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V V H 'W" W WV V H 8ekls§6ter8 Nutter Lin 6e6enicen LUM Nuttertsg von 8trsksn8tslt8pksrrer Lsübenäer Ms ich zum ersten Male der Mutter Schläaeters gegen- Nbertrat — es war einige Tage nach der Erschießung, bei Ucberreichung des Stevbekireuzes an die Eltern — stand vor mir eine hixl)ge wachse ne einfache Frau ans dem däuerliclxen Diittel stand. Hart war die Hand, die ich drückte. Sie sprach von Arbeit, rauh und schwer. Aus dem Gesicht redeten trotz der vielen Sorgenfalten Geist und Energie. Selbst die Krankheit, unter der sie schon längere Zeit litt, hatte ihr den Ausdruck der Umsicht und der Tatkraft nicht genommen. Die ganze Art der bereits Siebenundsechzigjährigen war die einer Frau, die sich als Gattin und als Mutter in Sorgen und Opfern fiir ihre Lieben verzehrt. Was man mir vorher gesagt, daß Frau Schlag- eter die Seel« des Hauses sei, fand ich bet dieser ersten Begeg nung schon bestätigt. Sie bildete, ohne di« Stellung ihres Man nes zu beeinträchtigen, wirklich den Mittelpunkt der Familie. Für die Tatkraft und die allzeit ungebrocl-en« Energie, die ihr eigen waren, gab man später als Erklärung, daß die Mutter aus dem Hoßcnwald stamm«, aus jenem Teil des Schivarzwaldcs, dessen Bewohner im Rufe besonders charakterfester Menschen sichen. An dem Althergebrachten hielten sie fester, so sagte man, eis die anderen Alemannen der Schwarzwaldtäler, wenn auch bisweilen ihre Festigkeit und Zähigkeit in übertriebene Recht haberei und Starrköpfigkeit ausarte. Unwillkürlich dachte man bei dieser Charakterisierung auch an den Sohn dieser Mutter, an seinen ungebeugten Nacken, an fein Rechtsgcfühl, mit dem er bis zur letzten Sekunde seines Lebens sich g«gen das Unrecht an der Ruhr stemmte. Der Lebensweg der Mutter Schlageters Ist ei» schweres Tagewerk geivesen, voll von Mül>«n und Pflichten. Der friil>e Morgen schon sah sie an der Seite ihres Mannes in beispiel losem Fleiß ringen um das tägliche Brot. Nicht nur im Haushalt, auch in der Landwirtsclmft galt es, wo immer es notwendig war, mitanzupacken. Dabei schenkte sie elf Kin dern das Leben. Aus -er Erziehung dieser großen Zahl, auch wenn vier der Kinder früh starben, ergaben sich für die Mut ter, die an bezahlt« Hilfe nicht denken konnte, Opfer, die bergehoch zu nennen sind, besonders wenn man cs mit der Erziehung der Kinder und mit der Erringung einer gesicherten Existenz für diese so ernst nimmt, wie die Mutter Schlag- etcrs es tat. Wer zählt die durchwachten Nächte an dem Lager der kleinen und der kranken Kinder? Wer kann ahnen, mos von Sorgen um das körperliche und seelische Wohl der Lieben durch das Herz der Mutter ging! Was brachten allein di« Kriegsjahre an Bangen und Weh! Vier Söhn« im Feld. Nach vier Fronten Zeichen des Gedenkens in Form von Bries und Paket. Vier ständig in Todeskampf zu wissen. Einen nicht wicderzusehen. In Flandern blieb er. Und noch einen nachher bei der Ruhraktion lassen zu müssen in einer Zeit, wo doch Frieden herrschen sollt«. All das ein Meer von Arbeit, Sorge, Schmerz und Weh, empfunden, wie nur eine Mutter fühlt. Unter dem vielen, was Mutter Schlageter zu tragen hatte, ist ihr al>er nichts so schwer geworden wie gerade der Verlust ihres Albert. Ob es daher kam, weil er als ihr besonderes Ecbenbild so etwas ihr Stolz war? Schönen Hoffnungen hatte sie sich früh besonders seinetwegen hingegeben. Ließen doch seine religiöse Einstellung, seine Erfoige auf dem Gym nasium. seine einwandfreie Führung im Erzbischöflichen Kon vikt hoffen, daß der von ihm geäußerte Wunsch. Priester zu werden, in Erfüllung gehen würde. Auch als bei Kriegsende Aillert sich nach ernsthafter Prüfung anders entschied und die tief im Giauben