Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.09.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-09-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140903028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914090302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914090302
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-09
- Tag 1914-09-03
-
Monat
1914-09
-
Jahr
1914
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
interniert. Ts ist gelungen, an 800 Japaner fest, zunehmen, das find fast alle an norddeutschen Hoch schulen immatrikulierten japanischen Studenten und die übrigen bei Kriegsausbruch in den norddeutschen Großstädten aufhältlich gewesenen Japaner. Al» die deutschen Erenzbehörden zur Festnahme der Ja» pancr schritten, waren diese völlig überrascht, da sie glaubten, mit ihren vorsorglich verbreiteten Angaben über das Reiseziel die deutschen Behörden irrcgeführt zu haben und diese an der s ch wet ze rischen Grenze auf der Lauer glaubten. — Ein Teil der Japaner, der kurz vor dem Verschwinden aus ihren Quartieren noch größere Schulden bei ihren Lieferanten ausgenommen hatten, wurde wegen Verdachts des beabsichtigten Be trugs der Staatsanwaltschaft über- geben. Sämtliche im Besitz der Festgcnommenen vorgefundenen Gelder wurden ausnahmslos be schlagnahmt, da die Japaner ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ihre Logisgeber verlassen hatten und jetzt die vollen Mietbeträge nachzahlen müssen. Ver Zeppelin abermals über /lntwerpen. Tie heutige Morgenausgabe des „Berliner L o t a l a n ze i g e r s" veröffentlicht abermals zwei Trahtmcloungcn über eine neue Fahrt eines Zeppclinlustschifies nach Antwerpen: Kopenhagen, 2. September, 2 Uhr 10 Min. nachm. Aus Antwerpen wird gemeldet: Ein Zeppelin! uftschifs erschien heute früh 3 Uhr über der Stadt und eröffnete ein heftiges Bombardement, das großen Schaden stiftete. Es gab viele Tote. Einzelheiten fehlen noch. Rotterdam, 2. September, 3 Uhr 45 Min. nachm. Heute früh um 3 Uhr erschien wiederum ein „Zeppelin" über Antwerpen. Das Luftschiff wurde mit Gewehren und Kanonen be schossen. Auch uns waren diese Meldungen in der ver gangenen Nacht zugegangen. Aus den bekannten Grünten sahen wir jedoch bisher von deren Ver öffentlichung ab. Admiral Bou6 de Lapeyröre Kommandant derenglisch-sranzösischenHlotteimMitteUneer London, 31. August. Das Preßbureau meldet: Der Erste Admiral der französischen Flotte, Bouü de Lapcyräre, hat das Kommando über die kombinierte englisch-französische Flotte im Mittel meere übernommen. Admiral Sir A. B. M i l n e ist infolgedessen nach England zuriickgckehrt. Seine Haltung sowie seine Dispositionen bezüglich der deutschen Schiffe „Go eben" und „Breslau" waren Gegenstand einer Untersuchung mit dem Ergebnisse, daß die von Mine getroffenen Maßnahmen in jeder Be- ziehung gutgcheißen wurden. Kuf Minen aufgelaufen. Aus Berlin wird der „Köln. Ztg." gemeldet: Der in Ensbcrg beheimatete Handelsdampfer „Ga ca" ist nach dänischen Berichten in der Nähe von Sunderland auf eine Mine aus gelaufen und völlig vernichtet. Das Schiff befand sich quf der Reise nach seinem Heimat hafen am Kleinen B.'lt mit einer Ladung Kohlen. Drei Mann der Besatzung sind gestorben. — Ein gleiches Mißgeschick ereilte den in Hangesund be heimateten Handelsdampfer „Gottfrid", der am 28. August frühmorgens auf eine Mine gelaufen ift und 27 Seemeilen nordöstlich von der Tynemündung untcrging. Der Kapitän, der Steuermann, der Bootsmann und der zweite Maschinist kamen mit dem Leben davon. Acht Mann der Besatzung er tranken. Es scheint, daß die Engländer ihre Hafenzusahrten mit Minen gespickt Haden. 