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8, küni kreppen von liunowsk! und Vollwertigkeit 2^vi8eken k'itr und I^ange^eile gelauscht. Als sie vier Augen tras. Professor Burnham, eine hagere Asketengeltalt mit bleichem hohlwangigem Anachorctenkops, weilte nun schon fünf Tage im Honduras-Hotel, einem der vornehmsten Erholungsheime an der Ostkiiste Floridas. Eine sonnenblitzende, fast übermütige Heiter keit erfüllte diesen alten Herrn, der im Nu sich zum Liebling aller gemacht hatte. Vom rein Persönlichen des Herrn Professors war freilich nicht allzuviel zu erfahren. Immerhin genügte das Wenige, das im Umlauf war, den neuen East erst recht in den Mittel punkt des Interesses zu rücken. Professor Burnham. erzählte man sich, war Irrenarzt an einer der größten Anstalten Neu- yorks, eine Millionenerbschast aus England hatte ihn vor eini gen Jahren zum steinreichen Mann werden lassen. Burnham besah mehrere hundert Morgen großen Grundbesitz in der Um gebung von Denver, und hatte erhebliche Anteile an Berg werken und anderen Unternehmungen. Am gleichen Tage, da Irrenarzt Professor Dr. Burnham sein Zimmer im Hotel bezog, tras auch ein um mindestens dreißig Jahre jüngerer East ein, ein Mann, mittelgroß, dunkel, mit fast knabenhaftem Eeslcht und nach der letzten Mode gekleidet. Das leicht zurllckgebogene Kinn deutete aus Trutz und Eigen willigkeit. Die ewig flatternde Krawatte, so wie sie Künstler tragen, überhaupt sein ganzes Auftreten zeugte von einer ge wissen Lässigkeit, — aber trotzdem blieb er Kavalier vom Schei tel bis zur Sohle, wie Miß Claire Haggerty im geheimen fest stellte. Sehr zur Enttäuschung Claire Haggertqs war der Fremde, der sich als Ralph Ashton eingetragen hatte, genau das Eegen- stiick von Professor Burnham. Ralph Ashton hatte die Schrulle, von der Gesellschaft überhaupt keine Notiz zu nehmen und schien mit Aufdringlichkeit den Unzugänglichen zu spiele». Stunden lang konnte der Sonderling aus der Terrasse im Liegestuhl verbringen, um Zeitungen oder Bücher zu lesen, alle anderen Gewohnheiten dieses Mannes aber dünkten wie dumpfes Miß trauen gegen jeden und jede. Trotz allem überlaß es Miß Haggerty nicht, mit Rouae ein paarmal täglich dem verblühten Teint etwa» nachzuhelsen. Da warf jemand, als man abends wieder mal im Epetse- saal beisammensaß, das Wort „Hypnose" in die Unterhaltung. Das war für Professor Burnham Anlaß, an zahlreichen Bei spielen aus seiner Praxis den Zuhörern den gewaltigen Ein fluß der Suggestion klarzumachen. Man erfuhr sogar, daß Pro fessor Burnham es zuwege brachte, Irre lediglich durch die Macht der Suggestion in verhältnismäßig kurzer Zeit von ihren Wahnideen freizubekommen. Von der Redeweise des Gelehrten, der jedes Wort bedächtig aus Eindruck prüfte, war alles in Bann geschlagen. Miß Haggerty hatte wie mit Andacht ein Weilchen später den Professor unter meinte sie ganz zufällig: „Nach Ihrer These, Herr Professor, könnte man schier annehmen, daß es auch möglich sein müßte, Widerspenstige zur Zuneigung und Liebe zu zwingen." „Aber selbstverständlich, meine Verehrteste, nichts ist leichter als das!" „Selbst dann, Herr Professor, wenn der, der heimlich ge liebt wird, mit Widerwillen bis obenhinan vollgestopft wäre?" „Jawohl, selbst dann, mein Fräulein! Meinen suggestiven Befehlen hält aus die Dauer keiner stand." Wie scherzhaft ließ Miß Haggerty den Namen Ashton fallen. „Eut, meine Dame, holen wir uns Herrn Ashton als Opfer. Schon morgen sollen Sie es erleben, welch überraschende Verwandlung sich bei Ralph Ashton vollzogen hat." „Herr Professor, ich hege die ernstesten Zweifel, daß gerade In diesem Falle Ihre Kunst etwas wird ausrichten können. Es dürste Ihnen doch kaum entgangen sein, wie sehr sich Herr Ashton zurückhält und sich gegen alles verschließt. Herr Ashton wird es glatt ablehnen, sich von Ihnen in den Trancezustand versetzen