Volltext Seite (XML)
Nummer 134—38. Iahrg. Freilag, 11. Juni 1937 Gerichtsverhandlung hinter verschlossenen Türen Tuchatschewski vor dem Militärgericht Sm Fall« o»i, HSHettr ««mal«, verbot, «Intretender vetrlet- PSrungen ha» der vejleher »d« Werbunglretbend« leim «nlprüche, fall, dl, Zeitung In be,chrSnktem Umsang«, o«» ipStet oder »Iihl «Ichelnt. «rfallnneooeliliv,,»»,» zu gemelnnen Verrätern und ..Spionen" zu stempeln. Daraus geht ohne weiteres hervor, dah umsomehr Gründe dafür spre chen, die bisherigen Ursachen der sensationellen Assäre zu ver bergen. In Kreisen hiesiger ausländischer Beobachter wird die Ansicht vertreten, dah die jeht angelilagten Generale einen Staatsstreich geplant hätten oder dah ihnen von Seiten des Kremls das zum mindesten zugetrant worden ist. „Krah- naja Sweska" schreibt über die angeblichen Pläne der ange klagten Generale, „sie ivollten die Sowjetmacht vernichten, die Arbeiter- und Bauernregicrung stürzen nnd den Kapitalismus wieder Herstellen". Die „Prawda" fordert weiter schon jetzt die „schonungslose Bestrafung" der Angeklagten. An einem blutigen Ausgang des Prozesses ist umso we niger zu zweifeln, als die Gerichtsverhandlung, wie ausdrücklich bemerkt wird, aus Grund des sogenannten Kiroiv- Gesehes vorgenommen werden soll, das beim Borlicgen van Staatsverrat und Terrorakten eine Berteidianna der Ange klagten vor Gericht verbietet und die sofortige Bollstreckung des Urteils verlangt. London, 11. Juni. Zu der neuen sranzösiscl-en Westpakt note berichtet der Pariser Korrespondent der „Times", die französische Note bringe den Wnnsch Frankreichs zum Aus druck, dem aufb'auenden Teil der auf diesem (gebiet bisher geführten Verhandlungen Rechnung zu tragen. In der fran zösischen Note würden insbesondere jene Punkte bestätigt, über die bereits allgemeine Einigkeit bestehe. Man glaube auher- dem, dah in der Note die französischen Verpflichtungen gegen über Sowjetruhland und der Tschechoslowakei im Zusammen hang mit dem Westpaktplan und der Frage einer Kennzeichnung des Angreifers ^handelt werden. Ebenso werde in diesem Zusammenhang auf die Zuständigkeit des Völkerbundes be treffs eines Westpaktes hingewiesen. Insgesamt sei bisher ein sehr vorsichtiger Optimismus am Platze. -.„iMUUiin,! vre^«.«„ P«II«rftr. 17, S«"N«t rv71l ». rioi» »klchrlt,pill«, vrilck end vnlap! s«r—>«ia vuchdi»ck«r«t «. ««Nag LH. «- v. Wink«!, PolUrstrok» 17, 1101», psftjch««: Ne. UM, va»k: Stadtta»» Dre»d«» Nr. «717 Erstellt S »al wUchrnNIch. »«naillcher «rjugeprel, durch Trüg« «Inlchl. « Pl« »1«. Psg. rr»««rlohn 1.70; durch dt< Pop 1.70 elnIchUrtzllch Psstübrruxlsung-gebllh,, »ujügNch »» Psg. Post-v«stellg«l». aiirzel-Rr. 10 PI«.. Sonnabend- ». siestlaga-Xr. ro PI«, «bbestellungen mühen lpbtesten» «In« Wach« uar «blaut der vei»«s»ett schrlllllch beim «erlag «Ingegange» s«i«. Unter, lib««, dilrf,» kein« «bbepellun,«, «nl-egennehme», verlagert Dreedeu. «n-elgenprelst: dl« Ilpalttg« v »» brett« geil, t Pfg-Z sllr lsamINenan^lge» I Pt» SIU Platzwünlch« Unn«, »U Uli- S«w»-r Utpe«. Glsenbahnunglück aus der Strecke Slrschberg. Schmledeberg 4 Tote und mehrer« Verletzt«. Breslau, 11 Juni. Der Pressedienst der Reichsbahn- direktion teilt mit: Am 11. Juni gegen 5.50 Uhr stietzen drei beladen« Güterwagen und vier leere Güterwagen, die vom Nah güterzug S78S in ZIllerthal-Erdmannsdors abgelausrn waren, am Kilometer 2,2 der Strecke Hirschberg-Schmiedeberg mit, dem Trlebwagen-Personenzug 1441 zusammen. Bisher wurden vier Tote, zwei Schwerverletzt« undacht Leichtver- letzt« s«stg»st«llt. Ein Tot«r wurde als der Reichseisenbahn, betrtebsassistent Fritz Reim aus Glogau «rmIU«lt- Sächsische