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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.09.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-09-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140902026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914090202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914090202
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-09
- Tag 1914-09-02
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Monat
1914-09
-
Jahr
1914
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veue 2. Nr. 446. Nvena»ttuvgave. Zranzöststhe Solöatenbilüer. Von E. Fritz Opel. lNachdruck verbotrn.) „Putzen erhält die Disziplin." Diese preußische Kommitzweisheit ist dem französischen Soldaten noch nicht ausgcgangcn. Nur eine einzige Uniform erhält er beim Eintritt in die Armee zugewiesen, und diese ist derartig, daß er auf ihre Pflege keine große Sorg falt zu verwenden braucht. Höchstens die rote Hose des Infanteristen ist für Flecken empfindlich. Der lange graublaue, gehrockartige Ueberrock, dessen "ordere Schöße beim Marsch zurückgeschlagcn werden, besitzt nur wenige matte Metallknöpfe, und die dunkelblauen Uniformen der Artillerie und Kaval lerie lassen noch rveniger Metall sehen. Dazu ist alles Lederzcug schwarz. Was soll der französische Soldat also putzen, zumal da er diese einzige Uniform nur außerhalb der Kaserne und zu Paraden trägt? Der Dienst wird fast ausnahmslos in den grauen Drillichanziigcn verrichtet, die gewaschen werden, wenn sie von den Hebungen auf dem Kasernenhof artillcriercgimcnt Nr. 3 ein unld wurde 1878 Leut nant. Wahrend des Besuches der Kriegsakademie 1886 zum Premicrleutnant befördert, wuiwe er 1888 zum Generalstab kommandiert und im folgenden Jahre mit vordatiertem Patent von diesem Kom mando entbunden. 1890 wurde er Hauptmann im Fcldartillerieregimcnt Nr. 7 und 1891 in de» Genc- ralstab der 34. Division versetzt. 1896 zum Major befördert, kam er in den Großen Generalstab. 1901 wurde er Kommandeur des Feldartillericvegiment» Nr. 33 und 1902 Oberstleutnant. 1903 als Ab- teilungschef in den Großen Generalstab versetzt, wurde er hier 190b zum Obersten befördert. 1908 wurde er mit der ^Uahrnchmung der Geschäfte eines Oberquartiermcistcrs betraut. 1910 unter Beförde rung zum Generalmajor zum Oberquartiermeister er nannt und bald darauf auch Mitglied der Studien kommission der Kriegsakademie. Am 22. April 1912 wurde er Generalleutnant und noch in demselben Jahre Kommandeur der 41. Division in Deutsch- Eylau. Im verstandenen Jahre erhielt er den erb lichen Adel. Sein sohn gehört ebenfalls dem Heere an. Wie der Name Podbielski durch die Armee berichte von 1870 in Deutschland bekannt wurde, so begleitet nun Steins Name die Berichte in diesem Kriege. Wetterle un- Slumenthal. Zürich, 2. September. sEig. Drahtm.s Wie „Eourrier" in Genf aus Paris meldet, werden die bei Ausbruch des Krieges nach Paris geflüchteten elsässischen Abgeordneten Wett er le und Blumenthal- Kolmar in den Listen der f r a n - zösischcn Heeresverwaltung als Kriegsfrei willige geführt. Bürgermeister Blumenthal wird im französischen Kriegsministerium beschäftigt, während Wetterb- zur Berfiiguna des Hö.lst kommandanten nach der Ostgrenzc beordert wurde, aber