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Morqen-Ausgabe 1S17 Rr. S8S t»r »»» Dor»n« "«Uch A-EßttF9pt.bt9« int Kaut gedränt monolUch 17^> »I«r<»IILbrilch «l. K.2L »Ir Adholtk »ona!U<t> M. 1.S0: d»»<d -lnrtsblatt des Rates und des poUzeiamt« «d«nd «»«gab« M. o«. s»nn,aat-«ut-ad« W. o^o mo»«1lich ' <a°«Ichll«k>IIch P°ßd«P.llg.b-dr>. SchrtsN« llua, »nd »«Ichü (»»«»«: 2-h-»»i«a-fIr «»-» Donnerstag, den 7. 3nni 111. Jahrgang ««zeigenprei,: : .:,VL ». B«h»kö«« t« amtl. L«il »i« P«tit)«U« 7V Pf, ». «,<«. 80 Pf; KI «Ix Änj«!,«« dl» P«ttt»«U« 2S Pf, a»t»Srlt S0 Pf.; D«IchLfttanj«lz»» mV Platz»»rschrtst»n Im Preis« «rh-hi. »«N«-«»: S«famta,fla-« M. 7.— da« Ia»s«i»d «»Ischl. Pastgadlhr. M»»«I»»»»«r 1» Pf. — Sun- »ad F,s»ag« Id Pf. g»»»(»«ch.«»fchl»» Mr. 146«, 14« u» 14« Postschmtd««»» 720« Die Siegesbeute von Jamiano Die Engländer bei Gavrelle und Roerrx, die Franzosen bei Braye abgewiesen Das Wolffsche Bureau melde! amtlich: Berlin, 6. Juni, abends. Die Spannung der Lage im Wytschaete- Dogen hält an. Am Chemin des Dames für uns erfolgreiche Infanteriegefechte. Sonst nichts Neues. * . * * -ntd Berlin,«, Juni. (Drahtbcricht.) Aach kurzem Anfchwellen nahm der Artilleriekampf im Onischaeke-Bogen am 5. Juni wiederum die Form eines heftigen ZerstörungS- und Trommel feuers an. Die gute Wirkung der deutschen Artillerie konnte durch Flieger- und Erdbeobachtung feftg«stellt werden. Die Engländer fetzten rhre Zerstörungen belgischer Dörfer wett hinter der Front fort. Mit schwersten Kalibern wurden verschiedene Ortschaften» unter ihneu be sonders Werwicq, unter Feuer genommen. Englisch« LrkuadungS- adteilungcv, die nach starker Aevervorbereitung nachmittags and nachts vorgingen, wurden im ganzen Wutschaete-Bogen, teilweise in erbitter tem Rahkampfe, abgewiesea. An der ArraSfront versuchten die Engländer wieder einmal nach stärkster F euervorbereitung im alten heihamkämpften Gelände zwischen Gavrelle und Roeox vorzufioßen. Trotz schwerster Blukopfer vermochten sie lediglich einen geringe» Gelände gewinn am Bahnhof von Roeux von etwa 300 Meter Ausdehnung zu erzielen, wo Kämpfe noch im Gange sind. St. Quentin lag Mederum unter Feuer. Die Kirche St. Martin erhielt nicht weniger als 70 Schutz. Zn Pontruet drangen deutsch« Patrouillen ein und brachten weihe und schwarz« Franzosen gefangen zurück. In der Gegend von Bray« versuchte» die Franzosen wieder»« vergeblich, die ihn«» in der Rächt znm 4. Juni entristeuea Gräben ZU- räckzuerobern. Am Abend d«S 4. Juni und in der folgende« Rocht stürmten sie nach stärkster Feuervorbereitung dreimal vergeblich an, um jedesmal »nier schwersten Verlusten zorückgewiefe« zu werden. Am 8. Juni um 4^0 Ahr vormittags versuchten die Fran zosen nach stärkster Feuervorbereitung einen heftigen Angriff gegen den Winterberg. Anter empfindlichen Verlusten muhten sie in ihre AnSgangSgräben zurückfluten. Zn der westlichen Champagne dauert der Artllleriekampf an. Der Eiffelturm meldet verschiedene abgewiesea« deutsch« Hand streiche zwischen Ta hur« und Aaberive. ES haadelte sich in dessen nur um kleine Patrouillengäage. Bei Tahure wurde am 5. Zuni vormittags der Versuch gemacht, einen feil dem 3. Zuni dicht vor der deutschen Front liegenden verwundeten Franzosen zu bergen. Der Ver such löste französisches Infanterie, Handgranaten- vvd Sperrfeuer aus. An der Ostfront war daS ArtUlerlefener lebhaft bei Riga, Zacobstadt, westlich und südlich von Luzk, zwischen Brze- zany und Rarasowka, in der Gegend von StaniSlau, bei