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Sächsische Volkszeitung : 27.03.1937
- Erscheinungsdatum
- 1937-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193703271
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19370327
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19370327
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1937
-
Monat
1937-03
- Tag 1937-03-27
-
Monat
1937-03
-
Jahr
1937
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 27.03.1937
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Kummer 7Z Oster-Lei Ise« 6er Läcksiscken Volksreitung Leite 4 / Vor und nsok der ^ukerLtekung „Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria Magdalena, des Jakobus Mutter und Salome Spezereien, um hinauszugehen und Jesus zu salben." sMark. 16, 1—2.) ffür die Stellung, die man Maria in der Zeit vom Kar» sreitag bis zum v-'termorgen innerhalb der Getreuen Jesu zu meist, ist zunächst die Frage von Bedeutung, wo sie während dieser Zelt geweilt hat. Hält man sich die Sillen des Landes vor Augen, so ist anzunehmen, daß sie mit den Frauen zuiam- men wohnte, die neben ihr unter dem Kre ze standen. Tiefe Frauen sind nach der Bestattung Irsa natürlich nicht auseinan der gegangen, sondern in das Haus zurückgekehrt, in dem sie als Osterpilqer zu Gaste waren. Wohin hätten sie auch gehen können? Aus dieser Annahme schält sich eine neue Frage los: Wohn ten diese Frauen in dem Hause, wo sich die Jünger aufhielten oder sonst wo? Hierfür gib» das Torngelium zwar licht einen unmittelbaren, aber doch einen mittelbaren Ausschluß. Die Berichte über die Gänge der Frauen und der Jünger am Osler morgen sind in ten Evangelien nämlich so durcheinander ge- llochten, daß sich nur sehr schwer dir Reihenfolge ausstellen läßt, in der sie aufeinander kamen. Tin Hauvtgrund hierfür dürste nun eben der sein, dah die Frauen und die Jünger nicht in demselben Hause wohnten und 'o vollkommen unabhängig von einander handelten. Za, vielleicht waren auch dis Frauen nicht alle in demselben Hause. Erst als das große Ereignis, die Auf erstehung Jesu, über diese verschreckten Menschen aufzuleuchten begann, knüpften sie die Verbindungen zwischen den getrennten Kruppen wieder an: Maria Magdalena eilte zu den Aposteln. Die Form, wie das Evangelium dies berichtet, spricht für die Annahme, daß sie nicht von dem Hause aus, wo die Apostel sich aufhielten, zum Krade vor der Stadt aufgcbrochen war, aber doch muhte, wo Petrus und Johannes zu linden waren. Bel Ihnen trafen dann die Frauen mit den Jüngern zusammen. Die Unternehmungen verliefen sedoch hernach wieder getrennt. Petrus und Johannes gingen allein zum Krade, Maria Magda lena kehrte allein dorthin zurück, und nachdem ihr Jesus er schienen war, begab sie sich In seinem Auftrage dann aufs neue zu den Jüngern, um ihnen zu verkünden, daß der Herr auf erstanden sei. Mit diesen Frauen stand nun auch Maria, die Mutter Jesu, irgendwie In äuherer Verbindung, sei es. dah sie In dem selben Hause, sei es, dah sie in der Nachbarschaft wohnte. Ihrem Seelenzustande nach hatte sie freilich gerade Im Entscheidenden mit Ihnen keine Gemeinschaft. Maria trauerte zwar viel mehr Uber Jesus als diese Frauen, aber sie war nicht auf sene fassungslose Art wie sie bestürzt. Maria glaubte sa nicht bloh an den Tod. sondern auch an die Auferstehung Jesu nach drei Tagen. Die Frauen hingegen verfolgten mährend der Grabesruhe Jesu nur den einen Gedanken, mn Morgen nach dem Sabbat die Salbung seines Leichnams zu vollenden und ihn so für die endgültige Bestattung herzurichten. Die Mutter Jesu wird bei diesen Vorbereitungen