Bankerott, oder der Sieg eines ganzen ehr lichen "Ma nn es lebens von diesem Weibe abhängt, von ihrer Liebe. Ich meinte, Standesamt und Traualtar hier cinznrichtcn, ist nickt ganz so aussichtslos, wie die Fahrt nach dem Monde, um dort etwa eins zu finden." .Jarl antwortete nicht. Sein düsterer Blick glitt über das Meer hinaus, das wie ein glatter stählerner Spiegel in dem glühenden Sonnen- feuer lag, und doch n»ehte ein wohltuender, mit unter lckhler Hauch herüber, das Hämmern in den Schläfen beruhigend. Die Schwimmvögel mit dein herrlichen Drciklang ihrer Gefieder- färben: schwarz, rosa und weiss, kreisten ab und zu unruhig um die Insel. Ob sic ihre Nester da halten? Ihre Scheu wunderte ihn, da ilmcn dock noch nie von Menschenhand Leid zngesugt wor. den war. „Ich >ck!l das Mädchen suckyn." sagte er jetzt beklommen, „sie muss ein wenig helfen bei dem Richten des Mahles, dass wir essen können. Es ist schade, dass sie so gar keine hänslichen Talente, wirtschaftlich hilfreich Neigungen hat. Jetzt sitzt sic sicher, ganz unbekümmert um irgendwelche Ge. fahr oder ihr eigenes Mittagessen, geschweige denn das anderer Leute, und träumt in die Farbenpracht hinein." Saiumetmann schüttelte den Kopf: „Merk würdig! Das ist nun die Göttin, die Heilige Ihre- Leben-, für die Sie Ihr Leben wie Spreu und Zunder hinzuwerfen bereit sind, — aber — nehmen Sie es mir nicht übel: Ihr Ideal scheint sie keineswegs zu sein, — wenn Sie recht über legen, — versprechen Sie sich gerade kein sehr glückliches Daheim mit dieser Königin." Jarl hatte am Abend vorher dem alten See mann halb scherzend, seinen phantastischen Traum vom „Königreich Daheim" erzählt und zu seiner heimlichen Genugtuung hatte der die Sache bei. nahe ernst genommen, so dass beide Männer sich der gleichen Anschauungen in vielen Richtun gen des praltischcn Lebens recht freuten, lind das wirklich Sonderbare war, dass sich schliess lich beide bemühten, Jarls Königreich Daheim säferzhait zu nehmen, als eine Art Wolken, kuckucksheim, und dass sie ungewollt, ja gegen ihren vernünftigen Willen immer ernster an der Realität und der Möglichkeit bauten, falls eben die eine Bedingung, dem Könige Untertanen zu schaffen, sich crsiillcn wollte. Und wenn sic sich erfüllen ließe, ja dann stand ihnen die Heimat ja wieder offen, sie konn ten zuriickkehren und das Daheim versank wieder im Weltmeer der Menschenträume vom Ideal- sbaat, und das geliebte Wckb wurde Frau Doktor, statt Fran Königin! Jarl ging in das Dickicht der Büsche und Bäume hinein, im Borlibergehen einen Blick auf das Boot werfend, ob eS auch noch ruhig in der kleinen Herzbucht lag. Er musste lachen, wie sich auf „Daheim" alle Plätze selbst tauften — Herzbucht! wie hübsch bas klang und passte! Es wäre ja ein Wunder geioesen, wenn es nicht ruhig gelegen hätte — cs hätten denn gerade Tinos delikate Ratten das Tau in aller Eile zernagen müssen. Aber immerhin, die Zeit der Wunder war gewiß nicht vorbei, dachte er sinnend. ES sollte ihm in Bälde bestätigt werden. Ei' nmr direkt nach dem Teich gegangen, denn wo sotlte Anna Scholastika sonjt sein? Hoffentlich hatte sie nicht aus eigene Hand eine Entdeckungsreise unternommen! Tas Herz fing ihm doch an zu klopfen in Besorgnis. Hätte er sie doch gewarnt l Es war ja nicht wahrschein