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». Scchrgcmg. Sir. «r« Mittwoch, rs. September l»22 Gegrünöet 1896 ViLhIanIchtttti ««4«chl«» Dreedai Kernlvktchek-Lammelnummn! »»»»> Nur !üi «achlgrwrlch«! §k. »SIN» Echttttlettun« u. HaupI,e1chIIt«IleNei Lretdeo-L. t, Piatt-nstraz» »S/t» »»« «. »Nl«,! »«»den. Postlchk«-tvo. lü«» Drklde- «achdniL nur mtt deutt.0ueNnian«ab, (Lrrtdn. «achr.I,uI«INs. Unvkttangl, GchrtltstaS« werde» »ttcktt «ulbewad« Beru-r-etüh« del tügstch zwelmaliger Zustellun« monalllch e.eo Ml. letnlchltedllch 10 Ml- für Lrt-e» lohn», durch v°l>te»u, ».»o Ml. elnlchlletllch »» BI«. Postgebühr lohne PosteusteNun,»gebühr» bei 1 mal «dchenlllchem Seeland, -ingelnummer lü PIg., außerhalb Lochien» lt VI«. ilngelgenprelle: ri« »lnlpaltlge »» mm brelle Lette »d Vlg-, I«r aiXmürt» «o Bln., die »o mm brette «ettame,ette »ao PIg., auterholb »ü» Psg. ab,, »rttenoblchlog II. Har«, gamttlenanjelgen und KteNengeluche ohne «ata« »i PI«., auherhalb »d PI» Vllerlengebühr «o PI«, «utwürttge «uttrüge «egen Boeoutbezohlun». Popen vvr -em Untersuchungsausschuß RMstllssmiMung war nM bcabMW Sttmrnnngidllck no«r«r vorttoar Sadrlktlollnng Berlin, 27. Sept. Der UebcrwachungSauSschuf; des Reichstags, der sich zum Untersuchungsausschuss konstituiert hat, hielt heute nachmittag die Sitzung ab, die der Verneh- mung der RcgterungS Mitglieder gewidmet war. Die erwartete Sensation trat aus,erlich allerdings nicht so stark in Erscheinung, da man die Oesscntlichkeit auf ganze lü Zuhörer beschränkt hatte, ein Vorgehen, das wohl aller» dinäs mit Rücksicht aus die mangelnden Plahverhältnisse ge wählt worden war. Herr Löbe, der ehemalige NeichStagS- präsidcnt, fühlte sich ordentlich in seinem Element, als er einleitend nochmals sämtliche Formalien seststellte. Der kom- nmnistischc Abgeordnete Tvrgler, der bekanntlich schon in der lchtcn Sitzung des aufgelösten Reichstags eine gewisse Nolle gespielt hatte, drängte sich auch heute wieder mit der an ihm gewohnten Ellbogcnkrast in den Vordergrund. Er verlangte, offenbar gerade weil die Mehrheit ein Eingehen ans politische fragen von vornherein abgelehnt hatte, das, man in Gegenwart des Kanzlers eine politische Auseinandersetzung führe. Die Nationalsozialisten wandten sich gegen das kommunistische Ansinnen, das denn anck der Ablehnung durch den AuSschus; verfiel. Die Spannung, die von Anfang an iiber der Sitzung lag, erreichte naturgemätz ihren Höhepunkt, als der Reichskanzler von Papen zu Worte kam. In den Ausführungen des Kanzlers über den Verlauf des Teiles der letzten NcichStagSsitzung, in der es zur Auslösung kam, fiel zunächst aus, bah die Erklärungen des Kanzlers im Gegensatz zu denen, die er noch am Tage der Auslösung im Rundfunk in der Sitzung gemacht hatte, aus einen mil den Ton abgcstimmt waren. Hatte -er Reichskanzler in seiner Rnndsunkrcde zu wiederholten Malen von der Ver- sassungSwibrigkelt des Vorgehens des RcichStagSpräsidenten gesprochen, so vermied er in seinen heutigen Darlegungen das Wort „verfassungswidrig" gänzlich. In sachlicher Hinsicht ergaben die Darlegungen deS Reichskanzlers zunächst nichts NcucS. Auch die Aussage des RcichstagSpräsidentcu Göring förderte zunächst keine neuen Momente zutage. Der Reichskanzler unterstrich aus eine Frage des nationalsozialistischen Abgeordneten Dr. Frank nochmals seine Ausfassung, -atz die Abstimmung, in der der Regierung mit einer übcrgrohen Mehrheit das Miss trauen des Parlaments ausgesprochen wurde, nicht rechts gültig sei, weil sie erst ersoigte, nachdem das AuslösnngS- dekret dem Hanse zngestellt war. Herr v. Papen bestritt, was seinem bisher eingenommenen Standpunkt ebensallS entspricht, zu wiederholten Malen, das» man die Absicht ge- habt hätte, den Reichstag von vornherein anszulösen. Die Behauptung, das, er, der