VolksMlMS Kau bereits seit Tagen Informationen durchgesickcrt. Trotzdem haben die Anschuldigungen, die gegen die vor Gericht gestellten Militärs erhoben werden, in ihrer phantastischen Tragweite in Moskau allgemeine Verwunderung ausgelöst. Dah der Prozeh hinter verschlossenen Türen stattfinden muh, wird zwar mit dem Charakter der Anklage begründet, erhöht jedoch nicht de ren Glaubwürdigeit. Man wird sich also allen Berlantbarnngcn gegenüber, die im weiteren über diese phantastische Angelegen heit zu erwarten sind, höchst skeptisch verhalten müssen. Die Angeklagten Moskau, 11. Juni. Die Persönlichkeiten der acht Angeklagten vor dem Mos kauer Militärgerichtshof sind zum Teil auch im Auslande be kannt. Der erst 44jährige Marschall Tuchatschewski gilt als einer der Schöpfer der Roten Armee nnd als deren Genera lissimus im Kriegsfälle. Den Armoekommandanten Iakir u. Uborewitsch waren die beiden wichtigsten Militärbezirke der Sowjetunion (Kiew nnd Weihruhlandf anvertraut. K o r k, langjähriger Oberbefehlshaber des Moskauer Militärbezirks, war zuletzt Leiter der Moskauer Militärakademie, der Armee kommandeur Eidemann war Leiter des Massenmehrverban des „Ossoaveach'-m" Feldmann und Primakow sind weniger bekannte Figuren. Der General Put na, der sich schon seit ungefähr einem Jahr in .(rast befindet, war früher Militärattache der Sowjetunion in London und zu vor noch in Berlin gewesen. Oer Marschall -es Hochverrats beschuldigt Weitere sieben Armee-Kommandeure auf der Anklagebank - Prozeßbeginn bereits heute Moskau, 11. Juni. Die sowsetamttiche Telegraphen- Agentur verbreitet eine Mitteilung, wonach „Die durch die Or gane der GPU zu verschiedenen Zeitpunkten verhafteten frühe ren Kommandeure der Roten Armee", Tuchatschewski, Iakir.»Uborewetsch, Kork, Eldemann, Feldmann, Primakow und Putna heute, den 11. Juni, wegen „Verletzung ihrer Dienst pflichten und des Fahneneides, Landesverrates, Verrates der Völker der Sowjetunion, Verrates der Roten Armee" vor ein besonderes Militärgericht gestellt werden sol len. Die Voruntersuchung habe, so heitzt es weiter, festgestellt, dah die Angeklagten Schädllngsarbelt zum Zwecke der Schwä chung der Roten Armee durchgesllkrt und ferner „im Falle des lleberfalles auf die Sowjetunion" die Niederlage der Rolen Ar mee erstrebt hätten In der Absicht, „die Macht der Gutsbesitzer und Kapitalisten" in der Sowjetunion wieder einzusllhren. Alle Angeklagten hätten sich bereits voll und ganz diefer Verbrechen für schuldig bekannt. Das Gericht, so schlicht die Mitteilung, bestehe aus dem Armee-Juristen Ullrich als Vorsitzenden und folgenden Bei sitzern: dem Armeckommandantcn und Stellvertreter des Kriegskommissars, den Marschällen Budjonny und Blücher, dem Generalftabschef Schaposchnicow und dem Armcokomman- danten Below. Der Prozeh wird hinter verschlossenen Türen slatlsinden. Die sensationelle Nachricht von der schimpflichen Vorge- richtstellung eines Marschalls und mehrerer Armeekomman danten und höheren Offizieren der Roten Armee kommt nicht mehr überraschend. Von der Verhaftung Tuchatschemskis und anderer waren trotz der gcflissenlichen Geheimhaltung ln Mos- Man rechnet bereits mit einem baldigen Ausgang des Prozesses Moskau, 11. Juni. Die meisten Blätter bringen die Ankündigung über den Prozeh gegen die acht Sowjetgenerale. ohne sie zu kommentieren. Nur die parteiamtliche „Prawda" und das Blatt der Roten Armee, die „Krahnaja Swesda", bringen be reits Ausführungen, deren Inhalt für die augenblickliche Situa tion bezeichnend sind. Die „Prawda" redet von den acht bisherigen Armeefüh- rern nur noch als von „drelfachabscheulichen Spionen