in'wischcn nach Paris zurückgekehrt ist. Die französische Naturalisierung der beiden deutschen Reichstagsabgsordneten ist, dem genannten Blatte zufolge, durch eine Gnadenentichliegung des Präsidenten bereits am 5. August erfolgt. Dank für Ertttehilsc. In den „Hamb. Nachr." lesen wir folgende Dank sagung: „In den letzten Wochen haben sich viele freiwillige Erntehelfer in aufopfernder 'Weise unserer Gutsver waltung zur Verfügung gestellt, wodurch es uns möglich wurde, die Ernte rechtzeitig zu bergen. Es waren darunier Damen und Schüler aus Aumühle. Schulkinder aus Aumühle und Ohe — letztere unter Führung ihres Lehrers, Herrn König — und neun Wandervögel aus Hamburp, die vierzehn Tage lang die schwereFeldarbert mit bewunderns werter Ausdauer durchsührten und uns große Dienste leisteten. Ich möchte allen diesen treuen Helferinnen und Helfern für ihre patriotische Tat meinen herzlich st en Dank aussprrchen und be- daure, das nicht jedem einzelnen gegenüber persönlich tun zu können. Friedrichsruh, den 1. September 1914. Fürstin v. Bisinar ck." weitere Meldungen. Infolge des günstigen Fortganges der deutschen Operationen weist dge letzte Woche erstmalig seit Kriegsausbruch eine Abnahme der Zahl der Arbeitslosen in Groß-Berlin auf. Nach den Feststellungen der Arbeitsnachweise Berlins und der Vororte ist bas Angebot von Arbeitskräften in letzter Woche bis 20 Prozent generell zuriickgcgangen, während die Zahl der vermittelten Stellen in Berlin um 13 Prozent, in den Vororten wechselnd zwischen 8 und 14 Prozent gegen die Vorwoche ge stiegen ist. veulscve Männer. 11s Geschichtlicher Roman von Wilhelm Jensen. Die Witterung bereitete sich seit dem Bormittag offenbar zu einem Umschlag vor, das bisher noch sommerlich Warme war ans der Luft gewichen, den Him mel überzog ein graues Wolkengetriebe, von dem Kühle hernnterdrang, und zum ersten mal stieß herbstlicher Wind in das da und dort schon entfärbte Laubwerk der hohen Baum wipfel. Em Park war's, wie der Geschmack des achtzehnte» Jahrhunderts ihrer viele als Um- gcbunst fürstlicher Landschlösser in Deutschland gcsckxisfen hatte; Gänge und Rotunden zwischen kunstvoll zugestutztcn Heckenwanduugen unter mischten sich mit freien, von natürlichem Gebüsch einacfaßleu Anlagen, vielfältig sahen mhlholo- gische Bildwerke ans grauem Gestein, große Basen und Aschenkrüge, Gedenkmäler mit ver witterten Inschriften von flerlKennnikränzteu Sockeln aus. An dem sich mehr und mehr trü benden Licht erweckte das (^anzc in seiner Rcg- und Lautlosigkeit den Eindruck einer Begräbnis stätte, von Ueberbleibseln einer ausgestorbcnen ^eit, mit denen das heutige Leben in keiner Verbindung mehr stehe; quch im wörtlicksen Sinne, denn außer den drei Umhcrschreitcnden befand sich kein weiterer Besuclier in der mclan- cholischen Verlassenheit. Der Tag hielt nicht, waS er am Morgen versprochen, mackste einen längeren Aufenthalt nur von unerfreulicher Art, und die Freunde entschieben sich dafür, zum Aus gang nach ihren Pferden zurück',»kehren. Wie sie sich dazu umwaudten, durchfuhr ein hes. tigerer Windstoß als bisher die Laubkronen und wirbelte in einiger Entfernung von ihnen einen gelben Dlätterregen auf den einzigen Menschen herunter, dessen sie jetzt im Park ansichtig wur den. Er trug einen Iilzhut in