Deo-Zhkany und südlich des T a rt a r e >-Pa s seS. Mehrere russisch« Patrouillen wurden znrückgeworfen. Lin russischer Vor stoß im Sianic-Tal scheiterte an deutschem Hindernis. Der Sieg bei Jamiano ^h. Wien, S. Zuni. (Drahtbericht.) AvS dem Kriegs- pressequarNer wird gemeldet: Der gestrige Tag an der Isonzo- front kostete die Italiener den größten Teil ihrer in IStägigem Ringen unter anerhörteu Opfern erkauften Erfolge. Durch einen kühn angelegten und schneidig Lurchgeführten Angriff eroberten unsere Trup pen auf der Karsthochflach« im Raum« von 3 amlano jene Telle unse rer auf halbem Wege zwischen Moafalcoae und Hermada ge legenen Stellung, die sie am 23. Mal räumten, zurück. Dabei nahmen sie den Italienern nicht weniger als 171 Offiziere und 6800 Man« Ge fangene ab, eine Zahl, durch die die schwer« Riederlag« der Italiener »m deutlichsten gekennzeichnet wird. Unser Angriff, der gleichzeitig mit den Kampfhandlungen gegen die italienischen Stellungen östlich von Gärz und des Fajll Hrib angesetzt wurde, brachte uns in wuchti gem, unwiderstehlichem Anprall in den Besitz unserer früheren Linien. Die Italiener führten non große Masten herbei, um uns wieder zurück- zudräagen. 2a aller Eile wurde« die Reserve» teils zu Fatz, teils im Automobil heraugebracht und in den Kampf geworfen, der Tag und Rächt aadaoerte. Immer mehr steigerte der Feind seine Anstrengun gen und setzte schonungslos immer gröhere Masten ein. Unser« über jedes Lob erhabene Infanterie behauptet« siegreich di« zorückgewoun«- uen Stellungen. Segen unsere Frontlelle bei Kostaajeviea, Fallt Hrib und östlich Görz führte der Feind glrtchfalls sehr heftig« Angriffe, di« br- stimmt waren, seinen Hauptstoß auf dem Südteil der Karsthochfläch« zu erleichtern. Auch diefe Absicht fch«itert« vollkommen, da all« Angriff« der italienischen Infanterie teils im Vernichtungsfeuer unserer Artille rie, t«ilS la unserem Maschinengewehr- und Infaateriefeuer zusammen brachen. Durch diesen großen Erfolg ist di« Zahl der Gefangenen, di« wir de» Italiener« la der zehnten Isonzoschlocht abgenommen haben, auf nicht »«Niger als 22 000 Mann gestiegen. Rechnet man noch di« an tausend heranreichend« Zahl Gefangener hinzu, di« die Italiener bei de« gleichzeitig mA dem Ringe» am Zsonzo statt gefundenen Kämpfe» in Stldkrol eingebüht habe», so ergibt sich bis heute für on§ «in« Gesamt summe von naher» 23 000 italienische« Gefangenen. Die zehnte Offensive der Italiener beachte also an«, dem Verteidi ger, den nicht hoch genug ru veranschlagenden Erfolg, daß der Angreifer Koh de, Uebermacht ebensoviel Gefangen« verlor, wie er »»s abgenom men zu haben behauptet. Dazu kommt noch für die Italiener der ge waltige Verlust von mindestens 160 000 Loten »nd Verwundeten, deren Zahl in den Kämpfen der beide» letzten Tage gewlß betrö^i'li^ ,» r «ehrt wurde. Der ungeheuren Eiub^ e stekt jetzt nach dem Verlust der Frontteile bei Iamiaao nnr »och daß schmal« Stück auf dem Knkberg, gegenüber. Das ist der ganz« Gewinn, de» bl« Italiener in einer Offensiv« machten, zu der sie sich ei« halbes Jahr anf das allersorpfSttiave vorbereitet batten, sich von leiten ihrer Bandes- genoßen ausgiebigst« Hilfe »ab Anter stütz» ng verschrieben, und von der sie »ichch Geringer«« als eine» vollkommene» Durchbruch unserer Zsonzofrvnk erhoff»«». Di« Preße Italiens and mit ihr di« der gesam ten Entente jubelt zu früh, und die Fanfaren, die sie über die Anfangs erfolge der italienischen Arme« angestimmt haben, werden