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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.04.1917
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1917-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19170427014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1917042701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1917042701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-04
- Tag 1917-04-27
-
Monat
1917-04
-
Jahr
1917
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Morgen-Ausgabe Bezugspreis: L M «tsNsitähnich M. «LV, fßr Üvholer monatlich M. I^S; durch nnssr« «tmlrtiasn iffMatsn in« tzaa« gsdracht monatlich'M. ILÜ, »Isrisl- Ildrltch M. SÄ: tnrch dl« Poft lnn«rhaid D«»iichIand» V»Iamt-?ln«»ad« «nai l,» M. l.73, »ierl.Iiahrlich M. S2S; Moraen-Aalgad« M. t^8, Ad«ad-A»«iads M. Ü,7L, S»ant,a«-A»<gad« M. 0.10 monatlich taatichUo-ttch PolidefteitgedLhri. ' Schrifttett»»« nnt cheichdsiliieie: Aadaanitgafi« Rr. I ' Rr. 210 Handels-Iellung -lnrtsblatt des Rate» urrd des pvUreiamtes -rr Stadt Leipzig Freitag, den 27. April 111. Jahrgang Anzeigenpreis: ». B«d5r»«» t» «mil. r«il »l« <p«iii,eil« 70 P», ». «ad», so Pf.: kl,Ino An,«!««, dl« V»Nii«il« »Df. «nlmartl 30 Pf.: «.schefKa»,,«,," mtt Platz»,rlchrlften im Preis« erhöht. lv,ll»-»n: G»s«»ra,siag« M. 7<— da« Laas«nd «»Ischl. poftgahlh» E>nz»lamn««r t« Ps. — Sonn- »nd Aeßlsg« t> Vt> S««t,i«ch-P»tchl«» ild«. ll«« »nd l«»»4 Poftsch.chhoato 77V0. 1V17 WermWMStiiMlilmWreihiiNeii Das Abflauen der Schlacht bei Arras Dal Wolsfsche Bureau meldet amtlich: Berlin, 26. April, abends. Don den Kampffronten ist nichts Besonderes zu berlchken. vtd. Berlin, 26. April. (Drahtdericht.) Die Schlacht bet Arras flaute am dritten Kampftage sichtlich ab. Die Engländer vermochten ihre gclichlelen und zusammengeschoflenen Divi sionen nur noch an wenigen Stellen des Frontabschnittes beiderseits der Scorpe zu stärkeren Angriffen vorzutreiben. Der mächtig angeseht« und wuchtig begonnene Durchbruchsversuch der Engländer ist buchstäblich ver- bsutet. Aach Aussagen jener Teile unserer Kampftruppen, die bereits im Osten fochten, lassen die Verluste der Engländer sich nur mit jenen Rassenverlusten der Aussen vergleichen, die die Auffen bei ihren ohne Unterstützung durch die Artillerie ausgeführten Angriffen erlitten. An allen GefangenenaoSsagen geht ebenfalls klar hervor, wie ungeheuer die englischen Bataillone zusammenkarlätscht wurden. Zwischen Len- und Gavrelle ließ das feindliche Artilleriefeuer im Laufe de- gestrigen Bor mittags stellenweise nach, während um den Ort Gavrelle aste an den vor herigen Tagen abermals erbittert gekämpft wurde. Ein vereinzelter feindlicher Vorfloh nördlich vom Bahnhof Aoeux brach in unserem Feuer unter schweren Verlusten zusammen. Südlich der Scarpe griffen die Engländer dreimal erbittert an. Unter schweren Verlusten wurden sämt liche drei Angriffe zum grössten Teil schon durch Fcuerwirbel zurückge schlagen. Auch weiter südlich wurden sämtliche Vorstöhe abgewiesen. Gegen Aden- war der Ostrand von Gavrelle nach Kämpfen von grösster Midhett wieder in unserer Hand. Die starke Artillertetätigkeit flaute bedeutend ab. Der erschöpfte Gegner unternahm abends keinen neuen Sturmangriff