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Sächsische Volkszeitung : 18.12.1937
- Erscheinungsdatum
- 1937-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193712182
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19371218
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19371218
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1937
-
Monat
1937-12
- Tag 1937-12-18
-
Monat
1937-12
-
Jahr
1937
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 18.12.1937
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Hredigt und Dichtung >vas allen MilvM Il«I«iitt, alt Rikbeo drill litt I ver meld nicht, wenn auch bedenkliche Anzeichen für ein Schwächerwerden des kirchlichen und religiösen Geistes in England nicht zu über sehen sind. Darüber dürfte freilich dann auch der Erzbischos von Canterbury unterrichtet sein. Der Brief des Parlamentariers hat in der anglikanischen Geistlichkeit wie der Oeffentlichkcit überhaupt grosses Aufsehen und einige Bestürzung erregt. Die linksgerichteten, äüs Refor men und Angleichung an die viel beschricnen Forderungen und, Bedürfnisse der Gegenwart drängenden Kresse innerhalb der anglikanischen Kirche werden sich durch die Geste des Abgeord-. neten von Cornwall gestärkt fühlen. Und die Konservativen^ die Gegner einer Lockerung in der Ehescheidungssrage, und nicht ihr allein? Sie wissen, das; die Uneinigkeit, das Auseinander streben der Kräfte, das Fehlen kirchlicher Disziplin im Schoss» der anglikanischen Kirche nicht geleugnet werde» können, und sie sehen auch die grossen Gefahren, die sich als Folge mit Not wendigkeit ergeben müssen. Sie missen auch, dass es in Londoy selbst Kirchen gibt, die sich, sozusagen aus die Wiedertrauun^ Geschiedener „spezialisiert" haben, und geben sich keinem Zwei fel darüber hin, dass alles dies, die Urlachen und die Wirkungen, dem Ansehen ihrer Kirche und ilner Wirkung aus die Geistes nur abträglich sein können. Diese Tatsachen sind bekannt in England, sie erregen tsstz Sorgen vieler, obwohl es schwer zu sagen ist. wie grob, der Keet» derer noch ist. die von ihnen mit wirklicher Sorge ergriffen werden. Was schlimmer ist: man spricht und diskutiert dar über: und das will viel sagen in einem Lande, in dem es strcnaer als irgendwo sonst in der Welt, bis in msterc Tage hinein ver pönt war, zum Gegenstand öffentlicher Diskussion Dinge und Fragenbereiche zu machen, über die man eben nicht spricht. Diese Gespräche und Kontroversen geschehen in sehr zivilisierten Far men meist, ohne Zweifel: aber des tiefen Ernstes dieser geisti gen Auseinandersetzung, ihrer Ge'ährlichkeit und der ihr inne wohnenden Möglichkeiten der Zerstörung sind sich, so sollte man zumindest annehmcn, alle bewusst, die hier Partei ergreifen. Urteil im wiener Sterilisterrrngs-Prozetz Wien, 18. Dez. Nach viertägiger Verhandlung wurde in dem Prozess gegen den Leiter und die 16 Agenten einer in Wien entdeckten Sterilisierungoklinik für Männer das Urteil gefällt. Der Hauptangeklagtc wurde zu zwei Jahren schweren Kerkers verurteilt; die 16 übrigen Angeklagten erhielten Ker« korstrafen von ein bis drei Monaten. In der Urteilsbegrün dung wurde ausgcführt, das; 29 Sterilisierungen einwandsrel nachgewiesen werden konnten. Dem zynischen Einwand de» Hauptangeklagten, das; die Beseitigung der Zeugungsfähigkeit ein Nutzen sei, müsse entgegengehalten werden, dass jeder, der in der Vollkraft der Jahre stehe und durch solche Zustände seine Zeugungsfähigkeit verliere, in seiner Eigenschaft als Mann al» entwertet angesehen werden könne. LsrI Keukl's IVsckk. l^elprig L 1, tirimmalscke 8tr. ZV b. kuiitr Oex-r 1804 Pr»88en6e Welknackt^esckenlce In /uivelen, QoI6- u. SUbersrctimuck Aleln 8ckauken8ter 8SKt Itmen