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Sächsische Volkszeitung : 01.12.1937
- Erscheinungsdatum
- 1937-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193712016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19371201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19371201
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1937
-
Monat
1937-12
- Tag 1937-12-01
-
Monat
1937-12
-
Jahr
1937
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 01.12.1937
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Frie-ensairdacht für den Fernen Osten In Gegenwart des Apostolischen Delegaten für China, Erzbischof Janin, wurde in Sianfu eine eindrucks volle Frieüensan dacht für den Fernen Osten gehalten. Drei Bischöfe, vier Apostolische Präsekte», viele Gcistli-He und 3000 chinesische Christen wohnten dein feierlichen Gottesdienst bei. Die Predigt des Apostolischen Delegaten mährend des feierlichen Hochamtes wurde vom Apostolischen Bikar von Nan king Dr. Paul Püpin sofort ins Chinesische übertragen. Bel der nachfolgenden Schlußprozession trug der Apostolisch Dele gat das Allcrheiligste durch die Stadt. Gegen 20 000 Nicht christen säumten als stumme Zuschauer die Straßen. Eine wertvolle Monstranz aus Vareelona erregte dieser Tage die Aufmerksamkeit der Pariser Kunst interessenten. Sie war in einem Pariser Kunstantiquariat zum Verkauf ausgestellt. Die berühmte Monstranz war früher ln häufigem Gebrauch anläßlich der eucharistischen Prozessionen durch die katalanische Hauptstadt. Das äußerst ivertvolle Kunst werk stammt aus der Frühzeit des Christentums in Spanien. Die kostbaren Edelsteine und Diamanten, mit denen die Mon stranz beseht war. wurden schon im Laufe des Sommers 198« von verbrecherischer Hand ausgebrochen. Trotzdem ist das alt« Kunstwerk, das seht als Teil einer Diebesbeute ln Paris zum Verkauf ausstcht, noch ein Gegenstand von hohem künstlerischen und materiellen Wert. Oberammergau baut aus Neues Kurhaus, neuer Friedhof, neue Schule. Oberammergau benutzt die Zeit bis zu dem nächsten Pas sionsspiel im Jahre 1940 dazu, seine Anlagen großzügig aus« zugcstalten Im Vordergrund steht der Bau eines „Ainmer- gauer Hauses", das als Kurhaus den Mittelpunkt des Kur lebens bilden wird. Der jetzige Kurgarte» wird erheblich ver größert und durch Wandelhallen mit dem neuen Haus verbun den. das 1910 eröffnet werden soll. Als erste Baulichkeit der neuen Kurräumc wird ein 500 Personen fastender Saal für Theaterproben, Konzerte und Feierstunden geschossen. Der zunehmende Verkehr hat eine Modernisierung und Verbreiterung der Straßen notwendig gemacht. Aste gefähr lichen Kurven werden beseitigt. Die Zufahrt zur Ettaler Str. wird übersichtlich gestaltet und die Hauptstraße durch neue Ein bahnstraßen entlastet. Zn Füßen des Kofels entsteht zur Zeit schließlich ein idyllischer Waldfriedhof. Auch ein neues Schul haus befindet sich bereits im Bau. Da» Auirstrverk des Monats Dezsmbev ist in Stimmung und Gehalt der anbrechenden Weihnachtszeit angepaßt. Auf dem ans der Frühzeit des Florentiner Meisters stammenden Werk, das noch deutlich unter dem Eindruck des frommen Malermönches Fra Angelico steht, sieht man die Ma donna in demütiger, von stiller Anmut erfüllter Haltung, da» Kind anbetend, das vor ihr auf blumiger Wiese liegt. Ein