die Stirn gedrückt und ziemlich derbe bürgerlich Kleidung, eher als ein Stadtbewohner von OclS mochte cS ein ländlicher Hofbesitzer auS der Umgegend sein, stuf solchen wies auch ein dicker Wanderstoa in Leipziger Tageblatt. ober im Gelände schmutzig geworden sind. Besonders in diesen Sommermonaten hat man in den franzö sischen Garnisonen oft Kompanien in Drillichanzüaen aus breiten Straßen und öffentlichen Plätzen üben sehen. Denn war es der französischen Armeeverwal tung trotz mancher Schwierigkeiten auch gelungen, die nötigen Kasernen für den seit Einführung der dreijährigen Dienstzeit noch einzustellenden weiteren Jahrgang zu bauen, so bestand an Höfen und Ueoungsplätzcn doch großer Mangel. Und da der französische Soldat wenig zu putzen hat, geht sein Kaserncndicnst fast täglich am Nach mittag zu Ende. Wie oft bin ich mit ihnen zwischen 4 und 6 Uhr im Vorortzug von Ville d'Avray nach Paris gefahren; Dragoner und Infanteristen aus Versailles füllten bereits die niedrigen, wenig sauberen Abteile der zweistöckigen Wagen der fron, zösischcn Wcstbahn. was nicht hinderte, daß sich in St. Cloud noch Artilleristen, in Surösnes Lustschisfer und Soldaten der Funkenstation hineindrängten. Bei lärmendem ltzesprüch, in dem der Dragonerunter- offizier seine jüngsten Reitkünste, der Funkentele graphist seine Fertigkeit im Abhörcn von Tele strammen und der Infanterist den letzten Streich seines lustigen Leutnants erzählte, wurden Ziga retten gedreht und Verabredungen für den Abend getroffen. Während der deutsche Soldat seine ganze Militärzeit hindurch im Dienst und im Kasernen leben aufgeht, betrachtet der Franzose den Militär dienst mehr als eine vorübergehende Berufsarbeit, die ihm nach deren täglicher Erledigung immer noch genügend Zeit für private Angeiegcnheiten und seine gewohnten Vergnügen, vor allem für seine ge liebte Aw'ritifftnnde läßt. Nur so läßt es sich er- klären, daß der Franzose auch als Soldat nicht auf hört, an den politischen Fragen seines Landes regen Anteil zu nehmen, und — wie sich bei Einführung der dreijährigen Dienstzeit eist gezeigt hat — oft aktiv in die Tagesereignisse cinzugreiscn. anstatt als Schützer des Vaterlandes über den Parteien zu stehen. Jetzt freilich wird der Krieg andere Register als die des friedlichen Kasernendienstes aufgezogen haben. „Le petit Viou-Pion", wie der Pariser mit Stolz den kleinen, aber kräftig und wohlgenährt aus sehenden Soldaten der finnzösiscl-en Hauptstadt nennt, ist an die Grenze gezogen, wo er mit den schlanken Söhnen Französisch-Lothringens und den derben Ge stalten aus der Bretagne und der Normandie zu- sammcntrifst. Eitel wie der Gallier nun einmal ist, hat er seit Jahren die kleinsten ausgehobenen Mann schaften Frankreichs in Paris dienen lassen, während er die körperlich größten Franzosen in die Grenz korps steckte, „um den Barbaren jenseits der Vogesen bei einem etwaigen Einfall Angst einzuflößen". Das deutsche Soldatenlied mit seinen humoristisch derben Versen, seinem Lobpreis auf die einzelnen Waffengattungen und den wehmütigen Erinne rungen an die Lieben in der Heimat ist dem Fran zosen unbekannt. Gewiß, ebenso wie in der deutschen Armee gibt cs bei den verschiedenen Truppenteilen Kapellen, die diese auf dem Marsch und in die Schlacht