alles. Spricht nicht aus jener berühmten Predigt, die er gelegent lich der Pestnot in Wien hieli, und die uns heute anmahnt wie ein gewaltiger Totentanz, derselbe Geist, der sich in der 'Malerei, in der Baukunst jener Aera offenbart? So spricht er in dieser Predigt die Reichen an: O allmäch tiges Geld, dir geschieht die grösste Ehr' — das Geld gilt, es gilt das Geld alles in der Welt. O du mächtiges Geld, ist denn eine Stärke, die du nicht schwächen, ist denn eine Schwachheit, die du nicht stärken kannst? Es ist keine, es ist keine' Ist denn eine Unschuld, die du nicht schuldig, ist denn eine Schuld, die du nicht unschudig machen kannst? Es ist keine, es ist keinel Ist denn eine Schänd', die du nicht beschöncn, ist denn eine Schönheit, die du nicht schänden kannst? Es ist keine, es ist keine. Es ist kein Stand, wo du nicht Bestand hast, cs ist kein Port, wo du nicht Ort hast, es ist kein Wandel, wo du nicht L>and und Handel hast. Durch Gold und Silber wird die Wahr heit verlockt, die Unbescholtenheit bezwungen, die Gerechtigkeit besiegt, die Unschuld verraten, die Treue verletzt. O. Respekt genietzt nicht das Geld und die Reichen! Ohne Zweifel wird auch solcher nicht mangeln beim Tod. Ich, antwortet der Tod, dieser deinige, wohl recht beinte Gesell, ich weis; um keinen Respekt, ich rühr' kein an. arm und reich gilt mir gleich, auch ist bei mir holdselig und gottselig nicht ein Ding, cs mag das gelbe Metall gelten überall, so gilt es doch bei mir nichts, ein Hans und ein Johannes, ein Fritz und ein Fridericus, ein Balthasar und ein Hansel, ein Mathias und ein Hiescl, ist mir eins, ich nehm' alles zusammen, schlag's nieder in Gottes Namen, und mache ein Ollapotrida (Mischmasch) draus, das ist mein Schmaus. Geld, Geld, Geld, des Geizigen einziger Wunsch in der Welt, v ihr elende Simpel! Ihr tut schaben und graben, ihr tut schnaufen und laufen, ihr tut treiben und reiben, ihr tut sprin gen und ringen, ihr tut trennen und rennen, nur ums Geld und wegen des Geldes . . . Ihr vernunftlosen Goldkäfer, wem sammelt ihr, wem spart ihr? Sehet dasselbige, mit dem ihr so leicht hättet den Himmel cinkramen, mit dem ihr hättet können der Armen Schoss zu einer Schatzkammer machen, mit dem ihr hättet können eure Sünd' wie mit einein Schwamm auslösä;en: schaut noch zum letztenmal an mit halbvergläsertcn Augen dasselbe Geld, woshalben ihr die Gebote Gottes, die Gebote der Kirchen, die Gebote der Natur habt überschritten, blinzelt noch dasselbe Geld an. weswegen ihr den Höchsten und Nächsten habt beleidigt — seht, dasselbe kommt jetzt in di» Händ' eines lachenden Erben, eines unverwandten Dienstboten, eines weinsüchtigen Siechknechtes, und eure Seele steigt hin unter in das ewige Feuer! O Ewigkeit!" H. Becker. Woolrvorth-Erbiir will Dänin werden Vermögens-Transfer der Gräfin Haugwltz-Reventlow. London, 18. Dez Gräfin Haugwltz-Reventlow, geborene Barbara Hutton, die Woolworth-Ecbin, hat nach Blättermeldun gen aus Ncwyork bekanntgegeben, datz sie an Stelle der ameri kanischen Staatsangehörigkeit, die sie trotz ihrer Verheiratung mit dem dänischen Grafen Reventlow beibehalten hatte, um die dänische Staatsangehörigkeit »achgekommen sei. Wahrscheinlich werde sie jetzt, so verlautet In Ncwyork, den grötzten Teil ihres 4 Millionen Pfund (rund 60 Millionen RM.) betragenden Ver mögens nach Europa transferieren. Du sollst Kind und Weib, Vater und Mutter, Freund und Gut liebhaben; du sollst aber den allmächtigen Gott am aller liebsten haben. Die heuige Ehe ist der sieben Heiligkeiten eine -er höchsten, die Gott auf dem Erdreich hat. Darum soll keine Falschheit dabei sein . . ." Mit eben solch grotzer Liebe behandelt Lützeler einen anderen grotzen Prediger der Geschichte, Abraham