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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.09.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-09-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140901024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914090102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914090102
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-09
- Tag 1914-09-01
-
Monat
1914-09
-
Jahr
1914
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veur 2. Nr. 444. Nvena-nuvgsvr. Leipziger LagrdUm. Schritte getan, um dieses allen völkerrechtlichen Ab machungen hohnsprechcnde Borgehen zur Kenntnis der gesitteten Welt zu bringen. Generalquartiermeister v. Stein. Weitere -rutsche Seamte für Selgiea. Diisieldorf, 1. September. Ein Oberpost» inspektor und zwanzig Postbeamte gingen von hier nach L ii t t i ch, wo deutsche Post eingerichtet wird. Wie uns aus Dresden gemeldet wird, hat die Staatseiienbahnverwaltung 400 Eisenbahn beamte abbeordert, damit sie im Betriebe der in deutsche Verwaltung genommenen belgischen Bahnen verwendet werden können. ------ Arbeitslose in Paris! Dem „Manchester Guardian' wird aus Paris berichtet: Die Militärbehörden haben die auster ordentliche Masiregel getroffen, den Berkaus eng lischer Zeitungen zu verbieten. Die Folge ist. dast das Publikum Überzeugt ist, diese Blätter müstten niederschmetternde Berichte enthalten, dze vor den Franzosen geheimgchalten werden sollen. So ist in englischen Zeitungen berichtet worden, in Paris seien ti 0 0 0 0 0 Arbeitslose vorhanden Zuschlag auf einen russischen Militärzug. Der Prager „Vohemia" wird aus Krakau gedrohte!: In der Nähe Warschaus wurde ein Bombenanschlag auf einen vollbesetzten russischen Militärzug verübt. 150 Mann, darunter viele Offiziere, wurden getötet. Es gab zahlreiche Verwundete. Die meisten Attentäter enikamen, einige wurden erschossen. Die bei diesen gefundenen Schriftstücke beweisen deutlich, dast der Anschlag über Anordnung des revolutionären Komitees in Warschau erfolgte. Oie Ueberwältigung Togos. Der „Köln. Ztg." wird von der holländischen Grenze geschrieben: „Unfähig, in Europa ihren be trogenen belgischen Verbündeten beizustehen, haben die Franzosen und Engländer an der Spitze von schwarzen Soldaten ihren Mut durch die lieber» wältigung der kl ein st en deutschen Ko lo nie, des zwischen dem französischen Dahome und der britischen Goldküste eingeklemmten Togo zu beweisen Gelegenheit gehabt. Wie schon ge meldet wurde, hatten die Briten die deutschen Behörden zur unbedingten Uebergabe aufgcsordert, woraus die Behörden um Kriegsehren beim Ab zug und Erfüllung gewisser Bedingungen ersuchten. Las wurde ihnen verweigert, sie sollten sich be dingungslos übergeben. Nach amtlicher britischer Mitteilung sind nun am 26. die verbündeten Streit kräfte nr die Kolonie cingezogen. Die Deutschen haben sich zweifellos bis zur letzten Möglich, tert tapfer gehalten, denn die Gegner haben Verhältnis in ästig viel Verluste: 2 französische und 1 englischer Offizier gefallen, 1 englischer Leutnant, 2 französische Unteroffiziere lebensgefährlich, 1 englischer Leutnant schwer, 1 eng lischer Feldwebel leicht verwundet, dazu kommen an eingeborenen Soldaten 14 Tote auf fran zösischer und 12 aus englischer bzw. 15 Schwer verwundete usw. Zwei der französischen sind in zwischen ihren Wunden erlegen. Ein Franzose wird vermifzt. Von britischer Seite allein