begleiten. Aber schon deren musikalische Zusammensetzung aus Hörnern und Fanfaren ge stattet keine Instrumentalmusik; ihr Gebiet ist aus schließlich der scharf rhythmische Militärmarsch. Dessen Texte singt dann zuweilen der Soldat, be sonders wenn die volkstümlichen Klänge des „Marche Lorraine" und „Sambre et Meuse" er tönen. Doch eigenartigerweise sind gerade diese beiden Militärmärsch keine rein französischen, sondern Elsaß-Lothringer Schöpfungen. Auch in unseren Rcichslandcn erklingt die Weise von „Sambre und Maas", die der Kaiser einmal als „Marsch der Märsche" bezeichnete, wenn altein gesessene Bewohner zu frohem Fest vereint sind, und der „Marche Lorraine", der in Nancy, dem deutschen Ranzig, das Licht der Welt erblickte, ist schon seit einer Reihe von Jahren der Regimentsmarsch des österreichischen Dragonerregiments „Herzog von Lothringen", bis die Wahl des Lothringers Poinccnü zum Oberhaupt der Republik ihn plötzlich zum „Prä- sidentcnmarsch" werden ließ. In der Schlacht selbst aber ertönt die alte Kampfweise aus der großen Revolution, die Marseillaise. Auch die wehmütig lustigen Reservistenlieder fehlen. „In der Heimat, in der Heimat, da gibt's ein Wiedersehen", singt der Deutsche; der Franzose trällert ein lockeres Kaba- rettlicd oder einen Modeschlager „Sous les ponts de Paris". Wie der Soldat, faßt der Offizier das „Soldat sein" als einen Beruf wie jeden anderen auf. Er trügt nicht des Königs, oder wie man im demokra tischen Frankreich sagen müßte, des „Volkes" Rock, sondern ein Vcrufskleid, das er ablegt, sobald er seine tägliche Pflicht erfüllt hat. Offiziere in Uni form sind daher im französischen Städtebild eine Seltenheit; ist er des Dienstes ledig, dann ver tauscht er den bunten Rock mit dem Zivilanzug des Bürgers, und selbst der anläßlich der schweren Mitt» tärunruhen im Herbst vorigen Jahres erlaßen« Be fehl des Kriegsministers zum Uniform,zwang wagte nicht, diesen bis über 5 Uhr nachmittags auszudchnen. Noch seltener sieht man einen Offizier in Uniform in der Gesellschaft. Das einigende Band des bunten Tuches löst sich von selbst, wenn die Mitglieder de» Offizierkorps im Kleide des einfachen Bürgers an den Freuden und Vergnügungen derjenigen Gesell schaftskreise teilnehmen, denen sie selbst entsprungen sind. Der Offizier als eine besondere Gesellschafts klasse ist in Frankreich unbekannt; zwischen dem Hauptmann, der seine Dienstzeit als einfacher Soldat begann, um später zu kapitulieren, und dem alt adligen Geschlecht entstammenden Leutnant besteht gesellschaftlich ein weitxr Unterschied, der noch da durch verstärkt wird, daß der Offizier nicht bei der Heirat ein bestimmtes Vermögen aufweisen muß, sich also seine Lebensgefährtin nach Belieben suchen kann, der eine aus kleinbürgerlichen Kreisen, der andere aus der Großsinanz oder dem Adel. So be schränkt sich der Verkehr innerhalb des französisch» Offizierkorps ausschließlich auf militärische Ange legenheiten; seine Mitglieder sind militärische Be rufskollegen, deren Vorbildung sehr verschiedenartig ist. und die den mannigfachsten politischen Bekennt nissen huldigen. Noch ein Wort über Frankreichs schwarze Armee. Besonders in letzter Zeit wurde so viel von den vor züglichen Senegalschiitzcn, den zähen Anamiten und den verwegenen Söhnen