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/ Nr. 230 Sette S — „Dresdner Nachrlchken" — rMMvsch. 17. Mas 1935 Brrmischtes * Schwerer Anto-Unsaü. In der Nähe der Ortschaft Ruwer stieben Sonntag abend zwei Personenauto» -u» sammen, wobei zwei Personen schwere Verletzungen davon» trugen. Infolge des Unfalls stauten sich zahlreich« Kraft wagen aus der Landstrabe, und es sammelte sich eine gröbere Zuschauermenge an der Unsallstelle an. Ein überfüllter Kraft wagen, dessen Führer bei der erheblichen Fahrtgeschwindtg- kett die Menge zu spät bemerkte, fuhr in die Zuschauer hin ein. Dabei trugen drei weitere Personen schwere Verletzun gen davon. Sämtliche fünf Verletzten sind dem Krankenhaus in Trier zugeführt worden. Vei zwei von ihnen besteht Lebensgefahr. * Selbstmord des Präsidenten der Frisenrinnnngen Deutschlands. Der Präsident der Friseurinnungen Deutsch- lands, Heinrich Brandt, und seine Ehefrau Guste wurden Dienstag morgen in der Küche ihrer Wohnung durch GaS vergiftet tot ansgesunden. Beide haben im Laufe der Rächt den GaSschlauch in der Küche gelöst und gemeinsam den Tod gesucht. * Eine feine WirtShauSprügelei. In einem T«meSvarer Kalthaus geriet anläblich einer Tanzeret ein junger Bursche mit einigen Soldaten wegen eines Mädchens in Streit. Bei der sich dann entspinnenden Prügelei prügelt der »junge Bnrsche" mit »eigener Kraft" und nur auf seine zwei Fäuste angewiesen, alle zwölf Soldaten zum Saale hinaus, die, wie der Bericht deS Ortskommandanten späterhin entschuldigend seststelll, »allerdings nur Rekruten" gewesen seien. * Der weibliche Goliath ift tot. Im Alter von 56 Jahren ist in der italienischen Stadt Earmagnola der »weibliche Go liath" Signora Margherita Virano gestorben. Die Virano galt als die stärkste Fran der Welt und bereiste als Schau- bndenattraktion dieg a n z e W e l t. Sie verfügte über eine respektable Körperlänge und ein Gewicht von 280 Kilogramm. * Drei Bären bedrohen eine Stadt! Aus einem Wander zirkus, der in Eonstanza Vorstellungen gab, entwichen nachts drei Bären aus ihrem gemeinsamen Käfig, dessen eine Seitenwand sie zertrümmert hatten. Am frühen Morgen tauchten die drei Bären auf der Hauptstrabe von Eonstanza aus und lösten eine unbeschreibliche Panik aus. Alle Ge schäftsleute wagten nicht, ihre Läden zu öffnen, und der ge samte Verkehr geriet ins Stocken. Endlich griffen Bewaff nete ein, die mit Hilfe des Zirkuspersonals die Tiere unver- sehrt in den Zirkus zurückbrachten. Irgendwelchen Schaden haben die drei Bären nicht angerichtet. * Bet einem Brande, der in einer Schule von Manila ausbrach, k a m en zwölf Sch ülerinncn umsLebe n. Den Mädchen war eS nicht möglich, ans der Schule zu ent kommen, weil sie in einem Zimlner zur Strafe eingeschlossen waren. Die Schule brannte bis aus die Grundmauern nieder. * Ein Goldschatz aus der Zarenzeit. Ein GutSpüchter in der Rähe der lettischen Stadt Prekule stieb bei der Reno vierung eines alten Hauses auf einen in der Erde ein gegrabenen Leinensack. Der Sack war. wovon sich der Pächter zu seiner gröbten Freude überzeugen konnte, mit Gold münzen zu zehn Rubel gefüllt. Die ganze Familie beteiligte sich jetzt an den Ausgrabungen, die mehrere mit Gold ge füllte Säcke ans Tageslicht förderten. Im ganzen wurden zweieinhalb Kilogramm Gold gefunden. ES war altes, gutes Zarengold, das ein Gutsbesitzer verborgen hatte, als die Deutschen sich Riga näherten. Der Gutsbesitzer ist seit Jahren verschollen. * Eine Nichte des Papstes — Filmschauspielerin! Eine Nichte des Papstes hat die Laufbahn einer Filmschauspielerin eingeschlagen: Fräulein Sandra Ravel, die heute mit grobem Erfolg in einem neuen italienischen Film in Rom