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Gas! / Fluch und Segen einer Urgewalt Lin rvirklichkeitsbericht au» der wunderrvelt der Lhewie / Von A. 4>a«rj«l» 3. Folge. Der Gastod lauert ... In hunderterlei Gestalt schleicht er heran. Er geht um in den grohen Maschinensälen der Fabriken, er liegt in den Kana lisationsgräben unter der Erde auf der Lauer, er strömt aus un dichten Leitungen, er hüllt sich in Ncbelschivaden... Schon heut« ist das Gas kein unl>«imliä)cs, unberecl)en- bares Etwas mehr: überall, ivo der Mensch mit seinem Vorhan densein rechnen kann, ist er jetzt gefeit gegen diese Gefahren. Ge,zen jede Art von Gas gibt es einen Schutz. Doch ivehc denen, die sich ungeschützt diesem Feinde aus setzen ... Explosion! Am 10. Juni 1931 melden die Zeitungen: „Das Neuroder Grubcngebiet steht wieder im Zei6>en der Trauer um sieben durch einen Kohlensäureausbruch ums Leben gekommene Bergleute. Dienstag abend, kurz vor 10 Uhr, wurde wie alltäglich im Nordfeld der Neurodsr Ton- und Kohlenwcrke geschossen. Die Belegschaft wurde zu djcsem Zweck, wie es die bergpolizeiliche Vorschrift erfordert, hinter besondere Schietz- türen zurückgezogen. Noä) Ablauf der ersorderlicl)«n Zeit wurde unter Berücksichtigung der hierfür bestehenden Vorschriften durch eine Abteilung von vier Revisoren unter Führung des Hilfs steigers Propfreis die Schietztür geöffnet und das gesprengte Feld betreten... Die Abteilung war noch nicht weit vorwärts gekommen, als sie von einem plötzlichen Kohlensäurcausbruch überrascht wurde. Bon diesen vier Personen ist auch nicht eine lebend wie- dergekehrt Bon weiteren Bergleuten, die sich unmittelbar bei der Schietziiir befanden, aber nicht zur Revisionsabteilung ge hörten, wurden 3 Mann getötet. Das letzte Unglück dieser Art erfolgte im Jahre 1925 und erforderte fünf Tote." Seit jenem verhängnisvollen Ereignis in Neurode hat die Industrie Gasspürgeräte zu konstruieren vermocht, die schon die geringste Annäherung von Kohlensäure sogleich anzeigen und die Gefährdeten rechtzeitig warnen. Nachdruck verboten. phon rasselte, wl« «in todwundes Stöhnen klang der Schrei vom Tal der Maas: „Hilfe! Hilfe! — Wir ersticken im Nebel!" Im ersten Augenblick meinten die Aerzte, es sei eine Mas senpsychose, eine scelisrl)« Verwirrung, l>ervorgerufen durch den undurchdringlich lastenden Nebel. Ja gewitz, die Leute klagten über Prickeln in der Nase, im Mund, im Schlund, in den Luft röhren und Bronchien. Die Schleimhäute dieser Organe waren tatsächlich gerötet und geschwollen. Die Kranken fürchteten zu ersticken. Aber nichts nutzer dem schweren Nebel konnte von den Aerzten, die im Wagen herbeieilten und rasch mit den Patienten wieder davonsuhren, festgestellt werden. Es war einfach ein Rätsel, etivas vollkommen Unerklärliches. Rasch füllten sich die Kliniken der umliegenden Ortschaften. Zu Hunderten brachte man die Bewohner des Maastales hierher. „Ich habe Feuer in der Brust!", schrien sic: „Es ist, als ob man mir das Innere des Körpers verbrannt hätte", stöhnte «in Greis von 75 Jahren — „Wir brennen!", „Wir verbrennen innerlich!" so klang der Schrei aus dem Maastal. Und die Opfer pretzten beide Fäuste gegen die verkrampfte Brust, ein furchtbarer Husten schüttelte sie, der Puls klopfte rasend, das Herz weitete sich. Ehe 24 Stunden verstrichen waren, hatten 71 Bewohner des Maastales ihr Leben ausgehaucht. Niemand wutzte, wie es gekommen mar. Von der Stunde an, da der Nebel wich, hörten die Erkrankungen auf. Etwas Unsatzbares war geschehen... Was aber war die Ursache dieses grausigen Sterbens? Kaum, datz man die Opfer