mehr. Als einziger minimaler Erfolg der wiederholten verlustreichen Angriffe blieb an der Stratz« Monchy—Pelve- ein schma le- Grabenstück tu der Hand de- Gegners, das er mit enormen Blut opfern bezahlte. Durch «inen Gegenangriff wnrde diese« Engländernest lndeffeu wiederum gesäubert. Am übrige« fanden auf der Kampffront außer vergeblichen feindlichen Batrovillenvorstößen keine neuen Ansaat«- rieanoriffe statt. Da- starke Artilleriefeuer hielt nur nördlich von Len- und geaen unsere Stellungen weltlich von Arleur und Qnäant an. Unser« Artillerie brachte bei Huiluch ein feindliches Munition-depot zur Explosion und beschoss erfolgreich feindlich« Wohngräbea. Eigene Pa- trouillen drangen westlich von Hulluch in die feindlichen Gräben und kehrten mit einigen Gefangenen zurück. Der zweite feindliche Durch bruch versuch der Engländer bei Arra- darf heute als völlig gescheitert »gesehen werben. Während aus englischen Gefangenenaussagen, be sonders denen von schottischen Aegimenlern, die bei Aoeux in unser« Hand fielen, klar die Absicht der Engländer, in der zweiten ArraS- Scklachl auf jede» Tall durchzustoßen, heroorgeht, versucht das englisch« krieg-aml. diese Absicht adzulcugnen, indem es vorpibt, der unter ge- wallten Masten von Menschen und Munition angesekle Anoriff habe nur die Eroberung einiger Dörfer zum Ziele gehabt. Wie bei Aeims im Süden, scheiterte der Durchbruch der Entente auch bei Arras. Aach der ungeheuren Schwächung ihrer Kampfkräfte in diesen blutigen Schlacht- tagen steht die Entente in ihrem strategischen Ziele fester denn je. tzindenburqs Dank an den Reichstag Berlin, 26. April. (Drahibericht.) Generalfeldmarschall von Hindenburg sandte an den Präsidenten des Reichstages Dr. Kaempf auf den ihm übermittelten Grus; des Haushalts ausschusses des Reichstages folgendes Antworttelegramm: .Euerer Erzellenz und den mitunkerzeichneten Mitgliedern des .Haushaltsausschusses des Reichstages danke ich für die UebermilNung der Kundgebung an unsere feldgrauen Helden. Mit freu diger Zustimmung Seiner Majestät des Kaisers, meines Allerhöchsten Kriegsherrn, habe ich die Kundgebung dem Feldheer bekannt gegeben. Das Gelöbnis deä ganzen Volkes, mit aller Kraft und unerschülter'ich unserem geliebten Vaterlande den Frieden zu erkämpfen, eint Heimat und Heer. v. Hindenburg.' Die englischen Verluste >vti>. Amsterdam, 26. April. Aach englischen Zeitungen betrugen die englischen Verluste im März bei der Armee 1765 Offiziere <64-1 ge fallen) und 28 709 Mann (4909 gefallen), bei der Flotte 123 Offiziere (10 gefallen) vnd 1423 Mann (328 gefallen). Verrauxs' Ruf nach der Einheitsfront täa. Berlin, 26. April. (Drahtbericht.) General Verraux schreibt über mangelnde Einheit des Handelns bei den Verbandsmächten im «L'Oeuvre' vom 22. April: Die Engländer haben den Kampf am 9., die Franzosen am 16. be gonnen. Warum dieser Abstand? Das ist ein GeWmnis der Strategie. In dem Matze, wie sie rechts stärker zuschlugen, schlugen links unsere Verbündeten schwächer drein. Das wird man als «abwechselndes Zerhämmern" hinstellen. Da wir keine andere Erklärung haben, müssen wir uns mit dieser begnügen. Aber mit Worten und bildlichen Redewendungen werden wir* nicht zum Sieg gelangen. An der russischen Front