Reichskanzler, demonstrativ mit der roten Mappe gewinkt hätte, sei absolut falsch. Bon besonderem Interesse war sodann noch die Stelle in der Aussage des ReichötagSpräsidentcn Göring, in der dieser seststellte, das» ihm der Reichskanzler in einer acht Tage vor dem NcichSIagSzusammcntritt stattgcsnndcnen Unter redung keinen Zweifel darüber gelassen habe, das; die Negie rung die Abstimmung über ein Misstrauensvotum durch vorherige Auflösung verhindern würde. Diese Angaben Görings wurden vom Reichskanzler v. Papen bestätigt. Göring bestritt auch, bas; der Reichskanzler mündlich um das Wort gebeten habe. Er habe das nicht gehört, und die von der Sitzung ansgcnvmmcne Schallplatte verzeichnet eine solche mündliche Wortmeldung ebenfalls nicht. Ueberraschungen ergaben auch die späteren Aussagen deS RcichSinncnminUterS v. G a n l und des Staatssekretärs der Reichskanzlei Dr. Planck nicht. Neue Gesichtspunkte wurden — das war so ziemlich der allgemeine Eindruck, den die Zuhörenden hatten — in der Vernehmung der Ncgie- rungSmitglicder nicht zutage gefördert. Den Abstimmungen, die der Auöschus; am Schluss seiner Sitzung vvrnahm, misit man in NcgicrungSkrciscn nur theoretischen Wert bei. Der AuSschus; stellte nach einem angenommenen nationalsozialistischen Antrag fest, das; der Reichstagspräsident sowohl der Verfassung wie der Geschäftsordnung des Reichstages entsprechend gehandelt hätte. Das bedeutet also, das; praktisch der Vorwurs gegen die Negierung, v e r s a s s n n g ö w i d r i g gehandelt zu haben, erhalten bleibt. Wie man in Berliner Regierungs stellen aber hört, gedenkt die Regierung, da sie Wichtigeres zu tun habe, auf diese Feststellungen des Ausschusses nicht weiter cinzugehen, um so mehr, als ihnen der AuSschus; ja keinen praktischen, wirksam werdenden Nachdruck zu geben vermöge. Das Kapitel UntersuchnngSauSschus; ist nunmehr abgeschlossen, und an seinem Ende steht, das; die Regierung an ihrem Standpunkt und der AuSschus; an dem Standpunkt der Volksvertretung sesthält. Der Ver- sassungSkonslikt, der sich im Gefolge der RcichStagSauslösung ergab, bleibt also nach wie vor bestehen. Tie Anschauungen der Regierung wurden im AuSschus; nur von den Ver tretern der Dcutschnationalen BolkSpartei geteilt. Auch die Anträge aus Aushebung der Notverordnun gen, die sodann angenommen wurden, werden praktisch nicht wirksam werden. Hier ist interessant, das; das Zen trum dem AnSschns; das Recht ab st ritt, die Auf hebung von Notverordnungen verlangen zu können. tStvnnasbcrtcht siehe Leit« r.s DK «Mkn ResieriMsmtletrr bei Papen Verständnis sür Sachsens Notlage Vradtmvlckung nnsoror Karliner Svkrlkklvitaa» Berlin, 27. Sept, lieber die Besprechungen, die der säch sische Ministerpräsident Schi eck heute mit dem Reichskanz ler von Papen hatte, erfahren wir noch, das; eS sich bei dieser Besprechung neben der eingehenden Darlegung der schwierigen Verhältnisse, in denen sich der sächsische Staat und die sächsische Wirtschaft befinden, vor allem darum gehandelt hat, das Verständnis dcö Reiches sür die Schwierigkeiten, mit denen gerade Sachsen zu kämpsen hat, zu wecken und zu vertiefen. Die Folgerungen, die das Reich zur Behebung der sächsischen Notlage zu ziehen haben wirb und die ins- besondere bei der Vergebung der Aufträge aus dem A r be t t s b es cha ff u n g ö p r o g r a m m »um Ausdruck kommen sollen, werden naturgcmäs; erst sür die nächste Zeit spruchreif werden. " Die sächsische» Herren konnten, wie wir an unterrichteter Stelle hören, immerhin den Eindruck gewinnen, bah die RclchSregiernng siir die Nöte, mit denen Sachsen z« ringen hat, Verständnis ausbringcn und im Nahmen ihrer Kraft bestrebt sein will, sür eine Milderung zu sorgen. Der sächsische Ministerpräsident hat auch aus die Verhält nisse hingewtcscn. unter