a Santa Clara. Ihn stellt er in ;enes Zeitalter, dem er das Motto „Der Mensch in der Spannung" gibt, in das Zeitalter der Renaissance, der Reformation und des Dreihigjährigen Krieges. In den Predigten Abraham a Santa Claras (er lebte von 1644 bis 1709) sieht er die Spannung und den Ritz jener Zeit deutlich werden: „Abraham a Santa Clara sieht sich als Prediger einer. Welt gegeniibergestellt, die in ein Gespinst seiner und derber Reize verflochten ist. Er kämpst an gegen eine Epoche, in der das Diesseitige zu mehr angewachscn erscheint. Da bleibt ihm kein anderer Weg mehr, als die Weltkinder mit den Mitteln der Welt zu locken. Er erfindet wechselvolle Geschichten, trägt von der Kanzel her Wort und Klangspiele vor. übertrumpft die Lockungen der Grotzstadt durch reichere, gewagtere Lockun gen; denn den Freunden des geistvollen Wortes kommt er in der Kirche — und das ist das Neue, Kühne — mit einem Wir bel virtuoser Wortkünste, den Liebhabern des Theaters mit einer wahrhaft dramatischen, dekorativ bunten Ausstattung seiner geistigen Ansprachen, den unersättlich Neugierigen mit unerschöpflichen Merkwürdigkeiten aus der ganzen Welt geschichte . . . Das mindert keineswegs den sittlichen Wert seiner Person; handelte er doch aus unbezweifelbar echter Christ lichkeit heraus; nur datz er eben einem weltbetörten und ver härteten Zeitalter gegenüber glaubte andere Mittel anwcndcn zu müssen als die früheren." Als Barock pflegen wir die Zeiten, in der der Wiener Prediger wirkte, zu bezeichnen. Es war die letzte Epoche, in der eine ganze Welt, alles Sein und alles Leben, von einem Stil geprägt war. Barock waren die Kirchen und die Schlösser und die Häuser, barock die Stuben und ihre Einrichtungen, barock mar die Dichtung. Barock war auch die Predigt Abraham a Santa Claras. Intuitiv erfühlte auch er das Wesen seiner Zelt, und er fatzte es in genialer Form in die Sprache seiner Zeit. Mancherlei wird uns In Geschichtsbüchern und Heiligen legenden von gewaltigen Predigern vergangener Zeiten be richtet. Und oft sind wir heute ein wenig zur Skepsis geneigt, wenn wir von den Erfolgen der Männer hören, die von der Kanzel herab den Kindern der Welt das Wort des Herrn ver kündigten, sie im Glauben bestärkten, sie zur Umkehr mahnten. Die Skepsis wandelt sich in ehrfürchtiges Staunen, wenn wir vom Legendären absehen, uns nur einige geschichtlich erhärtete Tatsachen vor Augen halten. Hat nicht ein Dominikus die ganze damalige Welt bewegt mit der Kraft seines Wortes? Hat nicht die Wortgewalt eines Bernhard von Clairvaux allein eine grotze Kreuzzeugbewegung hervorgerusen? Wie haben die Predigten eines Tauler, eines Meister Eckhart, eines Seuse auf die damalige Zeit gewirkt. Was war das Geheimnis dieser Männer, und wie ist ihr Erfolg^zu erklären? Heinrich Lützeler, der bekannte Kulturhistoriker, hat vor kurzem (im Verlag der Bonifacius-Druckereij ein Buch her- ausgegeben, das den Titel „Die christliche Dichtung des deutschen Volkes" trägt. Lützeler will in diesem Werk „einen Gesamt- überblick Uber die deutsche christliche Dichtung und ihren ge- schichtlichen Werdegang, eingebettet in die Geschichte des deut schen Volkes und seine Dichtung überhaupt" .geben. Er will den Nachweis führen, „datz die christliche Dichtung im Volke gründet, datz sie ursprünglich ist, indem sie sich aus dem Ganzen des Volkes nährt, und auf das Ganze des Volkes zielt". In ungsmein spannender, interessanter und geistvoller Art weist er nach, wie die christliche deutsche Dichtung innerhalb der Hauptstusen ihrer Entfaltung (>,Die Begegnung", „Volk im Reich", „Die Entfaltung der Seele", „Der Mensch in der Spannung", „Der Kamps um die christliche Dichtung") ein „gegliederter Rhythmus, in