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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.12.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141204025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914120402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914120402
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-12
- Tag 1914-12-04
-
Monat
1914-12
-
Jahr
1914
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Seltt 2. Nr. El 6. Nvenü'Nusgade. Leipzig« Tageblatt. Freuas, 4. vezemder l914. Italien ua- -er Vreiverban-. (Eigener Drahtbericht/) Die „Köln. Ztg." meldet au» Rom: Di« Zeitung Vita" klagt in einem ausführlichen Artikel ÜLrr die anhaltende Aufbringung und D u r ch s u ch u n g neu» traler Schiffe, die nach i ta I i e n t s ch e n Häfen gerichtet sind, wodurch der Handel Italiens schwer ge schädigt werde. Dieses Verfahren d:r kriegführen den Ctaa»en stehe in schroffem Widerspruch zu dem Londoner Abkommen und nehme ga.rz den Charakter eines politischen Druckes im Sinne einer Drohung und einer Vergeltung an. Man will offenbar die italienische Negierung zu Entschlüssen drängen di: sie nicht fassen mag. D.'r Artikel schlicht mit der Bemerkung: „Italiens Stellung im Mitlelmcer wird durch die Anmaßungen der fremden Mächte unerträglich und seine Stellung ist zu vergleichen mit der Wohnung in einem Hause, wozu ein anderer den Schlüssel hat." fibesimiscke Son-ergefan-tschast für Europa. sr.) Mailand, i. Dezember. (Eigene Drahtnachr.) „Lombardia" meldet: Der Negus von Abessi» nien hat eine Sondcrgrsandtschaft nach L.uropa abgchcn lassen, die den Negus über die Kriegslage in Europa unabhängig unter« richten soll. — In den Moscheen von Tripolitanirn wurde mit Genehmigung der italienischen Regierung der A u f r u f des Kalifen zum heiligen Krieg für das Kalifat belanntgegebcu mit der er läuternden Erklärung des Scheich-ul-Islam, daß der heilig' Krieg sich nicht gegen Italien und die Drei- bnndmächte richten soll. Kämpje französischer Truppen mit aufständischen Marokkanern. * Lyon, 1. Dezember. Der „Nouvelliste" meldet. aus Tau ger: Am 27. November griffen französische Truppen bei Tazadie auf ständischen Marokkaner au, die unter Hinterlaonng beträchtlicher Beute und einer An- zahl von Toren und Verwundeten fliehen mutzten. Die Franzosen hatten zwanzig Tote und fünf, nndzwanzig Verwundete. Nüekgang -er Zahl -er Arbeitslosen in öerlin. (r.) Berlin, t. Dezember. (Eigener Drahtberichr.) Wie wir erfahren, hat im Monat November ein weiterer Rückgang der Zahl der Arbeits losen in Groß-Berlin stattgefunden. Soweit Angaben der Arbeitsnachweise vorliegen, beträgt die Abnahme der Zahl der Neueingänge von Arbeite gesrchen durchschnittlich 5 bis 12 Prozent, in den Ar beitsnachweisen der Vororte bis 15 Prozent gegen- über dem Vormonat. Huch eine Wirkung -er Höchstpreise für Hetrei-e. Das „Hamburger Fremdenblatt" meldet rn Nr. 300, Ausgabe vom 2. Dezember d. I. folgendes: „Durch die geschlickt Vestimmungg bei Fest? iegung der Höchstpreise sür Weizen, die für Lieferung auf oeu 1. Januar einen Ausschlag von 1^ .N Vor sicht, ist es unmöglich geworden, Wei.zen aus dem ! Inland nach Hamburg zu ziehen. Die Inhaber i halten ihre Vorräte zurück, um sich die - Vorteil« der ihnen zugestandenen Erhöhungen zu sichern. Die Folge davon ist, daß viele 'N ühlen wegen Mangels an Material sich genötigt sehen, ihren Betrieb e i