in ihren Heimatdörfern bestattet hatte, werden hunderterlei van Vermutungen laut. Die Schwarze Pest des Mittelalters sei jäh wieder aufgeslammt, sagen einige namhafte Gelehrte. Meteorologisch Institute sprechen die Ver mutung aus, datz ein Sturm den Todeskeim von der Sahara herübergemeht habe, andere wieder wollen wissen, datz ein Amo- niakbehälter geplatzt sei. Doch, all dies find Hypothsen, die der entsetzlichen Wirklichkeit nicht standhalten — keine der zahl ¬ reichen Vermutungen, die sogleich austaucl-en, vermag dies furchtbare Gel-eimnis zu enträtseln. Dl« belgische Kammer entschlicht sich endlich, eine Unter« suchungskommisfion einzusetzen, aber ihre sehr sorgfältigen Arbeiten gehen mir langsam voran. Uebcr «in Jahr verstreicht, eh« man wirklich Klarheit erlangt. In der Sitzung der belgischen Kammer vom 7. Juli 1931 konnte der Minister endlich in einer Erklärung das Gesamt ergebnis der Untersuchungen zusammenfassen. Er sagt: „Während einiger Tage ist das Maastal oberhalb von Lüt tich von einem dichten Nebel bedeckt gewesen. Er überstieg in der Höhe die Spitzen der meisten Hüttenessen, und da er sich kaum verteilte, sind die Rauche des Industriegebietes zusam mengeballt geblieben, statt sich in der Atmosphäre zu zerstreuen. — Da alle Industriezweige in der Luft schweflig« Säure ver breiten, die aus der Verbrennung von Kohle und aus anderen chemischen Vorgängen entsteht, mutz man annehmen, datz es diese Abgase waren, di« die zahlreiä>en Vergistungserscheinun- gen hervorriefen und die für diese Todesfälle verantwortlich sind. — Es mutz weiterhin bemerkt werden, datz di« Verbrennung von Kohle im Hausbrandofen ebenfalls beträchtliche Mengen von schwefliger Säure erzeugt, di« in die Atmosphäre geschickt werden." Dieser Erklärung mutz jedoch folgendes hinzugesilgt werden: Es ist ein« wissenschaftlich einwandfrei feststehende Tat sache, datz Industrieabgase allein derartige Unglückssälle nicht Hervorrufen können. Das Maastal ist eine besonders gesunde Gegend, und die Sterblichkeit ist keineswegs höher als in ande ren Bezirken. Es war vielmehr die Verkettung einer Reihe von unglückseligen Umständen, durch die die Gase so furchtbare Opfer fordern konnten. So waren drei meteorologisch« Bedingungen notwendig: «ine schnelle Abkühlung, die von Frost begleitet mar, dichter und absolut beständiger Nebel und völlige Windstille. — Ml dies traf im Maastal zusammen. So verleilte die Lust nicht die Abgase — sie fasste und komprimierte sie vielmehr, jagte sie in die Lungen der Bevölkerung — so bildeten sich jene Todesnebel von der Maas, die in der Geschichte der grossen Katastrophen immer furchtbares Beispiel bleiben werden. sFortsetzung folgt.) Der Tod im Schacht Noel, wutzte man nicht, datz giftiges Gas auch in jenen Schächten lauert, di« zu Zwecke» der Kanalisation sich unter den Städten hinzichen. In eine Kanalsickergrube stieg ein Ar biter, nm eine Verstopfung des Abfiutzrohres zu beheben. Schon umfing ihn das Gas... Kurze Zeit später füllt einem Jungen sein Ball beim Spiel in die offene Grube, an deren Futz schon der tot« Gasarbeiter liegt. Der Junge klettert rasch entschlossen hinab — er will seinen Ball wieder holen. Auch er wird ein Opfer des tückischen Giftes. t Kaum, datz das Verschwinden bemerkt ist, eilt ein Ret tungstrupp herbei. Die Männer klettern in den Schacht, um die Verunglückten herausznholen — noch ahnt ja niemand, rvel- ches Schicksal sie ereilte. Doch das unersüttliäu: Gas satzt auch jene, die kamen zu retten. Insgesamt blieben fünf Menschen als Opfer an dieser Stelle zurück. Seit diesem furchtbaren