nicht erwähnt, war also daran mich nicht beteiligt. Die Frauen müssen eben gefühlt haben, dah Maria unterdessen in einer eigenen Medankcnwelt weilte. Wie sie das Verhalten Marias deuteten, wissen wir allerdings nicht. Doch gab er da überhaupt nur zwei Möglichkeiten. Ent weder hielten sie dafür, dah die Trauer um Jesus die Mutter geradezu erdrückte, ähnlich wie z. B. David nach dem Tode seines Sohnes sich in das Gemach zurückzog. Oder sie erkann ten, dah Maria Immer noch an eine Wendung zum Guten glaubte. Dann muhten sie mit ihr Mitleid fühlen und muhten ihre Hoffnung bei aller Liebe zu Jesus, ihrem Sohne, für etwas halten, was sie selber für immer von sich abgetan hatten. Bezeichnend für die Lage Ist. dah auch Maria Magdalena, als sie das Grab leer vorfand, nicht zu Maria, der Mutter, sondern zu den Jüngern ging. Maria war eben in dieser Einsamkeit zwischen Karfreitag und dem Ostersonntag für alle ein Fremdling. Hätte sie je mand trösten wollen, so hätte er ihr neues Weh zugcsügt. Hätte er doch, wie später die Jünger von Emmaus vor Jesus, zu ihr sagen müssen, dah ihr Sohn wohl ein Prophet, mächtig in Wort und Werk, ober nicht, wie so viele gehofft hätten, der verheihcne Messias gewesen sei. Der Tag nach dem Karfreitag war ein Sabbat, also ein gebotener Feiertag. Es läht sich daher nur schwer vorstellen, dah Maria den Besuch des Tempels diesmal unterlassen habe. Wie von den Aposteln für die späteren Tage ausdrücklich be richtet wird, so stieg also wohl auch Maria an diesem Tage In den Tempel hinauf, um dort zu beten. Noch war nicht eine volle Woche seit dem feierlichen Einzüge Jesu in Jerusalem vergan gen. Noch lagen auf dem Boden zerstäubt, zertreten und mit gebrochenem Rückgrat die Palmzweige umher, die man dem Messiaskönig entgegengeschwungen hatte. In einer Gebots stimmung. die für uns unbeschreiblich ist. hob Maria an diesem Sabbat ihre Seele zu Gott empor. Alle Hoffnung auf Jesu Auf erstehung, die cs auf Erden gab. war ieht in ihr Herz zusam mengedrängt. Sie aber hasste für alle Jünger, ja für alle Menschen. Wie sich die Auferstehung vollziehen sollte, was Jesus nach der Auferstehung tun würde, darüber war wohl auch sie noch im unklaren. Allgemein wird angenommen, dah Jesus nach der Auf erstehung zuerst und allein seiner Mutter erschienen sei, zuerst, weil es ihr als der Mutter, die unter den Krcuzesmartern aus gehalten hatte, in besonderem Grade gebührte, allein, weil diese Erscheinung einen ganz anderen Sinn hatte als jene vor den Frauen und Jüngern. Die Jünger muhten für den Glauben erst wieder gewonnen werden, Maria sollte für den Glauben belohnt werden. Es war ein Bild von unsagbarer Ruhe und Innigkeit. Maria, die Mutter Jesu, sah allein in einem Gemache. Die Welt draußen erhob sich nach der Sabbatruhe zu einem neuen Werktag. Sie, die Mutter Jesu, dachte nur an das eine: er wird auserstehent Für sie war jenes Ueberraschtwerden aus geschlossen, welches die Jünger In solchem Grade übersiel, dah sie sich erst nach und nach zurechtfanden. Wie Maria, die Mutter Jesu, früher die Leiden vorausgekostet und mit vollem Gefühl in sich ausgenommen hatte, so war sie durch ihren Glauben auch auf die Auferstehung vorbereitet. In welcher Weise die Erscheinung Jesu vor seiner Mutter sich vollzog, wissen wir nicht. Jesus erschien der Maria Mag dalena in einer Gestalt, dah sie Ihn zuerst nicht einmal er kannte und Ihn für den Wärter des Gartens hielt, in dem das Grab Jesu lag. Den beiden Jüngern von Emmaus schloh Jesus sich als Wanderer an. Den versammelten Aoosteln zciate er sich Im Saale bei geschlossenen Türen. Die fünfhundert