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Kunst, Mssenschast und Unterhaltung Hrmentikes. Eine einförmige Landschaft dehnt sich zwischen oen beiden Flüssen Deule und Lys; von hohen Ulmen eingefasste Fcldervierecke liegen zu beiden Sei ten der mit großen Tandsteinquadern gepflasterten Straße, und niedrige, aus Büchlein gebaute Häuser bilden dürftige Ortschaften. In der Ferne aber er hebt sich der von vielen Hunderten hoher Fabrik schlote gebildete Wald der Industriestadt Armen tieres. Armentidres, Gent und Courtrai sind jene drei großen Industriestädte Flanderns, die sich nicht nur ihre mittelalterliche Bedeutung bewahrt, sondern neues Ansehen und neue Be deutung hinzugewonnen haben, im Gegensatz ;u Ypern, Hondschoote und Wervicq, die nur noch Ruinen der ehemaligen Herrlichkeit sind. Die In dustrie Armentiöres' hat zwar auch gewechselt; an statt kostbarer Tuche webt man heute Linnen aller Art. Aber die Bevölkerung und ihr Reichtum sind ständig gewachsen, und die Stadt mit ihren Vor orten zählte bei Kriegsausbruch über 70 000 Be wohner. Der Boden der Gegend ist dürftig, zeigt doch schon der vom lateinischen „arm^ntariuin" — das heißt Viehstall — abgeleitete Name, da» die Viehzucht die gegebene Kultur die'es Wiesengeländes wäre, das vom schmalen, aber tiefen Bett der Lys durchflossen wird. Doch die glückliche Lage Armen tiöres auf der Straße von Lille nach Düntirchen, ge rade dort, wo die Lys für größere Flußkähne befahr bar wird, hat der Stadt schon in früherer Zeit große Bedeutung verliehen. Wir missen, daß 1525 die Bür gerschaft den Bau eines Kanals beschloß, der die Lys mit der Landschaft Artois verbinden sollte. Nur die Eifersucht der Städte Lille und Bethune verhin derte die Ausführung des Planes. Dafür wurde später der die Stadt Aire am Oberlauf der Lys mit La Basse« verbindende Kanal gebaut, der gleich falls Armentiöres zugute kam. Schon 1519 hatte Karl V. die alte Mauer der Stadt niederreißen und ihre mächtig gewachsenen Vororte mit einem neuen Schutzwall umgeben müßen, obgleich erst 52 Jahre vorher das Heer Ludwigs XI. Armentiöres geplün dert und niedergebrannt hatte. Er stattete es auch mit ausgedehnten Rechten aus. Damals waren Ar mentiöres „Etamettes". ein in vier Farben gewebtes Tuch, weltbekannt, und die genuesischen und vene zianischen Schiffe kamen diese Stoffe an der nieder ländischen Küste holen, um sie nach dem Orient zn bringen. Doch die mannigfachen Bürgerkriege, die Flandern heimsuchten, machten auch der alten Blüte Armentiöres ein End«. Zur Zeit der Französischen Revolution war die Tuchsabrikation sehr gering. Da sing die Leinenweberei an, di« Tuchweberei zu er setzen. Der goldgelbe, im Tale der Lqs gebaute Flachs ist ja der beste flandrische Flachs, und heute werden Rohlinnen, Glanzleinwand, Tafellinnen und die als „Metis" bezeichnete, aus Leinwand und Baumwolle gefertigte Halbleinwand hier hergestellt. Die Stadt als solche bietet wenig Reize. Verläßt man das weitgedehnte Bahnhofsgebäude, vor dem die Linien von Dünkirchen, Lourtrai, Lille, Lens, Aire und Halluin .zusammentreffen, dann durch schreitet man eine lange, mit breiten Bürgersteigen versehene Alle«, von der 5 oder 6 ebenfalls breite Straffen nach beiden Seiten abzweigen; die niedrigen Backsteinhäuser beider Fronten werden ab und zu durch den Sandsteinbau eines Gasthauses oder die rauchgeschwärzten Mauern einer Fabrik unterbrochen. Sie führt -um Marktplatz, wo wenige enge und dunkle Dassen mit alten Häusern noch daran er innern, daß Armentiöres auch einmal Festung war. Zwischen hohen Ufermruern fließt das schmutzige Wasser der Lys dahin und schneidet