gewurzelte Mutier schivcren Herzens ihr schö nes Ideal In das Wollen der Vorsehung begraben mußte, hasste sie weiter für seine Zukunft. Es stand bei ihr fest, zusammen mit dem Vater, Albert weiterzuhelfen zu einem gesicherten Berufe. Eine Zeitlang schien Albert das Sorgenkind der Mutier ,zn sein. Das war, als er nach Ende des Krieges sich zum Vatlcricführcr im Freikorps von Medein hatte anwcrben lassen und als Freiwilliger zum Baltikum ging. Das anfängliä-e Nein der besorgten Mutter wandte sich in -em Augenblick aber in «in Ja. als Albert ihr schrieb, daß sie zustimmen würde, wenn sie wüßte, daß es um die Sicherheit deutsek-en Landes ginge und wenn sie das Elend sähe, das di« Bolscl-emiken anrichteten. Sorgenkind im eigentlicl)en Sinne des Wortes war Albert, ohne es zu wollen, in dem Augenblick, als seine Aktion im Ruhrunternehmen ihn vor das französische Kriegsgericht stellte und dieses ihm die Todesstrafe zusprach. Nicht daß sie jam merte, die im Leben gestählte Frau. Stark fand sie auch dies« Prüfung. Sie wußte um die edlen Beweggründe ihres Sohnes, daß nur die Liel>e zu seinem Vaterland ihn getrieben, daß, wie die herrlichen mutvollen Briefe desselben aus der Kerkerlxast ihr sagten, er nicht di« Kugeln fürchte, daß sein einziges Leid nur der Schmerz um die alten Eltern sei. Wie immer bei Leid um einen der Ihrigen, kannte die Mutter jetzt nur eines: zu helfen. Sic wollte dem fernen Sohne mit dem schwersten aller Kreuz«, so gut es ginge, zur Seite sein mit ihrem Trostwort, wollte ringen um seine Begnadigung. In einem, man möchte sagen, mit dem Herzblut geschrie benen Gesuch wandte sie sich mit ihrer Familie an -en Leiter des Ruhrunternehmens, General Dcgoutte, um di« Abivendung der Todesstrafe zu erreichen. Gleichzeitig machte sie sich, als ihr ül>er den Pfarrer der Strafanstalt Düsseldorf von dem damais als politischen Gefangenen einsitzcnden Krupp von Bohlen und Halbach die Anregung zuging, sich an die Königin von Schweden um Vermittlung zu wenden, nach Karlsruhe auf, wo die Köni gin gerade weilte. Für die bedrückt« Mutter mar es ein gro ßer Trost, dort so viel Verständnis zu finden und die Bersiclxc- rung der diplomatisclxn Vermittlung über Paris zu erhalten. Ein Trost bedeutete fiir sie auch die Nachricht, daß der Heimat bischof Dr. Fritz von Freiburg sowie Kardinal Schulte von Köln und der Heilige Stuhl sich um Umwandlung der Todesstrafe in Freiheitsstrafe bemühten. Während sie so mit ihren Lieben tätig ist für die Abwen dung des Schiversten, geht Trostbrief auf Trostbrief von ihr nach Düsseldorf. Man muß diese Briese gelesen haben, nm dieses Mutterherzens Liebe zu ihrem Kinde zu begreifen. Wie spricht sie Albert Mut zu. wie tröstet sie ihn mit dem Hinweis auf Gottes Vorsehung, um aber auch tapfer von der Ergebung zu sprecl>cn, die wir Gottes Schickungen schul der sind? Gott Dank, hat die Mutter erst nach dem Tode ihres Sohnes erfahren, daß ihre Driese, die so viel Sonne in die dunkle Zelle und so viel Ruhe in das Herz des sich nm die Eltern quälenden Albert gebracht hätten, durch das unl>«greu liche Verbot der französisä-en G«fängniswacl)« ihr Ziel nicht er reichten. Wie stark diese Mutter seelisch in den schweren Tagen vor der Erschießung mit ihrem Sohne verbunden war, be weist eine durchaus glaubl-aft verbürgte Tatsache aus der Nacht der Exekution. Mutter Schlageter befand sich auf der Rück reise von der Audienz bei der Königin von Schweden in Stutt gart bei ihrer verheirateten Tochter. Gegen 3 Uhr, zu der Stunde der Verkündung der Urteilsvollstreckung, erwacht sie, di« nicht im geringsten ahnen konnte, was mit ihrem Sohne vorging, mit den Worten: „Mir ist so schiver! Was wird Albert machen? Das Herz will mir brechen." Sie