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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 16.02.1932
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1932-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19320216016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1932021601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1932021601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-02
- Tag 1932-02-16
-
Monat
1932-02
-
Jahr
1932
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 16.02.1932
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1L 5tz»ikA« Rermtschtes M ^EchMMl jtypM" Amerika geht mit der Verwendung der „Schienen» Zeppeline* der ganzen Welt voran». Schon bi« ersten Probe» versuche der Wagen von 1iruckenberg haben in Amerika da» größte Aussehen erregt, denn man war in diesem Lande der Technik davon überzeugt, Last hier ein Wagen geschassen wurdh der zum erstenmal während de» 100jährigen Bestehen» der Eisenbahn «in neue» Prinzip verwtrkltcht. Nun ist die Stabt Philadelphia daran gegangen, derartige Waaen für «ine Untergrundbahn zu verwenden, durch die Philadelphia mit dem Ort NorriStown verbunden werden soll. Die Gesamt, strecke beträgt LS Kilometer. S» werben allerdings nicht deutsche „Schtenen-Zeppeltne* verwendet, sondern Wagen amerikanischer Bauart. St« sind aber völlig «ach de« Srnndfätze« der deutschen Wage« gebaut, die in allen Zeitschriften abgebildet »mb beschrieben waren. ES handelt sich um ganz regelrecht« «Schienen-Zeppeline*. Die Wagen sind au» Aluminium und weisen die Strom« lintenform auf, die den groben Vorzug der Kruckenberglchen Wagen bildet. Sie sehen au» wie gewaltige silbern« Fische. Um ihre beste Form zu stnben, werden im Wtndtunnel de» Aeronautischen Laboratorium» zu Michigan mit zahlreichen Modellen versuche gemacht. E» wurden diejenigen Modell« gewählt, die den geringsten Luftwiderstand bpten, so bab mit ihnen die größte Geschwindigkeit «rretcht werden kann. ES gelang, Wagen zu bauen, bi« bi» zur Höchstgeschwindigkeit von 170 Kilometer in der Stunde leisten. Di« Durchschnitt», geschwinbigkeit wirb auf ISö Kilometer berechnet. Diese Untergrundbahn mit Schienen-Zeppeltnen wird somit »i« schnellste Untergrundbahn der Erd« sein. E» werden zehn Wagen in den Pastagierbienst ein» gestellt. Jeder Wagen faßt V2 Gäste. Di« Einrichtung dieser Untergrundbahn wirb voraussichtlich für den amerikanischen Vahnverkehr große vebeutung haben, denn auf Grund der Erfahrungen, di« man mit der neuen Untergrundbahn machen wirb, planen zahlreich« Stsenbahngesellschasten, ihr«» Eisen bahnbetrieb umzubauen und Triebwagen in Stromlinienform aus Aluminium auch in den Fernverkehr Amerika» etnzu- stellen. Bet den großen Strecken, die in Amerika in Betracht kommen, ist «ine Steigerung der Geschwindigkeit ans 170 Stundenkilometer und mehr von größter wirtschaftlicher vebeutung. Vrln- Sennart von Gchwe-en - „Kerr Vrrna-otttz" An» Stockholm schreibt un» unser Mitarbeiter: Prinz Lennart von Schweben, brr sich bekanntlich schon vor längerer Zeit gegen den Willen de» Königs mit einem Fräulein Nißvanät verlobt hat, wird nun auch gegen den Willen des Königs heiraten. Er ist dabei gezwungen, be» PrinzentttelS und aller seiner Rechte al» schwedischer Prinz, Herzog von Smaland zu entsagen. Der König hätte im übrigen, selbst w«nn er gewollt