dichter, in zauberhaftem Dämmer liegender Wald umfängt die weihnachtliche Szene, lieber dem Ganzen schweben segnend die Gestalt Gottvaters und die Taube des Heiligen Geistes, deren goldene Strahlen den Iesusknaben berühren. Der jugendliche Johannes der Täufer, und im Hintergrund, in tiefer Verehrung versunken, der heilige Bernhard, zeigen den gleichen innigen Ausdruck. Kanin ein anderes Kunstwerk könnte uns den still besinnlichen Geist der Weihnachtszeit so eindringlich vermitteln wie dieses Bild des Florentiner Künstlers. (Scherl Bilderdienst, Zander-M.j Di« ewige GottlM, die ihr dreimal seliges Leben in heiliger Einheit durch die Ewigkeit hindurch besitzt, hat die Welt ge schaffen nach jenen urewigen Ideen, die im Logos gründen. So ruhte die Welt einst in Gott, von ihm erleuchtet und zu- sammengehalten. Da kam durch die Sünde des Mensel-en dis große Unordnung in die Kreatur. Sie zerfiel in ihre einzel nen, sich gegeneinander behauptenden Teile und Atome. Diese so atomisierte Welt verlor ihr« Einheit, und Zeit und Raum wurden das Zeichen ihrer getrennten, gottfernen Gestalt. Da kam der Logos; er wurde Mensch und sammelte — er selbst die Fülle der »»geschaffenen Ideen Gottes — aste geschossenen Ideen, die in den Dingen zerstreut liegen, wieder in eins; und so wurde wieder eine übernatiirli«l)e Einheit aller Dinge in Christus bereitet. Dies« All-Einheit reist bis zum Tage der Vollendung. Sie wächst mit der Kirche, die der Leib Christi ist. So wird der neue Himmel und die neue Erde: — das Ziel alles Weltgeschel)«ns. Auf di« Apokalypse, di« völlige Wiederherstellung der gnadenhaften Ordnung der Welt am Ende der Zeiten durch Christus, ist Im Grunde alles Denken der russisä>en Religions philosophie gerichtet. Erst von hier ans erhalten viele ihrer Gedanken Sinn und Inhalt. So ist ein Denker wie Berdja jew ohne jene apokalyptische Sicht gar Nicht zu verstehen. Denn er sieht immer den Menschen in seiner Vergottung, als den wahren, das ist den paradiesisären und verklärten Menschen. Es ist der Mensch, in dem di« Wiederkunft Christi stets und ständig durch die Mysterien der Kirche reifende Wirklichkeit wird. Nach Bcrdjajervs Worten kann „das Problem des Men schen nur durch die Hinwendung zum kommenden Christus, zur Wiederkunft Christi, eine religiöse Lösung finden". So wird deutlich, daß der apokalyptische Dräng nicht nur der russischen Religionsphilosophen, sondern des ganzen gläubi gen russischen Volkes keine hohle Schwärmerei ist; vielmehr wird hier mit einer der gewaltigsten Ideen des Christentums wirklich Ernst gemacht. In solcher Gesinnung des Ostchristen- tums, in ihrer weltweiten religiösen Haltung gründet eins Kraft, di« sich durch keinen blutigen Terror und durch keine Verfolgung und Bedrückung jemals wird ersticken lassen. Wie das gläubige russische Volk unerschütterlich an die Auferstehung Christi glaubt, tn der die Auferstehung mrd der Sieg des Glaubens vorgezeich net wird, so glaubt und hofft es auch aus di« Wiederauferstehung des wahren russischen Volkstums, die einmal so gewiß zur Tat sache wird, wie die Wiederkunft des Herrn. Dev Gcburtrtas hl. Margarete von Schottland - Ausgrabungen in Ungarn. In dem Komitat Baranya im südwestlichen Ungarn iverden Vorbereitungen getroffen, die Ruinen von Schloß Reta in den Mecsek-Hllgeln