Sonnavenü, l4. Nooemder 19l4. Zucken, vergebliche Versuche, sich aufzuraffen. Blut und Leben zerrinnen auf dem gefrorenen Boden. Zur Rechten rasseln zwei Maschinengewehre wie der Wind auf den Wea zu und davon. Ein paar unbe trächtlich« Büsche bleiben zurück. — Wer hatte ein Arg gehabt, daß der Tod darin lauert! Pascholl, jetzt, zum Teufel . . . Die Brückr über den Grenz bach ist schon gesprengt. Durch die Furt holpert das Wägelchen. In Eydtkuhnen nimmt ein Auto vom Roten Kreuz die Verwundeten auf, und die drei Pfälzer marschieren auf Stallupönen zu. Den hei ßen Kampf am 7. hab:n si« auf dem linken Flügel eines Jägerbataillons mitgemacht. Der Rufs: hatte diesmal keine vorbereiteten Schützengräben und wollte nicht heran. Die Unseren mußten wieder an greifen. sich sprungweij: an die feindlichen Linien heranarbeiten. Man weiß, daß sie zehn Maschinen gewehre erbeutet und 4000 ttzesangene gemacht habrn, nicht ohne eigene harte Verluste. Des andern Mor gens erwartet: man eine Fortsetzung de» Kampfer. Wir waren etwa um 9 in Kassubett, wo die Artil lerie in, Begriff war. die Stellung zu wechseln und weiter vorzugehen. Auch die Infanterie war liber al! im Vorrücken, in den Wiejcngründen, auf F:ld°- ivegen und Rainen. Die Vordersten in breiten Schützenlinien di« Berglehne hinauf, die hier und da von vereinzelt:« Waldbüschen unterbrochen war. Wi: vor einer Trciberkctte gingen die Hasen auf, rannten eine Strecke, kreuz und quer über den Sturz acker und versuchten dann, in verzweifeltem Rück lauf die Linien zu durchbrechen, »m zu ihren Woh nungen zu gelangen. In Dessclweth.'n weidete das Jungvieh auf den Wstsen, ein Trupp Schafe rannte über einen Berg, nnd ein schönes Rappfüllen hatt: sich einem Artillerieoffizier angeschlossen, war von seiner schaumbed-! ' >n Stute nicht fortzubringin. * -i- * Ein Gang über das Schlachtfeld. Wir gingen über das gestrige Schlachtfeld bis zum Holenberg, von dem man einen der schönsten und weitesten Rundblicke genießt, die ich in Ostpreußen bisher sah. Auch diese Kuppe trägt ein kleines Wäl- chen, das man in 3 Minuten etwa durch chreitet. Mitten darin ein verfallener Friedhof mit einem schönen Grabmal aus Sandstein. Zwei Kanonen fcyüssc donnerten noch ins Weit« oom Hosenberge aus. Aber der Feind antwortete nicht. Weit, weit im Felde sah man an einem Wegrand« ein« Schützen linie und auf den kahlen Höhen vor dem Wrpztyter See und der Romintener Heide zeigte das Fernglas ein dunkles Gewimmel von schon,"enden Truppen.' Sie gruben umsonst, sollten dort nicht angegriffen werden. Am Waldrande saßen und lagen Gruppen von Offizietcn, und die Mannschaften schliefen an den Wegrändern oder auf dem Kleefeld von der Sonne gewärmt, die gerade ein« ihrer seltenen Gast rollen gab. Ein Bursche hielt drei Pferde am Zügel und schlief auf dem Rücken, während die Gäule mit hängenden Köpfen bei ihm wachten. Unten in der Scheune schlief auch ein Soldat. Beim Strohholen sah ihn einer liegen und weckte ihn. Ein junger Russe, der seit dem vergangenen Abend schlief, nichts von dem Abrückcn der Seinen und dem An- nnd Vorbeimarsch der Preußen gehört hatte — bis ,zum Nachmitag. Di« große Kuhherde im Stalle hatten unsere Soldaten heut gefüttert und getränkt: denn es waren nur ein paar Frauen mit kleinen Kindern ans dem Gute zurückgeblieben. Alle