145 deutsche Seamte zwangsweise nach Frankreich geführt. Straßburg, 3. September. sEig. Drahtm.s Nach behördlichen Feststellungen sind von den französischen Truppen bei ihrem kurzen Eindringen in das Elsaß 14S beamtete Personen der Grenz bezirke zwangsweise fortgeführt worden, weil sie sich weigerten, über deutsch« Truppcnmaßnahmen Aussagen zu machen. Ein Teil von ihnen berief sich, wie die Blätter melden, auf ihren geleisteten Dtensteid, ohne jedoch ihre Ver haftung abwenden zu können. Im Grenzbezirk hatten die Franzosen Kriegsgerichte eingesetzt und be reits Todesurteile gegen deutsche Beamte gefällt. ^Elen-er Widerhall." Viel hat Lord Kitchencr und mit ihm Herr French den verbündeten Franzosen noch nicht nützen können, aber immerhin, seine Versprechungen blieben doch bestehen. 500 000 Mamr Freiwillige wollte er auf die Beine bringen, und dann wehe den Deutschen! Aber freilich, Frankreich muß sich noch ge dulden, denn vorläufig haben sich zu der großen Armee erst 60 000 — 90 000 Freiwillige gemeldet. Sir GeorgcP r a g n e l l hat dies in einer Versammlung von Interessenten des Tcxtilgcwerbcs in London, über die die Londoner „Times" berichten, öffentlich festgestellt und cs als „sehr traurig" bezeichnet, daß „der Appell Lord Kitcheners einen so elenden Widerhall gefunden habe. Und be kümmert hat er hinzugefügt, es sei kaum noch Aus sicht vorhanden, daß die freiwillige Rekrutierung noch so viele Männer, wie nötig wären, auf die Beine bringen würde. Die Stimmung in London ist also recht bekümmert, ein holländisches Blatt schildert sie fol gendermaßen : Die große Schlacht ist geschlagen und verloren. Alle Hoffnungen auf einen raschen Sieg sind natürlich vorbei. An die Erzählungen von der gefährlichen Lage der Deutschen in Belgien, mit der man in der vorigen Woche das Publikum ermuntert hatte, glaubt niemand mehr. Man spricht nur noch von den Verteidigungslinien im Norden Frankreichs, die den Feind aushalten sollen, damit Zeit gewonnen wird. Tanz England ist aber sest entschlossen, durchzuhalten. Selbst der „Manchester Guardian", der anfangs am meisten gegen den Krieg war, hält das Zusammcntrommeln von 600 000 Mann für notwendig. Aber woher nehmen? Selbst wenn alle erhofften Zuzüge aus Territorialtruppen (die bekanntlich nicht verpflichtet sind, außer Landes zu gehens und Kolonien wirklich eintrcffcn, bleibt noch immer ein Zuwenig von 2—300 000 M ann. Man spricht schon davon, den Sold zu erhöhen und die Altersgrenze auf vierzig Jahre hinaufzusetzcn. Intensive Propaganda soll auch Helsen. Alle Autos sind mit Zetteln beklebt, die das Motto Kitcheners: „Zu den Waffen!" zur Schau tragen, aber es hilft alles nichts. Niemand w i l l seine gute Stellung auf geben und seine Haut zu Markte tragen. Ein verspätetes Telegramm -es Aaren. Der Zar beglückwünschte die britischen Royal Scouts, deren Ehrenoberst er ist, durch folgendes Telegramm: „Ich bin überglücklich in dem Gedanken, daß ine in stolzes Regiment der Royal Scouts jetzt mit den Russen gegen den falschen Feind kämpst. Ich