auszugraben, von dem man glaubt, daß es der Geburtsort der hl. Margarete von Schott land, der Gemahlin König Malcolms III., ist. Zugleich hat der Bischof von Pecs die Wiederherstellung der alten Kirche von Nadasd am Fuße des Hügels, auf dem einst das Schloß lag, angeordnet, da in ihr die Heilige getauft sein soll. Man hat vorgeschlagen, daß die Feiern am Margaretentage des nächsten Jahres, dem 10. Juni, einbezogen würden in die großen Veranstaltungen, die für d«n 900. Jahrestag des Todes des hl. Stephan, des «rsten Königs von Ungarn, der nach neueren Feststellungen der Großvater der hl. Margarete ge- wesen ist, geplant werden. Es ist eine seit langem feststehende geschichtliche Tatsache, daß die jungen Söhne des Königs Edmund Ironside, Eduard der Verbannte, und Ermund, nach Ungarn gebracht wurden, um sie vor dem Schicksal zu bewahren, das König Knut ihnen zugedacht hatte. Der ungarische Forscher Barm, Bela Mal colms bereite» jetzt die Veröffentlichung eines Buches vor, die Frucht jahrelanger mühevoller Untersuchungen, in dem er beweisen wist, daß Eduard der Verbannt«, der die Prinzessin Agatha geheiratet ha«, viele Jahr« In Schloß Reta gelebt Kat, und daß sein« drei Kinder, von denen das eine die schottiscl)« Königin Margarete werden sostte, hier geboren sind. Er weist aus die Tatsache hin, daß die Leute der Gegend den Hügel mit den Ruinen de» Schlosses noch heut« den „englischen Jung- Um den höchsten Berg der Erde Die britische Mount-Evereft-Expedition 1938 zum Einsatz bereit Alle nötigen Vorbereitungen für die britische Mount- Everest-Expedition 1938 sind gelrosfen. Dieser Sturm auf den höchsten Berg der Erde soll den Sieg über den Riesen bringen, der mit asten Tücken eines gewaltigen Berges, wie Schnee, Eis und Lawinenstürzen, bis heut« die Kämpfer um sein« stolz« Höhe zuriickschlug. Seit di« Agenten der englischen Regierung in, vergangenen Frllhjahr beim Kronrat von Tibet di« Erlaubnis zu einem neuen Sturm auf den Heiligen Berg, den Monnt Everest, er hielten, begann in England das große Rätselraten darüber, »ver der Führer in dem neuen Sturm aus den höchsten Gipses der Erde sein sostte. Rüttle dg«, der Leiter der Everest- Expedition 1936, hatte sich nach seiner großen Enttäuschung end gültig zurückgezogen. Er sagte nach seiner Heimkehr von dem hohen Kampfplatz ganz offen: „Ich bin zu alt geworden für den Kainpf mn jenen Riesen. Ich maclx- jüngeren Nie,,scheu Platz!" Aber er wirkte mit bei der Auswahl der Männer, die nun die neue Kolonne, den neuen Sturmtrupp bilden sollen. Er wies selbst auf H. W. Tilman hin, der einen hervorragenden Aus stieg auf den Nanda Devi durchgesiihrt hatte. In, Jahre 1935 war Tilinan Mitglied der Erkundnngsabteilung, die die Mount-Evereft-Expedltlon des nächsten Jahres vorbereitete Tilman kennt also aus den Vorbereitungen der Expedition 1936 iedes Standlager, iveiß die verschiedenen Wege und war schon damals ein hartnäcktzzer Vertreter der Auffassung, man müsse mit kleiner Gruppe auf änderen Routen dem großen Gegner st, Stein zu Leibe rücken. Bor sechzehn Jahren, im Frühjahr 1921, entschloß sich zu erst der Alpine Club, eine Erkundnngsabteilung den Mount Everest hinaufzuschicken. Man hatte damals gerade die letzten und endgültigen Vermessungen des Riesenlrerges begonnen. Die Engländer faßten den Entschluß, selbst