wurde für diese Heldentat ein ganzes Regiment der West-African-Fronlier-Force aufgeboten. also eine richtige Kriegstruppe, keine Polizeitruppe, wie sie Togo in der Stärke von einigen hundert Mann besitz:. Es ist allerdings sicher, dast neben der PoUzeitruppe alle wehrpflichtigen Deutschen für die Ehre ihres Vaterlandes mittümpften. Die Sieger werden sich hoffentlich für dieses wahnsinnige Ver- brechen an der Kulturfördcrung Afrikas schwer zu verantworten haben." Verzicht auf russische Dr-en. Die Zahl derer, die aus die Ehre russischer Aus zeichnungen dankend verzichten, mehrt sich. So hat nach der „Krcuzztg." der in Detmold lebende älteste d,r König!, hannoverschen Offiziere, der im 92. Lebensjahre stehende Oberst a. D. M üller, der lippischcn Stoatsregierung den ihm im Jahre 1875 vom Kaiser Alexander II. von Rustland verliehenen Orden zurückgegeben. Er erklärte: „Meine Ehre und meine deutschen Gefühle gestatten mir nicht, den Orden eines Staates weiter zu tragen, dessen Verhalten gegen mein Vaterland mich mit Verachtung und Abscheu erfüllt." Vie , Verbündeten* unter sich. Auf der Feste Zinna bei Torgau entstand zwischen den 180 gefangenen französischen und belgischen Offizieren eine blutige Schlägerei, weil die Belgier Frankreich des Verrats beschuldigten. Also ganz wie anderwärts Unter diesen Um ständen würde sich die Durchführung der Vorschläge der „Schles. Zta." doch empfehlen, die lieben „Ver bündeten" grundsätzlich zusammcnzusperrcn. Dann haben sic treffliche Gelegenheit, sich gegenseitig kennen zu lernen und — totruprügeln. Was im Hin blick auf Kostenaufwand für Gefangrnenernährung gar nicht so übel wäre. zur Erläuterung -er Schlacht in Galizien. Wir find gestern bereits auf die Vor geschichte der Riescnschlacht in Galizien ein gegangen und haben die Stellungen der Trup pen auf Grund der vorliegenden Meldungen angegeben. Von unserem L.-Berichterstatter erhalten wir von der russisch galizischen Grenze nachfolgende Darstellung, die unsere An gaben ergänzt und die Gesamtlagc, soweit dies zurzeit möglich ist, überschauen lätzt. D. Red. An der russisch-galizischen Grenze, 29. August. Ich hatte schon bei meiner Schilderung der Schlacht bei Ärasnik darauf Hinweisen können, daß der linke Flügel der sich ostwärts bewegen, den österreichisch-ungarischen Armee während der dreitägigen Äämpse die meisten Erfolge auf. zuweisen hatte. Diesem linken Flügel schließt sich nordwärts, also weiter links, noch eine an. dcre, aus allen Waffengattungen zusammenge. setzte österreichische Armee an. Diese war cs, welche hinter Ezcnstochau in Fühlung mit den deutschen Truppen kam. Sic marschierte dann gegen Kiele« (etwa 100 Kilometer nordöstlich von Äratau) und besetzte diesen Ort. Auf ihrem Weitcrinarschc traf sie sehr schwierige Gelände. Verhältnisse an, doch zeigte es sich, daß die Russen ihre Truppen westlich der Weichsel zu. rückgcnommen lsattcn. Man begegnete nur klei neren feindlichen Abteilungen, Grenzjägern, Gendarmerie, Kosaken, die mit leichter Mühe geworfen werden konnten, und so gelangte man denn, und zwar in fortdauernder Fühlung mit den Deutschen, bis zur Äamiouka, wodurch man ein langgestrecktes (von Nordost nach Südost gehendes), strategisch sehr wichtiges Gebiet an sich gebracht hatte. Oestlich der Weichsel hatten soeben die Oesterrcichcr die Russen bei Äras. nik geschlagen. Aber noch am Abend des letzten Schlacht, tages bei Ärasnik (26. August) setzten auf dem rechten