bin davon über zeugt, daß das Regiment seine altbcrühmtcn Traditionen aufrechtcrhalten wird, und sende ihm meinen herzlichsten Gruß und wünsche dem Regiment den Sieg." Schade, jammerschade, daß das Telegramm die stolzen Royal Scouts bereits in einer sehr üblen Lage antras. Wahrscheinlich muß cs den meisten Soldaten dieses stolzen Regiments in die Gesangcnlager nachgeschickt werden, die der „falsche Feind" — wie uns ausgerechnet der Zar nennt! — seinen verehrlichen Gegnern in ver schiedenen Teilen Deutschlands eingerichtet hat. (Line vernünftige Ttimme aus Rumänien. Bukarest, 2. September. Heute ist eine Broschüre zur Aufklärung der Lage „Worte an die Rumänen" erschienen, deren Verfasser, ein ehe maliger Abgeordneter, unter dem Pseudonym John Fr an za schreibt und der ein angesehener libe raler Politiker ist. Der erste Teil der Schrift be schäftigt sich mit den Beziehungen Rumäniens zu Deutschland. Der Verfasser führt aus, daß Rumänien seit 1878 nur Gutes von Deutschland er fahren habe, wofür noch das vorige Jahr ein Be weis gewesen sei. Woher also plötzlich dieser Aus- brbch des Hasses gegen Deutschland, der einige von uns dazu verführt, zu verlangen, daß wir unsere Interessen vergessen und uns in den Abgrund stürzen? Dieser Haß ist kein rumänischer Haß und wird nicht durch, rumänische Interessen und Schmerzen verursacht. Er ist ver Haß der Fran zosen gegen die Deutschen und von jenen bei uns einqeführt, die ganz französiert sind und glauben, daß unsere Gegenwart und Zukunft wegen Frank reichs in Gefahr gebracht werden dürfen. Ein solcher Ausbruch der Genihle ist 1870 noch verständlich ge wesen. weil damals der Kampf Deutschlands ohne Folgen für uns war. Heute aber, wo der Krieg für die Herrschaft Rußlands über die Länder geführt wird, zu denen auch Rumänien gehört, ist dieser Aus bruch nichts als ein Beweis des gänzlichen Mangels für dir Interessen des rumänischen Volkes. Eine kleine Hegenüberftellung. In dem Amsterdamer „Algemeen Handels blad" vom 29. August finden wir untereinander zwei Meldungen, die wir hier nebeneinder stellen: Eine russische Niederlage. Berlin, 29. Auaüit. (W. T. B.j Unsere Truppen in Preußen unter Führung des Generalobersten von Hin- denourg haben die vom Narew vorgegan^ene rui- jfiche Armee in Stärke von fünf Armeekorps und drei K-ivalleriedimsionen in dreitäalger Schlacht in der Gegend von Grlgenburg—Ortels- burg geschlagen und verfolgen sie jetzt über die Grenze. Allensiein genommen. London, 29. August. iNeuter ) Amtlich wird aus St. Petersburg ge meldet, daß die Be setzung von Allen- Itern nach einem drei tägigen Kampfe be stätigtwird. DieRussen setzen Ole Verfolgung kräftig fort. Unangebrachtes Zartgefühl. Der „Kölnischen Zeitung" wird geschrieben: Ob wir Deutschen wohl jemals Nationalbewußt- sein bekommen werden? Man sollte fast daran zweifeln! Gestern hielt ein Zug mit belgischen und französischen Gefangenen aus einem deutschen Bahnhof, bewacht von unfern deutschen Heldensöhnen. Als diese deutschen Krieger mein Horn sahen, baten sic um die „Wacht am Rhein". Da stürzte auch schon eine deutsche, hell blonde Pastorensrau mit der Roten-Kreuz-Binde auf mich zu und rief mich in sentimental flehentlichem Tone an: „Aber, bedenken Sie doch, das sind doch Gefangene, Gefangene, Ge fangene!" Ein alter, ehrwürdiger Eisenbahn- Oberrorsteher ließ sich anstecken und verbot das Blasen der „Wacht am Rhein". Auf meine patrio tische Entrüstung hin erklärte er schließlich: „Wenn Sie blasen, dann stürmt mir das Publikum den Bahnhof." Obwohl ich der Wahrheit gemäß er widern konnte, daß ich von draußen her käme und sehr wenig Menschen angetrosfen habe, blieb's bei der Rührseligkeit. Wäre der Beamte nicht solch ehr würdiger, alter Herr geiyescn, so hätte ich trotzdem geblasen und mich ruhig bestrafen lassen. Vom Eiffelturm in Paris habe ich vor drei Jahren hcruntergeblascn: „Ich bin ein Preuße", und ebenso vom höchsten Turm Rußlands 1899 in Reval, was mir freilich beinah schlecht bekommen märe, aber daß uns verboten wurde, auf deutschem Boden die „Wacht am Rhein" aus Rücksicht auf die Belgier und Fran zosen zu blasen mitten in dieser patriotischen Zeit, das hätte ich mir doch nicht träumen lassen. So ge schehen am 26. August, abends 7 Uhr. Dazu kommt noch, daß mir von Ohrenzeugcn versichert wurde, die Belgier und Franzosen hätten Tags zuvor die Mar seillaise gesungen, da sei aber kein Verbot erfolgt, wohl wieder, um die „armen Gefangenen" nicht zu betrüben. Daß unsere Feinde auf die gefangenen Deutschen solche zarte Rücksichtnahme nicht anwenden, beweist folgende Meldung der „D. T": Stockhalm, 1. September: Englische Zeitungen melden, daß di« erste Abteilung deutscher Kriegs gefangener nach Frith Hill nahe Bisley gebracht worden sei; sie sei dort in einem Schuppen von Wellblech untergebracht; der Schuppen sei von einem Stacheldrahtzaun umgeben, durch den ein hochgespannter elektrischer Strom gehe. Weitere Mel-ungen. Prof. Dr. Roentgen hat die ihm verliehene englische Große goldene Medaille, die einen Gold wert von etwa 1000 ftt besitzt, dem Roten Kreuz zur Verfügung gestellt. * Die Nickelwerke in Schwerte haben 200 000 Mark zur Unterstützung der Fami lien zu den Fahnen einberufener Arbeiter des Werkes gestiftet. Vie Haager Zrieöenskonferenz und Ser Europäische Krieg. Von Reichsgerichtsrat fte. Neukamp. I. Am 29. Juli 1899 sind auf der Haager Friedens konferenz zwischen dem orößten Teil der europäischen und einem Teil ter außereurrpänchen Staaten drei Abtommcn geschlossen und drec Erklärungen verlaut bart worden, die man, wenn sie von allen Betei ligten ernst genicinr waren, als die Vorläufer des Weltfriedens ansehen durfte. Es sind dies die Ab kommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle, ferner betreffend die Gesetze und Ge bräuche des Landkrieges und die Anwendung der Grundsätze der Genfer Konvention vom 22. August 1861 auf Len Seekrieg, sowie die Erklärungen detr. das Verbot des Wertens von Geschossen und Spreng stoffen aus Luftschiffen oder auf andern ähnlichen Wegen, das Verbot der Verwendung von Geschossen mit erstickenden oder giftigen Gasen und das Verbot von Geschossen, die sich leicht im menschlichen Körper ausdehnen oder platt drücken. Schlön so das 19. Jahrhundert mit den schönsten Erwartungen für eine friedliche Weiterentwicklung der menschlichen Kultur ad. so hat der Anfang des 20. Jahrhunderts, fast genau 15 Jahre nach dem Abschluß jener Abkommen und der Abgabe jener Erklärungen, einen Kriegszustand über Europa heraufveschworen, wie er, soweit geschichtliche lleber- lre,erring reicht, noch niemals geherrscht hat. Wie rasch ist es mit der europäischen Kultur bergab ge gangen, der jetzt der