dem sich ein stetiges Hineinwachsen in jeweils wechselnde Aufgaben anzeigt", gewesen ist. Lützeler satzt in seinem Buch den Begriff der Dichtung weiter als gewöhnlich. Auch Mystik, Erbauungsbücher und Predigtschristen sind in seine Betrachtungen einbezogen. In der Einleitung zu dem Werke findet sich ein Sah, der die zentrale Stellung der christlichen Dichtung in der Gesamtdichtung unseres Polkes beweisen soll, der aber zugleich auch die Erweiterung des Begriffs Dichtung durchaus rechtfertigt: „Die zentrale Stel lung der Dichtung kündet sich untrüglich im Sprachschöpferischen an. Denn grotze Dichtung entdeckt neues Sein, und braucht zur Aussage des neu Erschauten eine neue Sprache; so kommt Sprachschöpfung aus inneren Notwendigkeiten zustande " Wenn wir diesen Satz aus die Predigt im besonderen anwenden — und ivas hindert daran? — so kommen wir vielleicht dem Geheimnis des Erfolgs der grotzen Prediger um einen Schritt näher. Auch die grotzen Prediger waren in diesem Sinne „Ent decker neuen Seins", auch sie waren Sprachschöpfer. So darf man — mit einer gewissen Einschränkung — wohl sagen, datz ihr Geheimnis das Geheimnis des grotzen Dichters ist. Sie waren Im wahrsten Sinne des Wortes Beherrscher der Sprache, sie drangen bis zu den Urgründen der Sprache vor und kann ten ihre Gesetze. Und es war ihnen die Gnade gegeben, die grotzen Wahrheiten, die sie zu künden hatten, in di« gemässe Form zu fassen, zu verdichten. Vielleicht mar dieses dichierische Moment noch wesentlicher als da» rhetorische Moment, das zweifelsohne hinzukommen mutzte. Denn die Gabe der Dichtung ist Gnade, die Gabe der Rhetorik ist Begabung. Rhetorik kann bei gegebener Anlage erlernt werden, Dichtung nie. Und wie der wahre Dichter immer ein Kind seiner Zelt und seines Volkes ist, so war es der grotze Prediger. Die grotzen Wahr heiten, die sie kündeten, waren immer dieselben, sie sind ewig. In diesen ewigen Dingen konnten sie kein neues Sein ent decken. Grotz wurden sie dadurch, datz sie das Ewige in ihre Zeit stellten, In eine Form brachten, die dem Wesen der Zelt und ihrer Menschen entsprach. Im Bereiche des Seins ihrer Zeit also und ihrer Menschen muhten sie Entdecker sein. Das Wesen der Zeit und ihrer Menschen muhten sie intuitiv erfühlen. Und, indem sie das Ewige in diese Zeit strahlen liehen, wurden sie Sprach schöpfer. Treffend sagt Lützeler In dem Kapitel über Berthold vpn Regensburg: „Der in der Neuzeit so häufigen forma listischen Predigt tritt bei Berthold eine im geschichtlichen Raum eingewurzelte Predigt der Entwicklung gegenüber." Man kann dieses Wort wohl auf alle grotzen Predigergestalten beziehen. Berthold von Regensburg hat Lützeler mit besonderer Liebe behandelt. Er rechnet den Mönch, der etwa in der Zeit von 1210 bis 1272 lebte und wirkte, mit Hildegard von Bingen und Wolfram von Eschenbach zu den führenden Gestalten, deren Betrachtung den dichterischen Gehalt jenes Zeitalter» verdeut lichen könne. Lützeler saht diese Aera unter dem Motto „Volk Im Reich" zusammen und schildert sie als die Zeit, da das deutsche Volk in der Fülle des Seins lebte. Die Fülle des Seins sei wie über das Werk einer Hildegard und eines Wolf ram, auch in den Predigten des Berthold von Regensburg aus gebreitet. Aus dieser Seinsfülle heraus vermochte er das Volk in keinen verschiedenen Ständen und Schichten wahrhaft ur sprünglich anzusprechen: „Zehntausende folgten ihm. Drautzen Im Freien predigte «r. weil die Kirchen nicht ausreichten. Man schlug dann so etwas wie einen hölzernen Turm auf, den er bestieg, damit glle ihn hören konnten. Am Turm befestigte man eine Fahne, um die Windrichtung festzustellen, und so jeweils zum Hören den günstigsten Standort zu ermitteln. Einen solchen