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Sächsische Volkszeitung : 15.05.1937
- Erscheinungsdatum
- 1937-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193705157
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19370515
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19370515
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1937
-
Monat
1937-05
- Tag 1937-05-15
-
Monat
1937-05
-
Jahr
1937
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 15.05.1937
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Nummer 112. Sette 12 Sächsische Volkszeitung S-nnabeird/Sonntag. 15 /18. Mal 198? 1 k 8 rrr » .X e v c> «e» a «/viroi^kßl ^eppicnL Z u Von Ku6o!k vekrens L^ZL' r: xx» « s « § 8 8§ « Z <o « 8 — « ».^ZK Lu 'Liv allen Tönen prles und Ansiedler suchte. Der Erfolg dieser An zeige war Überwältigend. Der Millionär konnte sich vor Leuten, die mit ihm in Wana-Wana Bananen essen und ein glückliches Faulenzerleben führen wollten, kaum retten. Er sah sich ge zwungen, von den Bewerbern die Hinterlegung einer Kaution in Höhe von fünfhundert Dollar zu fordern. Das lichtete zwar stark die Reihen der Bewerber, übrig blieben aber dennoch soviel Robinson-Kandidaten, das; man mit ihnen gut und gerne zehn einsame Südsee-Jnseln hätte bevölkern können. Mr. Allard prüfte zusammen mit einem Arzt alle seine Schäslein. Er verlangt, daß seine zukünftigen Untertanen einen guten Charakter aufweisen, be' gesundem Verstand sind und vor allem eine eiserne Gesundheit besitzen. Er bevorzugt übrigens gesund« junge Ehepaare und läßt männliche und weibliche Jung gesellen nur zu, wenn sie die Gewähr bieten, das; sie den Frieden Wana-Wanas nie gefährden werden. Die endgültige Auswahl ist noch nicht getroffen, denn es melden sich immer mehr Welt flüchtlinge. Aber bis zur Abfahrt nach Wana-Wana wird alles geregelt sein. k -- llilo Vosiill >»t e», «II« ^a»e>S«o ck«-8Hok-i-ek. »a le—al L L line an den Tisch zu setzen. Auch einen Raum, in dem alte, echte Möbel stehen, kann man durch freundliche Vorhänge, Helle Decken und tausend andere Kleinigkeiten licht und freundlich gestalten. Etwas Glas und Porzellan als Beigabe kann Wuirder wirken. Auch einem Zimmer soll man ansehen, datz die Mensclsen, die darin wohnen, den Willen haben, ihr Leben zu schmücken, wie drautzen die Natur sich schmückt . . „Wenn wir klotz zwei Zimmer mit Küche hätten'', schmollte Lene, „dann wollte ich einmal sehen, wie du die Wohnung schmückst!" „Gerade dann", fiel Leopold lebhaft ein, „gerade dann! Gerade In einer kleinen Wohnung kann man mit kleinen Mitteln große Wirkungen erzielen. Es gibt heute so entzückende Sachen: Kleinmöbel, Möbel zum Kombinieren, gemütliche Ecken und hundert andere Dinge mehr. Du mutzt einmal in die Iahressck)au gehen und dir die Anregungen betrachten, die dort in den Musterhäusern gegeben werden. Es wird Zeit, datz wir daran denken, unser Heim etwas zu überholen . . Nun aber brach Lene in Tränen aus. „Du kannst nichts wie kritisieren und herum nörgeln!" rief sie. „Da sitzt man nun den ganzen Tag zu Hause und wartet auf dich. — Und wenn du dann nach Hause kommst, dann bist du kein Kitzchen nett, sitzt schweigend wie ein stummer Fisch da und löffelst Leine Suppe . . Ueber den kühnen Vergleich mutzte sie selbst durch ihre