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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 19.12.1932
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1932-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19321219015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1932121901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1932121901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-12
- Tag 1932-12-19
-
Monat
1932-12
-
Jahr
1932
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 19.12.1932
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Rr.SSS S-Ne r — AachrWe»" — Sir Mmnpolitik in »er WeWaMweA vr»U»m»I»n«> »na« rar S»rU»«r >MrUU»U»»I zicrlln, 18. Dez. Entgegen der politischen Ruhe, die sonst -te Woche vor dem Weihnacht-fest kennzeichnete, wird ste in diesem Jahre politisch etwa» lebhafter werden. Da» NeichSkabtnett wird noch eine Beratung über die »ndgülttge Form der Winterhilfe und gegebenenfalls auch noch Beratungen tiber agrarpolttische Mab» nahmen vornehmen. Der Reichskanzler insbesondere mochte den letzten Punkt, um zur Beruhigung der Landwirtschaft Seizutrageu, noch vor dem Fest erledigt wissen. Die an- aekündtgtk Berordnung „Zur Forderung des inneren Frie- denS" wird am Dienstag zur Veröffentlichung gelangen. Wie man in politischen Kreisen zu berichten weib, wird diese Berordnung bei der Zusammenfassung einiger Bestimmun gen des Stcpubltklchutzaesctzeö auch noch eine besondere Bestimmung über den Schutz der Wehr macht gegen Landesverrat Dringen, die deshalb für notwendig gehalten wirb, weil die Amnestie bekanntlich auch Hoch- und Landesverrat weit gehend nintant und eine besondere Sicherung der Wehrmacht gegen Landesverrat gegeben sein muh. Am Mvntagnach- mittag tritt der A e l t e st e n r a t zu seiner angekündigtcn Sitzung zusammen, um über den von den Kommunisten ein gebrachten Antrag aus Zusammentritt deS Reichstags« Plenums noch vor Weihnachten zu befinden. Zn Regie- rungSkreisen ist man ganz allgemein der Auffassung, das; dieser Antrag nicht die erforderliche Mehrheit erhält und da» cs infolgedessen zn keinem Zusammentritt des Parla ments noch vor dem WeihnachtSsest kommen wird. Am DlenStag wird der RclchSra« die Entscheidung über die Amnestie zn fällen haben. Bestätigt der ReichSrat das Amnestiegesetz, so will die ReichSregterung die Durchführung der Amnestie be schleunigen nnd wird auch die Länderregierun gen ersuchen, sofort mit den Entlassungen der in Frage kommenden Perivnen zn beginnen. Zn einem solchen Falle würben auch die Länderregierungen, di« »m «etchdrat gegen die Amnestie stimmen werben, ste burchzuführe« haben. Sollt« dagegen der ReichSrat den Einspruch, der von feite« der süddeutschen Staaten zu erwarten ist. ge- nehmigen, dann würbe ein Bericht an den Reichstag über die Ablehnung des Amnestiegesetze» zu erstatten sein. Dieser Bericht mühte dem Reichstag bi» spätesten» zum ». Januar vorltegen. Kommunisten sirren »en Seltenen Senntn» vraktmeläuog unaarar varUnar SodrUtlaltnng Berlin, l8. Dez. Wie schon am Silbernen, so versuchte» auch am Goldenen Sonntag die Kommunisten durch plan- mäklig arbeitende UnruhetrnppS den starken Verkehr tn den GeschästSstrahen der RcichShauptstadt »um Deckmantel von Krawallen und PlünderungSversuchen zu machen. Die Polizei hatte von dieser Absicht feboch recht zeitig Kenntnis erhalten und war überall mit groben Kräften anwesend. Durch energisches Eingreifen konnten gröbere Ausschreitungen verhindert werden. Zm Norden Berlins war dte Polizei gezwungen, Schreckschüsse abzugcbe», um dte sich dort immer wieder zusammcnrottenben kommu nistischen Trupp» zu vertreiben. Die StdrungSversuche. dte tn den Nachmittagsstunden gleichzeitig tn verschiedenen Ge- schäftSstraben begannen, dauerten bis zum GeschäftSschlust an. Der Reichsflnanzmtntfter tn Bremen Bremen. 