ist voll Unruhe. Erst dann wird sie stiller und gefaßter, als man betet. Eine Stunde lang ringt sie zusammen mit ihren Angehörigen um Kraft und Trost für Albert. Um 4 Uhr, genau um die Zeit, als das Urteil vollstreckt ist, hat die Mutter ihr« Ruhe wieder gefunden. Unter dem Flehen ihres besorgten Herzens hatte der Heldensohn in der Ferne sein Leben auf den Altar des Vater landes gelegt. Der Mutter Rufen zu Gott mar dem. der mit seinem Blute die Liebe zu Volk und Heimat besiegelte, eine starke Stütze für vorbildliches Sterlien geworden. Eine tiefe Wunde blieb, nachdem der Saild der Golzheimer Heide das Blut ihres Sohnes getrunken, in dem Herzen der Mutter zurück. Hätte sie in dem letzten Briefe, der kurz vor dem Sterben geschrieben war. von der Hand des Sohnes nicht Zum Muttertag „Zu Tische, zu Tische." Von Ludwig Richter. (Erich Zander, Archiv, M.) IllillllllllllllllillililllillllllilllillillillllllllllllllilllllllillilililliililillllllililllillilililillilililliM» die Versicherung erhalten: „Ich werde noch beichten und kom munizieren". und hätte ihr der Pfarrer aus eigenem Erleben heraus nicht berichten können, mit welcl)«r männlich-ernsten An dacht Albert die Tröstungen seiner Kirche empfangen und noch um das kirchliche Begräbnis gebeten habe, sie, die durch Krank heit und Alter Geschwächte, märe wohl sehr bald dem Sohne gefolgt. Sein christliches Sterben aber und „die Gewißheit", wie sie an W. Hügenell. dem über das Grab hinaus treuen Ge fährten Alberts, schrieb, „daß er sein Blut für das Vaterland vergossen hat", stärkten sie in schweren Tagen. Bisweilen aller dings brach die Wunde in ihrem Herzen wieder aus. So. als wir Geistlichen, Kaplan Rosendorf und ich, mit letzten Grüßen auch das Sterbekreuz überbrachten. Starkmiitig. wenn auch mit Tränen in den Augen, nimmt sie das kostbare Andenken - in ihre von Arbeit rauhen Hände, um es dann innig an dir Lippen zu drücken. Man sah. daß eine solche Mutter an dem Furchtbaren, das man dem Sohne angetan, ihr Leben lang tragen würde. Nicht ganz drei Jahre hat die Mutter Schlageters ihren Heldensohn überlebt. Am 2« Februar 1ü26. am Volkstrauer- tag, ging sie sort aus dem Kreise ihrer Lieben. Ganz nahe bei der letzten Ruhestätte von Altieri Hot man sie auf dem Fried- Hos von Schönau gebettet. Keiner, der das Grab des Ruhrhelden aufsucht, geht achtlos vorüber an dem Hügel jener Frau, die im besten Sinne eine deutsche Frau genannt werden muß. „lok sollte weinen, Plauderei sm 1Vockenen6e Von Usrsku. Stand da dieser Tage ein 71jähriger Mann vor dem Richter. Angeklagt war er der Bigamie, und das ist eine Sache, die in der Steiermark — der Prozess fand in Graz statt — nicht minder hart bestraft wird als anders wo. Trotzdem schaute der alte Herr recht vergnügt drein. Der Richter machte dem Manne Vorhaltungen: „71 Jahr« sind Sie jetzt alt, und da machen Sie noch solche Torheiten! Sie haben dreimal geheiratet, obwohl Sie doch wissen mutzten, dah Sie eine neue Ehe nur nach dem Tode Ihrer Frau eingehen durften!" „Ich hab' doch den Totenschein!" bel-arrte der drei fache Ehemann. „Ja — von der ersten Frau!" stellte der Richter diese Behauptung richtig. „Aber als Sie das dritte Mal heirateten, wutzten Sie, datz Ihre zweite Frau noch lebt!" „Gar nichts hab' ich gemutzt!" tat der so Beschul digte erstaunt. „Bon meiner ersten Frau hatt' ich auch nur von einem Bekannten erfahren, datz sie tot ist. Bei der zweiten Frau hab' ich es dann genau so gehalten. Man hat mir gesagt, datz sie tot ist, und für mich ist sie gestorben." „Und was war mit der dritten Frau?" fragte der Richter verdutzt. „Die ist auch tot für mich!" versicherte der alte Herr. „Und jetzt wollten Sie noch einmal heiraten!" hielt ihm der Richter