Flügel der Ocsterreicher neue Kämpfe ein. Während der linke Flügel die Russen in der Richtung auf Lublin unausgesetzt verfolgt und eine von ihm abgezweigte Gruppe das Ge biet zwischen dein BNg und dein Wieprz vom Feinde säubert, wobei sie bereits den Saum von Zamosc gewonnen Hai, ist südöstlich da- von die ganze österreichisch-ungarische Armee in einen Entscheidungskampf verwickelt worden. Es zeigte sich nämlich, daß die Russen alle ihre westlich der Weichsel sowie ihre noch rückwärts stehenden Truppen canch einen großen Teil der in Bessarabien befindlichen) gegen Galizien ge leitet hatten, um gleichzeitig mit dem Angriff auf Ostpreußen einen Vorstoß gegen Galizien zu unternehmen. Um ihren Angrif, so wirksam wie möglich zu gestalten und iym durch eine möglichst um fassende Bewegung den Erfolg zu sichern, be gannen ihn die Russen aus drei Seiten. Von Kowcl über Dubna erschienen sie an der Grenze und nahmen den Raum zwischen Rawa Rnska (65 Kilometer nordöstlich von Lemberg) und Zlocnow (7Z Kilometer östlich von Lemberg) bereits auf galizischem Boden ein. Dies >var die Mitte lgruppc der Russen (der rechte Flügel der Russen war, in der Entwicklung und Vorwärtsbewegung begriffen, bei Ärasnik geschlagen worden). Links von dieser Mittel, gruppe kamen große russische Truppenmassen von Kiew her gegen den Zbrutsch. Das Hauptziel aller drei russischen Heeressäulen war Brody und weiterhin Lemberg. Auf diesem sehr ausgedehnten Gebiet (in der Front über 400 Kilometer) trafen die Russen jedoch auf den Aufmarsch der Ocsterreicher. Diese nahmen sogleich den Kampf auf und seitdem donnern unaufhörlich die Geschütze. Den Oester reichern kommt zugute, daß sic das Äampsseld ziemlich gut kennen. Aber das Podosische Hoch land, wie das Gebiet nördlich des Dnjcstr heißt, eben das jetzt in Frage stehende, stellt an eine operierende Armee große Anforderungen. Der Dnjestr hat zahlreiche Nebenflüsse, die einen vielfach gewundenen Lauf mit steilen brüchigen Ufern besitzen. Die Ufer sind zumeist tief cm- geschnitten und der Höhenunterschied zwisclum den Talsohlen und den Höhcnkämmen beträgt bis 120 Meter. Hierdurch werden viele Bewegungs hindernisse geschaffen, doch bieten auch die da zwischen liegenden Höhenrücken sehr gute Kampf stellungen, indem man von ihnen aus den Geg ner beim Uebcrschreiten des Flusses wirksam unter Feuer nehmen kann. Der Zbrutsch ist einer von diesen Nebenflüssen des Dnjestr, dessen Lauf noch seltsamere Formen hat. Der Zbrutsch bildet hier auch die östliche österreichisckse Grenze. Vom Zbrutsch bis zum Sereth ist das Terrain sanft gewellt nnd vielfach bewaldet. Die Oestereicher kämpfen mit großer Tapferkeit. Namentlich die Offiziere zeigen außerordentliche Kühnheit. Fast stets sind sie ihren Mannschaften voran und deshalb ist auch der Verlust unter ihnen besonders groß. Aber auch unter den Mannschaften sind die Verluste bereits gewaltig. Das ist zu begreifen, denn man hat hier die russische Hauptarmee vor sich. Da die Ocsterreicher auf diesem Teile des Kriegs schauplatzes noch nicht die vorgesehene Starke besitzen, so haben sic zum Teil mit einer großen Uebcrmacht zu kämpfen, dock) erhalten sie fort gesetzt Verstärkungen. Wieder ist es der linke Flügel der Oester reicher, der bisher die meisten Fortschritte in dem Kampfe gemacht hat. Er hat bereits mehrere Höhen erstürmt und eine bedeutende Anzahl Ge fangene gemacht. Eine Division der Russen war bereits von drei Seiten