Volltext Seite (XML)
Gabriele von Heute vor 5V Jahren bewegte sich ein Trauerzug die schöne, alte Lindenallee des Tegeler Parks hinunter von dem von Schinkel klassisch gestalteten alten Iagdschlößchen fort, der Grabstätte der Humboldts zu. Der Choral „Jesus meine Zu versicht" verhallte in der noch herben Frühlingsluft, man näherte sich der dunklen Tannengruppe, vor der sich die aus hoher Granttsäule stehende „Spes" von Thorwaldscn erhebt, Symbol des Hoffens und des Friedens iiber den Gräbern der Humboldts. An diesem Tage trug man das letzte Kind Wil helms und Carolinens zu Grabe, Gabriele von Bülow, deren Gestalt uns durch das berühmt gewordene, nun vor 45 Jahren erschienene Lebensbild so vertraut geworden ist. Schon in dem etwa zweijährigen Kinde ist etwas von der geistigen Anmut, Güte und Liebenswürdigkeit, die so charak teristisch für sein Leben werden sollten. Es hat wohl aber auch selten ein Leben gegeben, das sich unter so günstigen Vorbedingungen entfalten konnte. Unter dem Schutz eines edlen Elternpaares erwachte der kleinen Gabriele Lebensbewutztsein in Rom. Aus den Fenstern ihres Kinderzimmers im Pallazzo Tomati sah sie über die ewige Stadl bis weit zum Meer hin und nahm dieses Bild unaus löschlich in ihrer Seele auf. Wilhelm von Humboldt, ein großer Kinderfreund und ausgezeichneter Pädagoge, hatte Adelheid und Gabriele in ihrer frühesten Kinderzeit fast ständig um sich. Er ersetzte ihnen die Mutter, die mit dem kränklichen Sohn Theodor für lange Zeit Rom verlassen muhte. Der geistvolle Gelehrte fand es nicht unter seiner Würde, genauen brieflichen Bericht iiber die kind lichen Einfälle und Spiele der beiden Kleinen zu senden, die allerdings zu Ungunsten ihrer Muttersprache die italienische Sprache bald vollkommen beherrschten. Gewöhnt, an dem Leben der Erwachsenen teilzunehmen, erschienen die beiden Schwestern auch stets, wenn Gälte an wesend waren Fast nie hat es eine geistigere und glänzen dere Geselligkeit gegeben als im Humboldtschen Hause, vor allem In Rom. „Allabendlich vereingte sich dort unter dem Zauber der unvergehlichen „Li" (Caroline von Humboldt) eine muntere Gesellschaft lunger Künstler lm Palazzo Tomati. Zn diesem heiteren Kreis fehlten die Kinder niemals, und in einem Alter, wo andere noch in der Kinderstube ein abgeson dertes Leben führen, lernten sie sich schon frei und natürlich in Gesellschaft zu bewegen". An der Spitze dieses Künstler kreises standen Rauch und Thorwaldscn, die den Humboldts sehr zugetan waren. „Dieser ständige Umgang mit Künstlern, der stundenlange Aufenthalt in den Ateliers von Rauch und Thorwaldsen. die ganze Atmosphäre der Schönheit, in der sie lebte, weckten schon früh in Gabriele ein lebhaftes Interesse für Kunst, und cs nahm niemand wunder, dak sie. ehe Ihre Eltern Rom verliehen, darum bat, noch einmal in alle Ga lerien und Museen geführt zu werden". Gabriele war damals acht Jahre alt. Es Ist begreiflich, dah sich die Humboldtschen Kinder un gemein rasch entwickelten, sie waren frühreif, aber ohne jede Spur von Altklugheit. Dementsyrcchend früh, ja eigentlich noch als halbe Kinder trafen Adelheid und Gabriele schon ihre Wahl fürs Leben Adelheid war noch nicht 15 Jahre alt, als sie den Generalleutnant von Hedemann heiratete. Gabriele folgte dem Beispiel Ihrer älteren Schwester. Kurz nach ihrer Einsegnung durch Schleiermacher verlobte sie sich, eben erst 14 Jahre alt. mit dem Diplomaten und späteren Staatsmi nister von Bülow. Aber Gabriele muhte im Gegensatz zu der kriegsgetrauten Adelheid, sehr vernünftigerweise noch fünf Jahre bis zu Ihrer Heirat warten. Diese Zeit der Prüfung und des Wartens trug viel dazu bei, Ihr Wesen zu vertiefen