Suche löschen...
01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 22.02.1932
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1932-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19320222010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1932022201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1932022201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-02
- Tag 1932-02-22
-
Monat
1932-02
-
Jahr
1932
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 22.02.1932
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
TankansM »ei S»miMi Keine Grfolve -er Japaner Schanghai, Sl. Febr. An der Tfchapei-Yront, die tu der Nähe der internationalen Konzession liegt, war es bi» in die Spätabendstunden hinein ruhig. Ein« unmittelbare Gxsahr für die Bewohner der internationalen Niederlassung rvllrde erst entstehen, wenn die Japaner nach einem Durchbruch bet Klangwan gegen die bel Tschapei ver- schanjte» Chinesen vorstoßen wttrden, da dann die Nieder» lassung in die japanische Feuerltnie kommen müßte. Die Chinesen leisten bet Kiangwan» beste» Einnahme »»« den Japanern gester» behauptet, heute aber von ihnen selbst widerrusen wnrde, Heldenhasten Widerstand. Im Lause des Sonntags gelang eS den Japanern, nur etwa 1SÜ Pieter vorzudringen, obwohl sie schwere Artillerie und Tanks eingesetzt hatten. Die Chinesen erlitten nur verhältnismäßig geringe Ver luste, da die erste Grabenlinie nur schwach beseht war. Im verlaufe deS Kampfe- war es den Chinesen ge lungen, eine japanische Brigade durch Umgehung in eine so gefährliche Lage zu bringen, daß General Uyeda seine Pläne ändern und eine wettere Brigade in diesem Abschnitt zum Einsatz bringen mußte. Die Japaner benutzten bet ihren Angriffen Nebelt öpfe und Tanks, doch konnten die letzteren wegen deö sumpfigen Geländes wenig auSrichten. Nach chinesischen Berichten haben die Japaner vier rank» ««» zmet Flugzeuge verloren. Sin sapanischer Tanka »griff auf den Norbbahnhof Ist in Vorbereitung. Die chinesischen Behörden erklären, daß die Truppen dringend Gasmasken benötigten. viSher konnte aber noch kelne Bestätigung für die chinesische Behauptung erlangt werden, daß die Japaner Gas- granaten verwenden. Auch in die internationale Niederlassung sind «inige Granaten gefallen. Einige Chinesen wurden getötet, andere verwundet. Eine Granate siel in «ine Schar spielender amerikanischer Kinder, glücklicher weise ohne zu explodieren. Zwei Schrapnell» ristrn den Garten de» VIzeches» der tnternationalen Polizei aus. Sein zweijähriger Sohn, der gerade im Garten spielte, kam ohne Schaden davon. Siu nicht enbeuwollenbe, Strv« »»« Flüchtlinge« bewegt sich durch di« iuternatioual« Niederlassung. Die in Eile organisierten FlüchtlingSsammelpunkt« konnten gegen Abend den ständigen Zustrom kaum noch bewältigen. 8000 Chinesen sind allein im Gebäude der Continental-Bank untergebracht. Sie liegen aus dem Boden oder sitzen wie betäubt an den Wänden. Chinesische Kampfberichte werden fast stündlich veröffentlicht. Anschluß -er Monvolei an -le man-schurische Republik M«kde», 21. Febr. Die «ertreter der Mongolei i« Mukde» habe» am Freitag der mandschurischen Republik «tue Erklärung übermittelt, In der e» heißt, daß sie als Ber- treter der Junen, «nd Außeumvngolei sich bereit erklären, der mandschnrischen Republik beiz«, treten. Sie wurden ihr« Vertreter nach Mulden entfenb««, nm die gemeinsame Verwaltung der Mandschurei «nd der Mongolei zu besprechen. Gesallenenye-rnkfeter im Reichstag Berlin, 21. Februar. Im Mittelpunkt der Wethestunbe ^nn Gedächtnis an dte Gesallenen des Weltkriege- am dies jährigen Sonntag Reminiszere stand die eindrucksvolle Ge denkfeier des BolkSbnndcS deutscher Krieg»- gräberfitrsorge im PlenarsiyungSsaale des Reichs tags. Die würdige Ausschmückung des weiten Raumes er- böht« dte feierliche Stimmung der zahlreich Versammelten, unter denen man eine große Anzahl von Vertretern der Reich--, Staats- und Kommunalbehörden bemerkte. Um die Rednertribüne und an den Seiten des Sitzungssaales hatten die Vertreter derakademischenJugend von 116 studen tischen Verbindungen Aufstellung genommen, desgleichen eine Abordnung des Retchsheereö mit den Fahnen der alten Berliner Regimenter. Kur, vor Beginn der Feier betrat Reichskanzler Dr. Brüning sowie «inige NetchSminifter den Saal uub «ahme» am Regierungstisch Platz. Pünktlich «u, 12 Uhr erschien in der Präsidentenloge Reichspräsident v. Hindenburg mit seinem Gefolge. Der Vizepräsident de» Reichstag», v. Kardorff, «nd Reichswehrminister Groen er nahmen an der Seite de» Reichspräsidenten Platz. Tie Feier begann weihevoll. Musi kalische und gesangliche Darbietungen des KnSleckschen BläserbuudeS und der Berliner Liederiaiel nmrabmten die Gedenkansprache des evangelisch. FeldprobsteS des Heeres und der Marine, Tr. Schlegel. Ter Redner führte u. a. aus, daß die Todesopfer unserer gesallenen Brüder cingeströmt seien in die Geschichte unseres Volkes. Mit Ernst »nd Hin gabe müßten wir erfahren, was einst geschah nnd was heute geschehen müße. Tie schicksalsschwere Zeit, die wir jetzt durch leiben, hätten wir kommenden Geschlechtern gegenüber zu verantworten. Ter Opfertod nnserer gefallenen Helden er mahne uns, der Not der Zeit entgegenzutreten in festem Glauben an dte sittlichen Kräfte unseres Volkes Unser sei Li« Hoffnung, baß das Kreuz uns in die Höhe führe. I« Anschluß an die Feier schritt brr ReichSpräfide«1 die Front der Ehrenkompagnie ab, dte vor dem RelchStagSgebände Aufstellung genommen hatte. Bon der zahlreichen Menscknmmenge wurde der Reichspräsi dent beim Erscheinen begeistert begrüßt. Tem Gedächtnis aller, die in Kriegsgefangenschaft den Tod erlitten, galt eine Feier im würdig geschmückten Plenar saale des ehemaligen Herrenhauses zu der die Reichsveretnt- Stahlbclm veranstaltete seine Kundgebung im Sport palast, der H a u p t k r t e g e r v e r b a n d im Schauspielhaus, die vaterländischen verbände im KonzerihauS Clon. Andere große Gedenkfeiern fanden statt im Berliner NathauS, in der Hochschule für Musik, im Kriegervereinshauö usw. Vel-enye-enkfeier in Genf Ansprache des Botschafters Nadvl«» Gens, 21. Febr. Zu einer schlichten Gedenkstunde für dte Gefallenen de» Weltkrieges hatte sich beute die deutsch« Kolonie am deutschen Helbendenkmal auf dem Friedhof St. George um den deutschen Vertreter aus der Abrüstungs konferenz, Botschafter Nadolny, versammelt. Der Bot- schafter legte im Namen der ReichSregierung «inen Kran» am Denkmal nieder und gedachte in einer Ansprache, die auf dte Anwesenden einen tiesen Eindruck machte, der deut- scheu Helden, die für die Verteidigung des Vaterlandes ihr Leben geopfert haben. Dietrich zur finanzpolitischen Lase Verli«, 21. Februar. Aus einer Tagung de» Gesamtvor- ktandeS der Deutschen StaatSpartei sprach ReichS- stnanzminister Dietrich auch zur sinanzpolittschen Lage. Besonders bet den indirekten Steuern habe sich ein Notstand ergeben. Nachdem gewisse Fehler bet der Tabaksteuer beseitigt seien, seien die Zigarren und Zigaretten wieder «in gutes Lteuerobjekt geworden. Sehr viel ernster aber