zu lassen." Der Irrenarzt lächelte. „Mein Fräulein, Sie scheinen meine wissenschaftlichen Ausführungen, die ich vorhin gab, nicht in allen Teilen verstanden zu haben. Mein bloßer Gedanken befehl, und käme er aus tausend Kilometer Entfernung, wird Herrn Ashton wie ein Kind gefügig machen. Ich brauche also das Hilfsmittel der Trance durchaus nicht. Die Verwandlung Und ob es recht warf Lange noch nach dem Anruf standen die beiden vor dem Telefon und machten sich aus ihre Art schon jetzt ein Bild von der Fremden. „Eine Stimme hat sie gehabt, — höchstens zwanzig", be teuerte Heinz. Karl überlegte. „Und ausgerechnet vor dir wollte sie sich malen lassen?" Hier hätte der Aeltere eine Chance gehabt, aber er war ehrlich. „Sie sprach nur vom Atelier, von deinem Dasein wird sie dabei allerdings wohl kaum «in« Ahnung gehabt haben." Oder von deinem! Schließlich, — eine junge, hübsche, blonde Dame von knapp zwanzig wird doch wohl viel eher meine Bilder in der „Neuen Mode" gesehen haben, als vielleicht deine alte Fischerfrau beim R'etzeknüpfen in der „Sonntagspost". Klar, fi« will zu mir!« Menschen dieses Zeitalters. Eine peinliche Palaritat! Von beidem ist'ein Mas; denkbar, das lebensgefährlich werden kann. Nicht jeder kann es! Gan,; verschieden freilich verhalten sich die Menschen in jenen Lagen, die Fis; oder Langeweile hcraufbeschwö- ren können. Nach Charakter und Temperament, Er ziehung und Selbstzucht gibt es da sehr grotze Unter schiede. Wer hat nicht in seinem Bekanntenkreise, vielleicht sogar in seiner nächsten Umgebung irgendeinen Menschen, der bei der geringsten Kleinigkeit „Fitz kriegt"? So ein Armer gleicht einem Kraftfahrer, der ohne zu schalten eine steile Steigung nehmen will. Der Motor wird über anstrengt, und doch kommt man nur langsam voran. — Aber auch Menschen ganz anderer Art kennt wohl jeder: Männer und Frauen, die gerade dann, wenn Arbeit und Aerger in hohen Wogen gegen sie cmrennen, fest stehen wie die Felsen in der Brandung. Für ihre Um gebung sind sie ein Trost und ein Vorbild, diese Braven, deren Mut mit dem Sturme wächst. Sie sind sichere Fahrer, die das Schaltwerk der Gedanken beherrschen und mit fester Hand die steilste, auch die gänzlich un erwartete Steigung meistern. Auch diese ruhigen, selbstsicheren Charaktere freilich können bei bestimmten Gelegenheiten „aus dem Häus chen geraten". Der Bürovorsteher, dem der stärkste Ge schäftsgang einfach eine Wonne ist, kann sich über die Begriffsstutzigkeit eines Lehrlings so erzürnen, datz er selbst anfängt Fehler zu machen. Der Ansager im Kaba rett, den kein noch so kecker Zuruf aus der Fassung bringen kann, wird durch einen Fleck auf dem Frackhemd in ratlose Verwirrung gestürzt. Gar mancher Mann, den nichts in Verwirrung bringen konnte, lernt das Stottern im Angesicht einer schönen Frgu. Nicht gllein dgs Tempo eines Vorggnges ist gls» entscheidend dafür, ob Fitz oder Langeweile entstehen Heinz oder Karl, das war die Frage. Bet aller Abenteuer lichkeit des Geschehnisses'und trotz der freudigen Erregung und Erwartung des Kommenden waren die beiden doch wieder sach lich genug, um sich darüber nicht ernsthaft in die Haare zu ge raten. „Man wird ja sehen", dachte ein jeder für sich mit einem Seitenblick auf den Bruder und traf dann seine Vor bereitungen. Heinz wollte die schöne Unbekannte in einen Sessel setzen, den er an das kleine Fenster rückte. Hier hatte man die Weite des Himmels und, wenn man wollte, auch ein wenig von dem Gewirr der Dächer. So dachte er sie sich ihrer Stimme nach, zart, jugendsrisch, wie eine Wolke, die draußen an dem Fenster voriiberzog. Karl dagegen ordnete heimlich den Faltenwurf des großen Vorhanges, der die Betten von dem anderen Teil des Zimmers trennte. Hierher wollte er sie stellen. Lang und fließend das Gewand, eine Hand leicht in den Vorhang greifend, dem er je nach der Farbe