Gläubigen In Galiläa bestellte er. wie man mit seinen Freunden eine Zusammenkunft vereinbart, im voraus auf den Berg. Jesus offenbarte sich auch gegenüber seiner Mutter iedenfalls so, dah sie erkannte, wie er nun im Zustande der Derkiärung lebte und das frühere Zusammenleben auf Erden nicht mehr fort setzte. Das Verhältnis Jesu zu Maria mar ja auch deshalb schon zuvor ein anderes geworden, weil Jesus sie dem Johannes anbefohlen und Johannes zu ihrem Sohne gemacht hatte. Jesus zeigte sich in der Zeit zwischen der Auferstehung und der Himmelfahrt den Jüngern sowohl in Jerusalem als auch in Judäa. Diese Erscheinungen richteten den Mut der Jünger und der Frauen auf — und sammelten die zerstreute Herde, die nach dem Sturme der Leidenswoche noch übrig ge blieben war. Der Glaube der Jünger war zunächst erschüttert und wie vernichtet. Immer noch hatten sie auf ein Irdisches Reich gehofft und gewartet. Doch unter diesem Glauben wuchs jetzt ein Glaube aus neuen Erkenntnissen empor. Jesus war nicht nur jener, der Israel erlöst, er war der Sohn Gottes. „Meister" hatten sie ihn früher genannt, jetzt begannen sie, ihn „den Herrn" zu nennen. Im übrigen befanden sich alle zusammen in einer sehr be denkliche-* Lage. Die Feinde Jesu glaubten nicht an die Auf erstehung. Daher muhten sie eine andere Erklärung für das Verschwinden der Leiche aus dem Grabe suchen — da gab es wohl nur die eine, dah die Jünger die Leiche gestohlen hätten. Auf diesem Frevel stand aber die Todesstrafe. In Nazareth hat man in den letzten Jahren eine Marmorinschrift mit einem kaiserlichen Erlab gefunden, der über Grabschänder die Todes strafe verhängt. Hatten die Jünger vom ausgestreuten Ge rüchte, dah die Leiche von ihnen gestohlen worden sei, schon etwas gehört, so muhten sie mit einer Verhaftung wegen Lei chenfrevel rechnen. Die Jünger verschlossen nicht umsonst aus Furcht vor den Juden das Haus, in dem sie sich am Abend des Ostcrtages versammelten. Ausdrücklich wird erwähnt, dah nicht bloh die Apostel, sondern auch „die mit ihnen", also eine Gruppe von Anhängern Jesu, beisammen waren. Dazu gehörten wohl auch die früher erwähnten frommen Frauen und mit ihnen Maria. Gcmäh dem Auftrage Jesu verliehen die Apostel und mit ihnen Maria die Stadt Jerusalem und begaben sich nach Ga liläa. Dieser Gang nach Galiläa bedeutete für sie eine De mütigung. Was alles hatte man doch dort oben, als die Pilger vom Osterkeste znrückkehrten über Zesus. ibren Meister nnd sie erzählt! Nur eine einzige Neuigkeit gab es diesmal, die man vom Osterfeste aus Jerusalem mitbrachte: „Jesus aus Nazareth, der Sohn Marias, ist in Jerusalem gefanaen genommen, zum Tode verurteilt und gekreuzigt worden. Mit den Räubern ist er gekreuzigt worden!" Und dann kamen die schadenfrohen Bemerkungen Dabei gedachte man nicht bloh des Gekreuzigten, sondern auch seiner Mutter und seiner Jünger. Was tat diese Maria jetzt? Hatte sie nicht ihr ganzes Leben etwas Eigenes an sich gehabt? Hatte sie sich nicht immer benommen, als wäre sic etwas Besseres als gewöhnliche Leute? Und was mar es mit diesen Fischern, die sich von Jesus hatten aus ihrem Berufe herausreihen lassen? Nun blieb ihnen wohl nichts anderes übrig, als wieder zu den Netzen zu greifen! In eine Welt von Menschen, wo solche Reden hin und her gingen, traten die Apostel ein, als sie mit Maria nach Ga liläa zurückkehrtcn. Sie schienen sich aber tatsächlich zu dem zu entschlichen, was ihre Mitbürger ihnen Angewiesen hatten. Sie gingen wieder von Kapharnaum aus auf Fischfang. Wohin sie aber auch ihre Boote lenken mochten, alles erinnerte sie an die Zeiten, wo Jesus bei