und zu reifen. Gabriele kam damals zum zweitenmal noch Nom. wo sich Caroline mehrere Jahre mit ihren Töchtern aufhielt. Die sehnsüchtig zärtlichen Briefe der kleinen Braut (sie feiert dort ihren 15. Geburtstag, wozu ihr die Künstler einen Kuchen mit 15 Lichtern aufbauen) berichten dem in Berlin zurückgebliebe nen Bülow getreulich von all den Eindrücken, die sie. nun her angewachsen, neu in Rom empfängt. „Schön finde Ich es und kann auch nicht anders, da es wirklich sehr schön ist." Aber gefallen wird es ihr doch tausendmal mehr in ihrem lieben Deutschland, da braucht Bülow keine Sorge zu haben! „Und wenn es auch das hählichste Land wäre, mit ihm wird sie selbst in der Einöde selig sein!" Um den Bräutigam ein wenig Uber die lange Trennung zu trösten, lieh Caroline ihre Tochter für ihn von Schadow malen. Und es entstand das bekannte rei zende Bild, das sich auch in Tegel befindet und das die kind liche Gabriele zwischen Tauben und Lilien zeigt, eine römische Landschaft im Hintergrund. Nach mehrjähriger Abwesenheit aus Italien nach Berlin zurllckgekehrt. willigten die Eltern Humboldt endlich in die Heirat ihrer Tochter mit Bülow ein, und die Trauung wird am 11. Januar 1821 durch Schleiermacher vollzogen. Die Ehe der beiden war eine denkbar glückliche, ihre Naturen ergänzten sich harmonisch. Bülows Ernst und Schwerblütigkeit ward durch Gabrieles sonniges Temperament ausgeglichen. Gabriele ent wickelte sich in der Ehe noch ungemein, neben ihren reichen VHATVTV / iw.«ot>«»«ag geistigen Anlagen entasteten sich alle In ihr schlummernden ausgesprochen frauenhaften und mütterlichen Eigenschaften. Als dann Bülow mehrere Jahre hindurch Botschafter in Lon don war, erfüllte sie als Diplomatenfrau ihre gesellschaftlichen Aufgaben mit großem Geschick, ohne doch im geringsten eine Weltdame zu werden. Gerade weil sie sehr einfach und natür lich blieb, gewann sie ganz besonders den exklusiven englischen Adel für sich. Diese Einfachheit ist bei ihr Blüte der höchsten Kultur und Geistigkeit. So ist sie das Idealbild einer deutschen Frau, die ihrer Nation im Auslande alle Ehre machte. Gabrielens Lebensweg war nicht ohne tiefe Schatten. Sie verlor zwei ihrer Kinder, von denen die liebliche Therese schon 12 Jahre alt war. Nach dem Tode der Mutter war Gabriele oft in Tegel, Wilhelm von Humboldt hing mit besonderer Liebe an dieser Tochter und erfreute sich an den Enkelkindern wie einst an den eigenen Kindern. Er erlebte nicht mehr das schwere Geschick, das Gabriele durch die geistige Umnachtung ihres Mannes, aus der ihn erst der Tod erlöste, traf. All diese Schickungen aber trägt die Tochter Humboldts in edler Ge- haltenheit. Die Anmut und Leichtigkeit ihres Wesens konnte nichts zerstören, wei' sic ihren Grund in einer seltenen see lischen Tiefe hatten. Sie blieb der Mittelpunkt der Familie bis in ihr Hohes Alter und war bis zuletzt von bewunders- würdiger geistiger Klarheit und Frische. Streng gemm sich selbst und alle körperlichen Beschwerden nicht achtend, war sie voll Güte, Nachsicht und Verständnis gegen die Jugend, die um sie heranwuchs. In Gabriele von Bülow sammelte sich alle Tradition der Humboldts, und mit ihr ging ein ganzes Zeit alter zu Ende. Einer ihrer Enkelinnen Anna von Sqdow, die jetzt verwitwet in Tegel lebt, aber war es Vorbehalten, die Schätze zu heben, die in den Familicnpavieren verborgen la gen. Wir verdanken ihr nicht nur das Lebensbild ihrer Groß- mutter, das mit zu den schönsten Frauenleben gebärt, sondern auch die Herausgabe des Briefwechsels zwischen Wilhelm und Caroline von Humboldt. L. A. Colson, des Negrrs* letzter Freund Washington. April 1037. Unerwartet früh und als verhältnisinätzig