die Stadt in einen größeren, auf dem rechten Ufer gelegenen, und einen kleineren, linksuferigen Stadtteil. Kaum einen Kilometer unterhalb der letzten Häuser stößt schon die belgische Grenze an den Fluß, d«r dann selbst eine Strecke lang die natürliche Grenze bildet. Diese Nähe Belgiens hat Armentiöres und seiner Bevölkerung den Stempel aufgedrückt. Fast die Hälfte der in den Spinnereien und Webereien, in den großen Anlagen zum Bleichen, Färben, Mangeln und Appretieren der Leinwand beschäftigten Arbeiter sind Belgier. Die «inen sind gekommen, weil sie hier besseren Lohn als in der Heimat finden, di« anderen wollten sich der belgischen Dienstpflicht ent ziehen, und einige wieder fürchteten, wegen irgend welcher Vergehen mit dem Richter Bekannt chaft machen zu müßen. So entstand jene unruhige Grenz bevölkerung, die Armentieres den Ruf einbrachte, eine der unsichersten Städte Frankreichs zu sein. Die Sprache dieser Bevölkerung ist, wie im ganzen Tale der Lqs bis hinunter nach ment, die französische; doch schon bei einem längeren Spaziergang vor der Stadt kann es verkommen, daß die flämische Bevölkerung Flanderns auf eine französische Frage keine Antwort gibt, denn der Bauer der Umgegend spricht im Gegen satz zu dem Arbeiter Flämisch. Ahnen und Enkel. Fünf Stücke von Hans Müller-Schösser. (Uraufführung im Düsseldorfer Ltadttheater.) Der Titel der Arbeit hieß zuerst „Kriegszeiten" und wurde kurz vor der Auffüyrung in „Ahnen und Enkel" umgeändert, „damit nicht beim Publikum die Meinung aufkam, al» ob es sich bei diesem Werk auch um eins der heute viel auf den Markt ge brachten sogenannten aktuellen zzriegsstücke handele". Die erste Bezeichnung erscheint aber genauer, denn der Velsaßer zeigt uns die Kriegsstimmung der Volks seele verschiedener Jahrhunderte, und zwar in lünf zusammen anglosen Einaktern voll Leuchtkraft und deutschem Gemüt. „Heia berge romerike" schildert den kritischen Stans der Schlacht bei Worringen im Jahre 1288, be vor sich die bergischen Bauern, angeseuert durch die begeisternden Worte les Mönche; Walter Dodde, tocesmutig aui den Feind stürzten. „Baltes der Schmied" ist ein Zug deutscher Kraft gegen welsches Raubrirtertum im Zahre 1682 Der „Johannestag" bringt die kurierte Französelei einer rheinischen Witwe wahrend dec Franzosenherrichast im Ja ,re 1757 Das vierte Stück „Kosaken" malt ein Kultur bildchen aus den Freiheitskriegen 1813. Zum Sästuß stellt „Deu.schland voran!" die Mobilmachung 1870 dar, wie sie in rheinische Kreise einschlug und sieges ewiste Kampfesstimmung hervorrief. Zusammenhanglos und doch geeint durch die Grund stimmung! MüUer-Schlößer ist kein Bahnbrecher, kein Weg weiser in die Zukunft; er gibt nrcht einmal neue Gedanken, ist also eigentlich noch kein Dramatiker. Er ist aber ein fähiger Schilderer packender Ereig nisse aus dem Menschenleben, em Kleinmaler, der das Charakteristische aus dem Dasein der „Bürgers- leut " hervorzuholen und treffend auf die Bühne zu stellen weiß. Eemütlich-behäbig, wie er selbst ist, gibt sich Müller-Schlösser auch in seinen Arbeiten: er versteht es. das Publikum gut zu unterhalten, und zwar mit den einfachsten, verständlichsten und daher für die Maste wirksamsten Mittel der Szenerie. Er fordert keine besondere Eeistesanstrengung oder Phantasiedetätigung von seinen Zuhörern, aber er bietet den Genug angenehmer Emfindungen Er läßt uns in Erinnerungen schwelgen, m Gelüblen, die die Menge leicht beherrschen sinniges Behagen, Lust und Leid der Menschen, Patriotismus und Familrengeist ebenso wie Schadenfreude, Neid und Aeiger; alles nach dem Leitsätze: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen! Darum