umzingelt und nur der einbreclsenden Nacht und dem Gelände verdankte sie es, daß sie der Gefangennahme entging. Aber auch auf den übrigen Teilen des weit ausgedehn ten Schlachtfeldes steht die Schlacht bis jetzt gut für die Ocsterreicher. Man ist froher Sieges hoffnung. Allerdings nimmt man noch eine lange Dauer der Kämpfe an. Auch bei Nacht wird fast ununterbrochen gekämpft und der Don ner der Geschütze hallt weithin. Die Russen haben ebenfalls ungeheuere Verluste, wie die Ge fangenen bestätigten, von denen ich einige sprach. Diese sind übrigens gut uniformiert, nur über mangelhafte Verpflegung in ihrer Armee klagen sie. Sie sind zumeist froh, gefangen und der Sorge um ihr Schicksal enthoben zu sein. Soeben geht ein Verwundetentransport ab. Ich gebe ihm diesen Brief mit, wie ich es »schon mit dem vorigen getan. „England spielt mit seiner Existenz!" Der bisherige englische Minister und Arbeiter führer John Burns, der wegen des Kriegsaus bruchs aus dem englischen Kabinett ausgetreten ist, hat in öffentlicher Versammlung eine furchtbare Anklagerede gegen Sir Edward Grey ge halten, der das „B. T." folgendes entnimmt: „England hat alles auf eine Karte, auf den französisch-russischen Sieg gesetzt; wie aber, wenn Englands Truppen mit den Franzosen gemeinsam geschlagen werden? — wenn die Kunde von Englands Niederlage und Schwäche hinausdringt in die Kolonien, die fast nichts mehr gemeinsam haben mit dem Mutterlande? — die viel leicht nur auf irgendeine Gelegenheit warten, um vom Mutterlande abzufallcn? — wie, wenn Frank reich nicht siegt? — Ungeheure Werte gehen dann Lksu-sche WZnner. 9f Geschichtlicher Roman von Wilhelm Jensen. ixli! I>v Uielkli in Oo. t . m >,. n.. Hans Gibich geriet noch etwas ins Gedächt- uis, das ihm unwillkürlich vom Munde kommen ließ: „l'.c-rg-ro — ber^i-otto —- ja, ihre Mutter stammte ans der französischen Schweiz." Er sah Eichendorff fragend an nnd setzte hinzu: „Hängt vielleicht an ihrem Rnf ein Makel?" „Das weiß ick) nictit, aber glaub's nicht. Ich sah sic nur das eine Mal, da machte sic mir einen Eindruck, als ob sic hoch hinaus wolle." Der frische Trunk aus den gebrachten Krü» gen mundete den drei jungen Männern, die sich mit Hinsicht aus dcu ihnen bevorstehenden nächt- lichen Ritt einen kräftigenden Abeudimbiß von geräuchertem Schinken und Eiern bestellten und ihn unter hin und her wechselnden Gesprächen entnahmen. Eichendorfs belnndcte mehrfach trotz seiner Fugend eine Gibich in Erstaunen setzende vertrante Bekanntschaft nn der im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts von Weimar ausge- gangenen Dichtung: ans innerster Anteilnahme hervor sprach er besonders von dem unersetzlichen Verlust des deutschen Volkes durch das im letzten Mai cingetretene frühzeitige Ableben Friedrich Schillers. Ferdinand Schill ließ erkennen, daß er im allgemeinen zur Dichtung in keinem enge- ren Verhältnis stehe, doch Schiller machte für ihn merkbar in gewisser Weise eine Ausnahme aus, denn er rezitierte: „Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd, In das Feld, in die Freiheit gezogen! Im Felde, da ist der Mann noch was wert, Ta wird das Herz noch gewogen! Ta tritt kein anderer für ihn ein. Aus sich selber steht er da ganz allein!" Und er fügte hinterdrein: „Das hätte an dern Gefühl Goethes nicht kommen können, Schil. ler allein war imstande, so -u empfinden. Er mußte die Verse Wallcnfteinschen Söldnern In den Mund legen, denn