junger Mann ist still und einsam Everett Andrews Colson in Washington gestorben. Er erlag einem schweren Herzleiden, das er sich durch den langjährigen Aufenthalt in Addis Abeba zuzog. Ein Abenteurerleben verklang anders, als man es hätte erwarten sollen. Vom Theresien-Taler zur Banknote Als vor vielen Jahren der Amerikaner E A. Colson durch Vermittlung eines Freundes, der auf seinen Iagdreisen mehr fach nach Addis Abeba gekommen mar, eine Berufung nach Abessinien erhielt, sollte seine Aufgabe darin bestehen, das abessinische Geldwesen zu reformieren. Man lebte dort in einem Zustand, der teils auf älteste Tauschhandelsmethoden zurückging, teils als einziges vollwertiges Zahlungsmittel den Maria- Theresien-Taler anerkannte. Halle Selassie hatte nämlich den Entschluß gefaßt, nach und nach die Silberwährung, die durch jenen Taler bedingt war, abzuschafsen und statt dessen Bank noten auszugeben, die auf irgendeiner Goldwährung beruhten. Die Vorarbeiten für diese Umwandlung zogen sich lange hin. In der Zwischenzeit wurden in Wien weiter Theresien-Taler geprägt. Andere Aufgaben drängten sich Colson auf. Die Finanz reform rückte allmählich an die dritte und vierte Stelle. Die Konzessionen an Rickett Eines Tages wurde die Welt von der Nachricht van rie sigen Oelkonzessionen überrascht, die an den englischen Finanz mann und Zwischenhändler F. W. Rickett gegeben worden waren. Es ging um eine Summe von 10 000 000 Pfund Sterling. Riesige Verträge und Dokumente wurden aufgesetzt, deren letzte Formulierung im Laufe einer einzigen Nacht ausgearbeitet wurde. Diese Arbeiten waren in der Hauptsache das Werk Colsons, der zusammen mit Sir Percival Phillips die Ueber- schungen aus den Ursprachen in den englischen Text vornahm. Eine schwierige Arbeit, zumal der englische Text für zukünftige Meinungsverschiedenheiten ausschlaggebend sein sollte. Niemand von den Beteiligten ahnte, daß man eine vollkommen nutzlose Arbeit vollbrachte. Der Rat der Drei Inzwischen war die Kriegsgefahr immer näher gerückt. Zusammen mit dem Schweden Virgin und dem Schweizer Auberson bildete Colson den berühmten Rat der Drei, die jeder auf seinem Gebiet den Negus nach bestem Wissen und Können, oft unter gefährlichen und abenteuerlichen Verhältnissen und Umständen, zu beraten versuchten. Aber Colson war der Ruhi gere und in seinen Prognosen der Zuverlässigere von allen Rat gebern. Er rückte an die erste Stelle. Er wurde beauftragt, jene Telegramme an den Völkerbund zu formulieren und auch sonst den internationalen Verkehr mit der Außenwelt zu erledigen. Flucht vor dem Tod Schon ein Jahr bevor Colson Addis Abeba verließ, war er ein schwerkranker Mann. Addis Abeba ist bekanntlich eine der Höchstliegenden Städte der Erde. Die dünne Luft, die klima tischen Bedingungen bewirken nach und nach — etwa genau so wie in Lhasa oder in einigen Hochgebirgsplätzcn in den Anden — Blutveränderungen, dir nur wenige Menschen auf die Dauer vertragen. Di« Freunde Colsons beobachteten seinen Verfall. Man riet Ihm dringend, abzureisen. Statt dessen fuhr er im Innern des Landes umher, versuchte zu retten, was noch zu retten war. Erst kurz bevor die Hauptstadt erobert wurde, reiste er nach Kairo und später nach Jerusalem ab. Aber er war schon damals so schwerkrank, daß man ihm nicht mehr viel Hoffnung machte. Letzte Berater-Rolle ln Genf Er kam nach Bad Nauheim. Als die Lage sich für den Negus restlos verhängnisvoll zugespiht hatte und dieser einen letzten Appell an die Welt richtete, war E. A. Colson bett lägerig. Obwohl ihm die Aerzte dringend abrieten und zum Schluß jede Verantwortung ablehnten, verließ er Bad Nauheim, um in Genf zum letztenmal seine