herrscht zwei fellos lebhafte Bewegung, nur ist sie vorwiegend politischer Art. Die Soldaten richten ihre Kompanien auf demokratischem Fuße ein. Unter solchen Verhältnissen scheint die Einheit der Hand lung denn doch allerlei Fährlichkeiten ausgesetzt. Allerdings hat uns Alexejew seine baldige Mitwirkung versprochen, aber die Deutschen scheinen sich über sie durchaus nicht zu beunruhigen. Ihre Haltung ist vollständig abwartend. Sie unternehmen sogar keine Erkundungen mehr. Seit dem Kamps am Stochod wissen sie genug. Mazedonien nimmt an dieser Ruhe teil. Dort sind die Alliierten einig darin, unter Verzicht auf ihre einstigen schönen Träume sich bescheiden damit zu begnügen, möglichst viel feind lich« Truppen sestzuhalten. In Palästina schlägt sich Murray mit den Türken bei Gaza herum, und in Mesopotamien geht Maude den Tigris aufwärts. Warum aber scheinen Baratows Kosaken, leit sie die Nachricht von der russischen Revolution erfahren haben, an den Grenzen Persiens festgewachsen zu sei«? Zum Schluss: Italien. Es behauptet, von dem Gespenst der drohenden Invasion in die Lombardei befreit zu sein. Ribot hat gestern mit seinen leitenden Persönlichkeiten eine Besprechung gehabt: hoffentlich hatte sie ein Ergebnis. Die Sozialdemokraten «nd die Friedensbesprechungen vtd. Wien, 26. April. Unter dem Titel: Antwort an bi« Sozialdemokratie veröffentlicht das «F r e m d end l att' einen Leitartikel, besten Gedankengang etwa folgender ist: Wie auS den Blättern zu ersehen ist. sind die österreichischen, ungarischen und deut schen Sozialdemokraten, von dem Wunsche geleitet zur Beendigung de- furchtbaren Weltkrieges das ihrige beizutragen. aus eigenem Antriebe zusammengekreken. um die Frage zu erörtern, ob durch eine inter nationale sozialistische Beratung di« Sache des Friedens gefördert und der Weg zum Friedensschluh geebnet werden könnte. Im Anschluß an diese tn Berlin abgehaltenen Besprechungen richtet die deutsche So zialdemokratie in der «Internationalen Korrespondenz' die Frage an die Regierung, ob dies« dereit sei, offiziell zu erklären, daß sie auf An nexionen verzichte, und in einer Resolution, die in Berlin unter Zu- stimmung der Vertreter aus Oesterreich und Ungarn gefaßt wurde, ist als wichtigste Pflicht der Partei bezeichnet worden, di« Regie rungen zum klaren Verzicht auf je-« Eroberung-- Politik zu veranlassen. Ein« Erklärung über diesen Punkt wäre nun eigentlich überflüssig, da die verschiedenen Aenherungen der öster reichisch-ungarischen Regierung die gewünschte Antwort schon ent hielten. Wenn die Oeffentltchkelt aber eine neuerliche Erklärung hören möchte, so kann ihr gesagt werden, daß unser« Monarchie absolut keine aggresiven Pläne gegen Rußland hab« und auch nicht beabsichtigt, sein Gebiet auf dessen Kosten zu erweitern. Von sozialdemokratischer wie von jeder anderen Seite wird map gewiß an erkennen, bah die österreichisch-ungarische Regierung t/mtt in voll kommen offener vnd freimütiger Weis« und ohn« Umschweife ge sprochen hat. Das Ausland darf in dieser Stellungnahme der österreichisch-ungari schen Regierung kein Zeichen von Echwächegefühl erblicken, wie hier- mit ausdrücklich konstatiert werden mag, da die feindliche Presse, um die Wirkung unserer Friedenskundgebungen