18. De». Aus Einladung de» ,^klub» zu Bremen" war der ReichSsinanzmintster Graf Schwerin von Krosigk am Sonntag nach Bremen gekommen. Er hielt im Groben Saal der „Glocke" ln interner Versamm lung vor etwa 880 Männern der bremischen Wirtschaft einen Vortrag über den Stand der NeichSsinanzen, tn dem er eingehende Ausführungen über da» Finanz- und WirlschaftSprogramm der NetchSregierung machte. Absturz tn Aohannislhal Reparierte Lportmaschiue nach dem Start verunglückt — Ei» Todesopfer, ein Schwerverletzter Berlin, 18. Dezember. Ans dem Flugplatz Berltn- ZohanniSthal stürzte gestern nachmittag ein Lportslugzeng ans ctwa dreißig Meter Höhe ab nnd wurde völlig zer trümmert. Der Pilot, der Löjährige Fritz Schwarz, trog schwere Kopsverlctznngen davon: sein Begleiter, der 81jährige ttnrt Schapp anS Berlin-Hcrmodorf, wurde so schwer verletzt, das, er aus dem Transport znm Krankenhaus starb. Die Akademische Fliegerschule tn Letpztg-Mockan hatte «ine ihrer Klcmm-Sportmalchinen, die die Zulassungs nummer 1ll8k> trägt, zur Reparatur und Ueberholung einer Flugzeugwcrkstalt in Berlin - ZohanniSthal übergeben. Gestern sollte die reparierte Maschine nach Leipzig zurück geflogen werden. Die Deutsche Versucheanstalt für Luft- tahrt in Berlin-AdlerShof batte den Apparat freigegcbcn, und der Start wurde aus nachmittags 4 Uhr angeletzt. Die Leipziger Fliegerschule halte ein sriihercS Mitglied, den Nsiährcgen Fritz Schwarz, beauftragt, das Flugzeug nach Leipzig zu bringen. Als Begleiter wurde sein Freund, der Sljäkirige Kurt Slhavp, auoersehen. Wenige Minuten nach t Uhr startete Schwarz. Die Maschine kam glatt ab. Auf dein Flugplatz hatten sich zahlreiche Mitglieder der Berliner Akademischen Fliegergruppe cinget'uuden. Plötzlich sahen die Zuschauer mit Schrecken, ivic der Apparat, als er in etwa drctstig Nieter Höhe in die Linkskurve ging, über die Tragfläche «brutschte nnd dann steil »» Bode« stürzt«. Man eilte an dte UnglückSstelle, um den Verunglückten Hilfe zu leisten. Zugleich wurde die Feuerwehr alarmiert. Der Pilot konnte zuerst aus den Trümmern geborgen wer den: ec hatte bedenkliche Kopfverletzungen und eine schwere Gehirnerschütterung davongelragcn: im Krankenhaus Neu kölln liegt er in bedenklichem Zustand danieder Der Be gleiter Schupp war in den Trümmern eingeklemmt. Seinen furchtbaren Verletzungen ist er auf dem Transport ins Krankenhaus erlegen. Das neue belgische Kabinett Brüssel, 1L De». Nach mehrtägigen Bemühungen gelang es am Sonnabend, ein zweite» Kabinett de Vroqueville »u bilden. Da» Kabinett setzt sich wie folgt zusammen: Ministerpräsident: Gras de Vroqueville fKatholtk): Finanzen: JaSpar iKatholtk): Industrie und Arbeit: van Zsacker lEhrtstl. Demokrat): Soziale Fürsorge und Hygiene: Gras Earton de Wiart (Katholik): Inner«»: Poullet lEhrtstl. Demokrat), mit dem Znnenministertum ivird daö Portefeuille des Ministeriums für Post und Tele graphen vereinigt: Kolonien: Tschosfen fChristl. De mokrat): Unterricht: Lippen» jLtberal): Transport: Forthomme sLtberal): AeußereS: Hyman« sLiberal): Nationale Verteidigung: Devdze sLiberal): Justiz: Zanson iLiberal): Landwirtschaft und öffentliche Arbeiten: Sav (Katholik). Konferenz -er Kleinen Gnlente Bukarest, 18. Dez. Der Minister de» Araber», TttuleScu, ist zur Teilnahme an der außerordentlichen Konferenz der Kleinen Entente nach Belgrad gereist. Das Programm der Konferenz steht eine Besprechung der mitteleuropäischen Politik vor, ferner Beschlußfassung iiber eine gemeinsame Stellungnahme zu den Fragen der Abrüstung und der Reparationen. Zur Ab- rüstungSfrage nimmt man an, baß eine neuerliche Soli daritätskundgebung beschlossen wird. Amerika lehnt Schul-enkonlerenz mit säumigen Staaten ab Washington, 18. Dez. Wie amtlich bekaunt wird, ha« die Regierung der Vereinigten Staaten eine allgemeine Lchuldeukonsereuz mit den säumige« Staate» ab, gelehnt. Staatssekretär Ltimsou hat diese amtliche Ver lautbarung dem französischen Botschafter sowie den Ver tretern der anderen sänmlgen Nationen übermittelt. 1». vqeach« rr» »Mer St« kn künftige Weg t« ASVkU Halle, 17. De», vor etwa 2000 Amtswalter», Ort», aevppenletter« und Gtützpunktlettern der politische» Glied». r«na der NSDAP, sprach am Sonnabend der Führer der NGDAP„ Adolf Hitler, über den künftige« Weg der NSDAP, und ihr politische» Programm, Hitler führte etwa au«: Der Mensch leid« nur allzu leicht darunter, dab er unter dem Eindruck «ine» Erfolge» de» Begin» vergess«. Z« vegln» de« Zähre» UM sei die Bewegung nabez« der völligen zwangsweisen Auslösung ausgesetzt »«- wesen, „und wenn wlr nun" — so sagte Hitler — „diesem Anfang da» Ende de» Jahre» 1iM aegenüberftelle«, w, ist da der Grund zur Mutlosigkeit?"^ Heut« ist »ufere Bewegung etn unübersehbarer Faktor, so unübersehbar, datz alle Regierungen immer nur zu einem gewissen Pret» zu haben sind, der im wesentlichen von un» selbst bestimmt werden muß. Diese Sorge um den Prel» lst so grob, daß man un» in dte Negierung hinctnbttten wollte, allerdtng» auch wiederum zu einem Preis, den ich für una «nehm- bar halte. Innerlich haben unsere Gegner ihre Meinung über uns tn nicht» geändert, wohl aber sind die Methoden, mit denen ste uns bekämpften, mehr als einmal gewechieit worden, Alle diese Mittel haben bis aus berr heutigen Tag restlos ihre Wirkung verfehlt. Nun kommt man mit dem Danaergeschenk. Aus der einen Seit« bedrohte man uns durch Notverordnungen, ans der anderen bot man un» einige Posten an. Zm Glauben, daß das ihnen wenigsten» dte Gewähr für unsere Unschädlichkeit bieten könnel Zch sehe aber die Dinge iveit anders. Wir sind heut« in Deutschland dle stärkste politische Partei. Wenn e« unseren politischen Gegnern wirklich ernst wäre mit elner Verständigung, dann frage lch sie: „Warum habe« Eie, meine Herren Befürworter und Gönner au» dem bürger- llchen Lager, unserer Bewegung nicht dte Macht bewilligt, die Sie doch bisher iedem SPD -Bonzen ohne weiteres zu- gestanden hatten ?" Zch lasse mich nicht schlechter behandeln, al» dte „Organisatoren deS Landesverrats". Drei Ding« haben wlr in dte Waagschale zu werfen: Unseren Namen, unsere innere Kraft und unseren Glauben an Dentschland. Für diese Einlage in da» RegierungSgeschäst könne« wir de» entsprechende» Einfluß a»s diese» Geschäft verla«»*», *»b »war »hu« jede Klausel, ohne jede Gi»schrL»k»u«. Glaube» Sie, e» wär« sür unser« Bewegung vortetlhakter gewesen, wir wären jetzt