Nordafrikas geschwärmt, daß man vielsach die Ansicht hört, eine Kolonial truppe von 60 000 Mann könne für eine Entschei dungsschlacht in Europa Verwendung finden. Seit dem ich beim letzten Nationalfest einen Senegal schützen gesehen, glaube ich nicht mehr an dieses Märkten. Der braune, mit dem roten Fez be kleidete Sohn Afrikas stand barfuß vor einer der blinkenden Auslagen der Avenue de l'Opera. „Warum trägst du keine Schuhe?" — Grinsend hielt er mir seine Stiefel mit der Rechten entgegen: „Ich trage sie in der Hand, die Füße schmerzen." Der Afrikaner und ebenso der Anamite können keine Stiefel tragen; nur barfuß bilden sie brauchbare Kolonialtruppen. In Europa aber kann man wegen der Bodcnbeschaffenheit und des Klimas keine bar füßigen Truppen brauchen. , Ein -eutsthes Reiterstück. Einem in Rottedam erscheinenden, keineswegs sehr deutschfreundlichen Blatte entnehmen wir fol genden Bericht: Die Kühnheit der deutschen Kavallerie ist auch bei dem Vormarsche durch Charleroi durch einige Beispiele belegt worden. Ein englischer Kriegsberichterstatter erzählt z. B.: Bei meiner Rückkehr nach Charleroi hörte ich, daß eine Abteilung von 20 Mann der Totenkopfhusaven früh um 7 Uhr unter Führung eines Offiziers in die Stadt hineinritten. Die Reiter ritten nach der Sambre hin, wünschten den Leuten einen guten Morgen und riefen den Frauen zu: Bon jour! bon jour! Man hielt die Reiter, durch deren Uniform irre geleitet, allgemein für Engländer und auch die fran- wsischen Soldaten ließen die Reiter durch. Ein Offizier, der vor seinem Fenster saß, erkannte sie aber als Deutsche und benachrichtigte sofort die nächste Abteilung. Auf die deutschen Reiter, die mittlerweile schon bis an die Rue Pont Neuf vorge drungen waren, wurde sofort das Feuer eröffnet, wo durch drei getötet wurden. Die anderen entkamen. Lieber russische Scheußlichkeiten gegen deutsche Landsleute erfährt der „Berl. Lok." von einem der Betroffenen folgendes: „Ich führte in Dombrowa seit 1911 eine Wirtschaft. Am 11. Juli d. I. begannen in Dom browa größere Truppenzusammenziehungen. Die Bevölkerung wurde in den Glauben gesetzt, es handle sich nur um Manöver. Da ich aber aus dem Benehmen der bei mir verkehrenden Truppen, die ausschließlich Kosaken waren, schließen mußte, daß diese Truppenbewegungen kriegerischen Zwecken dienten, so begab ich mich sofort zur Bank, auf der ich ein Guthaben von etwa 14 000 Mark hatte, und wollte mein Geld abheben. Dort wurde ich mit den Worten ab gewiesen, daß „an deutsche Schweine hunde nichts mehr ausbezahlt würde. Am 18. oder 20. Juli kam dann der Ausweisungsbefehl. Durch Vermittlung des deutschen Konsulats in Warschau wurde ich mit meiner Frau und meinem Kinde durch Finn land nach Deutschland geschafft. Wir waren ungefähr 4000 Mann von Lodz aus; wir wurden mit der Bahn nach Moskau transportiert und von Mittwoch, 2. Sepiemver ISI4. dort mit einem Dampfer nach Deutschland. Noch während meines Aufenthalts in Dombrowa waren metye Schwägerin und die beiden Brüder meiner Frau von Kosaken er schlagen worden. Meine Frau wurde von vier Kosaken mißbraucht; zwei andere Kosaken zwangen mich, indem sie mir einen Säbel auf die Brust und einen in den Rücken setz en. diesem zuzusehen. Natür lich wollte ich mich dem Anblick dadurch entziehen, daß