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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.11.1916
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1916-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19161113024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1916111302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1916111302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-11
- Tag 1916-11-13
-
Monat
1916-11
-
Jahr
1916
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Mird llach dein Kriege so manches Versäumnis gut zu machen und zu prüfen sein, ob gerade hier Sparsamkeit am Platze war. Und darum emvfehlen wir die «Beiträge zur Kriegswirtschaft' dringend der allgemeinen Beachtung. Buch für den Uebergang lur Friedenswirtschaft werden sie wertvoll sein. Er soll uns ein mal nicht so überraschen, wie eS der Uebergang zur — Krleg-wlrt- ichast getan hat. Unseres Erachtens eignet sich schon daS vor liegende erste Heft zur Durchbrechung im engeren Kreise solcher i.'eute — und derer gibt es recht viele! —, denen es ein Bedürfnis ist, zuvörderst kennen zu lernen, wle die Dinge wirklich liegen, und erst dann zu urteilen. ' l^ Ungarn und wir Bon Dr. Richard Bahr-Berlin IV. (Schlich.) - - Die Zukunst des ungarländischen Deutschtums Trotz des günstigen äußeren Eindruckes, den dle putschen Dörfer Ungarns machen, wird man dieses schwäbischen Deutsch tums nicht recht froh. Man hört in Ungarn immer die Meinung, und man kann sie bisweilen selbst in Oesterreich von politisch er- sahrcnen Männern hören: die Deutschen lebten außerhalb Sieben bürgens in der Zerstreuung und könnten schon um deswillen nicht wie etwa die Rumänen sich durchsetzen und zur Geltung bringen. Das ist ein Irrtum. Gerade die 200 000 Sachsen Siebenbürgens wohnen In Mei weit von einander getrennten Gebieten. Und doch entsenden sie 12 bis 14 Abgeordnete in den Reichstag, baden putsche Predigt, in den Gemeindeverwaltungen deutsche Verband- »NgS- und GeschäflZsprache rmd ein reich gegliederte- deutsches Schulwesen. In den vier wesiungarischen Komitalen Preßburg, Oeoenburg, Vteselburg und Eisenburg wurden bei der letzten Volkszählung rund 330 000 Deutsche gezählt, in Banat, ln Len drei südungarischen Komilakcn Torontal, Teures und Batsch-Bodrogh rund 520 000. Dieses nahezu millionenköpsige Deutschtum aber ist politisch tot, und eS ist kulturell, da ihm dle deutsche Schule fehlt, zum allmählichen Versumpfen verurteilt. Die historische Aufgabe, die Maria Theresia und Joseph !I. sich gestellt hatten, ist gescheitert. Die Banater Deutschen sind geschichtloS, und was dunkel noch in ihrem Gedächtnis lebt, ist die Erinnerung an die Art, wie ihre Väter nach Ungarn kamen: auf großen Kähnen, von Regensburg die Donau abwärts über Wien und Ofen, wo sie zur Weiterfahrt ausgerüstet wurden. Der Vorgang ist in einem Triptychon fest gehalten, dessen tausendfach vervielfältigtes Original in Budapest im Parlament hängt. Seither haben in diesem österreichischen Staatskolonistcnvolk alle Zusammenhänge mit Oesterreich oufge- hört. Wie eine ferne, ferne Sage erzählt man sich noch in jedem Dorf und häufig auch in den einzelnen Familien, daß die Vorsah. ren au- Deutschland kamen, und zumal seht im Krieg ist bei dem oder jenem der Wunsch erwacht, wenn erst wieder Frieden gewor den ist, einmal «nach draußen' zu reisen und die Stätten zu be suchen, da vor 100 und mehr Jahren die Ahnen siedelten. Aber das sind sentimentale Regungen, die abseUs aller Politik liegen. Der Gedanke, daß das ungarländische Deutschtum zunächst Anschluß zu suchen hätte an den Volksgenossen der anderen