deutscl)« Reiter, die für ihr Vaterland kämpften, fand er in keiner seiner Dichtungen dazu. Wäre ihm das möglich gewe sen, bin ich überzeugt, hätte er sie lieber so singen lassen." Ans der Natur EichendorfsS trat etwas sanft, leicht elegisch Anrührendes mit einer schwärmerischen Empfindung verbunden, zutage, nnd sie stand dadurch in starkem Gegensatz zu dem sicher aus sich selbst ruhenden, von allem Träumerischen abgewandten Wesen des jungen Dragonerleutnants. Doch merkwürdig hatte sich eben zwischen ihrer Verschiedenheit flüchtig eine Brücke geschlagen, denn beim Sprech n der Verse war ans den ernsten Augen Schills kurz ein überraschender Glanz schwärmerischer Begeiste rung nicht nur hervorgeschimmert, sondern bei nahe anfgeslammt. Nnn losch er wieder hin, die Unterhaltung wandte sich anderen, Gibich fremd abliegenden Gegenständen zu, da die bei. den Schlesier sich in Angelegenheiten ihres gc. mcinsamcn engsten Hcimatbezirkes vertieften. Tas ließ den jungen Sprachgelchrtcn vom Tisch mit der Aeußerung anfstehen, er wolle dem alten Burgübcrrest, dessen Name auch der scinige sei, noch einen kurzen Besuch abstatten, ehe das Nachtdunkcl sich ans ihn lege, und baldige Rück- kunst verheißend, schritt er zum Gartencnde hin, von dem ein Weg zum überhängenden Mauer, werk des Gibicbensteins anstieg. Zur AuSfüh. rung dieser Absicht war's Zeit, denn das Ta. gesucht Hub an, zu verblassen, doch bedurfte er zum Emporgelangcn auf die geringe Anhöhe kaum mehr als fünf Minuten, und bald stand er zwischen den buschvcrivachsencn Trümmern des oberen Schlosses der alten Reichsfestc unter dem dunkel.mächtiy ragenden Bergfried. Ein'am-still war's hier, ein lange von jedem Atemzug ver. lassenes Stückchen Welt, nur die Phantasie konnte sich aus seiner schon leis überdämmencn Laut, losigkeit Gestalten einer fernen Vergangenlseit zurückschaffen, im Gemurmel des von leichtem Abendl>auch bewegten Laubes ein lycslüster ver. fchollencr Stimmen hören. Aber da stellte sich beim Umschreiten des Tnrmes unerwartet doch eine lebendige Gegen wart vor die Augen des Ankömmlings, ein eigen tümliches und sehr reizvolles Bild. Aus ver. moostem Gestein saß ein junges weibliches Ge schöpf in eleganter, doch auffällig von der äußc- ren Erscheinung der Bewohnerinnen Halles ab- weichender Kleidung. Die Taille des viclgefältel. tcn, bläulichen UntergewandeS war hoch bis unter den Busen emporgerüüt und hier durch eine seidene Schärpe zusammengefaßt, darüber siel kürzer ein iveißes, im Zuschnitt an eine antike Tunika erinnerndes Obcrtlcid mit far biger Sanmbordüre. Den tiefen Halsausschnitt verminderte am tlntcrrand etwas ein duftiger, die Brust überdeckender Spitzcneinsatz, doch hoben sich ihre schönen Wölbungen über diesen noch wahrnehmbar empor; die aufgepusften Aermel reichten laum bis zur Hälfte des Oberarms nieder, ließen seine Hälfte wie die Unterarme völlig entblößt. Das reiche goldblonde Haar, im Nacken zu einem weichen Ehignon verschlun- gen, fiel an den Schläfen wellig gelockt un. gefesselt l-erunter, ein buntes Seidcntüchlein ward über dem Scheitel von einer kleinen Perlenschnur gehalten. Die weibliche Modetracht der vornehmeren Stände war's, die sich in Frank- reich aus derjenigen der Revolution durch die völlig altgriechische der Tirektvrialzcit zur jetzigen oes „Empire" entwickelt hatte; nicht zum erstenmal geriet sic Gibich zu Gesicht, denn seit der Besetzung des Kurfürstentums Hannover durch die französische