ich mich herumdrehte, wurde jedoch durch Säbel stiche wieder um Hiniehen gezwungen." Wem fällt dabei nicht das Wort Friedrichs ve» Kroßen ein: „Mit solchem Gesindel müssen wir uns herumschlagen!" Diese Bestien sind Frankreichs Bundesgenossen und Englands Entente-Brüder! ? fiufsieUung erbeuteter Geschütze in Serlln. Die bisher in Berlin eingetrosfenen russischen, franzöji.chcn und belgischen Geschütze sollen — so wird der „Nordd. Allg. Ztg." von amtlicher Seite ge meldet — am 2. September gegen 11 Uhr vormittags von der Kaserne des 1. Garde-^eldartillerieregiments in der Kruppstro.ße eingeholt werden. Der Zug führt an der Spitze eine Gruppe vom Landsturmbataillon Osterode mit einer erbeuteten russischen Fahne. Alseann folgen 11 russische Geschütze, drei russische M a s ck> i n e n g e w e h re, z w e i französische Geschütze und fünf belgische Geschütze. Diese sind mit erbeuteten russischen Pferden bespannt. Vor und hinter den Geschützen sowie zu beiden Seiten marschieren je eine Kompanie des Regiments Kaiser Alexander und des 4. Garde- Regiments. Ter Zug marschiert nach dem Lustgarten, wo er um 12,30 Uhr nachmittags eintrifft. Der Oberbefehls haber in den Marken, Generaloberst o. Kessel, mit dem Kommandanten van Berlin, General oer In fanterie v. Jacobi, und dem Stabe des Oberkom mandos empfängt den Zug vor dem Königlichen Schlosse. Nach dem Vorbeimarsch werden die rus sischen und belgischen Geschütze vor dem Königlichen Schlosse, Lustgärtcnseite. aufgestellt, während die beiden französischen Geschütze über die Schloßbrücke zurück nach dem Kronprin cnpalais geführt und dort aufgestellt werden. Die Gc chütze werden an den vor genannten Plätzen bis auf weiteres dauernd stehen bleiben. Kunst un- Wissenschaft. * Wiedereröffnung der Jahrhundert-Ausstellung deutsch e Kunst 1650— 1800 im Residenzschlotz zu Darmstadt. Die Ausstellung, die mit dem ersten Mobumachungstaoe geschlossen werden mußte, ist am 1. September dem Publikum wieder allgemein zu gänglich gemacht worden und soll auch bis Anfang October geöffnet bleiben Die Ausstellungs leitung weist mit Recht darauf hin, daß diese Ver anstaltung gerade in den gegenwärtigen Wochen, wo unser Vaterland die Prüfungen eines Weltkrieges an sich erfährt, doppelt zu den Herzen der Besucher sprechen wird, da sie ein Stück nationaler künst- lerischer Vergangenheit in einem Zeitalter veranschaulicht, das trotz der schweren äußeren und inneren Krisen unserem Volke die Grundlagen der modernen Kultur gegeben hat. * Das Fürstliche Hoftheater zu Gera wird vor- läufig nicht eröffnet. Der Fürst von Neuß wird säm.lichen Mitgliedern des Theaters Hilfsgehälter zahlen und hat alle Vertrüge um das Kriegsjahr verlängert. Die Verträge der Fürstlichen Hof kapelle werden im vollen Umfange aufrecht erhalten. Den Familien der ins Feld gerückten Mitglieder beider Institute wird das volle Gehalt ausgezahlt. * Prof. Dr. Hottinger P. In Südende bei Berlin ist der frühere Bibliothekar der Kais. Universitäts- und Landesbibliothek in Straßburg, Professor Dr. Christlieb Eotthold Hottinger, im Alter von 66 Jahren gestorben. Nach vieljähriger Tätig keit in den Neichslanden siedelte er vor etwa fünf zehn Jahren nach Berlin über und begründete im Vorort Südende eine Fachschule für Biblio