zp durchkreuzen. und ihren Sinn zu entstellen, doS dem Publikum der Ententeländer als Beweise der Abnahme unserer Widerstandskraft vorzuführen liebt. Gegen unsere kämpfenden Truppen würden sie sich, wenn sie solchen Dar stellungen Glauben schenkten, in einem verhängnisvollen Irrtum be finden. Wir haben immer wieder betont, daß wir «inen Verteidigungs krieg führen und daß wir ihn so lange fortsetzen werden, bis wir unseren Zweck erreicht haben, -er darin besteht, daß wir uns Sicherheit für unsere künftige Existenz schaffen. Mit kräftigen, überzeugenden Wor- ten führt das Blakt aus, daß wir nicht nur entschloßen sind durch- zuhalken, sondern daß wir uns auch militärisch und wirtschaftlich stark genug fühlen, um den Kampf auszufechien und um die Feinde, die unS zu diesem nötigen, niederzuzwingen. Wenn wir uns bereitgefun-en haben, ein Friedensangebot zu machen, so geschah «S, weil wir nutz lose Menschenschlächterei verhindern und alles cmfbteten wollen, um die kostbaren Menschenleben, die die Fortführung deS Krieges verschlingen muß, zu erhalten. Von uns ist den Sozialdemokraten kein Hindernis in den Weg gelegt worden, auf einem internationalen Parteitag über den Frieden zu sprechen. Im Gegenteil, wir haben, soweit es an uns ge legen war, die Wege zu dieser Aussprache geebnet. Das monarchische und angeblich reaktionär« Oesterretch-llngarn und das politisch angeblich so rückständige Deutsche Reich gestatten ihren Sozialdemokraten, kinaus.zngehen und über den Frieden zu sprechen, währen- «4 bisher noch mehr als fraglich ist, ob das moderne und freiheitliche Rußland den Vertretern seiner Sozialdemokratie erlauben wird, sich gleichfalls ein- zufinden und noch fraglicher,' ob England, das sich als obersten Re präsentanten aller demokratischen Grundsätze auSgibt, und ob daS republikanische Frankreich sich dazu herbeilaffen werden. * G Berlin, 26. April. (Drahibericht unserer Ber- linerSchrlfkleitung.) Ein hiesiges Abendblatt knüpft an den «Antwort an die Sozialdemokratie' über- schriebenen Artikel des «Wiener Fremdenblaktes" die Befürchtung, daß die den deutschen und österreichisch-ungarischen Sozialdemokraten durch ihre Regierungen erteilte Erlaubnis zu internationalen Friedensbesprechungen von unseren Feinden als ein Zeichen der Schwäche ausgeschlachtet werden könnte. Diese Befürchtung teilen wir nicht ganz. Dabei verhehlen wir nicht (und wollen es auch gar nicht), daß wir die Aussichten dieser Be sprechungen mit nicht ganz so hochgespannten Hoffnungen be grüßen, wie das „Wiener Fremdenblatt' das zu tun scheint. Aber das sind schließlich Temperamentsnnkerschlede. In der Sache selbstistmon natürlich inWienwietnBerlin sich einig. Selbstverständlich wird hüben wie drüben der Frieden von den Monarchen geschloffen werden. Deshalb mag man immer- hin, nachdem dieses Weltblutbad nun schon drei Jahre dauert, den Sozialdemokraten einen Freiplatz gewähren, um gewisse unver bindliche Vorbesprechungen zu führen, sozusagen Fühlhörner aus- zustrecken, wie sie schließlich auch von anderer Seite schon auS- gestreckt worden sind. Daß man sich in ernstlichen politischen Kreisen allzuviel von den Pourparles verspricht, möchten wir be zweifeln. Es bleibt noch immer so: Der schnellste Weg zum Frieden führt durch Kampf zum Sieg. rvtb. Basel. 