diesen höchsten Berg der Erde zu erobern und die Besiegung des Mount Everest zu einer nationalen Angelegenheit zu machen. Im Jahr« 1922 rüstete Generäl Brnce ein« Expedition ans. Er kam mit Sauerstoff- Masken bis auf 8200 Meter, mährend Mellory, Norton und Somervell ohne Maske» 8100 Meter erreichten. Zivel Jahre später ivaren wieder Bruce und Norton an der Spitze und kamen 100 Meter weiter vorwärts. Bei einem drit ten Versuch verschwanden dann Mellory und Irvine spurlos. Sie fanden einen unbekannten Tod. Nenn Jahre verginaen, «he Hugh Ruttledge im Jahr« 1933 mit einer neuen Erve- dition vorstieß und Spuren des toten Mellory entdeckte. Da mals konnte Smythe auf di« Höh« Vordringen, die Norton vor ¬ her erzielt hätte. Dann folgten 1935 die Erkundnngsvorstöße Shiptons und im Jahre 1936 dann die berühmte Expedition unter Ruttledge. ,, Heut« gibt Ruttledge selbst zu. daß eigentlich aste bis herigen Mount-Everest-Vorstöße an schweren Fehlern krankten. Alle Expeditionen waren zu schwer, zu unbeholfen ausgerüstet. Man konnte seine Dispositionen nicht schnell genug unnverfen, man konnte dem Wetter nicht rasch genug ausweichen. Jeder Schneestunn, jeder Lawinensturz bedrohte das ganze, groß« Unternehmen. Insofern hatte der tollkühne I. G. Wilsor recht, der gänz allein, nur mit einer englischen Fla-'e l>eivafl „et, den Mount Everest stürmen wollte, freilich den Tod fand« aber bewies, daß man ohne viel Gepäck, ganz leicht ausgerüstet und gut trainiert, das Ziel besser erreiclren kann als mit großer Karawane. Hinzu kam noch, daß man den Angriff immer von der gleichen Seite her wägte. Man kam immer von Westes statt auch einmal den Angriff von Norden zu versuclien. Boni dort her wist man jetzt bei der geringsten Verschlechterung der Wetterlage an der Westseite den Sturm wagen. Nur vier Namen werden bei der neuen Mount-Everest« Expedition 1938 genannt: H. W. Tilman, sein Freund Odell, der mit ihm auf den Nanda Devi stieg und der schon srüher an, Mount Everest weilte, ferner Shipton und' Smythe. Diese beiden Namen und internationäl bekannt. Mit kleiner Kolonne, gut ausgerüstet, leicht beweglich, wage mutig und entschlossen: so zieht die neue Mount-Everest« Kolonne aus. um den Großangrisf des Jahres 1938 zu wagen — mit dem Willen zum Erfolg — koste es, was es wolle. fauenhügel" nennen. Die Ruinen sind heute von Bäumen und Buschwerk überwachsen, aber doch noch deutlich zu erkennen. Die Königin Margarete, die im Jahre 1093 gestorben ist und 1251 heiliggesprocyen wurde, hat einen großen Einfluß auf die Kultureste Entwicklung Schottlands genommen. Es wird berichtet, daß sie ins Kloster habe gehen wollen, daß aber König Malcolm durch seine feurige Werbung und wohl auch, weil er der Herr des Schicksals ihrer Familie war, sie für sich gewonnen habe. Sie ivar eine hochkultivierte, geistig be- veutende Frau, die einen sehr heilsamen Einfluß aus ihren Gatten ausübte und nicht nur sehr wohltätig mar, sondern auch auf seine Politik einmirlrte. Sic übte selbst und ermutigte die Künste und bereicherte so das Leben einer noch sehr rauhen Gesellschaft. Eine Kapelle, di« einer ihrer Söhne nach ihren, Tode in, Schloß von Edinburgh baute, hält das Gedächtnis an diese sehr kraslvoste und wohlätige Frau fest. wertvoll« romanische Airchenmalereien an» dem Itt. Jahrhundert