n z u st e l l e n. Die be deutendste Weizenmühle Deutschlands, die der Firma iäeorg Plang« in Hamburg, hat ihr Werk bereits siillcgen müssen, und di-' Mühle von H. W. Lange Eo., A G. in Altona wird, wie wir erfahren, in den nächsten Tagen zu der gleichen Maßregel ge zwungen sein. Es herrscht ernste Besorgnis darüber, wie sich die Versorgung mit "Weizenmehl in den näch ste» Wochen gestalten wird, da die vorhandenen Vor räte bald aufgez'hrt sein müssen und diese durch das Einstellen der Erzeugung der leistungsfähigsten Mühlen nicht aufgesüllt werden können. Man glaubt incht, daß durch die nunmehr angcordncte Aufnahme >er LK'stände schnell genug Abhilfe geschaffen werden kenn, und fordert dringend, daß behördlicher seits Maßnahmen getroffen werden, diesen von b v XÄ>-rkL i? 1- 65,- ra -8-^ «7 «V 71 7 2 73 23 k>!sr> ungewollten Wirkungen der Höchst. Preisfestsetzung abzuhelfen und der drohenden Kalamität in der Beschaffung von Weizen mehl rechtzeitig zu steuern." Es wäre doch das einfachste, wenn die Mili tärbehörden die Ketrei bevorrate, einer lei wo oder bei wem sic zu finden sind, beschlag nahmten, um auf diese Weise rasch ungesunden Wirkungen der Festsetzung von Höchstpreisen zu steuern. Vie Leistungen unferrr Kriegschirurgie. Der Chirurg Geheimrat Prof. Dr. Czerny teilt, wie der „T. N." gedrahtet wird, mit, daß die <Eicgs chirurgie iolck>e Fortschritte gemacht habe, daß 37.5 Prozent der Verwundeten bisher geheilt werden konnten und nur 6,5 Prozent untauglich ge blieben sind. Eiserne Kreuze. Mit dem Eisernen Kreuz wuckden ferner aus gezeichnet: der Leutnant der Reserve im Feld- artilleric-Regiment 68 Fritz Machate, der Leut nant der Reserve und Führer einer Munitions- und Fuhrparklolonne Willn Steinbach, der Unter offizier im Infanterie-Regiment 85 Fritz Sembd- ner, Baiitcchniker bei den Kgl. Hochbauten in Kiel, der Schatze im Maschinengewehr zug des Reserve- Infanterie-Regiments 248 Reinhard Richter, der Obcrjägcr im Iägcrbataillon 12 Paul Tap st e r t, Vorturner und Sieger bei den Turnfesten in Frankfurt und Leipzig, der Oberjäger im Jäger bataillon 12 Hans Lange, beide Mitglieder des Loschwitzcr Tunweveins, der Gefreite im Pionier bataillon 12 Dachdecker "Wolf, sämtlich aus Dres den, der Stabsarzt der Reserve, Frauenarzt Dr. Nau mann aus Blascwitz bei Dresden, der Leutnant der Reserve im Husaren Regiment 16 Karl Hendel, Mitinhaber der Chemnitzer Firma A. Zwingenberg, der Leutnant der Reserve und Ordonnanzoffizier im Feldartillerie-Rcgimcnt 82 Walter Anrich, Mit inhaber der Firma Alban Aurich in Hartmannsdorf bei Chemnitz, der Feldwcbcllcutnant Paul Ertel in Waldheim, der Offizierstelloertreter Rudolf Stück Hardt, Sohn des Herrn Albert Stöckhardt kn Chemnitz, der Offizierstellvertreter im Reserve- Insanterie-Regiment 106 Hans Wendler, Assi stent bei der Amtshauptmannschaft Auerbach, der Feldwebel im Infanterie-Regiment 181 Kurt Pönttzsch, der Feldwebel im Infanterie-Regiment Nr. 104 K. Neumann, der Dizeieldwebel In genieur Sachse (Firma Heinrich L Sachse), er er hielt gleichzeitig die Friodrich-Auguft-Medaille in Silber, der Dizefeldwebel Baumeister Hermann Sachse, der Sergeant beim 2. Marine-Infanterie- Regimenr Richard Müller, Schutzmann, sämt lich aus Chemnitz, der Soldat im Landwehr-In- fanterie-Negiment 104 Bahnhosswirt Paul Krebe aus Rabenstein (er erhielt gleichzeitig die Friedrich- August-Medaille am Bande des Militär-St.