Tränen hindurch lachen. Leopold stimmte in das Gelächter ein; so lachten sie eine Weile zusammen, länger als eigentlich nötig war. Nun setzte sich Leopold neben Lene auf die Bank, wischte ihr die Tränen ab, legte ihr den Arm um die Schulter und redete ihr gut zu: „Komm, sei wieder vernünftig! Wir wollen beide vernünftig sein und es uns nicht gegenseitig schwer machen. Wir zeigen uns eben gegenseitig — wie soll ich sagen? — zuviel im Werktagsrock voreinander. Du hast Der Schuhmacher, der Soldat wurde. . Friedrich Wilhelm II. hatte die Verfügung erlassen, datz einzige Söhne, die ihre Eltern unterstützen mutzten, vom Mili tärdienst befreit werden sollten. Eines Tages war aber der einzige Sohn einer alten Fra» dennoch zu den Soldaten eingezogen worden, und di, Mutter erschien in Potsdam, um den König bei seinem täglichen Spazierritt abzupassen. Es gelang ihr auch, den hohen Herrn anzuhalten und ihm eine Bittschrift zu überreichen, in der sie ihre Sache vorbrachte. Der König las das Schreiben und meinte dann begütigend zu der Frau: „Lasten Sie man Ihren Sohn ruhig beim Militär. Ich und meine Minister, wir find doch auch alle Soldaten — warum soll Ihr Sohn eine Ausnahme sein?" „Ja, Herr König," antwortete die Frau unbefangen, „Sie haben ja auch nichts weiter gelernt, aber mein Sohn ist «in Schuhmacher I" „Wenn das so ist," sagte der König lachend, „dann werde ich Ihren Sohn freigeben, und er soll wieder Schuhe fabri zieren I" 8 r- o deine Sorgen, ich Hobe meine... Ich fürchte, wir langweilen uns mit unfern großen Sorgen manchmal ein bißchen. Auch die Seele will sich einmal im Festtagskleid zeigen und anderen festlich gestimmten Seelen begegnen . . ." „Ach, du bist aber so selten festlich gestimmt, Leo pold!" grollte Lene noch ein bitzchen. „Und du nicht minder, mein Sä)äschen!" bestätigte er versöhnlich. „Oder wie war es mit der Narzisse? Und wie mit dem Pfingstochsen?" „Ach", errötete Lene beschämt, „das war sa gar nicht so gemeint. Ich hatte mich doch vorher so über das Dienstmädchen geärgert. Und überhaupt . . ." „Und ich stak mit meinen Gedanken noch so im Büro", ergänzte Leopold versöhnlich, „datz mir zur fest lichen Einleitung des Abends nichts Besseres einsiel als die dumme Narzisse . . . Aber warte, meine Liebe, seht gehen wir zur Borfeier von Pfingsten ganz grotz aus, da kriegst du dann viele schöne Blumen!" „Ausgehen?" fragte Lene. „Wo es doch jetzt zu Hause so schön geworden ist?" Keine Steuern und keine Polizei. Außer den notwendigsten Gebrauchsgcgcnständen will Mr. Allard genügend Baumaterial für kleine Blockhäuser und einen Versammlungsraum mitnehmen. Geld und Wertpapiere aber bleiben zu Hause. Denn auf Wana-Wana soll es in paradiesischer Primitivität zugehen. Steuern werden von den Untertanen nicht erhoben. Zu welchem Zweck auch, die Robinsoninsel be nötigt keinen Beamtenstab, ja sogar die Polizei erscheint Air. Allard überflüssig. Er nimmt an, datz man viel zu glücklich leben werde, als datz es zu ernsten Streitigkeiten oder gar zu Verbrechen kommen könnte. Im übrigen glaubt er, datz seine Autorität allein genügen werde, um Ruhe und Ordnung auf Wana-Wana für immer zu garantieren. Nicht lange, und der kleine Robinson-Staat wird feierlich begründet sein. Zunächst mutz Mr. Allard aber noch den