Ereignis wissen alle mit der Ka« nalisatlonsarbelt in Berührung kommenden Personen und In- tzaiizen, n>el<l>e neuen Gefahren hier unter der Erde lanern. Sie wissen aber auch, datz das Gas in dem Augenblick nichts mehr den Arbeitern anhaben kann, in dem diese mit Sauer stoffgeräten und Atemmasken geschützt in die Tiefe steigen. Die Gefahren in den Kanalisatio»sgräl»en sind gebannt! TodssnebeL an de* Maas Am 1. Dezember 1930 lag über grotzen Teilen Europas Nebel. Besonders dicht war er im Südwcsten von Lüttich, im Maastal, begrenzt durch jene Hügelketten, di« sich sanft auf beiden Usern des Flusses 50 bis KO Meter erheben. Der Nebel überstieg die Gipfel dieser Hügelketten nicht. Man konnte ihn vom Grat der Höllen aus wie ein ungeheures weitzes Tuch überblicken, aus dem Bäume, Fabrikschornsteine -znd Kirchtürme hcrvorragten. Er blieb bis zum Nachmittag des 4. Dezember, vcrsclpvand dann, kam am Freitag, dem 5. wieder und löste sich endgültig am Sonntag, dem 7., auf. Als die Sonne wieder durchbrach, siel sie auf eine Land schaft, bcren Menschen von panischem Schrecken ergriffen waren... Schon als die ersten Schwaden kamen an jenem 1. Dezember, einem Montag — ivar es, als fiele die Natur in einen tiefen Schlummer. Di« Blätter der Zitterpaptvl selbst, die auch noch leiseste Lustströmung registrieren, erstarr ten, das Drehkreuz der Windmesser im Kugellager schien fest genagelt, die Vögel verkrochen sich — kein Hauch mehr, kein Läut. Die Haustiere rückten ängstlich näher aneinander, und di« Wachhunde lagen zusammengekauert auf der Schwelle, jeden Schritt des Herrn beobachtend. Ucber allem tragisch« Stille, Todesstille... Kein Horizont mehr. Von allen Seiten ist man «ingehüllt in dies ungreisbare Leichentuch. Die Menschen scheinen lebend vergraben in einer undurchdringlichen Flüssigkeit. Als der Nebel bei den Anwohnern der Maas auch ckn zivei- ten Tage nicht verschwand, schienen selbst ihre Einbildungskraft und ihr Denken zu erstarren. Am Mittag des dritten Tages aber alarmierten sie die Aerzte.... Von überall rief man um Hilfe, die kleinen Dörfer, di« abgelegenen Grundstücke jagten Boten In die Stadt, das Tele- Germanischer Totenglaube Neue Beweise süv die Ehrfurcht vor den Verstorbenen Die Grabkammcrn und Urncnselder aus germanischer Vorzeit, die der Spaten der Vorgcschichtsforscher heute auf deutschem Boden ausgräbt — erst vor einer Woche konnten wir über die Freilegung zweier germanischer lBurgunder-) Gräber bei Bautzen berichten —, sind zahlreicher, mit mehr Aufwand von Kunst und Mühe hergcrichtet, sprechen deutlicher von der Kultur der Vorzeit als die wenigen Reste und Spuren von den Wohnhäusern oder den Knmpsburgen der Lebenden. Die Toten müssen wichtiger, des Schutzes und der Ehrung würdiger erschienen sein als die Lebenden, deren Dasein zwi schen der bäuerlichen Arbeit des Alltags und dem Wassenlärm des Krieges ausgcteilt war. Wie bei allen Völkern der Erde ist auch bei den Bewoh nern des deutschen Bodens zur Urzeit ein Glaube au das Fortleben der Toten zu finden. Man wirst den Leichnam des Verstorbenen nicht einfach so weg wie ein ausgedientes Mkk- zeug. In irgendeiner Form wird dun Toten eine besondere Ehre zuteil, und die liebevollen Veranstaltungen der Totenehre — Grabhaus und Grabbeigaben — pflegen für die späteren Jahrtausende zu Zeugen jenes Totenglaubens zu werden. Totenglaubc und Totenehre sind aus deutschem Boden nach dem Ausweis der vorgeschichtlichen Forschung viele Jahr tausende alt, älter als Ackerbau und Viehzucht, älter als die allerersten Anfänge römischen oder christlichen Einflusses. Aber dieser