26. April. (Drabtbericht.) Die .Basler Nachrichten' bringen einen Artikel, worin ausqesührt wird, die KriegSzieldiskuffionen der deutschen Presse seien ein Beweis für die Zerrissenheit deS deutschen Volkes hinsichtlich der Kriegsztelwünsche. Solche Diskussionen wären bedenklich in einem Augenblick, wo geistige Geschlossenheit gegenüber dem feindlichen Auslände unbedingt nötig wäre, damit letzteres Respekt vor den deutschen Friedensangeboten haben könne. Die Bekanntgabe des von der Regierung zur Frage der Krieg-Ziele eingenommenen Standpunkt«- könne man dem Reichskanzler tm gegenwärtigen Augen- -lick um so weniger zumuten, als Friedensunterhandlungen keine Laden- Geschäfte mit fixen Preisen wären. Es sei unbegreiflich, daß die deutsche Presse für die durch diese Frage geschaffene delikate Lag, de- Reichs- Kanzler- so geringes Verständnis zeige. Tausend Tage Krieg Zum 27. April 1S17 ' Z Vou Dr. Hermann Friedemann Am 1. August 1914 befahl unser Kaiser dl« Mobil machung, so daß der 2. August al- erster Kri«gStag an- Zusehen ist. Mithin war mit dem 1. August 1916 da- zweite Kriegsjahr abgeschlossen, wa- einem Zeitraum von 731 Tagen entspricht. Aus August 1916 und September wie November des gleichen Jahres kommen weitere j» 30 Tag«, aus Oktober und Dezember je 31 Tage hinzu, so daß der .Kampf am vorigen Jahresschlüße 883 Tage andanerk«. DI« ersten drei Monate des laufenden Jahres erbrachten 90 weitere Tage, u »durch di« Gesamtdauer auf 973 Tage anwuchs. Der heutig« 27. April macht also das Tausend voll. Dl« Schrlfiltg. Tausend Tage Krieg... die Gedanken der Menschen Kreisen hilflos um diese vierstellige Zahl, die über daS Ausdenkbare hin ausgewachsen "ist, wie alles in dieser Zeit des Maffengeschehens. Dreihundert Milliarden mal ist in Europa ein erlebnisfähiger Mensch mit dem Gedanken erwacht: Es ist Krlegi Und mit dem Wissen zur Ruhe gegangen: Es ist Krieg. Bis die Spannung ermüdete, der Zeitsinn sich umstellte und der Krieg seinen eigenen Kalender schuf. Wir haben jetzt eine andere Zeitrechnung als vordem. Im Frieden war unser Jahr nach Sommer und Minter, Herbst und Frühling geteilt — und nach den willkürlichen Kalender abschnitten, die, weil von menschlichem Ueberetnkommen gesetzt, o gut auf di« menschlichen Lebensabschnitt« patzten. Die Zett chten di« Lebenseinteilung zu regieren, wie das Geld di« Wirt- chaft. Die Täuschung, die von allem Geordneten ausgeht, ließ uns die seibst-esetzten Daten als Schick so lsmächt« erscheinen: das Sinnbild wurde zum Wesen. Griff nicht jeder erste April ünd jeder erst« Oktober entscheidend in Millionen Lebensläufe ein? War nicht jeder staatlich festgesetzte Zeitabschnitt eine Macht? — Im Krieg erführen wir, daß nicht das Geld die Menge der stofflichen Lebensgüter bestimmt, .sondern dah diese Güter den Wert des Geldes bestimmen. Nicht anders ging es unS mit der Zett. Der Inhalt bestimmte wieder die Form, das Begebnis fetzte die Zeiteinheiten. Seit kaufend Tagen leben wir von Ereignis zn Ereignis, nicht mehr von Datum zu Datum. Wohl bewahren dl« Jahreszeiten ihre abgrenzende Kraft, weil sie naturgegeben sind und auf die Ereignisse wirken; Halbjahre aber, Quartal«, Monate — sind nichts