denen die sächsischen Beamten, so wohl Staats- als auch Gcmcindebcainlcn, zu leben genötigt sind und hat dabei bemerkt, das; die NeichSbcamten in den entsprechenden Gehaltsstufen besser bezahlt würden als die sächsischen Beamten. Damit der Reichskanzler an Ort und Stelle — durch Fühlungnahme mit den führenden Per- sönlichkcttcn der sächsischen Wirtschaft — einen leben digen Etndruck gewinnt, und auch zur Herstellung eines engeren Verhältnisses zwischen Sachsen und Reich, hat Ministerpräsident Schleck Herrn von Paven gebeten, auch einmal die sächsische Hauptstadt Dresden auszusuchen. Der Reichskanzler hat die Erfüllung dlrseS Wunsches grundsätzlich zugesagt. Ei» Termin konnte heute noch nicht vereinbart werden. Der Herstellung engerer Beziehung dient der heutige Besuch insofern, als beide Herren, sowohl der sächsische Minister präsident al« auch der Reichskanzler, Gelegenheit zn einer eingehenderen Aussprache hatten: Ministerpräsident Schteck kannte den Reichskanzler von Papen bisher nur flüchtig. Wie die süddeutschen Länder durch die Entsendung ihrer Staaishaupter nach Berlin Wert aus die Herstellung eines guten Einvernehmens mit Berlin legten, so auch Sachsen, da» im Nahmen der gegebenen Verhältnisse danach trachten mus;, von den Entscheidungen, die in der Reichshanptstadt getroffen werden, möglichst günstige Auswirkungen sür sich zu erlangen. Avrar - Notverordnungen unterzeichnet Berlin, 27. Sept. Der Reichspräsident hat am Diens tagabend die in der Rede des Rcichoernährungsministers Freiherr« von Braun am Montag in München ange- kündigten Notverordnungen über die Zinssenkung sür landwirtschaftliche Hnpothekenztnscn und über daS Bcr- mittlungoversahrcn sür die Landwirtschaft und den ver stärkten BollstrcckungSschutz unterzeichnet. Damit ist der erste Teil des AgrarprogrammS der Negierung in die Tat nmgesrtzt. Die Kontingentierung wird aus dem Weg« einer Verordnung crsolgen, die voraussichtlich erst in zehn bis vierzehn Tagen erlassen werden wird, nachdem die Verhandlungen des Ministerialrats Walter mit den ausländischen Regierungen abgeschlossen sind. Di« beiden Notverordnungen über die Zinöscnkung und den Boll strcckungSschutz werden im Lause des Mittwochs verössent» licht werde». 1ZO Gköbeben-Lote in Griechenland Athen, 27. Sept. Nach neueren Nachrichten auS Saloniki hat bas Erdbeben in Chalkidike Ikll Tot« gefordert. Die Zahl der Verwundeten wird aus!>N0 geschätzt. Beson ders betrossen wurden die Dörfer IertssoS» Stra to« iki und Nea Roda. Die Bewohner wurden von panischem Schrecken ergrisfen. SanitätSkolonnen und HilsSmannschasten sind nach dem zerstörten Gebiet abge gangen. Die Erdstösse dauern noch an. Die hohe Zahl der Toten erklärt sich daraus, dass daS Erdbeben abends gegen 10 Uhr cinsetzte, als sich die meisten Dorfbewohner bereits zur Ruhe begeben hatten. Mit Donnergetösc stürzten die Häuser ein nnd begruben ihre Bewohner unter sich. TodcSschreie hallten durch die sonst so still liegenden Dörfer. Die nicht unter den Trümmern begrabenen Bewohner flüchteten halbnackt und übernachte ten unter freiem Himmel. Japans meisterhaftes Spiel Genau vor einem Jahre war es, da rollten die Truppenzüge von Westen nach Osten, da begann Russland an der mandschurischen Grenze eine grosse Armee zu- sammcnzuzichcn, bis bei Tschita und Wladiwostok rund zwcihundcrttauscnd Mann standen, aufs beste ausgerüstet, auf Monate hinaus mit Proviant versehen, bereit, sich auf Moskaus Befehl aus die Japaner zu stürzen, denn diese hatten am 18. September Mulden bombardiert und gleichzeitig ihren Bormarsch angetreten, dessen Ziel, wie von vornherein seststand, die völlige Herrschaft über die Mandschurei war. Durste Nussland sich das bieten lassen? Im Anfang unseres Jahrhunderts war es das Zaren reich, das den massgebenden Einfluss