Armee war sic von dorther vereinzelt auch nach Marburg hcrübergekommen, nur Preußen und die anderen norddcutsck)en Staaten verhielten sich bisher noch dagegen abgc- schlossen; sie gemahnte in den monarchischen Ländern zu sehr an ihren Ursprung aus der Heit der Enthauptung des Königs Ludwig des Sccbzchnten. Vorurteilslos indes mußte man bcipflichten, eine Kleidung sci'S, die einer jugend. sich anmutigen Madchengestalt und einem schönen Angesicht nm sehr viel vorteillsafter anstche, als die nach dem Siebenjährigen Kriege unter ärm. sichen Verhältnissen in den deutschen Bürger kreisen bräuchlich gebliebene. vlensrss. l. Sepremver l9l4. verloren, und der Verlust an Einfluß auf di« ko n ti. nsntale Politik ist nie wieder — auch m Jahrhunderten nicht wieder — «inzuholen, denn dann würde Deutschlands Einfluß in Verbindung mit seinem österreichischen Bundesgenossen so ungeheuer wachsen, daß es sich mit keiner Macht der Erde auf irgendwelche Vorhaltungen über den Bau seiner Flotte einlassen würde. Deutschlands Industrie ist stark und wird sich auch durch einen verlorenen Krieg nicht schwächen laßen. Ein so kräftiges, feines Wertes vollbewußtes Volk wie das deutsche ist nicht in die Fesseln zu legen, die man ihm schmied:« will. Mit beispiellosem Opfermut — und wenn der ärmste Tagelöhner seinen letzten Pfennig aus der Tasche her vorsuchen müßte — wird man, wenn wir Deutsch lands Flotte zerstörten, eine Flotte doppelt und dreifach so groß wieder errichten — so wie im Jahre 1808 Freiherr v. Stein das Volksheer zur Bezwingung seines Unterdrückers Napoleon aus dem Boden stampfte, wie man sich damals den letzten Bissen vom Munde abdarbte fürs Vaterland, für die große Idee der Befreiung, so wird dieses Volk, durch eine Niederlage zur äußersten Machtanstrengung auf gerüttelt, nicht eher ruhen und nicht eher rasten, als bis es in einem Vernichtungskampf gegen England siegen wird. Wo die nationale Einheit so gewaltig und unzerbrechlich dasteht, da bietet die Vollendung auch der wagemutigsten Ideen keine Schwierigkeiten. Man wird sich bis aufs letzte zum Kampf gegen Eng land einsetzen. Was erreichen wir nun durch eine deutsche Niederlage? Im gleichen Augenblick wird die russische Macht ci^'ßer, und Frankreich — nachdem seinem Racheemr:,uc.cn gegen Deutschland Genüge geschehen — wir? in England den Mohren sehen, der seine Schuldigkeit gct>an hat und nun gehen kann. Die Freundschaft mit Frankreich ist zu flüchtig, um in die Tiefe zu dringen. Frankreich hat sich nur mit uns verbunden, um Deutsch land zu vernichten. Es wird sich keinen Augenblick scheuen, mit uns einen harten wirtschast- lichcn Kampf auf,zunehmen, wenn es unsere Freund schaft nicht mehr braucht, und wir sehen uns viel leicht in einigen Jahren gezwungen, gegen Frank reich aus denselben Gründen vorzugrhcn wie jetzt gegen Deutschland — und zwar aus brutalem Kon kurrenzkampf. Vergeßen wir auch folgendes nicht: Kaiser Wil helm verkündete bei seinem Einzuge in Tanger (es muß richtig heißen: in Damaskus. Die Red.s, er käme als Freund der Mohammedaner — 250 Mil lionen Mohammedaner in allen Gebieten des Islams haben an diese Freundschaft geglaubt. Dieser Glaube wurde beeinträchtigt durch den Krieg Italiens gegen die Türkei, den der Kaiser im Inter esse seines italienischen Bundesgenossen nicht hinderte. Die jetzige Kriegslage drängt die Türken an die Seite Deutschlands. Wenn wir im Orient einigen Einfluß besessen haben, so ist dieser jetzt vernichtet, und mit dieser Vernichtung hängt unsere Herrschaft über viele viele Mil lionen Mohammedaner zusammen, die sich wie ein vernichtender Orkan erheben werden, wenn der Sultan die Kalifenflagge entfaltet und alle Moslems zum heiligen Kriege ruft, denn Kon stantinopel ist ein Heiligtum der Mohammedaner — hier thront der Nachfolger Mohammeds. 