Aus gang des Prozesses abwarten, den die Fürstin Tohuwa gegen ihn angestrengt hat. Die gute Dame ist nämlich plötzlich anderen Sinnes geworden und verlangt für ihre Insel noch einmal fünf« zigtausend Dollar, da ihr Wert für die Siedler doch wett größer sei, als sie es zunächst annehmen konnte. Nun, Mr. Allard wird eben noch einmal tief in die Brieftasche greisen müssen. Dann kann das große Abenteuer beginnen. Ob man aber ohne Arbeit und ohne Sorgen nun auch wirklich glücklich wird, das ist eint heikle Frage. Wahrscheinlich wird Mr. Allard doch mit dem nächsten Postdampfer eine Anzahl kräftiger Polizisten ansordern müssen. - r- «N" q» „Tjüori—tjüovi!" kommt voll seligen Glückes die Antwort wie der. Die kleine Sängerin ist da und singt dem Lenz ihr Lie beslied. Es steigt Uber himmelosarbenes Schaumkraut, blaßgelbe Primula und chromsatle Vicariasterne. Was die Menschen in ihrer Beschwertheit nicht vermochten, entscheidet eine Vogelkehlc und löst den Krampf ihrer Herzen. „Sie ist da. Ich will in den Park, in den Malentag!" rüst Marieluise und stürmt aus der Stube über die Straße in den blühenden Garten. Nur hinaus aus der Enge in die lustreiendc Natur! Aus der Stille der Hecke lockt unentwegt die Sänge rin der Nacht. Die Antwort vom Pavillon kommt näl>er und näher. Marieluise folgt der Stimme wie das Nachtigallcnweib- cl>en dem süßen Schluchzen. In der Sleingrottc weift sie ihre vevselpviegene Lieblingsbank. Dort will sie ihr pochendes Herz beschwichtigen. Sie prallt zurück. Der Platz ist besetzt. Ein Mann springt auf und läßt sein langgezogcnes TjolUUüü ertönen. „Maric- luise!" Sic hört ilwen Namen und erkennt Frodewin. dem ein Lachen entfährt. „Wenn sic wiederkommt, wollen wir sie ge meinsam empfangen. Habe ich Wort gehalten?" Marieluise weint und lacht überwältigt vom Glück, vom Ruf der Nachtigall, vom Lenz und von der Maienwonne. „Du böser Nachahmer!" schilt sie im Scherz. „Du weißt ja nicht, was du angerichtet hast. Komm! Laß uns auf die Wirs« gehen. Die jungen Leute wollen ihren- Pfingstkönig sehen.' „Und die Braut dazu", sagt Jrodewin. Darüber laebt man Der gute Ausweg. Aus dem Eisenbahnabteil ertönten streitende Stimmen, die den Schaffner herbeiriesen. „Schaffner, wenn das Fenster zubleibt, ersticke ich!" schrie ein wohlbeleibter Herr. „Und wenn es ausgemacht wird, hole ich mir den Tod!" brüllte ein dünner Herr. Der Schaffner war in einiger Verlegenheit. Er kratzte sich bedächtig unter der Mühe und sagte dann zweifelnd: „Ja, was soll man da machen?" „Misten Sie was", mischte sich ein anderer Mitreisender rin, „wir machen erst das Fenster auf, dann holt sich der «in« den Tod. Dann machen wir's zu, dann erstickt der ander«, und dann haben wir endlich Ruhe." * DLNOKNUOßlkK Ltänckiger Llngane von bleukeitsn tztsrbsrt Unk« l'SLV vuutrea, ttaluerutraü « - IMIttonÄr xfrünäet e!a Paradies — Ansturm 6er ^VeltklücktttnAe Man hat schon mancherlei über den Wunschtraum reicher Amerikaner und Engländer gehört, sich auf einer einsamen Insel, am besten in der Südsce, fern von aller Zivilisation ein geruh sames und glückliches Dasein zu schassen. Jetzt erfährt man ein mal Näheres über die Vorbereitungen zu einer derartigen Ro- binsonade. Es handelt sich um die Pläne des amerikanischen Millionärs Maurice Allard, der