und Lan- desverrätern", die mit asten Mitteln „die Macht der Roten Ar mee untergraben wollten". Diese Charakterisierung durch die ..Prawda" läht die gegen die acht Generale erhobenen phanta stischen Anschuldigungen gewih nicht glaubwürdiger erscheinen. Jedenfalls beabsichtigt die Anklage, die acht bisher zum gröhten Teil gefeierten Armeefiibrer durch eine intensive Propaganda Westpakt-Oenkfchrist an London übermittelt Sin französischer Vorfahler - Deutschland wird ln die Kombinationen einbezoaen Paris, 11. Juni. Der Versuch einer Wiederbelebung der diplomatiscl)en Verhandlungen zum Abschluss eines Vertrages, der den alten Locarnoparkt ersetzen soll, wird von einem groben Teil der französischen Presse begrüht, nachdem der französische Autzen- ininister gestern eine Denkschrift über diese Frage nach London Kat übermitteln lassen. Man sieht in dem neuen Dorsühler, der auch geradezu als ein Versuchsbaston bezeichnet wird, wie es in Paris heiht, eine Möglichkeit, die Beziehungen zwischen England und Deutschland zu befruchten. Der „Petit Parisien" erklärt, dah die französische Mit teilung nach London schon seit der Aussprache feststand, die der französische und der englische Aussenminister in Gens hatten. Die Uebermittlung sei jedoch verschoben worden, weil man erst eine günstigere international« Stimmung abwarten wollte. Die französische Mitteilung sei sehr entgegenkommend und könnte den Ausgangspunkt für eine interessante Westpaktverhandlung abgcben. Der neue englische Ministerpräsident Chamberlain wünsche ein« Besserung der deutsch-englischen Beziehungen und die französische Antwort komme diesem Wunsche entgegen. Das bedeute jedoch nicht, dah sich die französische Auffassung von „Locarno Nr. 2" merklich geändert hätte. Frankreich könne allerdings weder auf seine überlieferte Treue zu den Grundsätzen des Völkerbundes und der kollektiven Sicherheit, noch aus die Wahrung seiner Bündnisse und Freundschaften verzichten. Der auhenpolitiscl)« Schriftleiter des „Echo de Paris" befürchtet dagegen eine Verewigung der Locarno-Ersatzverhand- luiigen und glaubt nicht, dah der englische Ministerpräsident Chamlwrlain neue Wege gehen werde. Das Blatt will Eng land darauf sestlegen, dah es den französlsch-sowjetrussischeu Pakt gebilligt habe, wenn es auch der Ansicht sei, dah er mit Vorsicht angewendet werden müsse. Bulgarien und seine Nachbarn Der Besuch des deutschen Neichsauhenministers in Sofia hat die allgemeine Aufmerksamkeit im Reich wieder einmal auf dieses Land gelenkt, das trotz seines geringen Umsanges im Südosten Europas eine zentrale Stellung einnimmt und als Verbündeter des Reiches während des Weltkriege» uns geschichtlich und gefühlsmässig besonders nahegerückt ist. Bulgarien ist in den vergangenen siebzehn Jahren einen harten und dornenvollen Weg gegangen, der in vieler Be ziehung Verwandtschaft mit den Erfahrungen und Ein drücken des Reiches zeigt, aber es besuchet sich heute auf dem Wege einer inneren und äuheren Konsolidierung und gewinnt damit zugleich als politischer Faktor unter den Balkanstaaten immer stärker an Gewicht. So konnten die übrigen Balkanmächte nicht aus die Dauer einer Neugestal tung ihres Verhältnisses zu Bulgarien aus dem Wege gehen, und nachdem noch der Valkanbund eine Schöpfung ohne Be teiligung Sofias gewesen war, fand Jugoslawien als erstes Land des Südostens eine Brücke zur Verständigung mit seinem slawischen Nachbarn. Die im Weltkrieg auf feiten der Entente kämpfenden Balkanländer waren nicht in den Krieg gezogen, um in Südosteuropa ein „Gleich gewicht" im Sinne der französischen Machtpoli- tik herzustellcn, sondern um die nahen Ziele