hat Müller-Schlosser auch das Volk für sich Für die breite Masse ist er der Dichter anheimelnder Unter- haltungsitücke, wie er es in fernem durch ganz Deutschland gewanderten „Schneider Widdel" ge zeigt hat und wie er es jetzt auch in „Ahnen und Enkel" fertig brachte Da Müller-Schlößer also leicht zu verstehen ist und auch mit vielen äußeren Mitteln zur Hebung der Begeisterung arbeitet, blieb der Erfolg der neuen Arbeit nicht aus. Von Akt zu Akt steigerte sich der Beifall, sein dankbares Publikum jubelte ihm zu, forderte unermüdlich zahl reiche Hervorrufe und spendete Kcänze, in denen leider rote Rosen, blaue Dergiffmeinnicht und bunte Astern — die wahren Symbole seiner Kunst — fehlten! Die Ausführung war im vollbesetzten Stadttheater unter der Regie von Bela Duschak gut gelungen; die einzelnen Bühnenbilder waren vrächtig heraus- gearbeftet und erzeugten in ihrer schlichten und doch wuchtigen Aufmachung die freudigste Stimmung, so daß der Verfaßer mit Recht auch einen Teil des ihm geschenkten Beifalls auf die Darstellung übertragen tonnte Wenn auch die Gegenwart für die Aus nahme von Szenen kriegerischen Geistes besonders günstig ist. so dürfte doch, wegen der kerndeutschen Regungen in diesen Stücken, auch die Zukunft noch Gefallen daran finden. ^tt» > Sugksläer. III. Musikalische Unterhaltung im Hause Lilla Schmidt-Ziegler. Angesehene Leipziger Künstler fanden sich ein, um dem Konzert, dessen Ertrag für die durch den Krieg arbeitslos gewordenen Musik lehrer- und -lehrerinnen bestimmt ist, Form und Inhalt zu geben. Hatten sich schon letzthin die Räume wie geschaffen für die feinen Reize der Kam- mermusik erwiesen, so konnte man auch diesmal sich der Zwanglosigkeit des Geniehens erfreuen, die man in den Konzertsälen so selten findet. Dies gilt ins besondere von zwei zur Vorführung gelangten Wer ken. Schon der begeisterte Brahmsfreund Billroth sagte von der Biolinsonate E.-Dur Opus 78, daß er sie nicht im großen Konzertsaal hören möge. Im Jahre i°-d0 entstanden, fand sie bald Freunde, und diese werden sich heute noch mehren, wenn sie den Händ'n zweier so übereinstimmender Künstler wie Josef Pembaur und Gustav Havemann anvertraut ist. Nicht Pianist oder Geiger spielten hier, sondern Nachdichter schöpften hier alles Poetische heraus vnd gab'N tez-i eine eigne vollkllnstlcrische Indiv dua- lität. Die acht Variationen von Brahms über Haydns „Choräle St. Antoni" machten großen Ein druck auf die Zuhörer, die angespannt der immensen kontrapunktischen Kunst des Meisters lauschten, wie sie sich offenbart in jeder einzelnen Variation, mag sie nach Charakter, Rhythmus und Tonart noch so wcchselvoll sein. Die Bearbeitung für zwei Klaviere stammt von Brahms selbst. Maria und Josef Pem baur hatten sich gänzlich eingclebt in das schöne Werk; kein Wunsch blieb unerfüllt; im Gegen teil, überraschend: Klangwirkungen zauberte das Künstlerpaar am Blüthner hervor. Das fünstaktige Thema erstand zu B«ginn klar und fest, ward dann von allerlei Ranken übersponnen, um am Schluß noch, mals in gewaltiger Wirkung zu triumphieren. Vor dem Brahmsschen Fresko und der Strenge d:s Antoni-Chorals erfreuten Miniaturen von Stephan Krehl das Ohr. Stimmungsbilder für Violine und Klavier nennt sie der Tonsetzer, der selbst die Beglei tung in scharfsinniger, auf feinste Nuancierung Be dacht nehmender Weise vermittelt«. Ihm zur Seite Gustav Havemann du: denkbar bsste Interpret Sein« Geige singt Sehnsucht in der „Romanze" gleitet in Triolen über den ruhig Abendsrieden und Desperläuten markierenden Klavi-»-part, lockt zum „hanakischen Tanz", dessen