anderen Leute waren geflüchtet. Die Russen wollten sic gestern er schießen, halten sie schon an die Wald gestellt. Aber ein Offizier war dazugekommen und hatte es ver hindert. Der Inspektor des Gutes war übrigens auch dageblieben: ein kleiner, d'cker Junggeselle in den Fünfzigen mit rotem Gesicht und unerschrockenen Augen. Dem waren sie auch zu Leibe gegangen, hatten ihm etwas zugcschricn. was er nicht verstand, worauf ein Soldat auf ihn anlegte. Da knöpft mein Onkel Br ölig den Rock und die Weste auf und ruft dem Soldaten zu. er soll nur zwchicßen, er fürchte sich nicht davor. Dabei sieht er dem Muschik so un erschrocken in die Augen, daß der verdutzt abläßt. In dem kommt c»n Offizier dazu und macht ihm klar, der Rus des Soldaten habe ..Hände hoch" bedeutet. „Na ja. das kann ich ja denn tun. Das muß man mir deck) bloß vernünftig scwen." Nun werden ihm seine Taschen ausgeräumt. Die Uhr fliegt an einen Pfcrdcbauch. von da zu ihrem Besitzer zurück, der sie in den Stiestlschaft steckt, während die Soldaten am Boden suchen und sich gegenseitig bear-nvohnen. Seine zweihundert Mark muß er auch her^eben. Er beteuert aber so laut und standhaft, daß die« sein letztes Geld sei, das er unbedingt behalten müsse, daß Sodrvidmssvdiyov LkeMiiitz n. Liilieliüi-. Crimmal^cli« 81r. 24. Tel. I29S9. 8ec lich, aber doch nickt ausgeschlossen, daß sie auf seiner kleinen Insel irgendwelchen Gefahren be- lzegncte. Bor allem, dass sie Giftschlangen traf, tvenn Tino auch meinte: „Nix Gift" und ein er fahrener kleiner Mann nnd Inselbewohner war. Die Büsche wurden dichter, die Baumstämme von Schlingvflanzcn wie von Gnirlanden um geben, das Unterholz zeigte prachtvolle Beeren , und Früchte. Ah - dort! das war ja wieder * «tivaS Nahrhaftes, Gnies. Goldig gelb lugten längliche, gurtenartige Früchte anS den Wedeln einer Palmenarl, die Jarl gut kannte: Bananen ober denen ähnliche Erzeugnisse der Tropen. Und nicht weit davon eine fast gleich geformte Frucht vvn geradezu leuchtender Beilchenfarbe! Sollten das etwa Limonen, die köstlichen, so schmack haft zuznbercikendcn Südfrüchte sein? — Nun, twrhnngern nnd verdursten wurden sie nicht im Königreich Daheim schien es ihm. Jetzt hieß eS nnn. weiter bauen nnd säen, p lauz?« nnd ernten. Plötzlich blieb er vor einem drolligen An blick stehen: ein ganzes N.'st tlelncr Stachcl- chweinctzen, ganz junge Tierchen, quiekte ihn» rendig Willkommen entgegen, und er erinnerte ich der Berichte der Naturforscher, daß Jgel- iratcm sehr gut munde. Gleich daraus sah er auch Anna Scholastikas Kleid durch die Zweige eines hasclnussartigen Strauches hell herüberschimmern. Die Blätter waren wohl dreimal so gross, wie die eine- ge wöhnlichen HaielnussstranchcS, und große grau braune Nüsse hingen schwer bis zum Boden her nieder. Hier und da lagen offene Schalenrestr und die Hälfte einer goldgelben Nusifrucht vvn der Form frisclier Mandeln, von irgendivelchen Nagern geöffnet, umher. Also keinesfalls war-n sie gesundheitsschädlich. Um das Probieren all der Neuheiten für die Tafel war es allerdings eine eigene Sache. . . Nun, es würde sich schon noch tierausbringen lassen, was da schädlich war nnd lvas zur Nalrrung dienen konnte. (Fortsetzung in der Sonntag »au»ga-«I
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