Reichs- Hälfte, ist nicht einmal bei den Siebenbürger Sachsen, die ja zumeist ihre Ünioersitätsjahre bei uns im Reich verbringen, übermäßig populär. Den Banater Schwaben und wohl auch den Deutschen WestungarnS ist er überhaupt nie gekommen. Es rächt sich da eine der vielen Sünden des vormärzllchen und des Oesterreichs der Reak tion. lieber die ungarische Freiheit von heute mag man ia seine eigenen Gedanken haben, aber das Ungarn von 1848, das sich selbständig machte und von Oesterreich sich losriß, war seinen Bür gern wirklich in vieler Beziehung ein Freikeitsbringer gewesen. Bisher hatte in diesem Ständestaat — politisch regiert er ja noch bis auf den heutigen Tag — der Adel allein alle Rechte besessen. Nun stellte er selber sich allen SkaakSgenossen gleich, und zum Dank für diesen freiwilligen Verzicht ordneten sich Bürger und Bauern ihm unter. So wurde auch das damals fast vollständig deutsche Bürgertum für den ungarischen Nationalstaat gewonnen: «Selbst diejenigen seiner Söhne', schreibt Friedjung, «die während der Revolution kaisertreu blieben, haben sich in den Jahren des darauf folgenden Polizeidruckes und Absolutismus von Wien abgewendet und sich unter Führung der madjarischen liberalen Partei gestellt'. Heute gibt es im Banat in Dors und Stadt Leute, die sich der Un- abhängigkeltspartet zurechnen und Männer aus der Gefolgschaft der Grafen Apponyl und Karolyi in den Reichstag wählen. GeschichtloS, sagte ich oben, sind die ungarlündischen Schwaben. Sie sind auch führerlos, denn ihre Intelligenz ent weicht ihnen unter den Händen, und sie selber finden nichts Larin. Mehr noch: das Gegenteil würde sie wundernehmen. Deutsch ist ihnen die Bauernsprache schlechthin, der doch auch schon die Dorf- aristokratie durch eingestreute «tesseks" und «keremt' einen An- strich von Bildung und Weltläufigkeit zu geben versucht. Daß ein «Herrischer', ein Stadtmensch, anders als madjarisch reden e oder deutsch geschriebene Zeitungen bestehen, und kcit von Zombolya und ')o zono, von Brasso und Nagysz« »b eS nie ein Hatzfeld und < -reßburg, ein Kronstadt und H stadt gegeben hätte. Nun agte man mir: eS gäbe in Sü ch andere Deutsche. Ganze Dörfer, wie cvling, nebenbei der einzige Ort, der se l».ö,"iue, ecj^i:n ihnen unvc.,ländlich. Ic.c, alles is: zwar noch nicht lange so. In Temesvar, daS bis vor 20 Jahren eine ganz deutsche Stad! war, leben heute noch neben rund 28 000 Madjaren 32 WO Deut che, für die, waS immerhin gewisse Schlüsse zuläßt, 7 bis 8 deut ch " „ ' . „ 7 . . im Skadtpar amen! sitzt mehr als einer, dessen mädjarische Sprach kenntnisse n cht allzu weit über daS «igen' (ja) und «nem' (nein) hinausreichen, weshalb wichtige Fragen regelmäßig im kleinen, sozusagen privaten Kreise vorher auf deutsch Lurchgcsprochen zu werden pflegen. Aber diese Alken sterben aus, und der Nach wuchs gibt sich stockmadjarisch. Ich habe als geborener Auslands deutscher Zeit meines Lebens ein ganz eigenes Interesse für diese Dinge gehabt und viele von den Stätten besucht, in denen der Deutsche in der Zerstreuung oder Im Kampf mit anderen Völkern lebte Dieser Typus jedoch ist mir neben dem Petersburger Deutschen und mancher Londoner City-Erscheinung als der uner- treulichste im Gedächtnis geblieben: der Kunstmadjar deutschen Blute-, der Namen und Sprache ablegt wie ein unsauberes Ge wand und von Stunde an zu einem gehässigen Verfolger aller feiner Landsleute wird, die nicht dle gleiche Wandlung mitzu machen vermögen. Die heißt er dann — waS an sich nicht ohne grotesken Humor ist — Renegaten, Indes er sich selber als Pa trioten anpreist. Nie haben wir Deutsch-Balken die