mehr. Im Anfang des Kriege- haben wir das nicht ge wußt. Wir zählten die Wochen: denn wie sollte eine Katastrophe so wachsen, daß sie die Zeit in sich htneinschlang? Daß nicht sie in der Zeit, sondern die Zeit in ihr Kreisen würde? Heute meßen wir nach Offensiven und nach der Vorbereitung zu Offensiven; nach Feldzügen und nach Zwischenpausen. Ein Tag der Ent scheidung ist länger als ein Monat ohne Ereignis. Ein Monat und ein Halbjahr, tn denen der Krieg um die gleiche Strecke vor wärts schreitet, sind gleich lang. Zu Beginn des Krieges brauchte ein Gesamtangriff kaum Wochen zur Vorbereitung; heute fast ein Jahr. Wie aber der Feldherr von heute sein Schlachtfeld aus der Karte überblickt, so trägt er auch ein Bild der Zeit in verändertem, verkleinertem Maßstab in sich: alles ist groß oder klein, nach seinem Inhalt. Darum ist das Gefühl der Dauer in der Heimat so viel leb hafter als an der Front. Inmitten der Ereignisse mißt man die Zeit nach dem natürlichen Ablauf der Dinge. Man steht die Aufgabe vor sich und empfindet die Dauer als eine ihrer Eigen schaften. Fern vom Kriege, spüren wir noch die Zeit. Sie hat noch nicht allen Anspruch aufgegeden, die Ereignisse nach sich zu ordnen, statt sich von ihnen ordnen zu laßen. Mir sehen noch den Krleg in die feste Form eines Zeitraumes einströmen, statt daß draußen die Zelt ins Gefäß deS Krieges strömt. Der Krieg verbraucht die Zeit wie der Staatshaushalt das Geld. Er fragt nicht: Mas schaff' ich innerhalb von sechs Monaten? sondern: Wieviel Monate brauch' ich, um diese oder jene Auf gabe zu bewältigen? Wer daS Kriegswerk nicht unmittelbar er lebt, für den stehen freilich noch die ausgehöhlten Formen der Zeit. Und darum treibt es unS immer noch, zu berechnen, was jeder Tag, jeder Monat, jedes Jahr an Kriegsinhalt einschlingt. Wir berechnen: Jeder dieser tausend Tage hat durchschnitt lich daS Leben von siebentausend bis achttausend Soldaten aller kriegführenden Völker gekostet. In je drei Tagen gaben die Staaten eine Milliarde für die Kriegführung aus. Mindestens sechzehn- bis siebzehntausend Kampfteilnehmer wurden täglich verwundet; vier- bis fünftausend täglich gefangengenommen. Wenn man nur die Toten zählt, hat der Krieg bis jetzt so viel wie die gesamt« wehrfähige Mannschaft eines Volkes von mindestens 60 Millionen verbraucht. Für die Geldkosten eines einzigen Tages (die jetzt die halbe Milliarde weit übersteigen) könnte man eine Großstadt mit allem, was dazu gehört, mit Palästen, öffent lichen Gebäuden, Verkehrsmitteln in «ine Wüste hineinbauen. Täglich fallen fast dreimal so viel Männer, wie in Friedenszeiken in Deutschland Menschen sterben. Mit denen, die gefallen sind, ihren Angehörigen und ihrer Nachkommenschaft hätte man einen Erdteil bevölkert. Täglich bleiben zwanzigtausend Menschenkinder, di« in Frie denszetten zur Welt gekommen wären, ungeboren In taufend Tagen ist wohl nicht eine Sekunde vergangen, ohne daß irgendwo an den unendlichen Fronten ein Geschütz ge dröhnt hätte; sicherlich niemals ein« Minute, in der nicht min destens ein Leben erlosch. Dem Geschehen dieser tausend Tage einen geistig gleich- wiegenden Inhalt zu geben, wird eine unermeßliche Ausgabe sein.
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