Erfolg hatte Berthold darum, weil er in seinen Predigten das ganze Leben umspannte: Alltag, Standessragen, Mode und Erziehung, irdische Freuden und christliche Aufgaben. Weil er ein ursprüng licher Mensch war, hatte er eine ursprüngliche Sprache. Ur sprünglich ist im Menschen die Muttersprache. So bekannte sich auch Berthold zu seinem geliebten Deutsch ... In volks- bezogener Einstellung spricht Berthold weltverwurzelt und weltbejahend das deutsche Volk in seiner Gesamtheit an. Die Natur ruft er in echt deutscher Weise als menschenbildende Macht an. Wie alles Natürliche und Schöne in seinen Predigten seinen Ort hat, so auch der Alltag mit seinen vielgestaltigen Sorgen und Aufgaben. So entsteht eine Predigt der Kraft und Fülle, der kühnen kämpferischen Führung, uberquellend von volkhastem Leben. In zwei Sätzen lätzt sich die Welt- und Volksverbundenheit dieses Franziskaners zusammenfassen. Seine Wellverbundenheit spricht er aus in dem Satz: „Leben ist aller Dinge Bestes, das Gott schuf; er schuf so Edles nie, noch so Gutes als Leben." Seine Volksverbundenheit leuchtet hervor aus einem Satz, der altgermanische Ueberzeugungen in neuer Form wiedergibt: „Ohne Treue ist niemand wert, weder in dieser Welt noch in jener." Herrliche Worte sind es, die Berthold In seiner Predigt über die Weltbejahung prägt: „Betrachtet die Gezlerden alle, mit denen der allmächtige Gott die Welt geziert hat; das Fir mament, und wie er das geziert hat mit Sonnen und mit dem edlen Sternenschein; mit Edelkeit der Steine, mit mancherlei lichter Blüten Farben und Geschmack der Wurzel und der Blüten und der Blumen; und all die Annehmlichkeit und all die lustvolle Freude, die die Welt hat — von Sommerwonne und von Vogelsang und von anderen sützen Stimme», und die Freude, die Menschenanblick gibt! Weil wir grotzen Schaden davon haben und sehen und hären, datz ihr gar junge Kinder alten Männern (zur Ehe) gebt, darum rat« lch euch, dak ihr ein Junges dem andern gebt und ein Altes dem andern. Das dir gleich ist an Jugend und Alter, an der Edelkeit des Verwandten und an der Achtbarkeit des Leibe», das nimm! Du sollst deine» Gemahl» mit reiner Treu pflegen am Leibe; du sollst es gerade halten wie dich selber. „Mein lieber Erzbischof Lin Engländer schreibt einen Brief Die Kunst des Bricfeschrcibens, deren Ausstcrbcn man nicht nur bei uns beklagt, erlebt auch in England heute keine Blüte. Die vielen Schriftstücke, die täglich den Schristleitungen der grotzen englischen Zeitungen auf den Tisch stottern, sind kein Gegenbeweis, auch wenn sie stets peinlich die zwischen Hentlemen üblichen Formen wahren und manchmal zu drängen den Tagesfragen aufs höchst gescl>eite, anregende und brauchbare Weise Stellung nehmen. Die Zeitungen halte» drüben darauf, datz ihr« Leser, durchaus nicht nur die Durchschnittsleser, sich mit ihrer, der Zeitung, Meinung auseinandcrsetzen, und man che» Blatt könnte sich des einen oder anderen „letter to the editor" schon darum freuen, weil er dem eigenen Leitartikel weder inhaltlich noch stilistisch nächsteht, ihn oft sogar ergänzt, wenn nicht berichtigt. Aber für die Kunst des Brieses wird durch diese Gattung wenig bewiese». Auch nicht durch die Tatsache, datz Engländer, wenn sie Briefe verfassen, sehr liebenswürdig sein können, es meist sogar sind. Briefe, die ein Engländer an einen Ausländer schreibt, wobei dieser ihm gar nicht besonders vertraut oder bekannt zu sein braucht, tragen durchweg die Ueberschrist „Dear Sir". Dos darf man ruhig „Lieber Herr" übersetzen, und ob auch das Eigenschaftswort „dear" im Englischen zu den mcistgebrauckten gehört, mutz cs doch nicht auch zu den abgebrauchtesten zählen. Auch die durch Konvention geheiligte Rede- und Schreibweise