erscheint. Ihr bürgerlicher Name ist Sandra Ratti. Bevor sie ihre Lanibahn begann, bat sie den Papst als Oberhaupt der Familie Ratti um seine Zustimmung. Der Papst erfüllte ihren Wunsch unter der Bedingung, dab sie ihren Namen ändere. Er selbst wühlte ihren Künstlernamen Sandra Ravel. Fräulein Ravel ist eine zwanzigjährige Blondine, der man eine glänzende Zukunft als Filmschauspielerin prophezeit. Der Kronprinz bet der Fahnenweihe des Stahlhelms Am Id. Mai fand tn Wittenberge anläßlich de« lSjährigen Bestehens de» Stahlhelm», Grupp« Witten- berge, di« Wethe einer vom Lron- prtnzen gestifteten Fahne für di« Standarte Lronprlnz statt, zu der der Lronprtnz und Reichsarbeit». Minister Seldte erschienen waren. Vie Uebergabe der Fahne durch den Kronprinzen Sie «WraMaeWe..Kolonie" Slimem» leien ihr ltinlzigMrieeS Millim Eine der ältesten südamerikanischen Siedlungen, die Kolonie Blumenau, begeht in diesen Tagen die 50jährige Wiederkehr der Unabhängigkeit von der brasilianischen Lan desregierung. lieber den Gründer der Kolonie, Dr.Blumenau, sei folgendes ins Gedächtnis gerufen: In Erlangen zum Dr. phil. promoviert, begab sich der junge Pharmazeut nach Erfurt, um sich praktisch in der Apvthckerlausbahn auözu- bilden. Wie so viele andere in der damaligen unruhigen Zeit der „vierziger" Jahre, packte auch ihn das AuSivan- derersieber. Eingehend befasste er sich zunächst mit dem Studium von Land und Leuten Mexikos, musste aber bald erkennen, dab eine Auswanderung nach Mittclamerika kli- matifch für den Mitteleuropäer ihre Bedenken hat, und SiedelungSmöglichkeiten, wie sie ihm vorschwebten, sich kaum ermöglichen lieben. Er sah sich daher nach einem anderen Kolonialland um, das man damals schon bet seiner achtzehn fachen Gröhe Deutschlands als „Raum ohne Volk" be zeichnete: Brasilien. Hier erblickte Dr. Blumenau, In geschlossener Grobsiedlung den deutschen Charakter wahrend, sein Ziel, und gerade hierin haben wir das Bedeutsame des Kolonisators zu sehen. Wie ernst es der junge Deutsche mit seinem Jdecngang für den deutschen Kolonialgedanken nahm, beweist nnS eint in Leipzig damals erschienene Abhandlung, betitelt: „Deutsche Auswanderung und Kolonisation." Ans dieser Arbeit spricht der deutsche Gedanke, getragen von unerschüt terlicher Vaterlandsliebe, seinem Verständnis und grober Liebe zum deutschen Volk. Unter anderem lesen wir, wie er Dazu kam, daß er gerade damals seitens der Heimat die unerhörtesten Verleumdungen und Intrigen erdulden mutzte, in den Zeitungen Notizen erschienen, denen zufolge in der Kolonie Mord und Totschlag herrsche, er selber wurde bereits totgesagt, und was noch alles Uber jene Zeit der An gefochtene in den Tagebuchblättern uns hinterlasse» hat. In der Erkenntnis, dab er den zunehmenden Anforde rungen finanzieller Art auf die Dauer nicht mehr gewachsen sei, begab er sich nach Rio de Janeiro, der Landeshauptstadt Brasiliens, und bot feine Siedlung der kaiserliche» Regier«»« a«. Sein Angebot wurde angenommen und er zum Kolonial direktor bestellt. Nachdem er neun Jahre diesen Bosten ver sehen hatte, begab er sich 1865 wieder nach Deutschland, wo sich der 47jährige mit einer Hamburgerin verheiratete. Nach Brasilien 1860 zurückgekehrt, übernimmt er wieder die Ver waltung der Kolonie, die 14 Jahre später, im Jahre 188», aus seinen Wunsch hi« dem Staate St. Catharina etuverletbt wird, damit von der Landesregierung unabhängig. Diese Selbständigmachung und Emanzipierung feiert tn diesen Tagen nun die zur Komark erhobene Kolonie Blumenau. Dr. Blumenau verläßt, vom brasilianischen Kaiser Don Pedro II. mit dem Rosen- und EhrtstuSordc» für seine 35jührige KolontsattonSarbeit ausgezeichnet, 