rhythmischen Verschie bungen Schwung und mit fortreißendes Feuer gebend; süß singt sie oc>n sonciino den wunderlieb lichen „Reigen" und rast einher zum Schluß in der „Furiante"; wahrhaft furioso stürmen Tasten und Geigenbogen miteinander um die Wette. Es bedar» in der Tat zweier so exakter Spieler, um die Zügel nicht zu verlieren beim tollen Jagen. Zustimmung und Bewunderung wurden durch Beifall laut und mancher hätte das kapriziöse Stückchen gern noch ein mal gehört. X. 8. * Kunstchrouik. Der Professor an der Münchner Universität Geheimrat Heinrich Wölfflin läßt soeben einen Band „Dürer - Handzeich nungen" erscheinen. Der stattliche Ouartband ent hält 80 Wiedergaben großen Formats, darunter zwei farbige. — Professor Max Shevogt ist als Kriegsmaler auf dem westlichen Kriegsschau platz zugelaßen worden. Shevogt ist bekanntlich der Sohn eines bayerischen Offiziers. * In einer Sitzung der bayrischen Akademie der Wissenschaften, der man aus Rücksicht auf die Zei»- umstände oas Prädikat Festsitzung zu geben ver mieden hatte, hielr, wie uns aus München ge schrieben wird, Geheimrat Wölfflin einen be deutsamen Vortrag über „Die deutiche Re na r > s a n c e". Er behandelte das Thema von der im tieferen Sinne aktuellen Fragestellung aus. was an der deutichen Renaissance das Deutiche ausmache. In vier Punkte gliederte er «eine geistreiche Analyse: Die italienische Renaissance ist eine Kunst der voll kommenen Proportion, während die Deutsche mehr die Ausdrucksmomente des Strebens und der Be wegung herausbringt; die itaiienftche Renaissance ist eine Kunst der Gelenke, der deutlichen Abschnitte lman kann die Stockwerke voneinander avheben). während die deutsche mehr einen einheitlichen Strom der Be wegung durch das ganze Wert gehen läfft; die italteni'che ist die Kunst der absoluten Harmonie, der vollkommenen Konzinnität der einzelnen Glieder, während die deutsche gern iür jedes individuelle Glied eine individuelle Behandlung einschiägt (man denke daran, wie oft aus zweitürmigrn Kathedralen die beiden Türme verschieden sind) und aus diese Weise gern leise Dissonanzen in die große Harmonie des Ganzen einfließen läßt. Endlich viertens der oftgenannte Unterschied: die italienische Architektur der Renais sance ist mehr plastisch abgestellt, die deutsche mehr malerisch. — Ueberschaut man diese Momente, so be merkt man, daß sie dieselben sind, die in der Kunst de» Barock zur eigentlichen Vollendung gebracht worden find. 2n der Tat ist es Deutschland, da» den Barock erst zum Abschluß gebracht hat, und man kann von einer einheitlichen deutschen Bewegung sprechen, die von der Gotik über die Renaissance zum Barock lührt. Gegenüber der Vielheit der histo rischen Stile ist also jetzt die Wissenschaft an dem Punkt an «langt, in der Vielheit der Stile die Ein. eitlichkeit eines deutschen Etwas zu erfaßen. Die jüngsten Bemühungen der Architektur geben die Hoffnung, daß eine gleiche Uelerzeugung auch in der gegenwärtigen Kunst sich durchringt. Wenn der Krieg de ndet sein wird, so werden die Tempel des Frie dens nickt in dem Stil der deutschen Renaissance noch in sonst einem historischen Stile gebaut werden, sondern es ist zu hoffen daß die vieliachen Bemü- Hunnen der Gegenwart zuiammenfließen zudem mäch tigen Strome einer wahren deutschen „Renaissance," in dem das wahre Wesen des Deutschen machtvoll zum Ausdruck kommt. — Vor dem Vortrag sprach Exz. von Heigel in eindrucksvoller Wei e über „Die deutschen Wissenschaften und der Krieg." Ur. K. LI. * Münchner Theater. Aus München wird uns ge ¬ schrieben: Jetzt in den Tagen des Wartens macht sich das Dedüifnis nach harmloser