ihres Kleides einen tiefen, satten Unterton geben würde. Ein großer Hund müßte dann neben ihr stehen, auf dessen, Kops ihre Rechte ruhte, schon dachte er an die Dogge des Portiers, ob er die wohl ansgeliehen be käme, — kurz, es spukte in allen Ecken des Krauselchen Ateliers. Peinliche Polarität Sollten Sie etwa nicht wissen, was Fitz ist? Dann lassen Sie sich das bitte erklären: Nehmen wir einen leichten Fall! Etwa ein Vergnü gen, den Besuch eines Balls. Seit Wochen weitz man, datz dieser Abend diesem Zweck gewidmet sein wird. Aber eine Stunde vor Beginn bedrängen uns die Vorbereitun gen: die Hemdknöpfe find verlegt, auf dem Lackschuh ist eine schadhafte Stelle, der weitze Binder leistet den Fin gern Widerstand . . . Mit einem Worte: Fitz. Erschöpft, wie ein gekochter Krebs gerötet vor Anstrengung, kom men wir auf dem Frühlingsball an. Und nun kann es überall saßen und lehnten malerisch Helle Mädchengesialten, lächelten süß und betörend den Malersleuten zu und verwischten schon jetzt all das Grau des Alltags Und der Tag verging, und die Nacht, und der Vormittag. Es wurde fünf, und halb sechs, — und dann kam siel Stand groß und aufrecht in der kleinen Tür des Ateliers und schnappte um Lust nach den fünf Treppen. „Und der Preis, meine Herren, ich habe gestern ganz vergessen, danach zu fragen, der Preis für ein Dutzend?" Heinz und Karl sahen sich an, und dann den Besuch. So um die vierzig, groß, ein wenig dicklich, im seidenen Staats kleid und mit den Zügen satter, zufriedener Bürgerlichkeit, stand ihr „Else", ihre Lichtgestalt, vor ihnen. „Das Dutzend?" fragte Heinz Krause verlegen, um der unmöglichen Spannung ein Ende zu bereiten. „Nun ja", die Dame war resolut und musterte durch ein Lorgnon verächtlich die farbigen Sonntagsbilder der Gebrüder an den Wänden, „sind Sie denn nicht Photographen?" Nun war es zu Ende, die Spannung, der Traum. „Das photographische Atelier Krause, Gartenhaus, fünf Treppen, aber Aufgang 8", murmelte Heinz verstört, „ein Mißverständnis —" Gewaltig knarrte die Treppe unter dem Gewicht der Davon gehenden. Die beiden jungen Gesellen aber gingen einander aus dem Wege, lachten ein wenig krampfhaft und begruben einen Traum, von dem sie vierundzwanzig Stunden gelebt hatten. — Plauderei sm ^Vockenende Von Usrsbu. Ein gemischtes Vergnügen ist dieses Leben? Gemischt aus Freuden und Leiden, gemischt aus Gut und Böse, gemischt aus Schön und Hätzlich. Und gemischt wie die Dinge dieser Welt sind die Gefühle, mit denen wir ihnen begegnen: Entzücken und Trauer, Liebe und Hatz, An betung und Abscheu. Wir Modernen freilich möchten diese Gefühle gerne mitzcrchten, möchten herabsehen auf die Empfindsamkeit vergangener Zeiten mit dem stählernen Stolz des tech nischen Zeitalters. Aber unsere Herzen und Hirne sind auch im 2V. Jahrhundert nicht aus Stahl und Beton. Wer den Tempel der Gefühle zerstört, dem bleiben die Trüm mer. So entstehen die Halbfertigfabrikate der Seele, die für viele Menschen unserer Zeit Io charakteristisch sind. Die meist gebrauchten Halbfertigfabrikate dieser Art, die für manche Menschen Eifer und Abscheu, ja Liebe und Hatz ersetzen, sind Fitz und Langeweile. passieren, datz es längst nicht so nett ist, wie wir es erträumt hatten. Wir finden keine nette Gesellschaft, stehen oder sitzen zunächst ein wenig blöde in der Gegend herum. Nach der vorhergehenden Hetze fällt einem das doppelt auf die Nerven. Wir finden auf einmal alles abgeschmackt und begreifen uns selbst nicht, wie mir zu so einer Veranstaltung gehen konnten. Verstohlen gähnen wir in die weitzen Handschuhe hinein. Mit einem Worte: Langeweile. Sie werden einwenden, datz ja niemand zu einem Ball geben mutz, besonders nicht im Frühling. Dieser Einwand ist freilich nur bedingt richtig. Manche Menschen müssen eben doch, ob sie wollen oder nicht, an Veranstal tungen solcher und ähnlicher Art