Gewaltkaufe Dorpats in Jurjew anerkannt. Dorpat blieb durch bald drei Jahrzehnte unS immer Dorpat, Dünamünde immer Dünamünde. Diese Herr schaften ober sprechen — 8 Jahre nach dem Ortsnamengeseh -eS Barons Banssy — mit einer Selbstverständlichkeit und, auch wo sie unter lauter Deutschen sind, einer liebedienerischen DereitwilNa- kcit von Zombolya und Poszono, von Brasso und Nagyszeben, als ^ermann- man mir: eS gäbe in Südungarn auch andere Deutsche. Ganze Dörfer, wie z. B. daS protestantische Liebling, nebenbei der einzige Ort, der seinen historischen Namen behalten durfte, in denen eine sehr lebhafte, rüstig vorwärts schreitende völkische Bewegung wahrzunehmen sei. Mir selber sind in diese Dörfer nickt gekommen; aber ich weiß, daß es seit Jabren eine «ungarländische deutsche VolkSpartet" gibt, die bei den letzten Mahlen in Werschez sogar recht ansehnliche Ergebnisse erzielt hat, weiß auch, daß man seit manchem Jahr sich bemüht, eine deutsche Intelligenz zu erziehen, indem man nach dem be- kannten Muster befähigte Knaben auf siebenbürgische Mittel- Hochschulen bringt, damit sie nach vollendetem Studium in ihrer Heimat zu Vorkämpfern des Deutschtums werden. Wie weit diese Arbeit Erfolg verheißt, vermag ich, da mir in den Stücken der Augenschein fehlt, nicht zu beurteilen. Mühselig, unendlich mühselig ist ste auf alle Fälle. Besser wäre es schon, der ungarische Staat hülfe von fick aus ein wenig nach und gäbe seinen Deutschen die Volksschule zurück, auf dle sie nach dem Nationa litätengesetz von 1868 rechtlichen Anspruch haben. Er hat von ihnen wirklich nichts zu befürchten, aber er verdirbt sich durch die bisherige Praxis ein wertvolles Menschenmakerial, und er gerät In Gefahr, ein Element zu verlieren, das ihm bei dem künftigen, doch gerade von den Madjaren geforderten Jneinanderwachsen der beiden Zentralmächte nützliche Mittlerdlenste leisten könnte. Die Ungarn sind ein bis ln die Fingerspitzen politisches Volk. Es wäre verwunderlich, wenn ste an solcher Erkenntnis vorübergehen sollten. . . Konferenz Koerbers mit den Parteivertretern tu. Frankfurt a. M., 13. November. (Drahtdericht.) Der «Frkf. Ztg.' wird aus Wien berichtet: Die Konferenz des Ministerpräsi denten Koerber mit den Vertretern der Parteien wirb fortgesetzt und wird sich demnächst mit der Angelegenheit der Reichsrats tagung besagen, d. h. mit den notwendigen Voraussetzungen und den nötigen Vorbedingungen für eine Einberufung. Zusammengehend wird eine vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses einberufene neuerliche Sitzung der Vertreter der Parteien die grundlegende Beantworlung der LinderusungSfrage herbciführen. Lebensmittelkarten in Budapest (r.) Budapest, 13. November. (Draktbericht.) Der Buda pester Gemeinderat hat einen Antrag angenommen, der das Kartensystem für alle Lebensmittel einführt. Ferner wurde die Fetkausfuhr verboten und Höchstpreise für Industrie artikel des täglichen Bedarfs festgesetzt. (r.) Budapest, 13. November. (Drahtdericht.) Der ehemalige Ministerpräsident Dr. Alexander Wekerle hielt einen Vortrag über die Wiederherstellung deS Wirtschaftslebens nach dem Kriege, der große Beachtung fand. Nach Wekerle gilt als Vorbedingung der künftigen Wohlfahrt Arbeit und Einschränkung der Ansprüche. Der Krieg sei ein großer Lehrmeister gewesen, indem er an Entbehrungen aller Art gewöhnte. Der nivellierende gesell schaftliche Prozeß sei daS natürliche Ergebnis der fortschreitenden Demokratisierung. In der Schweiz sei dieser Nivellierungs prozeß nahezu restlos vollzogen. an. NeutratiiLsuomodie im englischen Oberhaus Die kurze erfolgreiche Tätigkeit unseres soeben wohlbehalten zuruchgekehrten U-Boote« .U 53" bietet der englischen Regierung will kommenen Anlaß, die Neutralen und vor allem die Vereinigten Staaten von neuem in ihrem Sinne zu bearbeiten und gegen Deutschland in Harnisch zu bringen. 