lei die Lage bet B t e r u nd B r a n n t w e i n. ES müsse damit ge rechnet werden, daß die Biererzeugung von öd aus 80 Millio- nen Hektoliter sinke und daß der Branntwetnverbrauch aus unter ein Fünftel de» früheren Verbrauchs heruntergehe. Der Minister betonte weiter, daß die Rekonstruktion der Großbanken, die am Montag erfolge, in einer Weise geschehen solle, dte die Gewähr dafür biete, daß die Banken in Zukunst ihre grobe volkswirtschaftliche Ausgabe ersüllcn könnten. Aus wirtschaftspolitische Fragen eingehend, erklärt« der Minister, daß die Verteuerung der Butter durch den neuen Zoll gewiß bedauerlich sei, daß aber etwas für die bäuerliche Veredelungswirtschast geschehen müße. AdrlSgenvsseMaft und RrüsibentenwW SSnigöberg, 21. Febr. Der AdelSmarschall von Berg- Mar kirnen ist als Vorsitzender der Deutschen AdelS- genossenschaft zurttckgetreten. Dem Königsberger Vertreter der TU. gab Herr von Berg dazu folgende Erklärung ab: ,Zch hatte einen Ausrus für die Wiederwahl des Feld- marschallS von Hindenburg erlassen. Ich habe dies damals getan in dem Glauben, in der unbedingten Sicherheit, daß selbst, wenn die damals geführten Verhandlungen über ein NcchtSkabinctt sich zerschlagen würden, der Feld marschall keinesfalls gegen die Rechts. Parteien die Kandidatur annehmen würde. Jetzt haben die Verhältnisse gewissermaßen gegen mich entschieden, und infolgedessen habe ich diese Kvnsegnenz gezogen. Ich halte den Zustand, der durch die Annahme der Kandidatur des FeldmarschaNS gegen rechts erfolgt ist, für sehr un glücklich." NalieaM-iaUmB und LemMamteattm Die Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Beamter, Gruppe VleichSsinanzverwaltung, veranstaltete am Sonn abend im Palmengarten eine Versammlung. Der Saal war bi» auf den letzten Platz besetzt. Al» Redner war Regie- rungSrat Dr. Zschaler vom LanbeSsinanzamt Leipzig ge wonnen worden. Die Freiheitsbewegung Adolf Hitler», be gann er, ist keine Partei im üblichen Sinne, sondern um schließt eine Weltanschauung, die die Geisteseinstellung über, winden soll, die Deutschland in den Abgrund geführt hat. Der Liberalismus hat »um Kampfe aller gegen alle geführt, den Gemeinstnn gestört, den Egoismus großgezogen. Sr kann nur gedeihen im Verein mit Demokrat» und Libe ralismus, denn er duldet keinen übergeordneten Staat, keinen höheren Organismus, dem man zu dienen hätte. Der marxistische Sozialismus ist in jahrzehnte langer Zusammenarbeit »um Schleppenträger de» Liberalis mus und der Hochfinanz geworden: den echten GozialiSmu» hat er verraten, und niemals ist eS den breiten Massen in Deutschland so schlecht gegangen wie in den dreizehn Jahren, wo Liberalismus und Sozialismus jetzt herrschen. Dte Hitlervewegung setzt dem Materialismus den Idealismus entgegen, dem Internationalismus die völkische Gebunden heit. In groben Zügen schilderte der Redner sodann die welt anschaulichen Grundsätze der NSDAP, auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiete. Das Dritte Reich werde nicht an einem einzigen Tage gebaut werden können, stünden wir doch aus einem Trümmerhaufen, der erst beseitigt werden müsse. Im Staat« bestehe eine enge Schicksalsgemeinschaft zwischen allen Ständen. Ein Glied in deren Kette sei die Beamtenschaft. Der Nationalsozialismus, erklärte der Red ner, hält fest am deutschen Berufsbeamtentum, wie «S Preußenköntge geschaffen haben, und das vorbildlich für dte ganze Welt geworden ist. ES gibt kein größeres Unglück sür ein Volk, als daß das Beamtentum korrupt wird, wie e» leider teilweise die Folge