teilnehmcn. Aber neh men wir ruhig ein besseres Beispiel: den Normalfall, die tägliche Berufsarbeit. Auch da gibt es Tage, an denen der Flutz der Geschäfte auf einmal flotter strömt. Die Arbeit häuft sich zu Bergen. Wir sind vielleicht glücklich darüber, aber wir kommen einfach nicht mit. Erst bleibt das eine liegen, dann das andere. Schlictzlich überraschen wir uns dabei, datz wir planlos dies und jenes anfassen, ohne es zu Ende zu führen: Fitz! Aber auch der um gekehrte Fall ist jedem Arbeitenden bekannt: Tage, an denen alles schief geht, an denen nur unangenehme Nach richten kommen, an denen der Strom der Arbeit zu stocken scheint. Aus Widerwärtigkeiten und Flaute wächst Unlust, aus Unlust Langeweile. . . Soll Ich noch auf den schweren Fall Hinweisen, das; dieses Paar der Gegensätze sogar die Familie ersatzt? In der Haushaltführung, der Kindercrzichung, der Frei zeitgestaltung — überall kann das Tempo überdreht oder zu gering genommen werden, überall können Fitz und Langeweile die Harmonie des Daseins gefährden. — Zwischen Fitz und Langeweile schwankt das Leben der Irrenarzt kurnkarn" / Von Iokanne8 Im Gartenhaus, fünf Treppen hoch, lag das Atelier der Brüder Krause. Sie waren Malersleute, halten die Balken ihre» luftigen Heims knallrot angestrtchen und den Schrank dafür in ein tiefes, sattes Blau getaucht. Durch das große Oberlicht schien sommers hell und strahlend die Sonne, die meiste Zeit des Jahres über aber ergoß sich ein Helles Grau durch die Scheiben und beleuchtet« die Arbeiten der beiden jungen Gesellen. Die beiden Krauses waren jung und Malersleute dazu, aber ihr Leben war so bürgerlich und wohlgeordnet wie das eines jeden braven Zeitgenossen. Heinz, der ältere, zeichnete für Zeitungen und Zeitschriften klein« Skizzen, mal einen alten Winkel der Stadt oder auch ein Augenblicksbildchen vom letzten Pferderennen, nur des Sonntags konnte er einmal den Pinsel schwingen und vor der Leinwand stehen, um sich in Farben und Gesichten auszutoben. Sein Bruder Karl dagegen durfte seine Zeichnungen für das Modehaus zwar in braun oder blau, wie gerade die Modefarbe war, anlegen, im übrigen aber war die Hauptsache bei seinen Schildereien, Linie in den Modellen zu haben und liebevoll auf die Einzel heiten der neuen Modeschöpfungen einzugehen. Große Mappen unter dem Arm, trabten sie los, holten sich ihre Aufträge, und dann zeichneten sie bis spät in die Nacht hinein, damit am ersten die Miete pünktlich bezahlt wäre und der anriickende Winter sie in warmen Mänteln anträfe. „KUnstlerleben, Atelterzauber, Boheme", — das sind so Begriffe für den Spießer oder unreife Jünglinge, in denen Lampions, Grammophon und Mädchen eine Rolle spielen, Gebrüder Krauses KUnstlerleben war harte, strasfe Arbeit, und wenn Karl, der Modezeichner, sich von neuem Ideen sllr seine Figuren ergattern wollte, dann borgte er sich lediglich von der brüderlichen Liebe das Paar schweinslederne Handschuhe und stieg scheinbar unternehmungslustig den eleganten Frauen der großen Stadt nach, bis er von ihrem Gang und der Art, sich zu geben, so viel in sich ausgenommen hatte, daß diese Eindrücke wieder für eine neue Folge „herbstliche Mode" reichten. Gebrüder Krause hatten als Menschen, die in der Zeit standen, nicht nur unten am Haus ein Namensschild, sondern unterhielten auch ein Telefon. Und dies sollte eines Montags früh, als die Welt für die beiden alles andere als besonders rosig aussah, di« Frau in ihr Leben bringen! „Hallo, dort das Atelier?", Heinz Krause ruderte bei dem Anruf aufgeregt den Bruder mit den Armen herbei. „Eine Dame", flüsterte er, und dann die Anrusende: „Ich habe Ihre Bilder gesehen, die haben mir so ausgezeichnet gefallen. Sie müße» unbedingt ein Bild von mir machen." Heinz Krause machte einen Bückling und versicherte wiederholt seine restlose Bereitwilltgkeit. „Morgen um fünf, ist es recht?"