entdeckt Nachdem schon vor kurzen, die Freilegung von Resten eines sehr alten Freskenschmucks in den, uralten Kirchlein von Leutwil im Kanton Aargau von sich reden machte, kommt jetzt die Nachricht, daß man im Innern der vier romanischen, bisher zugemauerten Fensteröffnungen neue, zum Teil sehr gut erhaltene romanische Malereien aus dem 10. oder 11. Jahr hundert entdeckt hat. Im östlicl-en Fenster erschien eine bart- lose jugendliche CH r i st u s f i g u r m't dem Lamm in den e m p o r ge st r e ck t e n Händen. Am Scheitel des Bogens ist die Hand Gottes sichtbar, die aus Christus zeig». Die anderen Gestalten konnten bisher nicht gedeutet werden. Russisches Volk im Glauben von den Grundgedanken dev Dussischen Rettgro«»phttosophie Die augenblicklichen Ntachthaber in Smvjetrußland möchten am liebsten in der Weltöffentlichkeit den Eindruck erwecken, als sei das ganze russisch« Volk weltanschaulich dem gottlosen Bol- schewismus verschrieben. Daß dies« Ansicht den Tatsachen nicht entspricht, weiß jeder, der di« Seele des russischen Volkes kennt. Er weiß, daß hier Millionen von Menschen unter der Tyrannei eines im Grunde landfremden Elements leiden, das nicht das Recht hat, sich als Wortführer eines Volkes auszugeben, das nur durch brutale Geivalt nledergehalten wird. Der wahre Russe hängt nach wie vor an dem Glauben seiner Väter. Dieser russischen Gläubigkeit hat man Unrecht getan, wenn män sie gelegentlich als „magisch" oder „starr" kennzeichnen wollte. In der Tat lebt bis hexte besteschrist- lich«s Erbe in jenem Volk des Ostens, das durch die Jahrhunderte und durch bitter« Not und blutige Bedrängnis hindurchgcgangen ist. Die religiöse Gläubigkeit steht im christlichen Osten den großen Mysterlentatsachen und ihren Erfahrungen viel näher als das Tlbendland. Das mag sich zu einem Teil daraus er- klären» daß der Osten weder Mittelalter noch Renaissance, weder Aufklärung noch Restauration kennengelernt hat. Wie sehr hier das Denken und Fühlen noch unmittelbar zur leben- digen Urzeit der Kirche in Beziehung steht, wie sehr heute noch auch philosophische Fragen und aste Bemühungen um Welt anschauung beständig um die Grundfragen des Christlichen — die Erlösung und die Berkläruirg — gehen, dafür gibt das beste Beispiel die neuer« russische Rvkigionsphilosophle; sie gehört wohl zu den größten christlichen Geistesbeivegungen überhaupt. In Denkern wie Kirjcwsky, Trubetzkoy, Chomiakow, Solowjew, Florensky, Berdjajew und Bulgakow lebt ein« geradezu er staunliche geistige Kühnheit, ein beispielloser christlicher Radi kalismus und eine fanatische Gläubigkeit. Sie sprechen mit kindlicher Unbekümmertheit die Sprache der Zeit. Sie sprechen wie Schelling. Ficht« und Hegel; und dennoch ist ast ihr Sprechen nur ein Reden von Christus und Kirche. Das bloß Philoso phische weist bei ihnen immer wieder hinaus in das Metaphy sische und in die Mystik. In ihnen wird das christliche Ethos wieder entdeckt, das glühend« Sprechen von den letzten Wirklich keiten des Lebens. Wenn in der Höl»e des 18. Jahrhunderts der ukrainische Denker Skovordä gegenüber dem anderswo herrschenden Nationalismus Christus als die kosmisch geistige Mitte aste» Seins herausstellte, so ist dieser auf Christus gerichtete Ge dankenbau für di« gläubigen Russen 6is zur Gegenwart charakteristisch