der Parteibuchwirtschaft ge wesen ist. Kommt der Nationalsozialismus zur Herrschaft, werben die Parteibuchbeamten in Hohem Bogen hinauSsliegen. iGtürmtscher Beifall.) Di« Nationalsozialisten würben, fuhr ber Redner fort, vielfach gefragt, was Ne für ein« Be lo ldungSorbnung einsühren würden. Sie sähen die Proletarisierung der Beamten als «in Unglück sür da- Volk an. Sie lehnten eS ab, Versprechungen zu machen, denn wenn Ne jetzt zur Macht gelangten, übernähmen Ne ja «inen Staat mit leeren Kassen, und auch sie müßten von dem Vor handenen auSgeben. Sichcrstellen würden Ne die Alters versorgung und Hinterblicbenensürsorge. Ausführlich verbreitete sich dann ber Redner über die Erfordernisse, die ber Nationalsozialismus an Pflicht erfüllung, berufliches und außerberuslicheS Auftreten der veamten stellen werde. Er werde aber auch den Beamte« schützen gegen Beamtenhetze und hosse, daß der Beamte im Dritten Reiche wieder anerkannt werden werbe als Freund und Berater de» Volksgenossen. Die Nationalsozialist«« sind nicht gegen die Beamtengewerkschasten, fordern aber von ihnen politische Neutralität. Noch immer tauchen Be denken auf, ob man als Beamter zur Hitlerbewegung gehe« könne. Der Nationalsozialismus wird niemals andere al» legal« Wege mehr gehen, gibt ihm doch sogar die jetzige Ver fassung das Recht, nach ber Erringung ber Mehrheit «in« bessere Verfassung an ihre Stelle zu setzen. Dem Gemein wohl bienen: da» ist letzten Endes die Quintessenz der nationalsozialistischen Bewegung. Da» ist aber auch der Leitstern de» Berufsbeamtentum». Der Redner schloß mit einem begeisternden Appell, aufzugehen im Dienst« am Vaterlande: Der einzelne ist nichts, Deutschland ist alle». Dte Bollspartei zur Präsidentenwahl Dresden, 21. Februar. Der Wettere Vorstand de» OrtöverctnS Dresden ber Deutschen Volkspartei behandelte in seiner letzten Sitzung die sich au» der Reichs- Präsidentenwahl ergebenden politischen Fragen, über die LandtagSabgevrdneter Dieckmann referierte. Der Red- ner umriß die Stellungnahme der Deutschen Volkspartei dahin, daß sie den Kamps um den politischen Kur» der ReichSregierung von den Kämpfen um Hindenburg getrennt wissen wolle. Die Vermengung dieser Kämpfe bedeute ein« Gefahr sür die nationalen und staatlichen Interessen Deutschlands. Mit der Deutschen Volkspartei werde eine große Mehrheit de» Volke» eS von sich weisen, zum Nach folger Hindenburgs einen Partetmann zu machen. Da« Format der von Parteigruppen bisher benannten Partei kandidaten reiche in keinem Falle auch nur entfernt an die Persönlichkeit Hindenburgs heran. Hochbegabt in Pflicht und Treue sei Hindenburg wie Stein des gebeugten Vater- landcs ungebeugter Sohn, demütig vor Gott, hochherzig vor Menschen, der Lüge und des Unrechts Feind. Es sei vater ländische Pflicht, mit allen Kräften dafür zu sorgen, daß diese große deutsche Persönlichkeit Hindenburg» weiter an ber Spitze des Reiches stehen und Führer der Deutschen bleiben könne. Der Erfolg eines Siebzehnjährigen Gottlrle- Müllers „Vlalm" lm Opernhaus Die Dresdner Philharmonie gab zum Besten ihrer Pensionskasse am gestrigen Sonntag eine Morgen feier im Dresdner Opernhaus. Generalmusik, üirektor Fritz Busch hatte selbst die Leitung übernom men, die Staatökapelle lieh kollegiale Verstärkungen und der gemischte Chor des Lehrergesangveretns trat eben falls in den Dienst der Veranstaltung. Ten Schluß- und Höhepunkt eines mit diesem großen Apparat gegebenen Konzertes bildete eine Uraufführung. Man hörte erstmals den 0 0. Psalm für sechs stimmigen