3m Oberhause waren es vor allen Dingen Lord Beresford und Discount Grey, die sich gegenseitig an tugendhaf ter Entrüstung überboten über die angeblichen Untaten deS deutschen U-BooteS. Diese Entrüstung geschah natürlich vor allem Im Interest« der unter Deutschlands Uebergr fsen schwer leidenden Neutralen, der erklärten Schützlinge Englands in seinem Kampfe für Recht und Völker freiheit. In dec ObcrhauLsitzung vom 19. Oktober wirft Lord Beresford, das ehemalige enkint ierrible der englischen Negierung in allen Mariaeangelegrnhcilrn. seinem Freund: Grey den Ball, genannt .1t 58', zu, der ihn mit Grazie zurückgibt. DieS an mutige Spiel wird sich zweifellos noch öfter wiederholen, denn diese er probten Schauspieler sind sich der Nesonanzkrast ihrer Bühne, näm lich deS englischen Oberhauses, wohlbewutzl. Nach dem schönen Grund satz «calumniare auäaeter" haben die Leiter der englischen Politik immer gehandelt. Dadurch daß sie einen ihr nützlich erscheinenden Sc- dankengang, und sei er noch so falsch und unsinnig, immer wieder ln der englischen Presse breittreten ließ und Ihn In offiziellen Reden nach allen Regeln der Redulistik und Soph.stik abwandclte, hat die eng lische Politik in der Vergangenheit unleugbar Erfolge erzielt. Folac richtig beschäftigt sich auch das Oberhaus in seiner Sitzung vom 28. Ok tober wiederum mit dem Auftreten unseres U-Bootes jenseits deS Ak- lankischen Ozeans. Diese Sitzung illustriert recht eindringlich die oben charakterisierte Methode. Wir wollen ste daher kurz betrachten. Den Auftakt gibt Lord Sydenham mit seiner Anfrage, Auftreten van ,U 58' der von Deutschland negcnüker Amerika »tn ergangenen Verpflichtung nicht widerspreche. -)»« mit auSdrÜckstch»m Vorbehalt gemachte Zugeständnis der deutschen Reg'crung vom -1. Mar b. 3. wir- konsequent a s ,pierce' bezeichnet, welches Work soviel wle Pfand, Gelübde, Bürgschaft bedeutet. ES ist mit der unverkennbaren Absicht gewählt, den amerikanischen und neutralen Lesern einzuhüm- mern, daß sich Deutschland auf das feierlichste bedingungslos gegenübrr Amerika gebunden habe. Dieses .Gelübde', wird in mehrfacher Wieder holung auSaeführt, habe Deutschland aufs gröblichste verletzt, indem «U 53' wieder und wieder ohne Warnung sogar neutral« Schiff: mit nenkraler Ladung nach neutralen Ländern zerstört habe. 46 Menschen leben seien dabei zugrunde gegangen. Trotzdem habe sich Amerika nicht gerührt. «Was müßten die Neutralen van ihrem mächtigen Ver treter denken. Die britische Regierung müsse sofort eine Erklärung geben, wie sie sich diesen himmelschreienden Untaten der deutschen U-Boote gegenüber in Zukunft stellen wolle. Das fordere nicht nur das Interests der Alliierten, sondern auch vor allem das der bedauerns werten Neutralen. Dann kommt Beresford zu Mort. Nur der waghalsigen Kühnheit der amerikanischen Zerstörer sei eS zu danken, daß Menschenleben bei der Arbeit deS deutschen U-BooteS nicht be klagt würden. Dadurch aber, daß die Amerikaner solche ReltunqS- arbelten gestalteten, leisteten sie direkt diesem unerhörten Zustande Vor- schub, anstatt ihm enlgegenzutreten. Er müsse feststellen, daß dle Hand lungsweise Amerikas sich nicht in den Grenzen strikter Neutralität halte. Diesen Ausführungen erwidert Grey mit anscheinend salbungsvoller Sachlichkeit. Die britische Negierung habe noch keine zuveettlsslgen Nachrichten Über die Vorgänge an der