hätte, da» schwedisch« Hau». gesetz doch nicht ändern können, da» einem schwedischen Prinzen ausdrücklich verbietet, «ine Bürgerliche zu heiraten. Die Heirat könnte auch nicht einmal in Schweden vor dem Standesamt stattstnben, und auch nicht in Deutschland, weil die zuständige schwedische Behörde kein Attest au», stellen kann, daß der Heirat keine Hindernisse entgegen» stehen. Bor einem englischen Standesamt ist dagegen kein solche» Attest notwendig, «S wirb nur gefordert, daß da» Paar 14 Tage vorher in dem Bezirk wohnhaft ist. Der Prinz wirb sich deswegen mit seiner Braut demnächst nach London begeben und dort ohne alle kirchlichen Zeremonien vor dem Standesamt heiraten. Nach der Heirat wird sein Paß aus Herr Bernadotte lauten — immerhin auch ein recht berühmter Name, -er fast ebensoviel verpflichtet. Der junge, wirklich noch sehr junge Herr Bernadotte wird dann für seinen Vater, den Prinzen Wilhelm von Schweben, da» von der Königin Viktoria geerbte Schloß Mainau im Bodensee verwalten, da» bereits nach dem Gc» schmack der Braut umgebaut und eingerichtet worbe» ist. Der junge Herr Bernadotte huldigt im EtnrtchlungSsttl dem Modernen: seine Bibliothek wird er sich mit Stahl möbeln ganz nach dem Schrei „Neue Sachlichkeit* ein» richten. Im übrigen ist er ein begeisterter Autofahrer: lein 240 Np Mercedes-Benz war früher einer der besten Rennwagen CaraeciolaS. ArrMche KrteoSverkütunv Die niederländische Aerztevereinigung hat ein Rund schreiben an die Aerzte der Welt gerichtet, in dem sie er klärt, Krieg ist. eine Krankheit. Darum müssen die Aerzte ebenso wie gegen andere Krankheiten auch gegen den Krieg vorbeugende Maßnahmen treffen. Der Krieg wirb seinen Glorienschein verlieren, den er noch namentlich in den Augen junger Leut« besitzt, wenn die «er»teschaft der Welt prophylaktische Maßnahmen gegen den Krieg mit zu ihren Aufgaben zächlt. Damit würbe die Verhütung Le» Krieges an- dem Bereich der Utopie in den praktischer sanitärer Maßnahmen gerückt. «in kuriof»r Svetterprovkftt Ein schnurriger Kauz ist «in 71jähriger Einwohner von Toronto «amen» William Rabley, der sich anheischig macht, La» Wetter für acht von den zwölf Monaten des Jahre» mit «nsehl-arer Sicherheit vorauszusagen. Er braucht dazu keine zeitraubenden und mühevollen Beobachtungen ober gar Appa rate. Er begnügt sich damit, am 21. März und am 21. Sep tember jedes Jahres zwischen 6 und 0L0 Uhr morgens fünf Minuten: lang tm Freien die Windrichtung genau festzustellen. „An den beiden Tagen*, erklärte er einem Pressevertreter, „kreuzt -le Sonne In sedem Jahre um dieselbe Zeit die Linte. Die Richtung, an» der der Wind an diesen beiden Zeitpunkten weht, tst für da» Wetter der nächsten sechs Monate ent- scheidend. Ich kann darum für vier von den folgenden sechs Monaten genau da» Wetter voraussagen, und metne bis herigen Prophezeiungen sind stet» etngetrossen. Weht der Win» am 21. Mär» stetig von Süden her, so wirb da» Wetter In drn nächsten sechs Monaten vorwiegend warm und trocken fein. Herrscht Westwind, so wird e» zwar auch warm, aber »umeilen sehr stürmisch sein. Ostwinb deutet auf einen warmen und nicberschlagSrelchen Sommer. Nord- oder Nurdostwlnb kündet einen kühlen Sommer mit gelegentlichen Schneeschauern tm Mat und Juni an.