gemischten Chor und große» Orchester von Gottfried Müller. Gottfried Müller aber — und das war nun die seit Tagen viel besprochene sensationelle Seite der Sache — ist erst 17 Jahre alt. Ist ein von Fritz Busch entdeckte» »Wunderkind" der Komposition. Beispiellos ist die Tatsache nicht, daß kompositorische Be gabung schon so früh zu aussührungSretsen Werken führt. Mendelssohn war auch erst 17 Jahre alt, al» er die Ouver türe zum „TommcrnachtStraum" und damit eigentlich das genialste Stück seines LcbcnSwerkeS schuf. Seltener ist es schon, daß solche Frühwerke dann auch sogleich zur Ausfüh rung gelangen. Aber Sonntagskindern der Musikerschast ist auch dieses Glück schon früher zuteil geworden. Richard Strauß war ein 17jähriger Unterprimaner, als General musikdirektor Levo mit dem Münchener Hosorchester leine T-Moll-2infonie ans der Taufe hob. Immerhin: eS sind keine schlechten Namen, auf die man kommt, wenn man Ver gleichspunkte zu dem gestrigen Ereignis sucht. Zumal man in diesem Zusammenhang auch noch an Mar Neger erinnern möchte, mit dem da» jüngste Dresdner Talent die frühzeitige Einstellung für ausgeprägt polyphones Musikempfinden gemein hat. Trotzdem: diese Einstellung ist vielleicht da» Eigen artigste und Persönlichste deS „Falles" Gottfried Müller, da sie sich vorerst fast bis zur Einseitigkeit gesteigert bekun- det, und außerdem, was beim jungen Reger nicht der Fall war, so ausgesprochen in religiösen Stimmungen wurzelt. Selbst wenn man „Umwelt und Vererbung" in Rechnung zieht — insofern nämlich Gottfried Müller einem bekannten Dresdner musikalischen Pastorenhau» entstammt —, selbst bann erscheint e» noch «reigniShaft. mit welcher Inbrunst, Reine und Tiefe diese» jugendliche KUnstlergemM i« rett- Böse Stimmungen sich zu versenke« vermag. Und da» ist e» auch schließlich, wa» den Eindruck seine» Werkes über alle Sensation und alles Interesse an tech nischer Frühreife hinaus zu einem wirklichen inneren Er lebnis machte: daß man da» Ringen einer jungen Seele nm die Verlebendigung höchsten Idealen zugewandter Ge fühls- und Gedankenwelt spürte. Da» etwa halbstündige Werk baut sich in fünf Sätzen auf. Der Anfang: „Herr Gott, du bist unsere Zuflucht", ist als eine Art feierliches Maestoso gegeben, mit einem be wegteren Mittelteil. Die Wiederkehr des Hauptsatzes er gibt eine schöne geschlossene Abrundung. Der zweite Satz: „Der du die Menschen lägest sterben", atmet schwere, düstre Adagiostimmnng, der dritte: „TaS macht dein Zorn", ist ein leidenschaftlich erregtes Allegro, doch durch Gegensätze reich gegliedert: mit einem schönen, lyrischen, kanonischen Duett inmitten auf die geklügelten Worte: „Unser Leben währet siebenzig Jahre" nnd mit einem fast scherzohakten Moment: „Wir bringen unsere Jahre zu wie ein Geschwätz". An vierter Stelle gewinnt das „Lehr' uns bedenken, daß wir sterben müssen" wieder schwer lastenden, tiefernsten Cha rakter, während der Schlnßtetl: „Fülle uns srlth mit deiner Gnade", zunächst fast heiter und fröhlich, mit lichten zV-cappella Klängen einsetzt nnd sich streckenweise jubelnd steigert. Zuletzt aber aewinnt dte feierliche Maestosostim- mung des Anfangs wieder Raum und führt zu eineüi macht, vollen AuSklang. Die Formen, mit denen diese fünf Sähe erlasst werden, sind der AnsdruckSwelt Bachs abgelauscht, doch selbständig gestaltet. Und zwar mit einer unheimlichen kontrapunkti- schen Technik, dte nicht nur bet einem so jungen, sondern auch bei jedem reifen Musiker bestaunenswert wäre. Man kann natürlich da» so aus'S erste Mal gar nicht