russische Panslavismus — trau rigerweise mit Hilfe der westeuropäischen Kultur staaten Frankreich und England — vollends den Gar aus machen will, wenn es Deutschland und Oesterreich- Ungarn nicht gelingt, seiner mächtigen Feinde Herr zu werden. Dieser jähe Verfall der Kultur ist um so überraschender, als die zweite Haager Friedens konferenz, an der nicht weniger als 44 Staaten teil genommen haben, noch am 18. Oktober 1907 die früheren Abiommen nicht nur aufrecht erhalten, sondern noch in friedlichem Sinne erweitert und auf die Zahl von 12 Abkommen vermehrt hat. Be zeichneno ist es freilich schon für den Rückgang der Kultur, daß die Erklärung betr. das Verbot des Werfens von Geschossen und Sprengstoffen aus Luft schiffen nur eine fünfjährige Geltungsdauer gehabt hat, die bei der zweiten Haager Friedens konferenz nicht verlängert wurde, und daß Groß britannien sich jener Erklärung niemals an geschlossen hat. Um aber den Unterschied zwischen dem „Einst" und „Jetzt", zwischen dem Ausgang des 19 und dem zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhundens in beso nders Helles Lichc zu rücken, genügt es ichon. die wichftgsten Bestimmungen aus den Abkommen der Haager Friedenskonferenz und die amtlich mitgeteilten Be weggründe, welche zu deren Abschluß geführt haben, in folgendem kurz mitzuteilen und sie mit den gegen wärtigen Zuständen zu vergleichen. Man wird es kaum begreifen, daß in einem Zeitraum von knapp 15 oder seit der zweiten Haager Friedenskonferenz sogar nur sieben Jahren eine so vollständige Umgestaltung der sittlichen Anschauungen und der völkerrechtlichen Beziehungen möglich gewor- LvdrsidMLSvdirev I arbbünck >r u Xoblcyniftere, OriininaGcbv 8ir. 24. veutsche Männer. 13s Geschichtlicher Roman von Wilhelm Jensen. Der gewaltigste Wirbel aber risi den Prin- zcu Friedrich Wilhelm vvn Braunschweig mit sich fort. Beim Beginn des Krieges jetzt zum Oberbefehlshaber des Regimentes von Kleist er- nannt und einem Korps des Herzogs Karl August von Suchsen-Weimar zugesellt, hatte er, wie dieser, an der mörderischen Doppelschlacht nicht-teilgenommen, doch ward er ohnmächtig in den Strudel der aufgelösten Flüchtlinge mit hin. eingeschlcudert. Nur die äußerste Schnelligkeit ibot noch eine Aussicht auf Rettung, und in wilder .Hast drängte sich das Weimarjche Korps auf Magdeburg zu, ohne Halt an diesem vorüber nordwestwärts weiter, Hamburg entgegen. Da traf Friedrich Wilhelm plötzlich gegen Abend die Nachricht, sein Vater sei, zu Tode getroffen, vom Auerstädter Schiachtselde nach Braunschweig ge bracht worden, und in derselben Minute sich vom Herzog Karl August für die Nacht Urlaub erbittend, jagte er über die Heide aus die vier Meilen entfernte Stadt zu. Ohne Ahnung, was ihn hier im Schloß erwarte, stürmte er die Treppe hinan, fand seinen Vater auf martervollem Wundbelt hingestreckt. Doch sich mit gewalt samer Willensstärke aus seinen Qualen zusam- menrasjend, verwandte er die letzte Kraft auf das, was im braunschweigischen Lande als Höch stes not tat, die sichere Regelung seiner Thron folge. Zn unausfchicbbarem Drange der zwin genden Umstände »vard eine Urkunde angcfertigt, in der die beiden schwachsinnigen älteren Prin- zen zugunsten ihres jüngsten Bruder- Verzicht leisteten, und das Dokument mit letzter Re- gcntenhaudluug vom Herzog unterzeichnet, furchtbare