* — Na also! * Brandstiftung ln einem Dorf« hei Kodnrg. In dem Dorfe Unterwasungen brach am frühen Morgen an zwei ver schiedenen Stellen zugleich Feuer au», da» zwei Wohnhäuser, vier Scheunen, vier Stallungen und mehrer« Nebengebäude «inäscherte. Zahlreiches Vieh ist in den Flammen um gekommen. ES liegt unzweifelhaft Brandstiftung vor. * Der Postskandal von Marienbad. Der tschechische Direktor de» Postamtes Marienbad, Franz Sink«, tst dieser Tage nach wochenlang«» Verhandlungen vor dein Kreis- gericht in Eger »u ritt'. Kerkerstrase von 1ö Monaten ver- urteilt worbe», weil er in seiner Eigenschaft al» Postamts- leiter zahlreiche Ausländsbriefe, insbesondere solche au» Deutschland, geöffnet und, wenn sie Gelb enthielten, beraubt hatte. * To» de» erste« Man««» «tt Asfeudrüse. Der Farmer Ben Knott, der sich alc, erster tm Jahre 1021 tn Pieter»burg tiner Woronosf-Asfendrüsen-Operatton unterzog, tst ln der — NAchtzlchß»»* — Xr. TB LÄte 7 ' — » —— - - - . « —— Sie Smmmdlme »er Familie Diese letzten Velden Jahrzehnte voll «tnfchnetdenster Umwälzungen haben Staat, Gesellschaft und Familie ihren Stempel ausgedrückt. Alle» ist tn die gewaltige Erschütte rung btnetngezoaen worden, da» Dasein jede» einzelnen Ist betroffen. Der fein« Seismograph de» wirtschaftlichen und ätzfellschastltchen Leben» — die Statistik — beweist am ein dringlichsten, wie stark die Nachwehen diese» furchtbaren Erdbeben» noch heute die Welt durchztttern. Nur an einer Stelle tst allmählich Muhe etngetretenr die Umwandlung der Familie scheint vorerst zu einem gewtsien Stillstand gekommen zu sein. Dieser Zellkern jeder mensch- ltchen Gesellschaft hat seine alt« «rast bewahrt, er ist trotz allen Unkenrufen, trotz allen sehr rationalen Prophezeiungen nicht zusammengebrochen unter dem Ansturm der wirtschaft lichen und staatlichen Umwälzungen. Im Gegenteil, die Familie hat sich al» »er r«h««h« Pol i« der Erscheinungen yl«cht bestätigt, al» der sichere Hafen, zu dem man nun erst recht zurück findet. Freilich, auch sie hat den veränderte» LebenS- beüingungen ihren Tribut zollen müssen. Di« patriarchalische Gemeinschaft unserer Großväter hat anderen Formen Platz gemacht. SS tst noch gar nicht so lang« her, baß in den Kreisen der Frauenbewegung die Theorie aufgestellt wurde, bi« wirtschaftlich« und rechtliche Emanzipation der Frau ver lange naturnotwendtg auch die Emanzipation von der Familie. Die Frau dürfe nicht mit der Führung de» Haus halt» belastet und dadurch in der Erfüllung ihrer BerufS- pfltchten gehemmt werben. Man stellte sich die Lösung diese» Problem» etwa so vor: die einzelnen Haushaltungen werden zu kollektiven Hauswirtschaften zusammengefchlossen, Kochen, Instandhaltung der Wohnung, Wäschewaschen usw. werben für alle Haushaltungen gruppenweise gemeinschaft- ltch von einer Stell« au» erledigt. Ja, man hielt es sogar für «inen besonderen Borzug dieser Idee, daß auch die Kinbererztehung tn Heimen vor sich gehen müßte. Nur dort —so glaubte man —könnten die modernen pädagogischen Prinzipien verwirklicht werben, die Eltern seien gar nicht in der Lage, ihre Kinder so richtig zu „behandeln*, wie «» in den Anstalten ber Fall sein würbe. Die liebevolle Hin- gab« ber Mutter, die Verbundenheit de» Blute» — sie sollten keine Nolle mehr spielen tn der Familie ber Zukunft, bi« lediglich auf die rationellste Auswertung aller Kräfte htnztelte. Nun — die Frauen haben inzwischen tn vielen wesent- ltchen Punkten