alle» gleich erfassen. Einfache Fuge da, Toppelsuge dort, schließlich gar Tripelfuge, auSgestattet mit assen möglichen Künsten, aber doch auch wieder frei und kühn, durchaus nicht schulmeister lich, sondern selbst in der Gestaltung noch mit jungem Herzen erfaßt. Gewaltig viel Noten allerdings, nnd vor allem klanglich etwas sehr au» dem Vollen schöpfend. Da» große Orchester ist meist wie eine riesengroße Orgel behandelt, die Klang- gruppen werben wie Register „gezogen" Der sechSsttm- mige Chor sing« fast durchweg in voller Entfaltung, wird nur selten einmal etwa» oufgelockert. Klangwirkungen und Steigerungen von gewaltigem Ausmaß kommen dabei heraus. Sie wiederholen sich freilich und stehen sich dadurch gegenseitig im Licht: aber da» ist eben jugendlicher Ueber- schwang, und al» solcher nur echt und sympathisch. Eigen artig «ach bi« Harmonik, durchaus tonal, aber mit kirchrn- tonartigen Färbungen: man hört phrygisches E-Moss, dori sches A-Moll. Und selbst die letzte pompöse E-Dur-Steige rung bleibt beim phrygischcn Schluß. Auch sehr eindrucksvolle Orgelpunktwirkungen ergeben sich: besonders der Anfang über dem obstinaten E der Pauk« und der Bässe ist ein riesenhaftes, kühn ausgetürmte» Ge bilde dieser Art. Hier wie auch sonst viel malerischer Aus druck. Der Sturm fährt in gleitenden Bloltpftguren dahin, das verdorrende Gras welkt in gespenstisch leeren Bläser akkorden, der Zorn Gottes erdröhnt in zerschmetterndem Fortissimo und unmittelbar daneben zittert menschliche Ver gänglichkeit in wesenlosem Pianisstmo auf. All das nun wirklich zum Klingen zu bringen, bedeutet für dte AuSstthrenden nun natürlich eine gewaltig« Auf gabe. Besonders für den Chor, von dem auch ganz nach oachischem Muster, instrumentale Geläufigkeit und Sicher- hett Lesordert wird. Und hoch liegt die Sache teilweise süt dte Sopranei Aber daß diese Schwierigkeiten zu lösen Nnd, da» hat bi« Ausführung gezeigt, die unter begeisterter Hingabe aller Beteiligten sich zu schönstem Gelingen burchrang. Unter vollem Einsatz seiner Persönlichkeit, den riesigen Apparat von ctwa b<>0 Mitwirkenden überlegen meisternd, stthrt« Fritz Busch die musikalische Leitung. Mit entfesseltem Tem perament holte er an Wirkung heraus, iva» irgend in ber Partitur steckte. Dem Chor und dem Orchester aber merkte man die Freudigkeit an, mit der sic dem Werke eines fugend- ltchen KönnerS und Enthusiasten dienten. Für das Solo duett im dritten Satz waren die schönen Stimmen von Erna Berger und Helene Jung eingesetzt. Da» vornehme Publikum im ausverkauften Hause aber stand vom ersten Takt an im Bann eines ungewöhnlich stimmungsvollen Erlebens. Der junge Komponist wurde stürmisch geseiert mit Beifall und Blumen. Er hat beides in reichem Maße verdient. Und nm zum Schluß die Angelegenheit auch in allgemein zeitgeschichtliche Beleuchtung zu rücken: Heute, wo ein so großer Teil ber Jugend einseitig übertrieben nur an Sport und leichtes Vergnügen denkt, wo der Jazz regiert «nd wo das politische Leben kulturwidrige Kämpf« wie bt« Gott- losenbewegung zeitigt, hat «» wirklich etwa» Beglückendes, man möchte sagen Beruhigende», wenn einem dann plötzlich wieder Erscheinungen wie dieser idealistische siebzehnjährig« Psalmenkompontst Gottfried Müller begegnen. Und wen« man erlebt, wie die aus» Publikum wirken, wie sie verstan- dem geschätzt, geliebt werden. Da gewinnt man bann bt« Ueberzeuguna, baß doch immer wieder RegeneratlonSkräkt« im deutschen Volke lebendig «erde». Ma« braucht de» St».
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)