die einsame Südseeinsel Wana- Wana zu einem Paradies der Weltflüchtlinge machen will. Sein Optimismus ist erstaunlich und so kann man nur wünschen, datz er keine bittere Enttäuschung erlebt. Fürstin Tohuwa sagt: „Ja"! Es ist nicht viel, was die amerikanischen Zeitungen über Maurice Allard zu sagen wissen. Er ist französischer Abstam mung und hat cs als geschickter Geschäftsmann in jahrzehnte langer aufreibender Arbeit zu einem Millionenvermögen ge bracht. Niemand kann cs ihm verdenken, daß er sich jetzt zur Ruhe setzen und die Früchte seiner Arbeit genießen will. Darin unterscheidet er sich nur wenig von anderen Millionären. Be merkenswert ist aber, wie er sich seinen Ruhesitz vorstellt. Er sicht sich bereits als das Oberhaupt einer kleinen Gemeinde glücklicher Menschen, die am weißen Gestade einer Südseeinsel in der Sonne liegen und sich die Bananen in den Mund wachsen lasten. Er träumt von einem Leben ohne Arbeit, ohne Sorgen, ohne Streit und Kummer. Und das Schönste ist, daß er nichts unversucht hat, dielen Traum in die Wirklichkeit umzusetzcn. Schon in den nächsten Monaten wird ein kleiner Pastagier dampfer durch die Südsee fahren und aus der entlegenen Insel Wana-Wana ein Häuflein von Menschen absetzen, die dort ein Robinson-Dasein beginnen wollen. Die Insel Wana-Wana sucht man vergeblich auf dem Atlas. Sie ist zu klein, als das man sie bisher beachtet hätte, aber doch groß genug, um eine üppige Vegetation hervorzubringen. Mister Allard hat sie während einer Südseefahrt mit seiner Luxusjacht entdeckt und sich sofort bemüht, sie käuflich zu erwerben. Er fetzte sich mit den Behörden in Honolulu in Verbindung und erfuhr, daß Wana-Wana einer exotischen Fürstin mit dem Namen Tohuwa gehöre. Hatte nun Mr. Allard geglaubt, er werde die Insel oder vielmehr die Hoheitsrechte über diese Insel für ein Butterbrot erwerben können, so befand er sich im Irrtum. Die Fürstin Tohuwa sagte zwar grundsätzlich „Ja", ließ sich aber das Jawort immerhin mit sünfzigtausend guten amerikanischen Dollars bezahlen. Mr. Allard handelte nicht lange und glaubte damit bereits die größte Schwierigkeit überwunden zu haben. Und du, mein Schatz, fährst mit. Mr. Allard ist nun aber trotz aller Weltsluchtpläne kein ausgesprochener Menschenfeind. Er glaubt, daß er sich aus der einsamen Insel nur wohlsühlen könne, wenn er gleichgesinnte Menschen in genügender Zahl um sich geschart weiß. Aus diesem Grunde ließ er in mehreren großen amerikanischen Zeitungen Anzeigen einrllcken. in denen er die Schönheit Wana-Wanas in Dom Ratsturme der kleinen, winkligen Stadt, die sich eng an den breiten Strom schmiegt, blasen die Stadtpfeiser den Pfingstsonntag ein. Die weißen Nebel steigen aus den blühen den Wiesen über das graue Gemäuer zum himmlisck)en Bick» empor, tanzen im Früh licht und zerrinnen unter den Strahlen der Morgensonne. Marieluise steht am offenen Fenster und sieht in den Bür gerpark hinab. Ihre Augen starren in den Lenz, so daß sich der alte Parkwärlcr Hamelmann den Kopf zerbricht, ob das schön« Fräulein di« weißen Maviensterne der „Psingstwiese" zählt, oder ob sie in die zartgrünen Ruten der schlanken Birke hinter dem Pavillon vertieft ist. Er findet den versunkenen Blick des jungen Mäd«l)ens in den leuchtenden Pfingstmargen, der sich