geblieben. Die russisel>cn Philosophen beginnen immer mit dem Glauben. Ihre Philosophie lebt aus der gött lichen Weisheit. Darum lehnen sie die ivestliche meclxauisiert« Logik ab; Bulgäkow nennt sie eine „Mama Hegeliana". Die russischen Philosophen gehen von der Voraussetzung aus, daß alle Erkenntnis auf seelischer Verwandtschaft, auf Liebe zum Erkenntnisgegenstand, gründet, »ich daß jede wahre Erkenntnis nur in einer Totalschau möglich sei. Di« Ganz heit aber ist durch und durch metaphysisch gerichtet: die geistige Tiefe des Erkenntnisinhalts ist nur im göttlichen Gedanken erfahrbar, der sich nur der Demut und Offenheit erschließt. Florensky stcstt daher im Geist der gesamten russischen Religionsphilosophje den Satz auf, daß es entweder nur Er kenntnis in Gott oder nur Wahnsinn gebe: „Der Verstand in seinen konstitutiven logischen Normen ist entweder durch und durch unsinnig, wahnsinnig bis in sein« feinste Struktur hinein, ans unbewiesenen und datier völlig zufälligen Elenrenten zu- sammengesoht, oder aber er hat das Ueberlogisch« zu seiner Grundlage." Astes logische Erkennen endet nach dieser An schauung in Antinomien, in Gegensätzlichkeiten und ist im Grunde zu widerspruchsvoll und zu stumpf, um das Geistige zu erfassen. Auf der anderen Seite kann das Göttlicl)« nicht in logischer Korrektheit und dürrer Begrifflichkeit geformt werden. Solowjew stellt der logischen Begrifflichkeit das „or- ganisä)« Denken" entgegen. Darunter versteht er ein« Total schau der geistigen Wirklichkeit, die das göttliche und mensch- liel-e Element von Innen her verbindet. Das menschlich« Ele ment ntmmt in passiver Empfänglichkeit den göttlichen Ge danken auf und gestaltet das Ausgenommen« zum eigentlichen Wissen. Letzte Erkenntnis ist freilich nach Solowjew und den anderen russischen Religionsphilosophen nur in d«r Kirche mög lich, weil nur die Kircl-e Weisl-eitoträgcrin ist. Dieses Vorrecht gründet in ihrem Gemeinschaftscharakter. Florensky bestimmt diesen Gemeinschaftscharakter der Kirche mit dem eigentlich unübersetzbar russischen Begriff „Sobornstj", was etwa soviel wie Gesammeltl»eit oder Allge- mvlnfchäft bedeutet. Damit ist di« Einheit aller in Christus angedeutet. Es wird dabei klar, daß im russischen Denken mehr der mystisch« Kirchenbegriff als der Kirclxe«begriff in seiner äußerlichen, organisatorischen und durch Rechtsnormen geregel ten Form von Mdeutung ist. Die tragende Kraft der Kirche ist das gcmeinschaftsbindende Element der Liebe. Die Liebe ist darüber hinaus wesentlich für die ganz» russtsä-e Weltanschauung. Schon Dostojewsky hätte sie tn den Gebrüdern Karamosoff als die gewaltige Weltenkraft be- zeichnet, in der ,X>as Geheimnis der Erde sich mit dem der Gestirne" berührt. Die Liebe erbaut den neuen verklärten Zu stand einer gottförmigen Welt. Dieses Weltbild ist von kos mischer Weite. Unter seinen» unendlichen Himmel rveiß sich der Russe mit aller Kreatur vereint. Wieder sagt Dostojewsky! „Wir sind weit, weit wie unser Dlütterchen Rußland." Die weltweite Geschlossen»»«!« zeigt sich auch im religiösen Denkbild bei Solowjew. Er schaut in seiner Gläubigkeit alles vom Ursprung des Lebens aus, nämlich der Dreifaltigkeit. W!jjjj!jj!jjM!j!!j!!s!Dj!!W!!jj!!WW>W!WW!j!!!!W!!W>W!jj!j!Wjj^
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