Erheiterung be sonders fühl ar. Wahrend das Hosschausp'.el seine Zuflucht zu „Mili äriromm" und dem nie versagen den Humor von Benedix nimmt, unternahmen die Kammerjp'ele das Wagnis euer literarischen Pre miere indem sie Herbert Eulenberg» „Na türlichen Vater" herausbrachten. Da es der guten Auf ührun i gelang, die romantischen Grotesken ltulenbergs in eine Sphäre durchgeistigter Entrückt heit zu erheben, wo sie lebensfähig sind, jo war die Ausnahme recht wohlwollend, und ein paar anfäng liche Oppositionsvermche fachten nur den Beifall stärler an. Ur. L. il. * Professor Fr. L. Kohlrausch -f. Auf dem fran zösischen Kriegsschauplatz fiel d:r a. o. Professor für Radiumkunde und Vorsta,rd des Radiuminstituts an der Kgl. Sächs. Bergakademi: zu Freiberg Dr. phil. Fritz Ludwig Kohlrausch. Prof. Kohlrausch war 1879 zu Hannover geboren. 1904 promovierte er in Rostock mit einer Dissertation: „Untersuchun gen üb:r innere Wärmeleitung und elektrisches Leit vermögen von Flüssigkeiten", war dann Assistent am Rostocker physikalischen Institut, 1907 und 1908 Do zent für mathematische Physik der Ausbildungskurse am Telegraphenversuchsamt in Berlin. 1909 wurde Kohlrausch Direktor der Schweizerischen Radiologen- Geftllschaft. 1910 leitender Direktor der Allg.'meinen Radium-Aktiengesellschaft Amsterdam-Berlin und im Herbst 1913 Profeßor und Vorstand des Instituts für Radiumkunde an der Freiberger Bergakademie als Nachfolger von Prof. Dr. H W. Schmidt. * Von der Wiener Akademie der Wiß nschaften. Kaiser Franz Joseph hat die Wahl des Erz herzogs Leopold Salvator und des Prinzen Franz Liechtenstein zu inländischen Ehren mitgliedern der Kaiserlichen Akademie der Wissen schaften in Wien bestätigt. Ferner hat der Kaiser die Wiederwahl des emeritierten Professors der Physik an der Universität in Wien. Hoirats Dr. Viktor Edlen v. Lang zum Vizepräsidenten für die statutenmäßige dreijährige Funktionsdauer be stätigt. den ordentlichen Profeßor der Physik an der Universität in Wien Hoirat Dr Ernst Lecher zum wirklichen Mitglieds in der mathematisch-natur wissenschaftlichen Klasse sowie den ordentlichen Pro fessor der Philo ophie an der Universität in Grcn, Dr. Alexius Mein on gRftter vHandschuchsheim. rum wirklichen Mitglieds in ter philosophisch-historischen Klaße ernannt und die von der Akademie vorgenom- menen Wahlen von lorie pondierenden Mitgliedern im In- und Auslande bestätigt, und zwar in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klosse die Wahl des Chefgeologen an der Geologischen Reichsanstalt in Wien Regierungsrates Georg Geyer und des ordentlichen Proießors der Anatomie und Physio logie der Pflanzen an der deutschen Universität in Prag Dr. Friedrich Czapek zu torresondierenden Mitgliedern im Inlands sowie bie Wahl des Pro- fesiors der Anatomie und Physiologie der Pflanzen an der Universität in Amsterdam Huge de Vries zum korrespondierenden Mitglieds im Ausland Königreich Daheim. 16s Roman von Ada von Gersdorff. Nachdem er gesehen batte, daß Anna Scho lastika in der Tat ihr Schicksal begriffen und sich darein ergeben habe, schonte er sie nicht allzu sehr und sprach seine Befürchtungen und Vermutungen offen in ihrer Gegenwart aus. Sie mußte daran teilnehmen, mußte wissen, was die Männer bewegte, was sie beunruhigte und lvas sie beabsichtigten und plan ten, damit sie ihnen kein Hindernis würde, son dern eine Helferin. Er sprach ihr dies ans, ernst und liebevoll wie ein Vater und sie sah mit einem rührend kindlichen Gehorsam zu ihm auf, aber das Licht in ihren Augen war seltsam verschleiert und ihre Lippen zuckten in verhaltenem Weh. Als er