die volle Gleichberechtigung mit dem Mann erhalten. Aber die von den EmanztpattonStheoretikern er warteten Folgen sind nirgends «ingetreten. Auch hier hat es sich gezeigt, baß alle Theorie grau bleibt, bab d«r Gedanke kollektiver HanSwirtlchaste« ««» Sinder- erzieh««» tm deutschen Bolksempsinde« keine« Wider hall fi«deu konnte. — Die Zahl ber FamiltenhauShalte hat in den letzten Jahren ständig zugenommen, nur 1,0 Prozent aller Deutschen leben tn Einzelhaushaltungen. Selbst wenn man die „Ucberalterung* ber Bevölkerung mit tn Rechnung seht, bleibt deutlich ein verstärkte» Streben nach Familien- bildung zu erkennen. Die Gründe dafür sind vkelfälttg. Gewiß spielt die wirtschaftliche Notlage eine bedeutende Molle, zwetsello» verbilligt sich die Lebensführung, wenn man zu zweit oder zu viert wirtschaftet. Aber da» allein kann nicht der ausschlaggebende Grund sein. Eine einfache Be rechnung »etgt ia, daß ein« Kollektivwirtschaft von 20 oder SO Einzelpersonen «in« noch erheblichere Ersparnis be- deute« würde. Der verstärkte Gang zur FamilienvilLung, ber sich ln der ständig wachse»-«« Zahl ber Eheschließungen dokumentiert, kann also nicht ausschließlich auf wirtschaft- licke Ursache« »urückgesübrt werben. Waren e» 1010 kaum VOOOOO Haare, die be« Weg zum Standesamt sanden, so tst die Zahl t« be« letzten Jahren bi« aus fast 000000, also runb um 20 Prozent gestiegen. Noch et« anberer Umstand tst interessant: die Männer heiraten jetzt in jüngere« Jahren al» vor dem Krieg, während die Frauen tm allgemeinen länger zu warten pflege» al» früher. Der Altersunterschied »wischen Mann und Krau tn ber Ehe wirb also geringer. Damit wird aber auch «ine der wesentltchsten Umwandlungen sichtbar, die bi« Familie erfahren hat. An Stelle be» AutorttätSverhältnisseS zwischen den Eheleuten tritt mehr und mehr eine Kamerad- schäft, die Rechte und Pflichten gleichmäßig vertetlt. Daß dabei natürlich die stark angewachsene Berufstätig- keit ber Fra« eine bedeutende Rolle spielt, tst selbstver ständlich. veinahe ei« Drittel aller «erheiratete» Fra«e« geht eine» Berns «ach. Daneben gibt e» aber noch ein« sehr große Zahl von Frauen, die durch Gelegenheitsarbeiten zum Unterhalt der Familie betzutragen pflegen. Berücksichtigt man nun noch, baß «tn beträchtlicher Prozentsatz der anderen Familien- Mitglieder, vor allem die Kinder, mttverdtent, so ergibt sich, bab die Familie mehr und mehr zu einer ErwerbSgemein- schäft geworben ist. Selbst in Berufsgruppen, tn denen es früher üblich war, baß der Vater für den ganzen Unterhalt zu sorgen hatte — etwa« andere» hätte als „nnstandeS- gemäß* gegolten — haben sich die Verhältnisse entscheidend geändert. In einem Punkte freilich ist ber Stillstand, den die Struktur ber Familie statistisch erreicht hat, noch nicht ein- getreten: bi« Zahl ber Kinder tst noch immer tn einem ständigen Abstnken begriffen. Entfielen vor rund öO Jahren noch fast 8 Geburten aus eine Eheschließung, so waren es 1028 nur noch 2, 1020 und 1080 gar nur noch 1,0 Geburten. In den Großstädten, besonders in Berlin, liegen die Dingo sogar noch erheblich schlimmer. Hier kommt nicht einmal mehr ein Kind aus jede Eheschließung. Da» „Sin-Kind-System* «ft zur Regel geworden. Freilich scheint durch die wachsende HeiratSfreubigkeit ein gewisser Ausgleich geschaffen zu werden. Trotzdem bürsten die Berechnungen, die