thekarinnen, die schöne Erfolge aufzuweisen hatte. Neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten be schäftigten ihn auch vielfach gemeinnützige Interessen. * Ein Kriegsblatt der deutschen Künstler. Eine große Gruppe deutscher Künater hat sich zusammen getan, um zeitgemäße illustrierte Flugblätter herauszugeben. Ihre Mitwirkung haben bisher zu gesagt Max Liebermann, Artur Kampf, Wilhelm Trüb »er, Leopold v. Kalkt- reuth, August Gaul. Akar Slevogt, Fritz Klinisch, Georg Kolbe, HansBaluschek und viele andere. Die Blätter werden bis auf weiteres regelmäßig jede Woche erscheinen unter dem Titel „Kriegszeik!", Künstlerflugblätter. Der Preis beträgt pro Nummer 15 Der Reinertrag ist dem seiner Hand hin. Er schien in Gedanken ver tieft zu gehen und nichts von den drei Park besuchern wahrzunehmen; doch dann stutzte er plötzlich, und da der fallende Laubschlcier um ihn absank, ließ sich erkennen, daß. er einen scharfen Blick nach ihnen hinüberrichtete. Nur kurz, denn nun schritt er groß aus aus sie zu und stieß, Ferdinand Schill anredend, ungestüm hervor: „Sie tragen preußische Montur der Magdeburger Dragoner und promenieren hier?? Wissen Sie noch nicht, daß der französische Mar schall Bernadotte von Hannover her, um zur Armee seines Kaisers an der Donau zu stoßen, ohne Anfrage durch das Ansbachische Gebiet Preußens durchmarschiert ist?" Eigentümlich klangen diese Worte, sowohl was ihre Sprechart, als auch den Inhalt ihrer Mitteilung betraf, aus dem Munde des ver meintlichen Landmanns. Es war ein ungefähr in der Mitte der Dreißiger Stehender mit dich tem, braunem Knebel- und Backenbart, der kaum etwas von den Zügen drunter erkennbar wer den ließ; nnr ein düsterer Miencnausdruck des Gesichtes trat zutage, vom unruhig sprühenden Glanz brauner Augensterne unter dicht über- buschcnden Brauenbogen eher noch mehr ver dunkelt als anfgehellt. Schill fühlte sich merk, bar von der brüsk-sonderbarcn Art der ihn ge wissermaßen zur Rechenschaft ziehenden Anrede etwas befremdlich angerührt, doch übte die von ihr mitgeteilte Nachricht eine Wirkung aus ihn, daß er, sie allein beantwortend, ausrief: „Ist es gescheh»? Daß es so kommen werde, habe ich nnr gedacht." Ter Fremde fiel ein: „Nur Maulwurfs, äugen konnten dran zweifeln, aber Maulwürfe sind sie alle, alle, von oben zum letzten her unter! Wer sind Sie, der in einer preußischen Montur gedacht hat? Ziehen Sie den Rock auS, das gehört sich nicht, in dem hat niemand zu denken!" Abbrcchcnd ließ der Sprecher einen Blick über die ihn im Park umgebenden Dinge binfliegen und fuhr fort: „Verwahrlost wie dieser Garten! Alles Gerümpel, morsch und gründ- fauli Wen» der Stur« lo-bricht, wirst er - wie wurzelzerfressene Holzlatten über den Hau fen. Es hat einmal einer hier gestanden, und darum tu' ich's heute, der sagte: Ivujours en veäetto! Aber er steht nicht mehr auf Posten. Der's für ihn sollte, hält seinen MittagSschlas und trinkt danach Kaffee mit seiner Frau. Ist ein ehrlicher Manu, der's redlich meint. Trftt jemand ihm auf den Fuß, bittet er um Ent schuldigung, daß er ungeschickt seinen Fuß im Weg gehalten. Wird auch exküsiercn, daß sein Ansbacher Territorium dem Bernadotte mnlLllroit im Weg gelegen habe." Tic Hörer standen wortlos und wußten nicht, was sie aus dem wunderlicl)eu