Nachtstunden waren cS, entsetzlicher al- für den Sterbenden fast noch für den plötz lich nicht nur zum Erbprinzen Berufenen, son dern bereits zum tatsächlichen Souverän des Herzogtums Eingesetzten, denn das Leben seines Vaters konnte nur noch nach Tagen zählen. Ihn selbst aber trieb unerbittlich die Pflicht für jein Regiment schon vor dem Morgen, anbruch wieder davon; in halber Besinnungs losigkeit mutzte er letzten Abschied von dem Tod wunden nehmen, für dessen Fortschaffung wei ter gen Norden mit dem Tagbeginn gleichfalls Anstalt getroffen wurde. Denn stündlich liefen Meldungen ein, das; von West und Süd sran. zösische Truppen auf Braunschweig herannahtcn, und sein einziges Trachten ging noch darauf hinaus, nicht mehr lebend in Feindeshand zu fallen. Gradans, der Lüneburger Heide zureitend, sand der P.inz Friedrich Wilhelm am "Nach mittage die Spur des rastlos die Nacht hindurch marschierten Weimarschen Korps wieder aus und erreichte dies in der Stunde seines Zusammen treffens mit anderen von Osten her flüchtenden preußischen Abteilungen. Westfälische Truppen waren cs, mit denen der Generalleutnant von Blücher bei Auerstädt den ersten, erfolglosen Reiterangriff ausgeführt und dann die Nachhut für den Rückzug des Fürsten von Hohenlohe gebildet. Doch wie dieser seinen gesamten Heer rest in schmählicher Kapitulation bei Prenzlau dem französischen Marschall Ninrat ausgelicfcrt hatte, war der alte, vierundscchzigjährige Hau degen nicht zu bewegen gewesen, auch seine Ka vallerieregimenter mit zu übergeben, sondern westwärts davongejagt und stieß unerwartet so mit dem sächsischen Korps zusammen. Sehr will kommen geschah t dem Herzog Karl August, der die Möglichkeit nutzte, zur Fürsorge für sein eignes Land sein Kommando in die Hand Blüchers nicderzulegen. Dadurch erhielt dieser den Befehl über ungefähr 10000 Mann, mit denen er, von dreifacher Fcindesübermacht ver folgt und umdrängt, als festen Halt und Vcr- teidigungsplatz die alte Hansestadt Lübeck zu erreichen suchte. Das gelang ihm noch im letzten Augenblick, doch schon der folgende Morgen sah Lübeck von einer blitzschnell nachgerückten Armee des Mar schalls Bernadotte umlagert, und in noch atem. loserem Wirbelsturm als bisher überstürzten sich in den nächsten Stunden die (Geschehnisse. Die mittelalterlichen Stadtmauern zeigten sich nicht stark genug, gegen die feindlichen ttkschütze stand zuhalten; dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Braunschweig war die Verteidigung des nörd lichen Burgtor» überwiesen worden, und tod verachtend behauptete er dies g.raume Zeit hin durch mit seinem Regiment. Doch ein über flügelnder Angriff mehrerer französischer Bri gaden bedrohte ihn mir der Eroberung seiner Batterie, deren Kanonen er in fliegender Hast um ein Dutzend Schritte zurückzichen lassen muffte, Sicherung und neue Wirknngsinöglich- keit für sie zu gewinnen. Zugleich inoes ward an der andern Stadtseitc das südliche Mühlen tor im Sturm eingenommen, übergewalfta und unhcmmbar drangen Feindesströme in die Stra ßen hinein, machlen jede Fortsetzung des Wider standes zur Unmöglichkeit. Um durch letzten Ver. such den Rest seiner Truppen vor der völligen Vernichtung zu retten, verblieb Biücher nichts andres, als sich mit ihnen vor die Stadt hinaus dnrchzukänipfen, doch kaum eine Meile weit fort gelangt, sah er sich, von