amerikanischen Küste, atwr sobald solche ein gingen, würde die Oeffentlichkeit sofort davon erfahren. Die von Lord Sydrnham angeführten Fälle, in denen neutrale Schisse und solche der Alliierten ohne Warnung von deutschen U-Booten torpediert und Leben von Mannschaften und Passagieren gefährdet und sogar verlorengegan- gen sei, könnte die englische Admiralität vervielfältigen. — Von dieser Fertigkeit der englischen Admiralilät, solche ihr geeignet erscheinenden Fälle zu vervielfältigen, d. h. glatt zu erfinden, haben wir be reits so viel Proben erholten, daß wir hierin Grey ohne weiteres glauben dürfen. — 3m Zusammenhang mit dem AuSschlffen der Besatzungen der von .U 53' nach Seekriegsrecht versenkten Schiffe gebraucht Grey dreimal daS Wort «survivers , Ueberlebende. DaS soll die ernste Lebensgefahr, der diese Besatzungen angeblich ausgesetzt waren, dem Hörer bzw. Leser recht eindringlich vor Äugen führen. Daß dle ame rikanischen Zerstörer die ausgeschifften Besatzungen der versenkten Dampfer sofort aufnahmen, tut bet Grey nichts zur Sache. Er würde, falls eS ln seinen Kram paßte, wohl auch ohne Zögern dl« Passagiere des Zugs von Dover nach London bet ihrer Ankunft in Tharing-Eroß als .aurvivers' feiern. Nicht weniger als fünfmal reitet Grey das Paraderoß von der Verletzung des von Deutschland Amerika gegebenen .plcclxe' durch .U 53' seinem verständnisvollen Auditorium vor. In Frankreich unterstützt Tlemeneeau in seinem «Homme enchamä* vom 30. Oktober wirkungsvoll di« Greyschen Ausführungen. Er kün digt in einem wütenden Artikel, der die stärksten Beschimpfungen gegen Wiison enthält, der sich der Tyrannei der deutschen U-Boote füge, daß Deutschland im Begriff stehe, nun auch die norwegische Neutralität zu verletzen. Von Deutschland könne man in seinem jetzigen Stadium jedes Blutbad erwarten, denn diese Bestie wolle ein Leichenbegängnis von Blut und Grauen haben. Hier haben wir endlich einmal die Einheitlichkeit der Kriegführung, die auf den Kriegsschauplätzen von unseren Geg nern bisher so schmerzlich vermißt wurde. Verleumdungen, Lügen und Schimpfworts töten aber bekanntlich nicht; haben sie ausnahmsweise nicht kurze Beine, d. h., «rrtichen sie einmal auf kurze Zeit die beab sichtigte Wirkung in die Ferne, so ist damit ihr Einfluß noch nicht zu Ende, nur zu oft fliegt der Giftpfeil, vom Bogen abgeschnelit, wieder zurück und trifft den Schützen selbst. Die Menschen stellen sich im Verkehr mit den Menschen nur zu häufig auf den falschen Stand punkt. Sie ärgern sich, wo sie sich ergötzen sollten; sie erbosen sich, anstatt zu lerneu. WUHelmRaabe. Klassische Kavaliere') l. Don Juans Wandlung. Von Dr. Valerian Tornlus. Wenn man sich den spanischen Don Juan vorstellt, denkt man un- willkürlich an einen der Kavaliere, di« Tallol ln seinen .capricci' ver ewigt hat. Alle diese Herren, mit dem enganliegenden Wams, dem bau schigen, mit einer Bondroselt« am Kni, geschlossenen Bclnkleld, dem flatternden, pelzverbrämken Ilmwurf, der kleinen, steifen Goltlla und dem schief auf einem Ohre sitzenden Federhut haben so etwas Der- wogeneS und Herausforderndes ln ihrer äußeren Erscheinung, daß man meinen könnte, ste befänden sich jederzeit aus der Suche nach Abenteuern. Die steife Tracht, die daü Zeitalter Philipps II. beherrschte und nur ge messene Grandezza gestattete, ist hier schon gemildert und gibt Freiheit zu größerer Beweglichkeit deS Körpers. Der Geist lebt noch in engen Schranken. GracianS Handorakel der LcbenSklugheit, daS seinen bil- beide» Einfluß auf diele Hidalgos auSzuüben vermöchte, ist noch nicht vorhanden. Der feine Kavatlerskon fehlt. Wie anders