wenig froh in dem Antlitze widerspiegelt, höchst ver wunderlich. Marieluise hört nicht auf die Festweise, die vom Rats turm« herüderklingt, mag es »och so jauchzend über die Gassen schallen „Schmücket das Fest mit grünen Maien!" Ihre Gedan ken hängen an einem ollen Pfingstbrauch und ihrem jungen Leben. Heute wird der Pfingstkönig erkoren. Ein heimlich ver lobtes Paar gibt sich zu erkennen. Der Psingstkönig-Bräuti- gam stellt seine Braut vor und ladet die Jugend im Parkhause zum Umtnmk «in. Die Braut ist bereits in aller Munde. Seit Tagen raunt und tuschelt es in den Gassen: Marielmse, keine andere! Doch wer wird Pfingstkönig? Die Braut weiß es nicht; das liegt ihr schwer auf der Seele. Die beiden Jugendfreunde aus der Parkstraßs haben sich heute zum Besuch angemcldet. Marieluise ahnt, um was es geht. Gegen alles Zureden der Mutter stellt sie sich taub. Ein Jawort ohne Liebe ist wie ein Lenz ohne Dünnen. Lebendiger denn je wird «ine Erinnerung In ihr wach. Es war «in warmer Septemberlag gewesen. Da flog drü ben aus der verblühten Fliederhecke die Königin der Nacht auf. Sie erhob sich ohne Gesang in die Lüfte und eilt« in einem weiten Bogen südwärts davon. Marieluise folgte der kleinen Nachtigall mit sehnsüchtigen Blicken. „Sie hat das Singen ver lernt und will uns darum verlassen", hörte sie Frodewin an ihrer Seit«. „Tröste dich! Wenn sie wiederkommt, wollen wir sie gemeinsam empfangen." Beglückt zuckte Marieluise zusam men, wagte aber nicht, etwas darauf zu sagen. Frodewin hatte sie beim Abschied geküßt und war in die weit« Welt gegangen. Dann war der Winter gekommen und hatte ihre Seel« mit sei nem Cckpveigen frieren lassen. Peitschenknallen weckt sie aus ihren Träumen. Die Klein bauern der Landstadt haben die Ställe geöffnet. Heute ist Diehaustrieb. Der Hirt trägt ein Laubgewinde und schreitet mit Würde neben dein geschmückten Pfingstochsen einher. Mit lan ger Peitsche lenkt er die Aufmerksamkeit der Bürger auf das Ereignis Auf der Psingstwiese steht der Maibaum, an dem sich übermütige Jungen im Kletten, versuchen. Di« ersten Pfingstbesucher der Stadt kehren von ihrem Frühgange heim und wandeln heiter durch die Lindenallee. Auf allen Gesichtern liegt Helle Freude. Nur Marieluise vermag fie nicht zu teilen. Sie lebt im Widerstreit der Gefühle und starrt in das Maienwunder zu ihren Füßen, ohne es zu empfinden. Buben, Mädel und Hirt haben ihr ctwcls voraus, den Gleichklang des Lenzes mit ihren Herzen. Sie aber quält sich. Am Nachmittage kommt der erwartete Besuch, die beiden Jugendfreunde, die um den „Pfingstkönig" buhlen. „Sei keine Törin!" sagt ihr die Mutter kurz vorher. Bedenke, daß ich allein stehe und du heiratsfähig bist! Der junge Kramer ist in fester Stellung, und Karlheinz Spengler erbt das Geschäft des Vaters. Du wirst schon misten, wem du den Vorzug gibst." Die Mutter gibt Marieluise die verlorene Fassung wieder. „Sei ohne Sorge!" antwortet sie. „Ich werde schon wissen, wie Ich den Pfingstkönig zu erwarten halbe." Ntit eigener Ironie schließt sie dem Maienfest das Herz auf. Was sie am Morgen übersah, wird ihr in dieser Stunde zur Erkenntnis. Sie sieht die Pfingstrosen am Parkwege, atmet den Duft der Holunder blüten, spürt di« Wcickcheit des Lenzwindcs in allen Gliedern und hört von der großen