1884 Brasilien und begibt sich «ach Dentschland zurück, Lasten * Tollwütige Esel bringen eine Stadt in Aufregung. In Brussa brach bei einem Esel die Tollwut aus. Er bitz noch einen anderen Esel und auch eine Frau, die sofort ins Pasteurinstitut nach Istanbul übergeführt wurde. Die beiden Esel rasten durch ganz Brussa und verbreiteten Angst und Schrecken, so datz die Bewohner sich in ihre Häuser flüchteten und einschlossen. Endlich gelang cs der Polizei, die beiden Tiere zu erschießen. Aber niemand schasste die Tierkadaver fort. So stürzten sich alsbald die srcilausenden Hunde aus sie und fraßen von dem AaS. Nun war die Angst erst recht groß. Niemand wagte sich auf die Straße. Schließlich mußte der Amtsarzt eine amtliche Veröffentlichung erlassen, daß Toll wut nur von lebenden Tieren verbreitet würde, die Hunde also von dem AaS der beiden Esel nicht angesteckt sein könnten. Dann erst wagten sich die Leute wieder schüchtern aus ihren Behausungen. * Gandhi eine Woche im Hungerstreik. Gandhi, der sich am Montagmittag bereits eine Woche im Hungerstreik befand, unterhielt sich in leisem Ton mit seinen Freunden, obgleich der Montag eigentlich sein Schweigetag ist. Im Laufe der Unterhaltung stellten sich bei Gandhi leichte Uebel- keitSerscheinungen ein Heitere Gcke * Unter Männern. „Du bist ein ganz jämmerlicher Pantoffelheld, du!" — „Schäm' dich so was zu sagen! Wenn meine Frau hier wäre, würdest du es schon nicht wagen!" * Er weitz Bescheid. Junger Mann: „Wirklich, ich war tatsächlich zum Begräbnis von meiner Großmutter!" — Ches: „Und wer hat gewonnen?" * Kleineres Uebel. Der Säugling schrie, als ob er am Spieße stecke. Der Nachbar klopste an die Wand. Die Mutter sang dem Säugling ein Wiegenlied, woraus er ruhig war. Klopfte der Nachbar wieder an die Wand und ries: ,.!' Sie ihn lieber schreien!" »Ist es wahr, Papa, datz uns der liebe Gott zweimal Zähne schenkt, Latz wir sie aber das dritte Mal selbst bezahlen mUNen?^ die willkürliche Auswanderung, gepaart mit Abenteuer lust, verurteilt und das kalte Stchlossagcn vom angestammten Vaterland geißelt und somit in dieser Art von Abwanderung die un ausbleibliche Folge der „Strandung" erblickt, — niemals aber die „Landung". Die Zusammenfassung unserer Aus- wandcrer hier tn der Heimat nach vorheriger Eignung ist das Primäre und das ..Mann-zn-Mann"-Ltehen drüben in geschlossener Siedlung das Nächstfolgende. Und nur darin sicht Blumenau die Grundpfeiler aussichtsreicher Koloni sation und ein gedeihliches Zusammenarbeiten mit dem Mutterland, eine Brücke von hüben nach drüben. Im Frühjahr 1846 rüstet Dr. Blumenau im Alter von 28 Jahren von Hamburg zur Ausfahrt und kommt nach 68 Tagen Segelschissahrt in Südbrasilien an. Von der Haupt stadt des brasilianischen Südstaates St. Catharina aus, „Dcsterro" genannt, dem heutigen „Florianopolis", begibt er sich landeinwärts aus Landsuche. Am Jtajahysluß, 50 Kilometer vom gleichnamigen Hafenort entfernt, findet Dr. Blumenau nach wochenlangcr Bemühung das Gesuchte. Mit Roden des Urwaldes, Austeilen des urbar gemachten Landes in Lose, und dies zusammen mit Eingeborenen und einem Ingenieur Hackrath, geht das erste Jahr dahin. Dann geht es an die Errichtung einer Schneidemühle. Zu allem zeigt sich di« brasilianische Staatsregierung entgegenkommend. Nach zwei Jahren mühevollen Daseins, reich an Entbeh rungen, begibt sich Blumenau nach Deutschland, um prak- tische AuSwandcrnngspolitik zu betreiben, das heißt, seinen Plan der geschlossenen deutschen Siedlung auSzuflihrcn und Auswanderer für den südbrasilianischcn SicdlungSkomvlcr zu gewinnen. Nach zwei Jahren solcher Werbetätigkeit hat er nur 17 Personen gewinnen können, mit