nimmt sich dagegen der «könnet« komm«' aus, brr französische Dan Jüan, der sich mit dem «»brechenden 17. Jahrhundert zu «nlfatten beginnt und um dl« Milt« desselben, in der Blütezeit des Barock, den Höhepunkt seiner Entwicklung erreicht! Freilich, äußerlich macht er einen recht ungefügen und steifen Eindruck. Die französisch« Mode stecks noch in den Kinderschuhen und hat sich noch nicht ganz vom spanischen Einfluß befreit. Man merkt Ihr den Parvenü an, der mit der Vergangenheit liebäugelt, daneben gleichzellig neu und originell er- schelnen möchi«. Doch wat dies« Mode erfindet, wirkt unförmig und plump. Es ist die schwere, löwernnähnenarkig« Perücke, der langschoßige, saltenreich«, aut einem Stück gefertigte Rack und das breite, sackförmige Beinkleid mit der g,Küßte» Länge. Auch darin zeiat sich der Parvenü, d«tz daS Schwergewicht nicht auf bl« Güte deS Stoffes, sanbern aus den Aysputz gelegt wird. Svihrn, Bänder, Schleifen und Juwelen breiten sich wie Blumenbeete über da- ganz« Gewand aus. I« bunter das Schmuckwerk, je kostbarer die einzelnen Bestandteile, desto HSHer die *) Aus dem soeben erschienenen Buch«: Tornius, «Klassisch, Kavalier«', Charaktere und Bilder aut der galanten Welt, mit zehn vrlglnallithograpbte» »an Erich Gruner. Gewöhnliche Ausgabe geh. DLO ^t, geb. -vW-W»-ßaha siy.Ä. sisierta, von KNnkharh» ch Bt-naav, Lrlp-tG. , Eleganz. Es kommt vor, datz Kavaliere sich rühmen, die Einkünfte eines Landgutes, in Spitzen umgesehl, auf ihrem Körper zu tragen. Ueberall, an Aermeln, Hosen, Schuhen, hängen Spihengarnituren, dle zuweilen den Wert von Riesenvermögen repräsentieren. Wo keine Spitzen mehr Platz finden, trägt man Bänder, manchmal bis zu 300 Ellen an einem Anzug, und obendrein Juwelen aller Farben ln unbeschränkter Zahl. Zwischen solchen aufgedonnerten Gestalten tauchen hin und wieder bizarre Erscheinungen aus, wie z. B. der Herr von Jvetaux, der die gestreiften Hosen eines schweizerischen Landsknechts trägt, Aermel auS chinesischer Seid«, Wams und Hut aus wohlriechendem Leder, um den Hals an Stelle des Spitzentnogens eine Kett« von Stroh. Kurzum, bi« Mob« des Kavaliers dlejes Zeitraumes kennt keine Grenzen. Sie wandelt be ständig ihre Form, wie «ln Chamäleon seine Farbe; aber sie bleibt immer unschön und steif. Merkwürdigerweise deckt sich diese Unbeholfenheit ln bezug auf äußer« Ding, gar nicht mit den inneren Fähigkeiten des Kavaliers. Ohne Gracian reist ln dem Frankreich Ludwigs XIII. die Erkenntnis von der Bedeutunz deS Geschmack- heran, bildet sich der maßvolle klassische Stil und die Feinheit der Sprache, schafft der Umgang der Men chrn untereinander di« echte Höflichkeit und Urbanität und gewinnt der Tractanische Sah Geltung, daß alles Misten ungeschlacht ist, wenn es der Eleganz entbchrl. «Nicht allein unsere Kenntnisse müssen elegant sein, sondern auch unser Wollen, und zumal unser Reden.' Zur Zeil Heinrich- IV. blicken viele unler der hohen französischen Adel, genau wie tm rllterlichen Zeitalter, noch verächtlich auf die Kunst des Lesen- und Schreibens herab. Körperliche Gewandtheit scheint ihnen das einzig« Erfordernis des vornehmen Mannes zu sein. Rur wenige Jahrzehnt« später steht man schon auf einem ganz andern Standpunkte. Zwar schätzt man nach wie vor die körperlichen Fähigkeiten koch eln, aber räumt dem Misten daneben ein» zum mindesten gleichberechtigte Stellung ein, doch nicht den Kenntnissen allein, sondern vielmehr dem Vermögen, diese Kennknlste ln geschmeidiger und zierlicher Form bet der Unterhaltung leuchten zu lasten. Der Salon lst der Schauplatz, auf dem der «konntte komme' seine Fähigkeiten zeigen