in diesen drei nörd lichen Provinzen Chinas befass, und es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, das; es sich die Mandschurei end gültig cinverlcibte. Nach der Niederlage im russisch japanischen Kriege musste der Zar seine Regimenter, die in der Mandschurei stationiert waren, zurückziehen, und das sapanische Eindringen begann. Weltkrieg und Re volution beendeten die Versuche Moskaus, die alte Stellung wiederzugewinncn. Noch befass aber Russland die ost chinesische Bahn, noch hatte es dort zahlreiche Interessen zu verteidigen, und diese waren ihm so wichtig, dass cS seine Divisionen von der bisher am stärksten gesicherten westlichen Grenze in langen Wochen beschwerlicher Transporte hin- iibcrwars an den Amur. Mehr noch, man wollte den Rücken frei haben im bevorstehenden Kriege gegen Japan, ver spürte daher im Westen bas Bedürfnis nach einem Nicht angriffspakt, den man dann auch mit Polen abschloss. Und jetzt? Die russischen Kanonen haben nicht gedonnert, obgleich der russische Einfluss in der Mandschurei einfach auf Grund der von Japan geschaffenen Verhältnisse immer weiter hcrabsank. Japan proklamierte den neuen Staat Mandschukuo — und Moskau schwieg. Ja, neuerdings hat eS den Anschein, als wenn die Sowjetrepublik gar bereit wäre, sich eines Tages von der unbcgucmen politischen und finanziellen Belastung durch die Ostbahn zu lösen, und am Sonntag wurde gar in Moskauer politischen Kreisen er klärt, die Negierung habe cs aufgegeben, Japans mandschurische Politik zu bekämpfen. DaS ist eine Wendung von weltgeschichtlicher Bedeutung. Den Preis, den Japan dafür gezahlt hat, erfährt man auch bereits zum Teil: Am Sonnabendvormittag ist ein russisch-japanisches Petrolcumabkommen unterzeichnet worden, in dem Japan sich verpflichtet, für seine Flotte jährlich 80 000 Tonnen russisches Erdöl zu beziehen. Den Sowjets ist die Durch führung ihres FünfjahreSplaneS wichtiger als alles andere. Dazu scheint Japan seine Mithilfe versprochen zu haben. Die wirtschaftliche und innerpolitische Schwäche der Sowjet union ist die stärkste Karte in dem gewagten Spiel des Anbcnministcrtums in Tokio. Frei hat das Jnselreich den Arm, soweit Russland in Frage kommt Doch über dem Gebiet der Mandschurei kreuzen sich die Fäden der grossen Politik wie nur an wenigen Punkten der Erde. Nun hat Japan trotz deS Vertrages von Washington, trotz des KclloggpaktcS, des Neun-MächtcvertragcS und des VölkerbundSpaktcS den Staat Mandschukuo ins Leben gerufen, mit ihm ein Bündnis geschlossen, das dem Eindringling alle Rechte gibt, die ein Mutterland in einer Kolonie hat, hat soeben Mandschukuo „amtlich anerkannt", und klar und eindeutig erklärt das Ausscnmlnisterium tn Tokio, dass die Mandschurei in Zukunft nur für solche Länder offen sein wird, die eben sallS die Anerkennung vollziehen. Die Mandschurei ist etwa so gross, wie Deutschland und Frankreich zusammen, bevölkert von fast dreisstg Millionen reinblütigen Chinesen, denen gegenüber die zweihunderttausend Einwohner japa nischer Nationalität verschwinden. Japans Vorgehen ist ein Meisterstück moderner imperialistischer Politik, vollbracht unter Anwendung aller Kuustgrisse, die der gelehrige gelbe Schüler von seinen weissen Lehrern nur irgendwie absehen konnte. So zeigte ihm Amerika die wtrtschastliche und finanzielle Durchdringung eines Landes, Frankreich gab ihm daS Beispiel, wie man separatistische Strömungen er zeugt, und alles, was mit dem Völkerbund zusammenhängt, lehrte thn, dass internationale Verträge, verbriefte und ver siegelte Rechte, in der Hand des Starken wie Gummi sind, das man beliebig zerren und dehnen kann. Die Frage ist nur, was werden die anderen tun. Der Europäer richtet seine Blicke wohl zunächst nach England. Die britische Neule: i^itefarkclie Vm8cliau Seite 7