ihrer nationalen Jrredenta zu verwirklichen. Die Staatsmänner der Entente haben den Gedanken des Gleichgewichts der Valkanmächte niemals diesen Ländern zuliebe gefördert, sondern die mit Bündnissen und Anleihen geknüpften Son derbindungen sollten dem Zweck dienen, ein machtpolitijches Uebergewicht der Sieger von Versailles über die Besiegten zu schaffen. Wenn sich diese Staaten allmählich aus der politischen Bindung lösten und ihre eigenen Wege gingen, so lag das daran, dah die Sonderinteressen mit der Zeit sichtbarer geworden sind. Die Erkenntnis, dah die Zweck mässigkeit der Politik der Siidostländer daran gemessen wer den muh, in welcher Form sie sich der siidosteuropäijchen Erohraumwirtschaft einzusiigen vermag, hat mit der Zeit immer mehr an Boden gewonnen. Man gelangte wachsend zu der Ueberzeugung, dah bei aller Anerkennung der Selb ständigkeit jeder Volkswirtschaft die in gegenseitiger Be darfsdeckung aufeinander angewiesenen Völker und Volks wirtschaften des Balkan eben eine wirtschastliche Zusam menarbeit verlangen, und diese Tatsache erleichterte auch die Annäherung zwischen Bulgarien und seinen einstigen Gegnern auf dem Balkan. Diese Haltung kam der austen- politischen Einstellung der bulgarischen Staatsführung ge rade in den letzten Jahren überaus glücklich entgegen und diese zeigte sich sogar bereit, revisionistische Wünsche zurück zustellen, um eine Annäherung auf dem allgemeinen po litischen und wirtschaftlichen Felde zu erreichen. Nach der Klärung des Verhältnisses zu Jugoslawien verspricht man sich in Kreisen des bulgarischen Auhenmini- steriums auch eine günstigere Entwicklung des Verhältnisses zu Rumänien, worauf seit dem eingetretcnen rumä nischen Auhenministerwechsel einige Anzeichen hindeuten. Die Gegensätze zwischen beiden Ländern waren an sich nie mals in so scharfem Ausmaste zutage getreten, wie sie vor einigen Jahren zwischen Bulgarien und Jugoslawien be standen haben. Mit besonderer Genugtuung verzeichnet man heute in bulgarischen Regierungskreisen die ruhigere Beur teilung bulgarischer Angelegenheiten in der rumänischen Presse. Unter diesen Umständen hält man die Zeit nicht mehr fern für den Eingang einer Konvention über den Luftverkehr sowie die Verwirklichung des schon lange be stehenden Planes einer Eisenbahnfähre über dis Donau für den direkten Verkehr mit Rumänien. Dagegen lassen die Beziehungen zwischen Bulgarien und Griechenland noch eine Reihe gegensätzlicher Auffassun gen erkennen, wenn auch die bulgarische Negierung in be zug auf die Gestaltung des Verhältnisses zu Griechenland schon seit langer Zeit, so auch wieder vor kurzem, den Wunsch zu erkennen gab, eine Klärung der schwebenden Fragen herbeizuführen und wiederholt dahingehende Vor schläge, zunächst einmal zur Wiederanknüpsung normaler Wirtschaftsbeziehungen, — zwischen den beiden Ländern be steht kein Handelsvertrag — in Athen unterbreiten liest. Vulgarischerseits hegt man zur Zeit allerdings wenig Hoff- nung auf einen Erfolg dieser Schritte, da zwischen beiden Staaten in der Frage der Regelung der im Zusammenhang mit den Flüchtlings- und Auswandererfragen vereinbarten gegenseitigen Zahlungen grundsätzliche Meinungsverschie- denheiten vorhanden sind. Eine weitere offene Frag» zwischen den beiden Ländern ist die Erlangung eines Zu« Sangs zum Acgäischen Meer für Bulgarien, woran diese» ein besonderes wirtschaftliches Interesse hat. Die Alliierten hatten im Friedensvertrag von Neuilly Bulgarien das Recht eines Zugangs zum Aegäischen Meer zugesichert. Dio endgültige Regelung dieser Frage sollte dann später durch ein zwilchen den beiden Staaten zu treffendes besonderes