Sprecher machen sollten. Doch von der Seite des Schlosses Si- byllenort her kam jetzt etwas laufend heran ein suchender livrierter Diener und meldete unter respektvoller Verneigung: „Es ist soeben ein Eilbote für Eure Durchlaucht eingetroffen." „Gut. Heiß' Er ihn warten. Ich komme." Der Erwidernde kehrte sich zu dem andern, überrascht, aus ihn Hinblickenden zurück und fragte jetzt: „Wie heißen Sic? Mir liegt dran, den Namen eines preußischen Offiziers zu er fahren, der etwas denkt." „Leutnant von Schill." „Den Namen habe ich schon gehört. Sind Sie auch Offizier in Rcisetracht? Nach der Narbe auf Ihrer Stirn scheint'-, daß Sc. mal eine Kampagne mitgemacht haben." Tie letztere Anrede galt Hans Gibich, doch brach der Durchlaucht Benannte sic plötzlich kurz ab und stieß au§: „viantrs — Sie habe ich auch schon mit Augen gesehen! Wo doch?" Den beiden Freunden fiel's zugleich wie Schuppen vorm Blick herab, der nicht wieder, erkennbar vor ihnen Stehende sei der Prinz Friedrich Wilhelm von Braunschweig, der ehe. malige ungezügelt hochfahrende Oberst im Thad. benschen Regiment zu Halle. In einer eigen tümlichen Gemütsverfassung stand Gibich," zu einer Anttvort unfähig, nur sichtbar von einem leichten Gliedcrzittern überlaufen. Er hatte sich früher häufig vorgestcllt, wenn ein Zufall ihn noch einnM. irgendwo mH. d«r Urheber de» damals an ihm verübten brutalen Gewalt, streichs zusammenführe, in welcher Weise er dem hochgeborenen Herrn seine Mißachtung zum Aus. druck bringen wolle. Doch war von den Iah- reu mählich in ihm das Gedächtnis an den Abend im Wirtschaftsgarten verblaßt worden, und die setzt plötzlich wieder aufgeweckte Erinne rung ließ ihn nicht andere Entgegnung finden als: „Ja, gesehen haben wir uns wohl schon — aber ein Ofsizier bin ich nicht, und meine Narbe stammt von keiner Kampagne her, sondern von einem Tegenhieb, der mich einmal unvorherge sehen in einem Garten unter dem Gibichenstein bei Halle getroffen." Lesbar gab das Gesicht des Angcsprochenen zu erkennen, daß durch die Verknüpfung der Namensnennung Schills mit dem Anblick der Stirn des jungen Gelehrten auch in ihm eine deutliche Erinnerung an den Vorgang jenes Abends wachgcrusen sei. Er murmelte nur batbveruchmbar zwischen den Zähnen: „Ja, die kleine Schäferin," drehte sich rasch zu dem dritten Besucher des Parks hin und sragte: „Wie heißen Sie?" „Bon Eichendorfs." „Tas ist ein Name, der Gutes verspricht." Nun ivandte der Prinz sich ebenso schnell zu Gibich zurück. Er hatte ofscnbar einer kurzen Zwischenpause bedurft, um sich darüber klar zu werden, ivaS er diesem antworten wolle, und jetzt: „Tas muß ein rohr Mcn,ch gew.scn sein, der einem Waffenlosen damals den Schlag ver setzt hat; ich hoffe, daß er trunknen Sinns ge. wesen ist. Mir kommt's, er trug die Montur mei nes Regiments, und ich fühle die Verpflich tung, Ihnen für seine Tat Genugtuung zu geben, wenn Sie's verlangen. Doch ist'- keine Zeit, daß deutsche Männer sich mit dem Degen in der Hand -um Kampf gegeneinander stellen, Deutsch land wird binnen kurzem jeden Mann zu Wich tigerem nötig hben. Wenn cs Ihnen genügt, daß ich Sie für den damaligen Ucbcltäter heut' um Ihre Verzeihung bitte, ko weisen Sie meine Land nicht zurück."
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