Rolle als Berater zu erfüllen. Er sah. daß seine Rolle ausgcspielt sei — körperlich war er gebrochen, sachlich war alles verloren. Auf der Tragbahre brachte man ihn auf das Schiss, das ihn nach Amerika hinüber führte. Ein Sterbender kehrte dorthin zurück, wo er vor vielen Jahren als gesunder und hosfnungsfrcudiger Finanzmann ge- wirkt hatte. Er hat sich von seinem Sterbelager nicht mehr erhoben. Die letzten Hintergründe der Tragödien, die er aus nächster Nähe miterlebte, nimmt er in ihren Einzelheiten al» verschwiegener letzter Freund des Negus mit ins Grab. Indien und die Mission des Christentums Zu diesem Thema bringt das römische Regierungsblatt „Givrnale d'Italia" die Stimme des Universitätsprosessors Battücl-erji aus Kalkutta, der wegen seiner Studien über die italienische Renaissance mit dem Lande, das aus künstlerischem Gebiete als das fruchtbarste jener Zeit angesehen werden muß, zahlreiche Beziehungen unterhält. Der Gelehrte, der sich vor allen Dingen mit den philosophischen und literariscl)en Strö mungen Europas befaßt, sieht den indischen Volksführer Gandhi nicht, wie es wohl sonst immer geschieht, von rein politischem Standpunkt aus. Höl>er als umfangreiche politische Programme schätzt er das lägliclie Apostolat Gandhis unter den niedrigsten Klassen seines Volkes, das er ein wesentliches Element zur Ver schmelzung der indischen Kasten zu einer nationalen Einheit nennt. Trotz der Einslüsse des Westens ist dieser Geist auch l)«ute in Indien noch stark lebendig, wenn es nach der Einrich tung englischer Schulen auch nicht mehr angeht, daß die Brah- manen allein das ihnen Jahrhunderte hindurch zustehende Pri vileg der Erziehung und Ausbildung genießen. Besonders stark ist er im südlichen Indien, wo es den Anackärigen der niederen Kasten vor nicht allzulanger Zeit nicht einmal ge stattet wär, die gleichen Straßen wie die Brahmanen zu be nutzen, weil der von ihnen ausgehende Schatten sie hätte ver unreinigen können. Daß aus solchen Verhältnissen «ine sich wahrhaft als Nation fühlende Volksgemeinschaft niemals her- vorgchen konnte, hatten schon im mittelalterlichen Indien große Persönlichkeiten ersaßt, die in ihrem Versuch, eine Brüderlich keit der Menschen durch ihre Abhängigkeit von einem gemein samen Gott zu erreichen, nicht ohne Erfolg geblieben wclr«n. Die berühmtesten unter ihnen waren Kahir. Nanak und Chaitanya, deren Werk jedoch in den Jahrhunderten- der Anarchie und der Wirren, die der englischen Besetzung voraus gingen, kaum noch Spuren hinterließ. Die Aufgaben, die sie nicht zu lösen vermochten, teilt Pros. Battacherji den christlicl>en Missionaren zu. die seit Beginn ihrer Wirksamkeit mit Erfolg an der Zurückdrängung der Kasten ar beiten. Die Eingeborenen, deren Lebensverhältnisse unerträglich waren, fanden bei dem neuen Glauben viele Erleichterungen, aber auch jene, di« ihm fernblicben, zogen indirekt aus ihm Vor teil. In den Dörfern wurden Schulen eröffnet, in den Städten Kollegs, Asyle und Spitäler. Heute ist dieses Zivilisationswerk umfangreicher und blühender denn je. Besonders stark sind in den indischen Städten die Jugendorganisationen, bei denen jeder Unterschied der Religion und Kaste verwischt ist Neben den Die Fahnenverleihung durch den Führer Link»: Adolf Sitler bei der Fahnenübergabe. Hinter ihm Generalfeldmarschakl von Blomberg und (von link» nach recht») Generaladmiral Naeder, Generaloberst Döring und General oberst Freiherr' von Fritsch. — Recht»: Übersicht über den VichrkMplatz während der milttSrtschen Feier. Der Führer schreitet in Begleitung de» R«ich»kri«gsmlnisters und der Ober befehlshaber der drei «chrmachtteile die Front ab. (Bcherl Bilderdienst, N.)