gleichzeitig mit Pape» »usamme» torpediert worben? Für mich ist die ReichSregterung niemals da» Berdun der Westfront. Wir find auch nickt dazu da, etwa verkrachte und ruinierte Staate» in Ord nung zu bringen und un» dann zum Schluß eine« Fuß- trttt geben zu lassen. Wir haben da» Beispiel schon einmal tn Thüringen erlebt. Zch verwahre mich ganz entschieden gegen den Vorwurf, wir hätten nur Fehler gemacht. Wäre meine Arbeit lauter Fehler gewesen, wie hätte bann au» den sieben Mann eine Millionenbrwegung wachsen können. Zch habe die Bewegung gegründet und ihr gegeben, wa» sie an Symbolen besitzt. Niemals kann ich daher so han deln, wie ein beliebiger Parteiführer, der eines Tage» al» Hospitant anltrttt, weil sein eigener Laben tn die Brüche gegangen ist. Ich kämpfe nicht, »m Konzession«« »n machen oder gar zu kapitulieren. Di« AmtSwalterkundgcbnng schloß mit etuem Lr«e- gelöbnt» für Adolf Hitler. Am Sonntag sprach Adolf Hitler in Magdeburg vor über »WN Amtswaltern der NSDAP, de» Saue» Magde burg-Anhalt. Zn einer AmtSwaltertagung de» Gaue« Essen der NSDAP, sprach auch Dr. Goebbels, ebenso tn Düsseldorf. Gin Kraft-roschkenMrer ermordet Köln, 18. De». In der Nacht »um Sonntag «mrrde gegen S Uhr morgens auf der Landstraße Köln—Freche» der »Rührige Kraftdroschkensithrer Derkum erschösse» ausgesunden. Zwei Schüsse waren tn dte rechte Schulter und eln Schuß von rückwärts ln dte linke Hüfte etngebrun- gen. Man nimmt an, daß Derkum von einem Fahr gast ermordet wurde. ick binr Vkllnrct,« ?koi>oKino Kackio WairvnßauL kingrir.rmKatksul Björnsons ttz«. Geburtstag im Schauspielhaus „Arber -ie Kraft", l. un- 2. Leit neueinstu-iert Der 8. Dezember 1882 hat Norwegen seinen zweiten großen Nativnaldichtcr nach und neben Henrik Zbsen ge- 'chenkt, Biürnstierne Viörnion, der in seinem Namen zweimal den Bären trägt und der in seinem Wesen etwas von einem gewaltigen nordischen Bären hatte: Natur kraft und gutmütige Plumpheit, wenn er sich friedlich sonnte, wuchtigen Tatzenschlag und unbändige Kampflust, wenn er gereizt war. Tiefverivnrzelt im Bauerntum Norwegens, tn der Sagapocsie seines Volkes, stand er doch im Gcisteskampf des Tages, warf er dem Volke und der Gesellschaft — nach und neben Ibsen — den Handschuh hin, ward er Agitator, Publizist, Politiker, Volksführer, glühender Republikaner und damit doch so etwas wie der ungekrönt« König seines Volkes. Zbsen ein Dichter und Denker, Björnson ein Dichter nnd Redner, schroffe Gegensätze, spät erkannt, dann unüberbrückbar im Wesen beider. Vielleicht auch, weil Vsörnion von einem bestimmten Zeitpunkt ab in ZbsenS Spuren wandel! und sich S nicht etngestchen will. Bären stark ringt er sich empor, aber er geht dabei „über die Krall", er scheitert am höchsten Ziele und rettet sich an» dein Zusammenbruch tn blasse ZuknnstStränme, in eine Allegorie des Fortschrittes, sür die er zwei Kindern, „Eredo" nnd „Lpcra", die Verantwortung anslädt. * „Glaube" und „Hoffnung" tragen da» Gebäude feine» DoppcldramaS „ll e b e r d i e K r a f t". Sie sind nur äußer lich ancinandergebnnden dadurch, daß Pfarrer Tangs Kin der aus dem ersten Teil in den zweiten Teil hinüberreichen und zwei, drei andere mit ihnen. Aber wie die Entstehung beider Teile zwölf Jahre anseinanderlag 11888 und I8Ü'>), so liegen ihre Konflikte auf ganz verschiedenen Gebieten. Dennoch ist nicht zu übersehen, daß Björnson sogleich „1, Teil" ans den Titel schrieb, also