Totenglaubc scheint nicht ebenso lange auch Jenseits glaube gewesen. Nicht einmal die Vorstellung von einem beson deren „Totenreich" und einer besonderen Form des Fortlebens ist für die Anfänge nachzuweiscn. Ja, bis in die spätesten Zeiten germanischen Heidentums hinein bleibt der Totengiaube unbestimmt und widerspruchsvoll, jedenfalls kein entschiedener Ienseitsglaube. In frühesten Zeiten scheint man sich das Fortleben der Toten ganz als leibliches Dasein vorgcstellt zu haben, aller dings als leibliches Dasein geringerer Stärke: der Tote ist blatz und niedergeschlagen, er geht leise und schleppend. Aber er lebt doch jedenfalls mit Leib und Seele wie auch der Lebende lebte. Von einer Vorstellung, datz der Lebendige aus Leib und Seele zusammenbcstehe und datz beide sich beim Tode trennen, ist kein sicheres Anzeichen zu gewinnen. Man hat den Leichnam oft in Ockererde bestattet, weil Rot die Farbe des Lebens ist. Und wenn man seine Toten nahe bei der Feuerstätte des Hauses begrub, so ist vielleicht die Absicht mitbcstimmend ge wesen, dem Erkalteten neue Lcbenswärme zu geben. Gegen stände des täglichen Gebrauchs, die man dem Toten mit ins Grab zu geben pflegte, waren Dinge, die gerade der Lebende verwendet: Speise und Trank, Waffen und Schmuck, ja Spiel gerät und Lieblingsticre. In einem der beiden Bautzener Burgundergräbcr sand sich bekanntlich eine Spinnwirlel. All diesen Gewohnheiten scheint der Wunsch zugrunde zu liegen, datz der Verstorbene weiterlebcn möge, und der Glaube, datz er bei geeigneten Matznahmen auch wcitcrleben könne. Der gleiche primitive Totenglaube gewinnt ein anderes Gesicht, wenn wir aus gewissen Matznahmen schlichen müssen, datz nian vor dem Weiterlebcn und Fortwirken der Toten eine gewaltige Furcht und Angst hatte. Der gleiche Tote, der in seiner Mattigkeit und Ausgezehrtheit. in seinem Hunger, Durst Dienstgebäude der Reichskanzlei in Berchtes gaden fertiggestellt Das aus Weisung des Führers errichtete Dienst gebäude der Reichskanzlei in Berchtesgaden ist nun mehr fertiggestellt. Der Staatssekretär und Thes der Reichskanzlei, Dr. Lammers, ist in diesen Tagen in das neue Gebäude eingezogen und hat dort für die Zeit des Aufenthaltes des Füh rers in Berchtesgaden den Dienstbetrieb ausgenommen. (Weltbild, Zander-M.) und Neid auf die Lebenden so bedauernswert ist. gilt doch zugleich als besonders gefährlich, als übermenschlicher Kraft entfaltung fähig. So hat man denn Leichen gesunden, die nicht blotz in hockender Stellung begraben, sondern denen auch die gewaltsam gebogenen Glieder mit Stricken festgebunden oder init Steinen beschwert waren. Man fürchtete das „Umgehen" des Toten und wollte ihn so ans Grab fesseln. Wenn man dem Verstorbenen den Kops vom Rumps trennte, so mag eure ähn liche Sorge mitgespiclt haben. Tenn wir wissen noch aus christlich-mittelalterlicher Zeit von dem Glauben an „Wieder gänger", und datz man solche Personen, von denen man Scha den erwartete, in ähnlicher Weise im Grabe verstümmelt hat. Wie nach dem Glauben jener Zeit keine Seele sich im Tode vom Leibe trennt, sondern der ganze Mensch sortlebt und fortwirkt, so kannte man auch kein abgesondertes, all gemeines Totenreich. Sondern der Tote hauste am gleichen Orte wie die Lebenden. Und wenn er etwa im Meere ertrunken ist. so mag er wohl als Seehund „wiedcrgängig" werden zum Schrecken der Seefahrer. Für die Zeit dieser Vorstellung von einem leiblichen Fortleben der Verstorbenen ist es belanglos, ob man die Leichen im Baumsarg oder in freier Erde begrub, ob man den Sarg oder den nackten Leichnam in kleinen Stein kisten oder