kann, dle Konversation das Mittel, dessen er sich zur Erfüllung bleser Aufgabe bedient, und dl« Damen sind di« Schiedsrichte rinnen, die das Urteil über seinen Wert füllen. Wa- er als Offizier leistet — und fast jeder könnet« komme ist in seinem Beruf Offizier — läßt ste gleichgültig. Tapferkeit gehört in jenen Tagen zu den selbstver ständlichen Dingen, über die man nicht spricht. Vielmehr interessieren sie die Fragen: Hat er Esprit oder hat er ihn nicht? Weiß er Halluna und Manieren im Verkehr mit dem schönen Geschlecht zu bewahren? Ist er ebenso galant, wie er sich «leaant kleidet? Paart sich bei ihm der göttliche Leichtsinn mit scharmanter LiibenSwllrdigkett? Kaan er Frauen velören, ohne daß die Frauen ihm «am fein müssen? — Erfüllt ar alle diese Hosfnungen durch sein« Etgenschaften, dann ßehan »hm dj« Türe« eklen. dann hat «r bl« Bezelchnung eine» bono-te komwe »erdiant. Arrnst rrn- Wissenschaft Fraoenklub. Am Sonntag sand im Fraucnklub wiederum «In literarischer Abend statt, der Zeugnis ablegtr für dle anerkennenswerten künstlerischen Bestrebungen dieses Vereins. Frau Hilde Stic ler trug aus eigenen Dichtungen vor; eine von innen quellende Wärme, felnnerviges Empfinden und vorbildliche formale Geschlossenheit zeichnen dies« Gedichte aus und erheben st« über das Allzuviel« dec literarischen Erzeugung. Ihren besonders bestimmten Wert empfangen sie durch das tief Persönliche, das sich in ihnen prägt und auch da« Gegenständliche durchdringt. In manchem wird eine seltene Odjektlvltät erreicht. So gr- hört zu dem Eindrucksvollsten das in balladeSkem Ton gehaltene Gedicht von den «beiden Schwestern', das von einer wunderbar reinen legen darischen Stimmung getragen wird. Kurt Stteler und Frau Alberline Ze hm« brachten hieraus gemelnsam Szenen aus «Kleln- Eyolf' zum Vortrah. Kurt Stteler loS den Almes mit meisterliche^ Einfühlung und Fau Albertine Zrhme bewährt« an den Leiden und Wandlungen Ritas ihr mannigfach schattierendes rezitatorisches Können. —ckt— Das Konzert Marie Schlesinger und Prof. Fritz von Bose findet nicht, wie heute morgen angegeben war, 7)4 Uhr, sondern um 8 Uhr statt. Der am Dienstag abend X8 Uhr .m Kunstgewerbemuseum statt findende zweite Vortrag Über Deutsches Barock und Rokoko von Piofessoc Dr. Graul wird die Tpätrenatssance in Deutschland und ln den Niederlanden und die Anfänge des Barockes behandeln. Franz Molnars neues Schauspiel Fasching hat im Lust- spiellheotkr zu Budapest eine sehr erfolgreiche Uraufführung erlebt. Wie aus Budapest genreldet wird, enthüllt es mit dramatischer Kraft und reinen Mitteln lm Rahmen einer Karnevalsnacht ein tiefgesehenes Frouenschicksal. Man meldet aus Hanau: Die Stadtverordneten haben beschlossen, das Stadlthealer auf vorläufig zwei Jahre vom September 1917 ab an Direktor Ludwig Spannuth-Bodenstedt, den heutigen Leiter des Neuen Theaters in Hamburg, zu vergehen. Singelaufen war«» 43 Be werbungen aus allen Tellen Deutschlands. Der Professor der Ihevretischen Physik an der Universität Jena Hofrat Ir. Felix Auerbach vollendete am 12. d. M. da- 80 Lebens jahr. Er lst aus Breslau gebürtlg, Schüler von Königsberger, Kirch hoff und v. Helmholtz. I« Jahre 187- erhielt er die venia lessenäi ln Breslau, 1889 dle Berufung zum a. ». Professor in Jena. Der oußerordenkliche Professor für niederländische und nieder deutsche Sprachen und Literatur an der Universität zu Bonn Vr. v on Hamels ist nach der -Ktln. Zig.' aus seinen Ankrag aus dem preußischen Staatsdienst« ausgeschtebe» und »sch Holland -urückßekehrt. VroHast»^ Dr. Fkanck nach MU VVkMDWtz
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