den zweiten bereits im Sinne hatte. Gewiß wollte er sie innerlich binden durch den gleichen Verlauf der verschiedenen Probleme, aber eine Hohcrsührung und Gipselung des gemeinsamen Grund gedankens erreichte er damit nicht. Vielmehr liegt die Sache so. daß der erste Teil als aufwühlende Dichtung wirkt, so viel sich gegen seine These einwendcn läßt, während der zweite ein Theaterstück ist. gegen das sich von asten Selten Einwände erheben lassen Alto keine Gipselung, sondern ein Absturz. Zeder Teil für sich hat vor dreißig Jahren auch aus den deutschen Bühnen gewaltigste Wirkung getan. Uno wie bezeichnend.: dem Drama um das religiöse Wunder setzte man keine Gegenwehr entgegen, das Drama um da» soziale Wunder stieß ans die schärfste Abwehr aller staatlichen Mächte, ehe es an dte Oessentltchkei« durfte. Wenn heute Georg Ktesau, soviel ich weiß, als Erster beide Teile hintereinauder vorfahrt, so wirb da» Verhält nis, das innerlich fast ein Mißverhältnis ist, nur fühlbarer, erweist sich die Dichtung stärker als da» Theaterstück, er greift der Kamps um das Ewige mit aller Macht, während der Kamps nm die Not des Tages in dieser Form schon wie etn Stück Geschichte, als ein unmöglich gewordener Lösnngöverluch erscheint. Da» Drama vom Pfarrer Adolf Sang, wiederholt ge spielt ans Dresdner Bühnen, erschüttert uns stets wieder durch leine ekstatische Kraft, dte sich mitreißend steigert, bis der Zusammenbruch des Wundertäters mitsamt der Ge heilten als furchtbare Zweifelsfrage auch un» wieder aus der mit dichterischer Gewalt hochgcrissencn MlaubenSbereit- schäft in die Tiefe der Enttäuschung stürzt. Durch die Macht des Gebetes Hal Lang, der schon zahllose Kranke geheilt nnd eine für tot Geltende wieberbelcbt hat, seine gelähmte Fran Klara, die seinen Glauben nicht teilt, zum Wandeln gezwungen. Vor unseren Augen vollzieht sich bas Wunder, vor unseren Augen da» Brechen der überspannten Kraft beider. Bis zu diesem letzten Augenblick hat der Dichter uns tn der Hand, ehe er uns fallen läßt. ES ist vförn» sons große dichterische Leistung, eine Atmosphäre de» Wunderbaren nm diese nordischen Menschen geschaffen zu haben, die so dicht ist, daß sie «nS mit umhüllt. Bet allem inneren Vorbehalt geben wir nn» dieser brennenden Lohe des Glaubens gefühlsmäßig gefangen. Aber dann seht die VerstandcSkritik ein. Was Renan und David Friedrich Strauß von den „Wundern" Zesu gesagt haben, was die Wissenschaft von der Suggestion und Autosuggestion, von Hysterie und Epilepsie gelehrt hat, all das dringt auf uns ein und zerstört die Ekstase, die der Dichter erzielte. Der Dichter, der selbst in seinem Buche auf die damals modern sten Forschungen über die natürliche Kausalität des schein bar Ucbernatürltchen htngewiesen hat, lehrt uns nüchtern und unerbittlich, daß der Vorstoß der Seele Ins Grenzen lose über dte Kraft geht und dem Menschen versagt ist. TaS Wunderbare an dieser Dichtung aber bleibt trotz dem di« Tatsache, baß wir bet aller Kritik und Skepsis ihre religiöse Ekstase mlterleben können und tn ihr ein fache», aber bewegte» Geschehen für eine kurze ErlebnIS- stunde tief hineingezogen werden. Das aber ist das Werk des Dichters Bförnson. Ander» im Drama vom sozialen Wunder. Glaube nnd Ablehnung werden sich im Religiösen immer um das Wun der streiten, denn da» liegt auf metaphysischer, übersinn licher Ebene. Daß aber die „soziale Frage" durch ein Wunder gelöst werden