Linde am Parktor den jubelnden Drossel schlag. Der Lenz steht im Zenith und läßt den heißen Som mer ahnen. Ein junges Herz begehrt auf und ringt um das Erleben der Lenzwonne. Marieluise ist wie verwandelt, lacht und singt. Niemand soll wissen, was sie am Psingstmor^n Überwunden hat. Der junge Kramer hat rot« Rosen mitgebracht. „Es ist z> früh für solcl-e Blumen", lächelt Marieluise. „Sie sind ans dem Treibhaus; ich werde sie schonen müssen" und stellt sie auf die Fensterbank in die Sonne. Karlheinz Spengler triumphiert. Er hat Orchideen erstanden. Die Besä;enkte überhört sein« ver blümte Werbung und erwidert „Wir werden scl)en, wie lange sie sich halten." Damit wandern sie in ein« Vase der Kredenz. Marieluise neckt und reizt, scherzt und muntert die Freier zrnn lustigen Wettschießen ihrer Licbcspfeile mrf. War die Mutier anfangs befriedigt, so sicht sie jetzt mit wachsender Vcr- wlrrung auf den Wettstreit der beiden Rivalen und ahnt nichts Gutes. In mütterlicher Besorgnis greift fie in einen alten Und die Moral von der Beschicht': Der Uebergang vom Alltag zum Festtag ist nicht immer leicht zu finden. Mancher verstaucht sich dabei die Knöchel seines Gemüts und hat dann die ganzen Feiertage über seelische Bauchschmerzen. An Ihnen, meine Damen, liegt es zum guten Teil, ob Feiertage Tage der Freude oder Tage des Flunsch ziehens sind. Wenn also Ihr Herr Gemahl am Pfingst- samstag mit einer Narzisse im Knopfloch oder mit sonst einer verrückten Idee heimkommt — grollen Sie nicht, sondern lächeln Sie? Wenn Sie klug sind, werden Sie beide schon den rechten Weg in die rechte Festtagsstim- mung finden! Und so wünsch« ich euch allen, die ihr euch für das lieblichste Fest des Jahres Blumen ins Knopfloch steckt oder einen Strauß auf den Tisch stellt, von Herzen das rechte Gleichgewicht der Seele und edlen Genuß dieser bliitenfroljen Tage: Fröhliche Pfingsten! Der pkinZstkönig Pfingstbrauch ein und will ihm Vorschub leisten. „Marieluise, du bist ungezogen und treibst mit heiligen Dingen Spott. Dein Betragen ist keine Antwort auf die Höflichkeit der jungen Her ren. Mach diesem Spiel ein Ende. Die Psingstwiese erwartet ihren „König". „Aber, beste Mutter!" heuchelt ihre Tochter. Findest du nicht selbst, wie schwer die Wahl des Königs ist? So schwer, daß ich sie nicht entscheiden will. Ich will nicht einen beglük- ken und den andern betrüben. Ich habe vor langer Zeit eine Nachtigall gefragt. Sie gab mir eine Verheißung. Wenn sie wiederkommt, gibt sie mir Antwort. Hör' ich fie, dann will ich dir zu Willen sein. Bis dahin muß der Pfingstkönig Geduld haben, und wenn er Vis Johannis wartet." „Ein Pfingstbrauch läßt sich nicht verschieben", ivendet Kramer ein, und Spengler wiederholt die Worte. Das Gespräch verstummt. Es folgt ein peinliches Schweigen. Da klingt in die frostige Pfingstabendstimmung ein sehnsüchti ger Laut zcnn Fenster herein. „Tjolii-tjolü, tjolil-tjolü!" tönt es aus den Fliederbüschen des Bürgerparks herüber. Alle horchen auf. Diese und volle Rufe steigern die unvermutete Erwartung. „Tjülü-tjülii! Tjülii-tjülii!" kommt das Echo vom Pavillon zu rück. „Tjüri-tjüüüivi l" flötet es und lockt aus dem Gezweig. >s.-L 'S 8 L s " d* . -2 8 xZ L « Hvx 'S L e^x'L
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