vor. „Daß Mädchen, dem Sie die Ehe v»rsprochen haben, bekam aber durch einen Bekannten die Anschrift Ihrer zweiten Frau. Auf die Anfrage, ob sie noch lebe, hat die geantwortet, sie sei nur für Sie tot, sonst sei sie noch gesund und kräftig." sder iok lsolio ..." „Das sag' ich ja!" triumphierte der fröhliche Greis. „Für mich ist sie gestorben!" „In Ihrem Taufschein", grollte der Vorsitzende, „haben Sie sich jünger gemacht. „Warum denn?" „Das haben die Weiber gemacht", bekundete der Unverzagte, „damit sie einen jüngeren Mann haben." „Sie geben sich überhaupt noch sehr jung und fesch!" meinte der Vorsitzende daraufhin ungläubig mit einem Blick auf die Kleidung und Haltung des Angeklagten. „Ja", sagte der Einundsiebzigjährige daraufhin stolz, „ja, das macht die Liebe, die hält einen jung . . ." Auch Sie können lachen! Natürlich ist das Vorleben dieses fröhlichen Greises zu verurteilen. Da gibt es keinen Streit darüber. Das Gericht hat ihn auch zu fünf Monaten strengen Arrests verdonnert. Aber trotzdem wirkt er nicht ganz unsym pathisch. Einfach deshalb nicht, weil er mit guter .Haltung in der Tinte sitzt und mit Humor die kitzliche Lage zu meistern versucht, in die er sich gebracht hat. Das ist leider eine Kunst, die nicht jeder kann. Man braucht'sich ja nicht gerade der Bigamie schuldig gemacht zu haben. Aber jeder gerät einmal in eine Lage, in der es nicht nur der Energie, sondern auch eines klaren Kopfes bedarf, um nicht unter die Räder zu kom men. Wie viele verlieren schon bei der geringsten Mitz- helligkeit im Beruf, bei der kleinsten Meinungsverschie- denheit in der Familie den Kopf! Es gibt nervös belastete Kinder, die springen wegen einer schlechten Zensur ins Wasser. Es gibt aber auch wahrhaftig genug Erwachsene, die laufen einer Entscheidung, die keinesfalls den Kopf gekostet hätte, gleich in die ewigen Jagdgründe davon ... Aber so schlimm braucht es noch nicht einmal zu kommen! Wie viele gute Stunden verderben wir uns mit schlechter Laune! Gerade jetzt, wo draußen die Bäume blühen, die Welt mit jedem Tage schöner wird und die reinsten Freuden des Lebens sozusagen aus der Stratze liegen — ach wie vielen sauren Gesichtern begeg net man trotzdem! Der eine hat Zahnweh, der andere kein Geld, den dritten hat die Frau geärgert und der vierte hat Anstände mit seinen Kollegen ... Du lieber Himmel! Als ob es nicht trotzdem erlaubt wäre, sich der schönen Welt zu freuen und dem Lachen der Sonne mit einem freundlichen Gesicht zu begegnen. Vielleicht wäre fiir die meisten dieser Sauertöpfe das Leben gar nicht so schwer, wenn sie nicht mit einer so bitterbösen Miens durch das Dasein gingen, datz jedem, der sie nur anschaut, sofort die Milch der frommen Denkart sauer wird . . . Das relative Wohlbefinden Auf uns kommt es an, ob wir uns selbst unter freundlichen Lebensumständen unglücklich fühlen — und Menschen dieser Art kann man ja leider jeden Tag treffen! — over ob wir uns mit Humor auch in schwie« rigen Lagen zurecht finden wie jener Bigamist im Silber haar vor Gericht. Der mit Befriedigung feststem, datz die Liebe jung macht — obwohl gerade die Liebe, wie er sie versteht, ihn auf die Anklagebank gebracht hat. Besseren Herren wird natürlich der humorvolle, aber nicht ganz einwandfreie Greis als Vorbild keines falls genügen. Sie werden nach besseren Beispielen suchen, die das Siegel geschichtlicher Grötze tragen. Ihnen zum Tröste sei gesagt: An solchen historischen Mustern ist keineswegs Mangel. „Alles verloren mit Ausnahme der Ehre!" stellte Franz 1. von Frankreich nach seiner Niederlage und Gefangennahme bei Pavia fest. In diesem tröstlichen Bewutztsein hat er sich mit seiner Gefangenschaft ab gefunden. Wenn, wir den losen Geschichten des Herrn