250 Mil lionen Mohammedaner zittern für deutsche Siege und werden ihre Kelten wie Kinderspielzeug abschütteln, wenn Deutschland siegt. In englischen Dominions wohnen über 100 Millionen Mohammedaner. Die Fahne Mohammeds wird vorangetragen werden, wenn die Flammen des Aufruhrs in Asien hochschlagen. Man wird den heiligen Teppich aus der Kaaba holen und ihn vorantragen, wenn ein zweiter Makdi erstünde und über die Leichen der in Khartum stehenden englischen Truppen die Idee Ler Erweckung des Volkes Mobammeds nach Aegypten trägt." „England spielt das Spiel mit seiner Existenz", sagte John Burns schließlich, „und dieses Sviel ruhig anzusehen, ohne auf die möglichen Folgen hinzuweiscn, hieße zum Verräter an der eng» Irschen Nation werden." Das Schlachtfeld zwischen Weichsel un- Dnjestr. Zwischen Weichsel und Dnjestr tobt die öfter reichisch-russische Riesenschlacht. Nachdem die öster- reicyischen Heere die Bergketten der sich von Norder nach Südosren dehnenden galizischen Grenre durch schritten haben, rücken sie von Sieg zu Sieg vor wärts, im Westen mit dem Ziel Warschau und Brest- SvdrvldMLSvdiaov l'arbbiincker u. Xoblopaplere, Orlinmalsobo 8tr. 24. Liebliche Anmut und ungewöhnliche Schön- heit aber gingen von dem Bild der jungen Dame aus, vor der Hans Gibich seinen Hut zu höflicher Begrüßung gelüftet hatte. Er hielt dabei den Blick auf sie gerichtet, als ob nur seine Einbildungskraft ihm eine märchenhafte Er. schcinnng zwischen den leblosen Bnrgüber- resten heranfgeschaffen habe, und ein kurzes Weil- chcn verging, ehe sich in seinem Kopfe eine Vor stellung gestaltete, die ihn die Frage hervor, bringen ließ: „Sind Sie etwa die Tochter Lorenz Falkes drunten in der Wirtschaft?" Darauf erwiderte die Angcsprochene: „klon, monsiour, je ne kiiis prrs la kille cl'nn ca- darstier, jo suis la kille ckv m«i mSro." In der Antwort lag eine Verneinung, die doch zugleich auch eine Bejahung enchielt. Der Hörer versetzte unwillkürlich: „Sv sind Sie'S also -- aber warum sprechen Sie französisch zu mir? Halten Sic mich für einen Franzosen?" „?,crco guv jo suis unv k'inn^aise, moi, mon- sivirr." „Da würden Sie besser über die Grenze nach Hannover hinübcrpassen als hierher." „8üroment. monsiour. Änis j'ospsro, gu« me* eompotnotos proekrunemont cko ls villo cko llanvvrs «inssi soront on mrircko jnsgu'iei eker nvus." Sic stand vom Sitz auf, ihr schicn's nicht genehm zu sein, das Gespräch mit dem Fremden weiter fortzusepen. Fast ohne Wissen entflog ihm ein Ausruf: „Falcula, was ist aus dir geworden!" Bei dem ersten Wort fuhr sie zusammen und ihr Kaps mit einem Ruck gegen ihn herum. So stand sie, ihn groß anblickend, als horche ihr Ohr aus etwas; im Ausdruck ihres Gesichtes lag geistig Abwesendes und blieb'S ein paar Augen, blicke, dann kam ihr vom Munde: „WaS sagten Sie? Ich habe es nicht verstanden." Er wiederholte, die Anredeform verbessernd: -.Ich sagte, was aus Ihnen geworden sei." Loch sie schüttelte den Kopf. „Nein, das vorher — was war das?" lFortsetzung i« der Morgenausgabe^
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