im Erdboden oder im Moor und Sumpf oder in jenen riesigen Steinhäusern begrub, die der Volksmund.als ..Niesenstuben" und „Hünengräber" anspricht. Diese riesigen Grabkammern waren allerdings nicht Gräber eines einzelnen, sondern ganzer Sippen und Geschlechter. Jene Unterschiede der Bestattung mögen zusammenjallen mit der Grenze zwischen verschiedenen Kulturen, Rassen. Völkern, die sich damals in den deutschen und europäischen Boden teilten. Der Toten glaube wird doch weithin ein und derselbe gewesen sein. Man hat aus gewissen Eigentümlichkeiten in der Bauart dieser Grabkammern und Steinsärgc scklietzen wollen, datz man ein Loch in der Steinkiste als einen Ausschlups für die Seele, einen langen engen Gang aus der Grabstube als Ausweg sür den Geist des Toten gedacht habe. Aber das ist allzu unsichere Deutung. Am wahrscheinlichsten ist doch diese, datz man bei aller Bestimmtheit der Ueberzeugung, datz der Tote wc'terlebt. keine feste Vorstellung besatz, wie er meiterlebe, und insbeson dere nicht an eine Trennung von Leib und Seele dachte. Das wird offenbar anders, als im 2. vorchristlichen Jahr tausend an die Stelle der Erdbestaltung die Verbrennung tritt. Es ist zwar früher blotz in populären und weltanschaulich im Kampfe gegen das Christentum stehenden Broschüren davon die Rede gewesen, datz der neuen Sitte der Feuerbestattung eine geläuterte Vorstellung vom Jenseits zugrunde liege. Und man hat von christlicher Seite her versucht, das Gegenteil nach- zuweisen, Vergröberung und Entartung des Totenglaubens, Verstärkung der Wiedergängerfurcht, und das alles als die Folge eines Einbruchs artfremder, südöstlicher, wahrscheinlich semitischer Vorstellungen. Bei diesem Streit um die „arteigene" Bestattungsform spielt aber die Leidenschaft des Kampfes sicher eine grötzere Rolle als das Gewicht der Wahrheit und der sicher nachzuweisenden Tatsachen. Es steht fest, datz die nor dische Kultur, jene Kultur, die als die eigentliche und ursprüng liche germanische Kultur zu gelten hat, zunächst nur das Erd begräbnis kennt, und datz sie erst auf dem Wege ibrer Aus breitung in Mitteleuropa die Sitte der Verbrennung aufnimmt. Dann aber wird auch die nordische Völkergruppe selber gerade zu zum Vortrupp der neuen Sitte, und wo z. B. in Süd deutschland in jenen Jahrhunderten Leichenbrand als Neuerung auftritt, da ist das geradezu ein Zeichen für die nordische Ein wanderung. Nicht im eigentlich germanisch-nordischen Kreis, wohl aber auf deutschem Boden überhaupt (z. B. im Hessischen) hat cs schon im 3. und 4. Jahrtausend Lcichenvcrbrennung gegeben, und diese Sitte dürste eher von Westen als vom Osten hergekommen sein und ganz gewitz nichts mit semitischen Einflüssen zu tun haben. Man sollte für das Auskommen der Brandsitte — wie für so manchen anderen Formenwechsel in der vorgeschichtlichen Welt — nicht um jeden Preis die tiefsten weltanschaulichen Gründe als ausschlaggebend bemühen, son dern zugebcn, datz auch der Zufall bei der Entstehung und eine blinde Mode bei der Verbreitung, vielleicht auch rein praktisch hygienische Gründe, sür die Annahme der neuen Sitte der Feuerbestattung bestimmend waren. Die Wisscnschast hat man nigfaltigen Raum gerade für solche Motive gelassen. Wenn aber schon einmal ein tieferer weltanschaulicher Wandel sür den Uebergang vom Erbbegräbnis zur Verbrennung mitver antwortlich gemacht werden soll, so dürste die folgende Theorie heute am wahrscheinlichsten sein, di« jetzt nicht mehr von weit- anschaulichen Kamptbroschüren und Propagandaschristen son- dern von den gewissenhaftesten Forschern vertreten wird: cs