nun jäh ob brechen. Dem Siegesrausch wird nur allzuschnell die Ernüchterung folgen. Unbegründete Besorgnisse vor feindlichen Riegern rvtb. Berlin, 7. Juni. (Amtlich.) Wie lm vergangenen Jahre, so ist auch in diesem wiederum das Gerücht aufgekoucht, daß unsere Gegner in den Sommermonaten Fliegerangriffe größten Um fangs gegen alle Teile von Deutschland unternehmen würden, um das reifende Getreide auf demFelde durch Brandbomben zu vernichten. DaS Gerücht stammt nachgewiesenermahen aus dem Lager unserer Feinde «nd hat einzig den Zweck, im deutschen Volke Beunruhigung zu erregen. Zu einer solchen Beunruhigung liegt nicht der geringste Grund vor. Es ist unmöglich, reifende Ge treidefelder durch Bombe« oder ähnliche Brandmittel vom Flugzeug aus in Brand zu fetzen. Wir könnten nur wünschen, daß unsere Gegner zu solchen aussichtslosen Versuchen schritten, sie würden schwere Einbuße au Flugzeugen dabei erleiden, ohne unserer Brotsrucht auf dem Felde Schaden zufügen zu können. Der U-Bootkrieg rvtb. Rotterdam, 6. Juni. (Drahtbericht.) Nach dem .Maas- bode" ist das Schiff «La Perouse', von Buenos Aires kom mend, an der französischen Küste gegenüber Hourtins gekentert und gesunken. Schiff und Ladung sind verloren. ntb. Rotterdam, 6. Juni. (Drahtbericht.) Rach dem «MaaS- bode" sänke« der schwedische Segler «Benjamin' <300 Brutto-Re- gijter-Tonae»), der amerikanisch« Segler .Virgo" (3800 Brutto-Re- gister-Tou»«»). Der Dampfer .Anitas' wurde fälschlich als -esu»ke» gemeldet. vtk, Ehriftinania, 6. Juni. (Drahther.) .Astanpost«»' melden aus Tromsö: Ein englischer Dumpfer, uach Rußland mit Kohlen ladung unterwegs, wurde gestern nacht 2 Ahr 70 Seemeile» von Fuglö von einem U-Boot versenkt. vtb Ehristiaaia, 6. Joni. (Drahtbericht.) Der Vizekonsul in Bayonne meldet: Der Dampfer .Snndiva' aus Lhristiania tt' auf eine Mine gelaufen und gesunken; vier Seeleute find umgekom- meu, die übrigen worden gerettet. Der Dampfer .Skarzsno' aus TönSberg, 1766 Br.-Reg.-To., ist auf eine Mine gelaufen und gesunken. Der Kapitän und zwei Mann worden gerettet, di« übrige Besatzung ist umgekommen. * * * vtd. Kopenhagen, 6. Juni. .Berlingske Tidende' meldet aus Malmö: Der norwegische Dampfer .Atlanten' wurde von den Engländern bei Rio de Zaneirb aufgebracht. Der Dampfer war auf der Reise nach Norwegen mit einer Ladung Häu ten und Leder im Gesamtwerte von 18 Millionen Kronen. »Eine englische Offensive gegen die A-Voote" (r.) Köln, 6. Juni. (Eig. Drahkbertcht.) Die .Köln. Ztg.' meldet auS Amsterdam: .Daily Telegraph' betrachtet die erneute Tätigkeit der Engländer an der flandrischen Küste als eiue regelrecht« Offensive gegen den deutschen Stützpunkt für Unter seeboote und bringt diese Offensive mit der Artillerletäligkelt im Raume von Dper« in Zusammenhang, ferner mit der Beschießung von Ost ende durch Kriegsschiffe and mA Abwerfe» von Fliegerbomben auf die belgische Küste. 4 Oefterr. - «ngar. Heeresbericht W! en, 6. Jun!. Amtlich wird mitgetellt: Oeftttcher Kriegsschauplatz An der Oltoz-Straße wurde «in schwächerer feindlicher Vorstoß durch Sperrfeuer erstickt. Sonst stellenweise auflebende Infanlerietäligkeik. Ztalierrischer Kriegsschauplatz Der Feind erschöpfte sich gestern zwischen dem Wlppach- Tal und dem Meere in vergeblichen Angriffen, um die in deu vergangenen Togen auf der Karsthochfläche erlittene Nieder lage weltzomachea. Seine Anstürme zerschellten. Ansere Truppen erweiterte« durch die Erstürmung einer Höh« bei Iamlano ihren Erfolg und behaupteten