könne, glaubt überhaupt niemand, denn bas liegt aus irdischer Ebene, wo der Kampf um Macht und Besitz die dauernde Ausgabe der menschlichen Geselllchast ist. Da mag eS Verschiebungen und Ausgleiche, EnolnUonen und Revolutionen geben, aber «ine „Lösung" durch einen Knalleffekt kann «S da nicht geben. Elias Sang, Pfarrer Sangö frommer Svhn, glaubt den Gegensatz vo» arm und reich damit zu beheben, daß er die Burg der Reichen, die sich drin zum Kampfe gegen die streikende» Arbeiter versammelt haben, mit Dynamit in dle Luft sprengt und sich selbst zum Opfer bringt. Das ist reli giöses Märtnrertnm, nicht sozialpolitische Methode. Ihre Widerlegung gibt der Dichter selbst, wenn er der Hoff nung der Arbeiter, durch eine solche Gewalttat die Meinung und Hilfe der Welt für sich zu gewinnen, das Wort Hol- gerS, de« Führers der Fabrikanten, entgegensetzt, der, den Tod vor Augen, erklärt, daß ihr Opfer alles aus ihre Sette reißen werde. Mit aller Deutlichkeit ist damit ge sagt, baß eine Gewalttat am Bau der Gesellschaft nichts ändert. Was aber Bförnson an Heilmitteln tonst vorfchlägt, in den erregten Debatten der Arbeiter einerseits, tn den sachkundigen Vorträgen der Fabrikhcrren anderseits, das ist, soweit darin überhaupt ein klarer Gedanke zu finden ist. längst überholte Theorie von damals, dte von der Ent- Wicklung inzwischen tn wesentlich andere Bahnen gelenkt worden ist. Weder die Terminologie, noch die Zdeologie fener Klassenkämpfe stimmt mehr zur Lage der Gegenwart, die sich deshalb so wenig ans den vielen und langen Rede» entnehmen kann, wie ans dem Begriff „Anarchie", mit dem einstmals so häufig operiert worden ist. Elia», der „Anarchist", schweift in» Grenzenlose, und stirbt an der Er wartung des Wunder», da» es im Sozialen nicht gibt. E» ist der Grundsehler dieser Schöpfung BförnsonS, baß st« zwei Ebenen bnrchcinandcrschicbt, die unvereinbar sind. Hier warten wir nicht ans das Eintreten eines übernatürlichen Wunders, sondern auf bas Gelingen oder Mißlingen einer Dynamiterploston. AnS der Dichtung sind wir aufs Theater verseht. Allerdings, dieses Theater Ist mit kundiger Hand ans« gebaut. Bförnson war als Theaterdirektor — denn auch da» ist er wiederholt gewesen — ein großer Massenregisseur. Das bewährt er hier. Erregend die Streiknnrnhen in der „Hölle", der Schlucht, wo die Arbeiter wohnen: erregt di« Sitzung der Fabrikanten mit ihren gegensätzlichen Mei nungen: bis zum wahnsinnigen Tuben und Flüchten ge steigert die Todesangst der Etngcschlossenen vor der Ex plosion. Und danach ein Schlußakt voll Elegie und Klage, Bekenntnissen nnd Geständnissen, voll Stimmung der Ver gebung, ZukiinstShvssniing, aller alles nur Nachklang und gedanklich so schwach wie die ZnknnftSpläne. die Eredo nnd Lpera, die allegorischen Engel des Frieden», kindlich gläubig entwickeln. Wie dte Parteien in Schwarz und Weiß ge malt Nnd loder eigentlich alle beide kohlschwarz!), so steht der Schlußakt in Grau. Hat Klesan da» gemeint und ge fühlt, als er die vom Dichter gewollte Frühli"agsand'ckast in eine graue, trübe DämmeruiigSivelt wanbeste? Und daß er die vorgeschricbenc „schwermütige leise Musik", dte während de» ganzen Aktes erklingen lost, weallcß war auch Dienst am Dichter, der lick hier in eine Art Melodram flüchtete, um da» Ohr mit dem sinnlosen Knall ,n ver söhnen, in den er da» „soziale Wunder" entlud, a» e«
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