einen ständigen Rückgang der Be- völkerungszahl und eine weitere starke „Ucberalterung* des Volkes voraussehen, ziemlich zutressrn, da die Zunahme der Eheschließungen mit dem rapiden Ablinken ber Minderzahl doch nicht völlig Schritt halten kann. Die Entwicklung ist übrigen« tn anderen europäischen Ländern ungefähr gleich- artig, wenn vielleicht auch nicht ganz so kraß wie tn Deutsch land, da» ja besonders unter den Folgen der Weltkrise zu leiden hat. Ob nun an dieser Erscheinung vornehmlich wirtschaft liche Ursachen die Schuld tragen, läßt sich heute noch nicht klar übersehen. Denkbar wäre es auch, bab eine langsame Verschiebung der moralischen Wertungen stattstndet, die durch die allgemeine Notlage noch erheblich verstärkt zum Ausdruck gebracht wird. Soviel scheint aber festzustehen: ber innere Gehalt de» Familienlebens ist tn Deutschland trotz aller Umwälzungen nicht erschüttert worben. Die zunehmende wirtschaftliche Ber- bunbenhett hat sich als eine Stärkung des Familien-Zu- sammenhalts erwiesen. M. Grothosf. Nähe des Ellerton-GolbbergwerkS in Transvaal gestorben. Er schien sich ausgezeichneter Gesundheit zu erfreuen, bis er jetzt ganz plötzlich mitten tm Gespräch mit einem Freunde staro. * Der Vorschlag. „Wenn ich das Büro betrete*, sprach der Chef, „wünsche ich jedermann mit Eifer an seiner Arbeit zu sehen. ES sollte mich freuen, auS Ihrem Kreise Vor schläge zu erhalten, wie das erreicht werden kann* — Am nächsten Tage fand er solgenden Vorschlag in der Post vor: „Schaffen Sie Ihre Gummisohlen abl* Gtn Dtrnftmä-chen 1I -ihre -efan-en gehalten Ein junges Dienstmädchen tn London, Sarah Turner, wurde von ihrer Hausherrin, Frau Emma Smith, dreizehn Jahre lang in «ine Stube eingesperrt. Dieser traurige Fall, bet dem menschliche Verrohung sich in krassester Weise vfsen- barte, wurde vor kurzem vor einem Londoner Gericht ver handelt und bildete das Tagesgespräch der englischen Hauptstadt. Frau Smith ist eine vermögende Dame und bewohnt eine Villa tn einem reichen Stadtviertel London». Bi» -um Jahre 1028 wohnte bet Krau Smith ihre Freundin Earolina Crowther. Die beiden Frauen waren eifrige Mitglieder der Heilsarmee und zeichneten sich durch überschwengliche, auf- sallend zur Schau getragene Frömmigkeit au». Eine« Tage», es war vor etwa 22 Jahren, kam ein kleine» zehnjährige» Mädchen, Sarah Turner, zur Sonntag», schule, wo Frau Smith ihre religiöse und karitative Tätig keit auSübte. Da» Kind hatte tm zartesten Alter den Vater verloren, und die Mutter, eine Zirkusartistin, hatte keine Möglichkeit, für den Unterhalt ihrer vier Kinder genügend zu sorgen. Frau Smith nahm sich des vernachlässigten Mädchens an, versah eS mit Kleidung und Nahrung und sorgte dafür, baß Sarah von einem Asyl al» Pflegekind aus genommen wurde. Sieben Jahre lang verblieb Sarah im Kinderheim. Als Ne da» 17. Lebensjahr erreichte, holte sie Frau Smith au» dem Asyl «nb stellt« bas junge Mädchen bei sich al» Dienst mädchen für drei Mark wöchentlich an. Uebrtgen» wurde dem Mädchen auch dieser knappe Lohn nicht auügezahlt, son dern auf einer Sparkasse hinterlegt. Da» Leben tn der Billa verlief ruhig und friedlich, bi» eines Tages Frau Suiith eine Goldmünze tm Wert« von einem Pfund Sterling vermißte. Noch am selbe« Tage fand Sarah die Münze und überreichte sie ihrer Herrin. Di« Angelegenheit war einfach und