ihnen gewesen war. Und eines Mor gens, nach einer Nacht voll mühsamer und doch nutzloser Arbeit, erschien ihnen Jesus selber. Er stand am User und gab ihnen den Rat, das Netz noch einmal auszuwerscn. Sie taten es und fingen hierauf eine große Menge Fische, dah das Netz Risse bekam. Johannes war der erste, der in dem Fremden den Meister erkannte. Johannes war es wohl auch, der nach der Heimkehr Maria, der Mutter Jesu, von der Erscheinung er zählte. Wenn Johannes jetzt zu Kapharnaum seinen Wohnsitz hatte, so hielt sich ja auch die Mutter Jesu dort auf, die seiner Obsorge anvertraut war. Maria befand sich in diesen Wochen zwischen Ostern und Pfingsten in einem höchst eigenartigen Zustande, in dem Freude und Weh sich mischten Jeder Schritt, der sie aus der Reise nach dem Verlassen Jerusalems Galiläa näher brachte, war für sie zugleich ein Schritt zurück in die Vergangenheit, zurück In das Leben mit und neben Jesus. Sie sah die sanftgeschwunge nen Höhenzüge aufleuchten, über die sie einst mit ihrem Sohne Jahr für Jahr nach Jerusalem gezogen war. Sie betrat wohl anck das Haus wieder, in dem sie so viele Jahre mit Jesus gelebt hatte. Der Umstand, dah die Verwandten Jesu später auch unter den Gläubigen genannt werden, macht dies wahr scheinlich. Verdichtet und gesammelt sielen dort die Erinnerun gen über sie her. Der Lehmherd, vor dem sie so oft gestanden war? während die Gedanken bei ihrem Sohne weilten, sei es, dah er sich in der Nähe befand, sei es. dah er ferne war, die Teppiche, auf denen er gesessen, die Schüsseln, aus denen er gegessen, die Krüge, aus denen er getrunken, die Geräte, mit denen er gearbeitet hatte, die dämmer, mit denen er Nägel in das Holz getrieben hatte, alles, was sie sah. erinnerte sie daran, dah sie jetzt allein war au» Erden. Und was war sie selber in den Augen der Leute? Weniger als Nichts! In der ersten Stunde, nachdem sie die Stadt betreten hatte, war die Kunde schon von Haus zu Haus gesandt worden: Maria, die Mutter Jesu des Gekreuzigten, ist heimgekommen! schenke. Dem toten König gehört nicht einmal das Leichentuch, in das er gehüllt ist. — Aber sein Grab wird nicht verlassen; nian stellt Wächter auf. Doch der König, der hier liegt, bleibt keine Beute des Grabes. Am dritten Tage sprengt er die Fes seln des Todes. — Er steht auf, er erscheint den Seinen. Er spricht und Ißt mit ihnen. Er gibt ihnen seine königliche Ge walt: „Gehet hinaus in alle Welt und predigt das Evangelium allen Geschöpfen!" — Er fährt in den Himmel auf. — Er grün det eine Dynastie von ewiger Dauer mitten im heidnischen Rom. Sein Grab wird von Millionen besucht, als das gröhte Heiligtum der Welt verehrt. Welch ein Unterschied! — Der eine König stirbt und die Seinen müssen für ihn und mit ihm sterben. — Der Andere stirbt für sein Volk und durch seinen Tod gibt er den Seinen das Leben! — Wie sagte er doch? — „Der gute Hirte gibt sein Leben für seine Schafe!" „Die Frauen, die mit Jesus aus Galiläa gekommen waren, gingen mit Joseph von Arimathäa, besahen sich das Grab und schauten zu, wie Jesus beigesetzt wurde. Hierauf kehrten sie zurück und richteten Gewürze und Salben her. Am Sabbat ruhten sie nach dem Gesetze". <Luk. 23, öb; 24, 2. Matth. 23, am Kreuze seine heilige Seele aushauchte, gab er seinem treu losen Volke, gab er uns allen das Leben, das ewige Leben! „Der König stirbt!" Wenn dieser Echrcckensrus durch Mesopotamien eilte, dann bedeutete er den Tod für viele Hun derte. Das ganze Land trauerte um den Herrscher. Der Christkönig stirbt! — Nur ein paar Frauen weinen und ein einziger Jünger trauert unter dem Kreuze. Die anderen aber triumphieren und jubeln, als das blasse Haupt im Tode sinkt. Und weil die Menschen kein Herz haben mit dem sterbenden Gott-König, trauert die unvernünftige Natur: Die Erde zittert und bebt, Felsen zerspringen und die Sonne hüllt sich in Dun kel. Karfreitag abend... Man trägt auch einen König zu Grade. Der Zug ist nicht lang. Wenig Getreue und ohne Ge- OLterLpÄLierssnA / ^8.