in erbitterten Kämpfen alles ge wonnene Gelände. Die Zahl der in den drei verfloßenen Schlachttagen eiuge- brachten Gefangenen ist auf 250 Offiziere (unter ihnen 4 Stabs offiziere) und auf 10000 Mann gestiegen. MehreM italienisch« Regimenter sind fast mit ihrem ganzen Mannschafisstande unver- wundek in unsere Hände gefallen, so das Regiment 86 mit 268S Mann, das Regiment 69 mit 1932 und das Regiment 71 mit 1831 Kämpfern. Die Brigade« Verona, Siracusa, Puglie und Ancona, in deren Reihen -lese Truppenkörper fochten, find vernichtet. 3m Tunnel von San Giovanni wurde ei« großes Feldspttal er beute!. Das Schlachtfeld ist von ikalleuischeir Leiche« bedeckt. Zn der mondhellen Nacht von gestern anf heute suchten die italienischen Flieger wett hinter unserer Front Städte und Ort schaften heim. Sie kamen lm Znnerösterrelchffchen bis Lai bach, inTiroI dis in die Gegend von Bozen. Zm Küsten lande midinKrai» worden einige Einwohner getötet. Sach- schade« ist nicht zu melden. Südöstlicher Kriegsschauplatz Unverändert. Blutauffrischung Von Professor Dr. Paul Samaßa-Wien Dos ganze deutsche Volk wird nach dem Kriege vor die wichtige Aufgabe gestellt sein, die Verluste an Menschen, die es erlitten, zu ersetzen, wobei cs sich um die blutigen Verluste auf den Schlachtfeldern allein nicht handeln wird, sondern auch um den geminderten Zuwachs infolge des Geburtenrückganges, dessen erhebliches weiteres Ansteigen eine natürliche Folge des Krieges ist. Sozialpolitik, Volksbygicne, Wohlfahrtspflege bilden Mittel, die Wunden allmählich vernarben zu lassen. Gewiß darf man aber auch die Hoffnung hegen, daß von den in der ganzen Welt verstreuten Deutschen, die in diesem Kriege so viel Unbill erfahren muhten, ein Teil, und gewiß nicht der schlechteste, in die Heimat zurückkchrt, falls er dort nur einigermaßen erträgliche Daseins bedingungen findet. Diese zu schaffen, wird die Aufgabe eines günstigen Friedens sein. Zm allgemeinen hat man jedenfalls keinen Grund, gerade diese Frage mit besonderem Pessimismus zu be trachten. Die erlittenen Verluste sind schwer und sicherlich in ge wissem Sinne unersetzlich, aber man kann Reserven heranholen, und wenn selbst die Bevölkerungsdichte vorübergehend zurück gehen sollte, so weiß man doch, daß sich die Lücken wieder füllen werden mit dem natürlichen Zuwachs des eigenen Volkes. Das gleiche Problem beschäftigt auch die Deutschen Oester reichs, die leider gewisse Umstände mit in Rechnung stellen müssen, die einigen Pessimismus bei der Beurteilung der Zukunfts aussichten rechtfertigen. Zunächst sind die Verluste der Deutschen Oesterreichs im Verhältnis zur Volkszahl sicherlich größer als im Deutschen Reich. Die Gründe dafür anzufahren, mag heute noch nicht angebracht sein, nach dem Kriege wird gewiß ausführ lich darüber gehandelt werden. Zn gewissen kerndeutschen Ge biete« find ste besonders hoch, so in den Alpenländern, insbesondere Tirol, und z. B. im Egerland. Natürlich werden auch hier Volks- wohlfahrtSdestrebungen einsetzen, manches hat der Krieg ja be reits in Gang gebracht, sowohl von Staats wegen, als auch von autonomen Körperschaften und nationalen V««inen^ Uber wich- rend man im Deutschen Reich gewissermaßen im wohlumzäunten Garten diesen wieder bestellt, besteht in Oesterreich die Gefahr, daß der Bevölkerungsdruck der Slawen in die Lücken hineindrängt, die im deutschen Volkskörper entstanden sind. Die Tschechen haben geringere Menschenverluste, es sei denn, daß ein Teil -er in russische