schwieg, bückte sie sich und berührte seine große braune Hand mit ihren Lippen: „Ich bin nur froh, daß Sie da sind," sagte sie leise. Es war noch früh genug am Tage, nm auf die Insel zu fahren, und Knut Jarl drängte nach Arbeit und Tätigkeit. Nicht nur wegen dieses Allheilmittels selbst, sondern auch wegen der hohen Notwendigkeit. Alles würde ja sehr langsam gehen mit den beschränkten Handwerks zeugen, Kenntnissen und Kräften. Einer mußte immer auf dem Wrack bleiben, bis es in Trümmer fiel, meinte er, denn es könne doch sein, daß noch ein Schiss zur Bergung der Passagiergüter ausgesandt würde. Deshalb müsse stets jemand da sein, die Fahne in Ord nung zu halten und den Notschuß abzugebcn, zum Zeicl-en, d«ß sich hier Menschenleben in Not befänden. Noch war es ja nicht ganz unmög lich, daß ein fremdes Schiff hier seinen Kurs verlor und sich ancufen ließ. Ach, wie Anna Scholastikas Augen glänzten, als er das tagte! Wie dankbar sie ihn ansah dafür! Er dachte, es könne ja nichts schaden, «vcnn sie einen Hoffnungsschimmer behielte, bis üe sich mehr und mehr einßewöhnt habe. „Bei Gott ist kein Ding unmöglich!" nickte der alte Mann. Und dann stellten sie fef^ daß der Kapitän und Tino abwechselnd Wache halten soll- ten auf dem Wrack, denn Jarls starke, junge Kraft an Körper und Geist war bei dem Auf bau der Zukunft unentbehrlich, der alte Mann und der Knabe aber mochten genügen, die nur zu schwache Hoffnung zu hüten auf den Trüm mern des gestrandeten Schiffes, des gescheiterten Lebens. Tas Mädchen war leider auch dazu nicht zu brauchen, was sie traurig bestätigte, denn die Kanone konnte sie nicht abseuern. So mußte sie eben versuchen, dem Doktor auf „seiner Jn- sei" — ach! sie spöttelte nicht mehr darüber — behilflich zu sein. Ihm gegenüber war sie nun völlig sicher und ruhig. Jeden Morgen vor Sonnenaufgang fuhren sie ihrer drei mit Nahrungsmitteln, Vorräten und Gebrauchsonrgen, Decken, Sitzen, Taschen, undurchlässigen Stoffen, Schneideinstrumenten und Sägen nach der Insel, um zunächst ein Ob. dach herzustellen. Rührend war es, als das arme Mädchen mit dem blaiscn Gesicht und dem eigen trüben Glän zen der Augen dem Kapitän ihr Nähkästchen und ihre Vorräte und Utensilien zeigte und ganz schüchtern an das Ausbessern dec Kleider er innerte. Der alte Herr nickte ernsthaft. Einen Wettermantel von der Dicke und Festigkeit eines mittleren Brettes, brachte er angeschleppt, an dem zwei Knöpfe, die von der Größe einer mitt leren Apfelsine waren, fehlten und legte ihr einen schwarzen, steifgewichsten Schusterzwirns faden in das blasse Luienblatt von Hand. Knut Jarls .Herz zuckte in Weh und Freude, während er zusah und zum erstenmal sie lachen hörte. Der glückliche Kapitän, der das l-ervorzaubern konnte! Ihm selbst würde sie ihre Hilfe wohl nicht anbieten. Jedenfalls wollte sie tatsächlich ihre Kunst und Kraft versuchen, denn sie m inte, wenn die große Regenzeit käme, die der Herr Doktor erwarte, würde der Mantel sehr .zeitig gebraucht werden. Wenn die Sonne über den Rand des Meeres stieg, war das ein so erhabenes Schauspiel, daß Anna Solastika einmal sagte, sie höre ordentlich die Frühglocken in der Heimat läuten. An Jarl richtete sie eigentlich nie das Wort, wenn es nicht eine direkte Veranlassung er forderte, und schweigsam verlief ihre gemein same Arbeitszeit während des langen Tages, bis sie abends wieder in die Jolle stiegen, um bei dem letzten blassen Tagesschimmer über den Ozean zu gleiten, jeder mit seinen Gedanken be schäftigt, nur ab und zu ein halbes Wort über die künftige Arbeit wechselnd. — Jarl sprach sie auch nur selten an, behielt nur unbemerkbar die