-Hein- richs-Ordens), der Gefreite im Infanterie-Regiment "Nr. 105 MaxLahl, Sohn des Polizeiwachtmeisters E. Lahl in Annaberg, der Soldat im Nescrv«-In- fanteric-Regimcut 10 l Louis Albert Leh mann aus Chemnitz (der Ausgezeichnete wurde gleichzeitig zum Gefreiten befördert), der Schnell- iahrer beim Stab der 53. Reserve-Division Ingenieur Bernhard Bau aus Chemnitz (er wurde gleich zeitig zum Unteroffizier befördert), der Sanitätsfeld webel im Infanterie-Regiment 130 Rasche aus Döbeln, der Gefreite im Reseroc-Jnfantcrie-Regi- ment 133 Kurt Winkler (Ratsbeamtcr in Leip zigs, Sohn des Korbmachermeisters Winkler in Döbeln, der Unteroffizier der Reserve im Rescrve- Infanterie-Negiment 232 Hermann Ientzsch aus Mahlis, der Marineoderzahlmcister Fer dinand Krctzschmar, Sohn des verstorbenen Akademic-Haus'nipektors Krctzschmar in Freiberg, der Unteroffizier im Infanterie-Regiment 182 Mar tin Claus in Freiberg. Eine Kriegsre-e Sastermanns. Im Anschluß an die Kriegssitzung des Reichstags ltzitte die nationalliberale Reichstags- srultion sich zu einer Abschicdsfcier ver sammelt, in deren Verlaus der Parteiführer Baiser mann eine Rede hielt, die u. a. besagte: Wieder war ein großer Tag des Parlaments. Ich bin der Ueberzeugung. die Totfache, daß wir gegen eine Stimme ^en Miiliardcnkredit bewilligt haben, wird ihren Eindruck nicht verfehlen. Dre'cr Tag reiht sich würdig an den 1. August an. Fürwahr, es ist eine große, mächtig.', gewaltige Zeit, deren Flügel- schlag über uns streicht. Kein Herz bleibt von ihr un beweist, und keiner steht vereinsamt zur Seite. . . . In diesen Tagen wollen wir auch gedenke» des Alt meisters der deutschen Politik, Bismarcks, dem wir diese heilig erustcn Stunde» verdanken. Wie würde sein blaues Auge leuchten, wenn es sähe, wie dieses sein deutsche» Volk einig geworden ist, wie über all dem kleinen Streit die stolze Vaterlands lieb« sich erhebt und allen Streit hinwegspült! Auch unsere nationalliberale Partei, die Bismarcks Banner solange trug, kann heute Nolz sein. Ihr ist in diesen Tagen so manches Saatkorn apf gegangen, das wir in nimmermüder Arbeit in die Kerzen des Volkes gelegt. Wenn wir die Zeiten an uns vorüberziehen lasten, da Bismarck sich um jede kleine Heeresvorlage streiten und abmiihen mußte, und sie vergleichen mit dem Jetzt: welcher Wandel der Zeiten! Er ist zurückzusühren auf die Arbeit eines Bismarck und einer Partei, die seine Saat mii aussireuen half. Fürwahr, eine gerrxrltig« Zeit ist's, die wir durch leben! Wir alle haben bas Empfinden, wir, die wir draußen im Felde standen und stehen, und die daheim geblieben sind: das deutsche Heer wird aus diesem gewaltigen Kncg ein neues, größeres Deutschland nach Hause bringen. Eine so große Zeit wird nicht fvurlas vorüber gehen, sie wird das deutsche Wesen ver tiefen und manches abtun, was an Schlacken uns anhoftet. Kaum eine Familie gibt es, di« nickst schwere Verluste zu beklagen hat, aber über dies aller hinweg, über bas Schwere, das den Familien auf erlegt wird durch den Tod oder Verwundungen der Angehörigen, hebt uns hinweg das starke Bewußt sein der Sicaesnotweudiqlcit, die Gewißheit, daß wir siegen werden und müssen, dak wir über eine Welt von Feinden triumphieren mästen. Darum bluten wir, und wir w sten cs: Siegreich w'rd der deutsche Adler seine Schwinoen entfalten und aussteigen zu stolzerer Höhe als je. Und wir werden die Länder, die