-» Der Weg durch die Schlucht ging in Zickzacklinien durch Haselgebüsche zur Höhe. Eine Quelle kam aus der halben Höhe des Berges und floß In vielen kleinen Absätzen zur Talsohle. Dunkle Pünktchen standen im blauen Frühlingshimmel. Ler chen, die wie an unsichtbaren Fäden in der Luft hingen und sangen. Das Mädchen ging mit raschen Schritten zwischen den stäubenden Haselkätzchen die Schlucht hinauf. Die HUgelkuppe lag schon breit in der Sonne und dampfte Rebelwolken wie selchten Atem in die Morgenkühle. Endlich war sie oben. Sie mutzte sich auf ihren Stock stützen, denn von dem hastigen Weg klopfte das Blut in allen Adern. Dabei matz sie die Entfernung zum nächsten Hügel kamm, auf dem sich klein und weitz mit spitzem Zwiebclturm «in uraltes Kirchlein erhob. Gerade begann es sein spitzes Läuten, und Frauen und Männer in feierlicher, schwarzer Tracht mit riesigen Gesangbüchern In der Hand strebten dem kleinen Portal zu, das sich wie ein runder Mund öffnete und die kleinen Menschen verschluckte. Das Mädchen stieß den Stock auf den Boden. Sie kam zu spät zur Ostermesse, und sie hätte so gerne die uralten Ge bräuche mitanaeseken. Hier war es noch Sitte, daß die Leute ein lebendes Osterlamm zur Kirche nahmen und daß der Geist liche Körbe mit Brot und Früchten segnete, die man vor dem Altar ausbaute Man hatte das Kirchlein zum Greifen nabe, aber es lag wie eine Festung auf dem gegenüberliegenden Berg, der rund um von tiefen Schluchten umgeben war, man mutzte einige hundert Meter hinunter und drüben wieder hinauf. So warf das Mädchen also den Rucksack ab. bettete den Kopf darauf und sah aus den Fluß hinab, ans dem die ersten Dampfer in diesem Jahr mit der Strömung kämpften, die noch nicht lange frei von Treibeis war. Die Sonne wärmte sehr aus der Höhe und das Mädcken schloß die Auaen, so daß die Sonne durch die Lider wie durch rotseidene Gardinen schien. Plößlick rief eine Stimme: „Hoppla!" Und irgend etwas sprang über sie fort. Sie fuhr aus halbem Traum empor und sab einen großen, braunen Hund mit lechzender Zunge vor sich stehen „Entschuldigen Sie, bitte", sagte die Stimme, „mein Hund ist über Sie weggesprungen. Sie lagen so unvermutet hinter dem Abhang, daß ich beinahe selbst über Sie gestolpert wäre." „O bitte sehr", sagte das Mädcken verwirrt und sah sich nach der Stimme um. Ein junger Mann, der ebenfalls einen Rucksack trug, stand über Ihr auf der Anhöhe. Sie erhob sich, strich ihre Kleider glatt und nahm den Rucksack auf. Der junge Mann half ihr den Riemen um die Schulter legen. „Danke sehr?", saate sie unwirsch, denn sie ärgerte sich, gestört worden zu sein. Aber sie konnte es sich nicht versaaen, den großen, braunen Hund freundlich zu Klopfen. Dann klet terte sie den Abhang hinab und verschwand inmitten der weißen, blühenden Schlehen. Die Messe war gerade aus, als sie endlich vor dem Kirch lein stand. Es war aus Feldsteinen erbaut und zahllose Tünch überzüge splitterten von der feuchten Mauer ab. als blättere eine Hand das Buch der Geschichte auf, und während sich die Gemeinde dem Dorf zu zerstreute, ging das Mädchen aus dem Friedhof umher, dessen zersprungene Grabsteine und efeube rankte Manern wie ein Ruinenfeld berumlaqen. Man konnte kaum die Namen der