schmalen Konturen ihres Gesichts, ihrer Gestalt, die trotz der Sonnenglut nicht gesund gebräunte Gesichtsfarbe im Auge, tnehr als Arzt, wie als Mann. Und so richtete er auch in ruhiger Selbstverständlichkeit die eine und die andere Frage an sie. Sonst arbeiteten sie stumm fleißig nebeneinander. Sic reichte zu und brachte ihm Dinge, die er brauchte, und er hatte sie gelehrt, einige einfache Gerichte zu bereiten, wofür er eine Art Zelt gegen Sonne und Regen herstellte, aus Stangen, die er aus iungen Stämmchen schnitt und dem riesigen Wetter mantel Sammetmanns, der deS Ausbesserns nicht bedurft hätte zu diesem Zweck. Dazu brauchte sie die Knöpfe nur abschneiden. Verstohlen, in schmerzlichem Entzücken sah er ihr zu, wie sie dasaß im Schatten eines Busches, nicht weit vom Wasser, das einen frisch, feuchten Atem zug, wie den reinen Seufzer eines Kindes, zu ihr binübcrschickte, wenn die kleinen Schweiß, perlchcn auf ihrer weißen Stirn erschienen. Eines Tageö hatte sie eine Arbeit, die ihr sichtlich Vergnügen machte. Jarl hatte einen kleinen Stamm -vühner vom Wrack mit nach der Insel genommen und für sie mußte Anna Scho lastika nun Sorge nnd Arbeit übernehmen, denn sie wurden zunächst in eine kleine, schnell ge fertigte Umzäunung gesperrt. Sie hatte ihnen Nester gefertigt. Einmal kam sic fast fröhlich zu Jarl, der eben einen Tisch aus einer Kiste ge zimmert hatte für das Helt, und zeigte ihm kleine selbe Körner, die er überrascht als eine genieß- rare Hirsenart erklärte, und ihrer Meinung, daß ie als Hühnerfuttcr dienen könnten, zustimmte, ie sogar als Menschennahrung ansprach. Er batte auch bestätigend genickt, al» sie meinte, man könne den vorhandenen .Hafer vielleicht ans. säen und die Hühner brüten lassen, und schüchtern fragte, ob die drei Schafe nicht auch ausgesetzt tverden könnten. Und er freute sich ihrer belebten, ihm neuen Art, glaubte, daß die Zucht der Haus- trere ihr am Ende Freude und Arbeit bringen würde. Einige Kaninchen aber, — so bemerkte er — die sich im Küchenraum des Wracks auch ge- funden und sogar schon vermehrt hatten, sollte man so schnell wie möglich verzehren, da sie am Ende ihnen den Boden unter den Füßen unterminierten und das ganze Königreich Da heim abtragen würden. Freilich, diese heiteren Augenblicke bei Anna Scholastika waren eigentlich nur Lichtb.icke ihrer stillen, traurigen Ergebung in die trübe, dunkle Zukunft, und sie blieb Jarl gegenüber fern und takt, wenn der Gegenstand, der sie intereftierte, erledigt war. Wenn Kapitän Sammctmann mit ihnen war. nahm Jarl oft eines seiner wissen- schaftlichcn Bücher aus der freilich größtenteils zerstörten Bücherei und die Männer setzten sich ab seits, Gesellschaft und Interessen bei diesen letzten und treuesten Freunden suchend. Da hörte er einmal eine weiche, traurige Stimme ganz nah sagen: „Würden Sie denn für mich nicht auch irgend ein kleines passendes Buch haben, Herr Doktor?" Er sagte, daß er leider keinerlei Lektüre für junge Mädchen und Frauen mit sich führe, keine Romane oder ähnliches. Da- hatte nun wohl ganz gegen seinen Willen und Wunsch etwa» rauh und abwehrend oder gar geringschätzig ge klungen, und scheu war sie zurückgetreten. — Am Abend aber erhaschte er doch noch ganz überraschend einen wirklich dankbaren Blick der geliebten, traurigen, blauen Augen, als er ihr >agte, daß er eine Taubenart entdeckt habe, die sich vielleicht mit dem niedlichen Taubenpärcheu anfreundcn lasse, die sic auf dem Wrack ge füttert und dem Verderben entrissen habe. Ja, die wolle sie holen, und ob er nicht ein kleines Haus für sie bauen wolle? (Fortsetzung in dar Abendausgabe.)