denen er 1850 nach Brasilien zurlick- «ahrt. Im folgenden Jahre wie tn späterer Zeit kommen die Kolonisten nur vereinzelt an, bis endlich 188» eine Flotte von fünf Segelfchissen 286 deutsche Kolonisten in Jtasahy auSbootet, d«e Kolonie die mittlerweile den Namen Blumenau erhalten hat, als Ziel hatten. iBlnmenan schreibt sich schon in dieser Zeit in der portugiesischen Landessprache am Ende mit a Circumfler — o anstatt au.» Damit stieg die Ein- wohnerzahl des Siedlungöbczirkes auf 585 Personen. Wer etwa glaubte, daß nun in Blumenau alles reibungslos ver- lausen sei und die Kolonie zusehends ausbllihte, der irrt sich. Im Gegenteil durchlebte der Kolonisator > Zeiten reich an Trübsal und Kummer, Krankheiten unter den Siedlern, Un- u'w. berei eten. Große Unzufriedenheiten stellten sich bald bei den Kolonisten ein, und immer wieder mußte Dr. Blumenau mit reichen Mitteln finanziell eintreten. nm sich in Braunschweig nicderzulaffen. Dort stirbt er im Alter von 80 Jahren an einer Lungenentzündung und hat aus dem Braunschweiger Friedhof seine letzte Ruhe gesun den. Heute ist unter den 84 Kolontebezirken des Staates St. Catharina Blumenau der wirtschaftlich bedeutendste «nd, an die Grübe Hessens heranreichend, der grübt«. Der AutobuSverkchr geht nach der Land- wie Seeseite hin, im ersten Falle die Verbindung mit der Bahnstation Jaragua herstellcnd, eine Strecke von 75 Kilometer, im anderen nach Jtajahy, eine Strecke von 50 Kilometer. Auf dem gleichnamigen Fluß kann man auch mit dem Dampfer von Blumenau aus dorthin gelangen. In das ziemlich ebene Hochland, das sich Uber daS Numpfgcbtrge ausbrcitct, hat sich dieser Jtajahysluß hinetngezwängt und reicht mit seinen drei Armen bis aus eine Entfernung von 200 Kilo meter von der Küste her aus. Somit zerfällt der Kolonial bezirk Blumenau in seine natürlichen Grenzen. Man spricht vom Süd-. Nord- nnd Westarm. Zahlreiche Wasseradern verteilen sich weiterhin nach allen Seiten und bewässern tn munter dahinplätschernden Bächen daS gesamte Kolonial gelände. In die zusammenhängende grüne Wand des ge birgig ansteigenden Urwaldes sind liebliche Täler, saftige Wiesen, lachende Auen und fruchtbringende Aecker ge schnitten. Saubere Höfe schieben sich zusammen mit kleinen Siedlungen, die in schmalen Streifen senkrecht zur Weg oder Flußrichtung nebenctnanderltegen, in dies reizvolle LandschastSbild, über das sich das tropisch azurblaue Him melszelt spannt. „Klein,Deutschland" bezeichnet man nicht mit Unrecht die Komark Blumenau von heute nnt ihren anheimelnden Ortsbezeichnungen wie Neu-Bremen, Neu-Stetttn, Ncu-BreSlau, Neu-Berlin, Hansa-Harmonia, Badenfurt, Pommerode usw., deren schmucke Häuser in ihrer Mehrzahl thüringische Bauart anf- wciscn. Heute zählt die weit über die Hälfte deutschstäm- mtge Bevölkerung über hunderttausend und hat trotz Zu wanderung italienischen, brasilianischen, polnischen und russi schen Blutes ihr« deutsch« Muttersprache als Verkehrssprache deibehalte«. Außer der evangelischen Schule besteht eine katholische Schule sowie zwei konsesstonell getrennte Kirchen. Zwei deutsche Zeitungen: „Der UrwalbSbote" und „Die Blu menauer Zeitung", erscheinen zweimal wöchentlich. Während 77 Prozent landwirtschaftlich tätig ist, verteilt sich der Rest aus Klein, und SandelSaewerbe, wie auf die Industrie, bi« von Jahr zu Jahr an Vielgestaltigkeit -»nimmt. Möge auch das Mutterland tn diesen Tagen, so wie eS drüben geschieht, des großen deutschen Pioniers dankbar gedenken, der Hunderttausenden et: e zweite Heimat in ge schlossenem Kolontalbezirk ermöglichte: Dr. Hermann vlu- menau, und auch ihm einen Gedenkstein setzen, wie e» kürz lich tn Brasilien geschah. vr. K.