natürlich, Frau Smith wollt« aber den Beteuerungen beö Mädchen» keinen Glauben schenken und beschuldigt« e», die Münze gestohlen zu habe». Diese Anklage wurde von Sarah al» ungerecht» schwer« Be leidigung empfunden. Sie flüchtete au» der Villa, wurde aber von Frau Tmtth bereits nach einigen Stunden au», sinbig gemacht und mit Gewalt tn einer Droschke zurück- besörLer». Am Tage darauf erklärte bi« streng« Hausfrau dem HanSmäbchen, daß eS die begangene Tat mit einigen Tagen Arrest büßen müsse. Die beiden Damen, Frau Smit- und Frau Crowther, sperrten da» Mädchen in eine Kammer, deren Fenster mit dunklen, undurchsichtigen Gardinen fest verhängt wurde, so daß kein Tageslicht in die Arreststube einoringen konnte. Nur einmal am Tage durste die Ge- sangenc unter Bewachung ber beiden Wächterinnen für fünfzehn Minuten ihre Zelle verlassen, um im Garten frische Lust zu atmen. Wochen und Monat« vergingen, ohne daß t« Schicksal ber auf diese unglaubliche Weife ,« VrfängntSftrafe ver urteilten eine Besserung «ingetreten wäre. Im Gegenteil auf die Arreststrafe folgte die Strafarbeit. Frau Smith er- klärte Sarah, sie müsse stricken und stopfen. Das Mädchew das sich während ber laugen Monate der Gesangenschast an die Dunkelheit tn ihrer Kammer gewöhnt hatte, saß jahrein, jahraus «ingesperrt tn der ungeheizten und unbeleuchteten Zelle und stopfte Strümpfe. So dauerte eö bis 1020. Im Oktober 1020 legte Frau Smith der Gefangenen «inen Papierbogen vor, auf dem Sarah nach dem Diktat ihrer Herrin eigenhändig einen Bries schreiben mußte. In diesem Brief, ber die Adresse ber Krau Smith trug, be kannte sich Sarah des Diebstahl» schuldig und dankte ihrer Herrin für die gerechte Strafe, die ihr zuteil wurde. Nach einigen Wochen gelang «S der Gefangenen, zu flüchten. Sie war durch die 18 Jahre ihrer Gesangenschast so geschwächt, daß Ne auf ber Straße -usammenbrach und tn «in Krankenhaus eingeltesert werden mußte, wo sie zwei Jahre -»brachte. Erst im Januar 1082 wurde Sarah aus dem Krankenhaus entlassen. Durch einen Anwalt verlangte sie von Frau Smith die AuSlteserung des Sparbuches, auf da» IS Jahre lang ihr Lohn «ingezahlt werden sollte. ES stellte sich heraus, daß da» Sparbuch überhaupt nicht existierte. Bor Gericht behauptete Frau Smith, das Mädchen zu seinem eigenen Wohl gefangen gehalten zu haben, da Sarah an Wutausbrüchen leibe, die ihre Isolierung unbedingt not- wendig machten. Während ber Verhandlung verlas Frau Smith» Ver teidiger «ine Anzahl von Briefen, die Sarah während ber Gefangenschaft an ihre Herrin gerichtet batte und in denen sie ihrer tiefsten Dankbarkeit und Bewunderung für die „übernatürliche Güte* der Frau Smith Ausdruck gab. Auf bi« Frage be» Richter», ob sie au» freien Stücken ober unter Zwang diese vrirse versaßt hätte, sagt« Sarah: „Wir Kinder wurden in ber Sonntagsschule tn dem festen Glauben er- zogen, daß Frau Smith eine gottbegnadete Frau sei. Metne Ehrfurcht war so groß, baß ich e» dreizehn Jahre lang nicht wagte, mich gegen ihren Willen auszulehnen.* Da» Gerichtsurteil tn dieser merkwürdigen Affäre, die ast da» dunkelste Mittelalter erinnert, lautete auf 80 000 Mark Schadenersatz für Sarah Turner. „Sie werden am Telephon verlangt, mein Herr!* „Gut, laufen Sie doch schnell noch mal rauf und frage« Sie, wer da ist!"
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