gedüngt sind mitdeutschem Blute, re st zu halten wissen auch für alle Zukunft. Die heiße Liebe zu unserem deut'chen Vaterland macht uns stark, die größten Omer m brinoen. Mögen wir darum aber auch fest halten, was wir errungen, und dazu erwerben, was wir brauchen. Heber den blutigen Krieg zum herrlichen Sieg — das sei die Losung der großen Zeit!" Prinz Zrie-rich Christian von Sachsen un- sein toter Kamera-. Gleich zu Beginn des Krieges zogen auch die beiden ältesten Söhne des Königs Friedrich August. Kronprinz Georg und der zwanzigjährige Prinz Friedrich Christian, mit den sächsischen Leibgrena dieren ins Feld. Am 30. August hatte das Leib regiment seinen Ebrentag. Es kämpfte erfolgreich bei der Erstürmung der höhen von B. Es hatte schwere Verluste, und unter den Gefallenen befand sich auch ein junger Leutnant, ein Freund des jungen Prinzen Friedrich Christian, der so eben erst auf dem Schlachtfelds zum Offi zier befördert worden war und noch den Fähnrichsrock trug. Am Abend nach der blutigen Schlacht kommt der Vater des Gefallenen, ein hoher Offizier im Divisionsstabe, zum Leibregimcnt geritten. Er ahnt es. daß lein Sohn geiallen ist, kann aber keine zuverlässige Nachricht erlangen und muß in der Nacht zum Stabe zurück. Dem Prin'en Friedrich Christian läßt es keine Ruhe Als noch das Dorf, um dessen Besitz die Sachsen gekämpit, im Feuerbrand glüht, fährt der Prinz nach dem Schlachtfelde, um den vermißten Ne imentslamsraden zu suchen. Er sucht, er fragt, er findet ihn nicht, lehrt aber am nächsten Tcme zurück und hat einen Arzt und mehrere Krankenträger mitgenommen. Die Nackforschungen werden fortgesetzt Sie kommen «uf die Höhe, wo die Schlacht am stärksten getobt, an einen Schützengraben, der Greradiere und Schützen im Tode vereint hat, und hier oben steht die Herne Sckar, während rings umher die Kanonen brüllen, plötzlich vor einem einsamen Grab, das ein schlichtes Hol kreuz trägt „Hier ruht ein Offizier vom Leib- regiment" ist seine Inschrift. Der Name fehlt. Des Prinzen Begleiter entfernen die dünne Erdschicht, und erschüttert blickt Prinz Friedrich Christian in das gebrochene Auge seines Regimentskameraden Die Leute schneiden Bretter zu einem Sarge zusam men. dann beiten sie den Toten in Reisig und Blumen, ein Kreuz auf die Brust — der Sarg wird ge schlossen. Und nun wird der tote Kamerad im prinzlichen Kraftwagen ruhig, ganz ruhig an eine sichere Sielle gefahren. Sie findet sich nm Südausgang des Dorfes an einem Wcgekreu'. Ein Hügel. Bäume ein Kruzifix steht da. Ter Kranwagen hält. Dorthin tragen sie den Sar^>, da betten sie ihn — der Prinz spricht tief ergriffen herzliche Worte — ein lautes Vaterunser — die Erde darauf Ein Holzkrcrn darüber: „Hier ruht . . ., Leutnant im Leibregimcnt, gciallen am 30. Au-iust bei der ruhmvollen Erstürmung der Höhen von B." Sie kehren heim. Der erste Gang Vie aeuiscde Art. lös Ein Roman aus unseren großen Tagen von Paul Burg. Eli! friedliches Manöverbild, fern von allein ^riege. Nur das schlichte Feldgrau der Uni-, wm mahnte die lunge Frau daran Ja Frank- ich liegen sic in den Schützengräben, Jäger und Infanteristen, Erhardt und Reinhardt, nufere Männer nnd Brüder . . . Ein paar Soldaten winkten zn ihr herauf nnd zeigten lachend nach dem Hause hin. Sie beugt,- ini> neugierig aus dem Fenster. Unter dem P,ir- ichbaum spielten drei Artilleristen Karten. Gol- >z leuchteten die reisen Früchte