allen Seiten hilflos umschlossen, bei dem Dorse Ratetan gezwungen, sein Korps mit cts d-e»eralen uno einem halben Tausend von Offizieren in Gefangenschaft zu überliefern. In lochendem Ingrimm aber wei gerte er sicb, die Kapitulation zu unterzeichnen, bis der Marsck-all Bernadotte ans seine Be- dingung cinging, in der Uebcrgabcerklärung zu bekunden, daß er sie nur wegen vollständigen Mangels an Munition und Proviant vollzogen habe. Der Herzog Karl Wilh.lm Ferdinand war über die Lüneburger Heid und die Elbe hin- über nach dem tzolstein,,^en Dörfchen Ottensen bei Altona gebracht worden; dorr schloß er am 10. November in einer kleinen, wie zum Hohn „Karlsruhe" beuauuteu Wirtschaft die Augen zum letztenmal und ward auf dem Friedhof neben der Gruftstätte des einige Jahre zuvor hier eingebetteten Dichters Klopstock beerdigt. Um wenige Tage nachher stand der neue Her. zog Friedrich Wilhelm von Braunschlveig, aus der Gefangenschaft, in die er bei Ratekau ge fallen, entlassen, am Grabe seines Vaters, dann brach er südwärts auf, die Regentschaft seines Landes anzulreten. Doch ehe er bis zu diesem hingelangrc, traf ihn unterwegs die Veröffent lichung eines vom Kaiser Napoleon in einer Zeile ausgefertigtcn Dekrets: „Us Duo ä» Lruosieiok » cv»S ck» re^ver." Als einen von vielen betraf's ihn, denn unaufbaltsam wälzte sich der Untergang alles alten Rechts- und Hoh ilsbestandeü über Deutsch land weiter. Im Friedensschluss zu Tilsit ver lor Preußen mehr als die Hälfte seines Gebietes, sämtliche Lande zwischen Elbe und Rhein; ans ihnen, sowie ans dein Herzogtum Braunschweig, Hessen und Hannover bildete der Sieger ein neues „Königreich Westfalen" mit der Hauptstadt ' Kassel, als dessen König er seinen jüngsten, drei undzwanzigjährigen Bruder J'röme Bonoparte einsctzte; auch Magdeburg und Halle sielen dem neuen Vasallenstaate Frankreichs zu, das setzt in Wirtlichkeit die Oberherrschaft über alle Lün- der des alten deutschen Reiches ausübte. Im Tilsiter Frieden war des Herzogs von Brann, schweig nicht einmal Erwähnung getan worden; ein Federstrich des Machthabers über fast ganz Europa hatte genügt, ihn des uralten Besitz, tums seines Hauses zu entäußern. Verfemt irrte der Entthronte im Ausland nmher, kaum wußte jemand, wo er sich auf. halte: doch war von treuen Händen der bare Geldbestand des ihm hinterlassenen beträchtlichen Vermögens seines Vaters noch eben rechtzeitig vor dem Einmarsch der Franzosen in Braun- schweig nach Schweden in Sicherheit gebracht worden. Irgendwo traf ihn die Nachricht, der General von Blücher messe in seiner Recht- fertignngsjchrift der Kapitulation von Ratekau dem König Friedrich Wilhelm gegenüber die Schuld an der Erstürmung Lübecks dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Oels zu, der einem ihm erteilten Befehl bei Vcrtcioigung des Burgtores nicht Folge geleistet habe. Offenbar hatte der hitzköpfige alte Neitcrgcncral nach einer Persönlichkeit gesucht, der er die Ver. antwortnng für die erlittene Niederlage auf. bürden könne, und im deutschen Volte ver. breitete sich daraufhin der Ruf, der Komman deur des Kleistschen Regiments sei der Urheber des UuhcilSlages vou Lübeck gewesen. In mili tärischen Kreisen wurden sogar Summen laut, er l>abe als Verräter an der Sache des Vater. landeS gehandelt. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)