kann noch eine gewisse herzliche Klangfarbe haben und behalten. Aber nicht die Äriefanrede allein, auch die dazu passende Höf lichkeits-Emballage, die nicht nur den Bries beschliefst, sondern in und zwischen den Zeilen webt, ist im allgemeinen einen Grad herzlicher als die bei uns übliche. Von Sondersällen. die be sondere Herzlichkeit zur nalurgcbotencn Pslicht machen, natür lich abgesehen. Wie man in England mit einem Erzbischos der anglika nischen Kirche brieflich verkehrt, wissen wir nicht genau. Viel leicht ist cs bet unser» Vettern überm Kanal kein Verstoss gegen Briefform und gute Sitte, wenn man zutraulich beginnt: „Mein lieber Erzbischof!" Ist man Mitglied des Parlaments, so leuchtet freilich diese herzlich-schulterklopsende Schreibweise noch eher ein. Ein Abgeordneter eines Wahlkreises aus dem nördlichen Cornwall hatte neulich dem Erzbischos von Canter bury brieflich etwas Wichtiges mitzuteilen und begann also: „Mein sicher Erzbischof" . . . Wer nun meint, er habe dem vornehmsten Würdenträger der anglikanischen Kirche, die immer noch englische Staatskirche ist, etwas sehr Erfreuliches zu sagen, vielleicht als alter Freund und treuer Anhänger, wodurch die kindlich-zutrauliche Äriefanrede einen vielleicht symbolischen Sinn erhalten hatte, der irrt. Der ehrenwerte Deputierte hatte gämlich gar nicht im Sinne, dem Erzbischos etwas Nettes zu schreiben, nein, im Gegenteil, etwas durchaus Unangenehmes. Er versicherte ihn seiner tiefen Unzufriedenheit mit der angli kanischen Kirche und tat ihm seinen Entschluss kund, aus dieser Kirche auszutreten. Im übrigen erwäge er, sei vielmehr schon gewillt Quäker zu werden. Wer in England der Staatskirche nicht mehr anzugehören wünscht, wer gleichzeitig dies als einer der Auserwählten und weithin Sichtbaren des Landes weithin vernehmbar zu wissen tut, der mutz, es kann nicht anders sein, sehr triftige Gründe dafür haben. Der Abgeordnete vvn Nord-Cornwall hat einen sehr gewichtigen: die Haltung der anglikanischen Kirche zur Frage der Ehescheidung. Es ist bekannt, das; die englische Staatskirche diesem Problem gegenüber eine einheitliche Stel lung nicht hat finden können, datz sie bei diesem Anlatz in Wahrheit ein Bild der Entzweiung bot. Bei der endgültigen Abstimmung über das neue Ehescheidungsge etz im Oberhaus stimmte ein Teil der englischen Bischöfe dagegen, ein anderer dafür; der Erzbischof von Canterbury cnthie t sich der Stimme. Also, denken wir uns, das der Kirche von England den Rücken kehrende Parlamentsmitglied wird diese Haltung der anglikani schen Bischöfe und des Erzbischofs von Canterbury diesem zum Vorwurf machen... Das läge doch sehr nahe. Aber eben zu nahe, um richtig zu sein. Der Deputierte von Cornwall tritt nicht aus seiner Kirche aus, weil es seinen heili gen Zorn erregt, datz sie in wichtigsten Fragen der Gegenwart ohne einheitliche Haltung ist. Er wirst ihr im Gegenteil vor. datz ein grotzer Teil der anglikanischen Geistlichkeit zu streng sei gegen die Geschiedenen oder zur Scheidung Entschlossenen, datz viele Bischöfe sogar die erneute Trauung Geschiedener in der Kirche ablehnen, wenn nicht gar verbieten. Aus dieser Tat sache schlietzt der Abgeordnete, datz die englische Staatskirche sich dem Geist unserer Zeit nicht angleichen wolle. Und weil sie das nicht tue. walle er mit ihr nichts mehr zu tun haben. Er ver säumt übrigen» nicht, in seinem mit „Mein lieber Erzbischos' beginnenden, auch sonst Im liebenswürdigsten Tone gehaltenen Austrittsbrief dem Adressaten zu erklären, datz seine Kirche, die anglikanische, In fast allen ihm bekannten Teilen de» Landes in raschem Absterben begriffen sei. Ob da» stimmt, wissen wir
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