Kriegsgefangenschaft geratenen es vorzieht, in Ruß land zu bleiben, wo sich ihnen ja gute Aussicht bieten müßte, im Wirtschaftsleben die Deutschen zu ersetzen. Ferner verfügen die Tschechen verhältnismäßig über mehr flüssiges Kapital, da sie es weniger als die Deutschen in Kriegsanleihe festgelegt haben, und das bedroht natürlich den deutschen Grundbesitz. Man wird es darum verstehen, daß wir sehr sehnsüchtig nach deutschen Zuwan derern Ausschau halten, die die entstandenen Lücken möglichst bald ausfüllen könnten. Die Aussichten dafür sind nicht allzu günfkg. Eine Aus wanderung nach Amerika, die uns jetzt Rückwanderer liefern könnte, hat das österreichische Deutschtum in erheblichem Maße — in den letzten Jahrzehnten mindestens — nicht gehabt. Bis zum Zahre 1866 bekamen wir stets einen sehr wertvollen und auch zahlreichen Zuwachs aus dem Reich; noch war Wien doch die Hauptstadt des politisch so ohnmächtigen Bundes und insbe sondere für die Süddeutschen von besonderem Schimmer um woben. Da fuhren denn wöchentlich die «Ulmer Schachteln' mit Zuwanderern beladen die Donau herunter, wie Max Eyth in seinem .Schneider von Ulm' so anziehend beschreibt, und in der guten alten Zeit mochte in manchem Handwerk der Meister wenig gelten, der nicht ein paar Zahre als Geselle in Wien verbracht hatte, wo denn auch mancher hängen blieb. Roch wertvoller war für uns aber der Zufluß von Menschen der gebildeten Stände; aus den deutschen Kleinstaaten kamen viele Offiziere cher Armee und Beamte. Und nach der Reorganisation der deutschen Uni versitäten Oesterreichs, die Graf Leo Thun gerade in der Zett ärgster Reaktion in den fünfziger Zähren vornahm, war der De- lehrtenaustausch an den Hochschulen auch besonders lebhaft. Man kann sagen, daß unsere Wanderungsbilanz gegenüber dem Deutsch tum im Reiche bis zum Zahre 1866 hochakkiv war, und es gchvrte mit zu den schmerzlichsten Folgen der Entscheidung dieses Jahres, daß dieses Verhältnis sich immer mehr zu unsern Ungunsten ver schob und schließlich in daS gerade Gegenteil verkehrte. Der Zuzug an industriellen Unternehmern nach Oesterreich hat nach dem Zahre 1866, insbesondere gefördert durch die be ginnende Schutzzollära, zwar angehalten; viele Inhaber großer industrieller Firmen in Oesterreich sind Reichsdeutsche oder stam men von solchen ab und sind dann meist bald in ihrer Umgebung aufgegangen. Viele sind zu großen Vermögen gelangt, und Reichtum hat leicht internationale Neigungen. Aber auch der Erwerbstrieb macht anpassungsfähig, und so haben wir oft die peinliche Erscheinung beobachten müßen, wie Reichsdeutsche bei uns unsern nationalen Nöten ganz ablehnend gegenüberstanden und sich auf ihre deutsche Staatsbürgerschaft zurückzogen, als lebten sie irgendwo in Chile oder China. Dem Geschäfte mochte eS ja nützlich sein, wenn z. B. die Reichsdeutschen in Triest sich auch gesellschaftlich von den dortigen Deutschösterreichern mög lichst abschloßen, um es ja nicht mit der herrschenden italienisch- irredentistischen Clique zu verderben, von weiteren Gesichts punkten betrachtet haben sie damit aber — daS mag der Krieg wohl manchem bewiesen haben — auch den Interessen des Deut schen Reiches kaum genützt. Sehr empfindlich war für das österreichische Deutschtum die ^Abwanderung proletarischer Maßen in das Deutsche Reich, eine merkwürdigerweise selbst bei uns nie ausreichend gewürdigte Er- fäeinung. Die .Deutsche Arbeiterzentrale' in Berlin hat eine noch Nationalitäten gesonderte Statistik über die von ihr