verblichenen Geschlechter entziffern, die vor vielen Jahrhunderten hier in die Erde gebettet waren. Die letzten Wagen vor dem Kirchenportal fuhren klappernd davon. Der lahme Hausierer mit Kerzen und papiernen Blu mensträußen verlor sich in den Feldern, und es wurde still um die kleine Kirche, daß man das Kreischen eines Fensterflügels hörte und leises Rieseln des Kalks von der Mauer. ' Das Mädchen öffnete die Tür und trat ein. Ein dicker, vergoldeter Engel schwebte in der Mitte des Raumes in einem Strahlenkranz, der im Sonnenschein glänzte, und von dem rauhen Steinsutzboden stieg ein süßer Duft von geschnittenem Gras und Veilchen auf, mit denen er bestreut war. Plötzlich begann die Orgel zu spielen. Man erschrak vor dem unerwarteten Tongebraus, und die einsame Besucherin spähte zum Chor hinauf, zu dem sich die Treppe in zahllosen Schnecken hinaufschwang. Sie klomm die Wendeltreppe empor und stand hinter dem Spielenden, während ihr Schatten auf die dunkelgelben Tasten der Klaviatur fiel. Der Mann an der Orgel wandte sich um. Es war der junge Mann, der sie vor kurzem an dem Abhang aufgestört hatte. Das Mädchen wurde dunkelrot. „Entschuldigen Eie!" ries sie und wandte sich zur Flucht. war unrecht von mir, Sie zu stören." „Aber Sie stören mich nicht", entgegnete der junge Mann und sprang von der Orgelbank auf. Er war schon an ihrer Seite und geleitete sie sorgsam die Treppe hinab. Der große, braune Hund lag vor dem Eingang der Sa kristei in der Sonne. Er sprang an dem Mädchen i> die Höhe. „Ein hübscher Hund", sagte sie, „wie heißt er denn?" — „Pria- mus", sagte der junge Mann, „und Sie?" Sie lächelte Uber die schnelle Frage. „Irene", antwortet« sie. „Ich heiße Eberhard", sagte er, „nun wissen wir alle, woran wir sind." Sie gingen unter den jungen Buchen fort. Der Boden war blau von Leberblümchen. Das Mädchen begann einen Strauß zu pflücken, der Hund schnupperte mit seiner braunen, feuchten Nase im welken Laub, und Eberhard ging behaglich daneben und pfiff. Dann unterbrach er sich. „Es ist hübsch, daß ich jetzt nicht mehr allein bin, zu einem Osterspaziergang gehören unbedingt zwei, finden Sie nicht auch?" Jetzt hörte der Wald auf, eine Wiese lag vor ihnen, noch etwas wintergrau, aber von einer gelben Flut von Schlüssel blumen überschwemmt. Dahinter mit roten Dächern das Dorf von einer schwarzgrünen Tannenmauer umgeben. „Ich muß ins Dors", sagte das Mädchen, „ich habe mir dort ein Zimmer bestellt sür die Feiertage, ich wohne im Lamm." „Aber", sagte Eberhard, „ich wohne ja auch im Lamm. Und ich wollte schon in den Löwen gehen; wie gut, daß ich beim zahmen Getier geblieben bin. Wollen wir essen gehen?" Sie nickte vergnügt. „Das trifft sich ja ausgezeichnet", sagte sie. „Also bin ich Ihnen nicht im Weae?" fragte er. „Prlamus und ich haben es uns in den Kopf gesetzt, Ihnen in den Feier tagen Gesellschaft zu leisten. Ich weiß wunderbare Aussiiig« zu unendlich viel Ruinen." Eie kamen ins Dorf. Das goldene Lamm Im Gasthaus schild schaukelte in der Sonne. Ein Dust von srischgebackenem Kuchen schien aus allen Häusern zu strömen. Die Eingangs treppe zum Lamm war mit geschnittenem Gras und Veilchen bestreut, es duftete wie In dem Kirchlein, das sie vor kurzem verlassen hatten. Eie sahen sich danach um: Der Zwiebclturm reckte sich hoch Uber ihnen in den Himmel, sie waren schon am Fuße des Hügels angekommen. Der Lammivirt stand in weltzer Schürze vor der Tür. „vergnügte Feiertage!" sagte er und lächelte Uber sein rotes, freundliches Gesicht dem jungen, hübschen Paar zu, das eben sein Haus betrat.
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