im grünen Gc neige. Elena erschienen sie wie feindlich, Km- grln, das sichere Verderben, das über dem raupte der Soloaten hing. Erschreckt schloß sie das Fenster. Abends Iain der Leutnant, ein Mann in den Dreißigern, mit ernstem Gesicht. Er war Privat- dozent in Berlin, nnd schenite der Bücherei Er. liardtS sofort seine ganze Aufmerksamkeit. Als der.Kammerherr aber noch fp.it auf ein Stünd chen hcraufkam, gerieten die beiden Männer bald in ein scharfes Debattieren über den Aninmrfch der Heere und die Stärke der Feinde. „Wir wissen gar nichts, kein Gefreiter nnd lein Major. Keiner kann sagen, ob wir nach Metz oder nach Thorn, nach Kiel oder sonst, wohin verladen werden. Wir haben jeder einzelne «einen Befehl und führen ihn aus, ans den Punkt und die Minute. Es kommt alles von oben her, und die scheinen za ainli recht gut zn wissen, was sie vor. haben." teile. Fragen Sic jeden Mann; er hat sein Wol len, seinen Mut. Der Kaiser kann sich ans jeden Soldaten verlassen." „Und keine Ausschreitungen!" „Es war gut. daß man den Alkohol ver boten haue; manche tun sich leicht zuviel an. Und dann lähmt es ja auch die Spannkraft bei dieser Hitze. Freilich die ewige Limonade ist auch nicht das Rechte." „Na, warten Sic nur, wenn sie sich erst an dem schönen offenen Landnwin in Frankreich laben können!" — „Darauf freuen wir uns alle. Aber wem der Wodka in Russisch-Polen blüht!" Bald waren sic wieder in ein strategisches Gespräch vertieft, und Elena ließ die beiden kriegerischen Männer allein. Sie sand die alte Erzellenz vor einem großen Rcchnungs'iiche. „Es sind schm, mehr als zwanzigtausend Mark Gaben von kleinen und mittleren Leuten in unserer Sladt für das Note Kreuz gezeichnet. Rechne dazu die sehr beträchtlichen Spenden der Reichen und des Hofes! — Aber wir brauchen noch viel, viel mehr . . . Heute hat mich die Durchlaucht beauftrag,, einen' regulären Francndienst einzurichten. ^"n wirst doch mittun, liebes Kind?" -- „Da fragst du noch, Oma! Wer denkt denn jetzt noch an sich, an seine Pläne und Wünsche? — Hast dn mich schon einmal wieder bei meinen nud ErlzardtS Büchern ge- sunden? — Nicht einmal abgestäubl habe ich sic mehr. Was sind denn heute noch Bücher, gc. lehrte Forschungen —? Wer soll sic schrc> 'en, wer hat Zeit, sic zu lesen, wo die ganze Welt in einen solchen Krieg ru üinlt i''" Mit nnverholcner Freude ja" die alte Er. zellenz den mutigen Eifer ihrer Enkeltochter. „An dir, liebes Kind, erkenne ich, wie wahr der alte Zimmern spricht und alle die einsichts vollen Männer in den Zeitungen mahnen: Es muß ander- werden mit uns Deutschen' Dn weißt, wie wir manchmal e,n wenig in Streit miteinander gerieten über eure ganz verdrehten Der Kammerherr erzählte von den unauf. hörlichen Truppenzügen, bewunderte die Ruhe nnd Ordnung in allen Bewegungen. „Wie ein Uhrwerk mit Millionen Rädchen. Sie gehen alle nach einem Takt. ES muß eine Lust, aber auch eine Riesen laft sein, in diesem Uhrwerk die Seele zu heißen." „Und dabei sind wir kdre taten Maschinen. Ansichten. Du hast mir oft zu verstehen gegeben, daß im deinem Manne beim Biicherschreiben eine nützlichere Lebensgefährtin sein kannst, als wenn dn dich in der Wirtschaft umsiehst nnd selber zufaßt, wo cs nottut. Kind, ich harte mich schon mit dem Gedanken abgejunoen, daß euch Frauen in diesem Jahrhundert ein Schrank voll Bücher lieber ist als ein voller Wäscheschrank und das; ihr bei der Aussteuer mehr auf die Schreib, maschine, als ans die Nähmaschine seht. Ihr Frauen von heute haltet euch eine gute Köilün, vielleicht auch eine Hausdame, fertig. Ja, mein gutes Kind, das wird nun alles ganz anders werden. Eure Männer und Brüder liegen ja im Felde. Und wir hier zu Halise, wir Frauen, weiden den Krieg bald noch deutlicher fpiiren als an der lauten Begeisterung und an der allgemeinen Gcbcfrcude. Wir müssen nicht bloß alle unsere Herzen auftnn. Wir sollen auch die Hande rühren. Jetzt wird manche schreibgewohnte nnd kunstg nbtc Frauenhand das Striimvwstricken lernen. Und wenn dann Lina ihre Stunde erwartet, wird sich meine gute Elena mit mir in das Kochen, Warten nnd Kinderpflegen teilen. Dabei lannst du nur für dich selber lernen. Und wenn uns der liebe Golt nicht Helsen sollte . . . wenn wir den Feind ins Land kriegen, — — — dann wird man vielleicht alles ver. lieren, wird froh sein, das Leben zu behalten und wird sehen müssen, wie man sich kümmerlich mit fernen Händen nährt." Elena warf die Nadel hin, mit der sie an des Leutnants geplantem Handschuh hernmge- stichelt hatte. „Oma, das nicht! Wenn die Russen ins Land kommen »der die Franzosen . . . Dann seht ihr mich nicht lange mehr. Dann ist alles verloren, alles. Ich gehe bei Nacht aus dem Hause, ins Wasser!" Beschwörend hob sie den Arm, und ihre Angen flammten die alte Frau an. Aber die hielt ihnen ruhig stand. „Wie du redest, Elena!? Wenn dann nun dein Mann ivieder- koinmt ? Wenn auf die schwersten Zeiten, die wir erleben könnten, ein Umschwung kommt, I wie cs 181l> nach dem schlimmen Jahr von Jena geworden ist? Dann hat Frau Elena von Jagemann vorher die Flinte weggeworscn. Nein, mein gutes Kind, so pflichtvergessen sind die deutschen Frauen noch nie gewesen und haben doch schon io furchtbar schlimme Kriege durchgemacht, so viele Feinde im Lande gehabt. Du bist doch so gelehrt in der Geschichte, kennü dn den Dreißigjährigen Krieg nicht? — Und den Siebenjährigen ? Muß ich alte Frau dich erst daran erinnern, das; cs imwcr Frauen un>> Mädchen in Deutschland genug gegeben hat, die soviel Mut und Hoffnung behielten, dies« schliw men Jahre capser zu überleben! Jenen Heldinnen verdanken wir. alles, was wir haben, dn unkluges Kind. Und ihr, ihr Frauen von heute, wollt das wegwcrfen wie eine faule Frucht? — Wer Hal denn nun den größeren Mut, du oder dein Mann? — Du sitzt nach wi>' vor in deinem Hause und Daterlande, nicht.- acht dir ab. Und dein Mann? Er ha; Büche.: mrb Weib und Heimat gelassen, opfert sich hin für dich, für uns! Elena, sür wen sterben unsere Männer?— Für das Vaterland, für uns!" „Oma, sprich doch nicht immer vom Ster ben!" hob die junge Fran bittend beioe Hände auf. Da zog die alte Erzellenz sie an sich. „Ich mns; davon sprechen und will eS iroch ost tun. In unfern Tagen hat alfe-Z ein anderes Gesicht, auch das Sterben Höre mir einmal zu: Heute war ich bei der Frau von dem Schmiede an der Walditraßc. Sie soll mit im Frauendienst helfen. Diese Frau ist eine and re als ihr. Der Mann geht freiwillig mit, weil es an Husbeschlägern manczelt; er weiß das von Siebzig. Einer von ihren Söhnen sitzt in Kiautschou nnd kann nicht Heini, einer ist Maat auf lzvher See, war schon ein ganzes Jahr nicht zu Hause. Und die beiden Jüngsten gehen jetzt mct dem Regimcnte unseres Fürsten. (Fortsetzuna i« du Morgenausgabe'
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