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Sette 2. Rr. SSI. Abe«d-A«sgave Leipziger Tageblatt Srettag, S. November ISIS Somme «ad Siebenbürgen I. A»> h« S»»ß«» A»»Ptq»»,21«, »Ar» «a gescheteLme: Di« ungehesr« Au-dehnung del Weltkriege- Hal alle de» «sümpfen der Vergangenheit entnommenen Maßstäb« für den Umfang wie für die Bedeutung der einzelnen Kampfhandlang entwertet. 2n frühere» Kriege» gab es Schlachten, die im Zettrcum» von «in paar Stunden und auf Fronten von wenigen Kilometer» über dal Schicksal nicht nur etnel Krieges, sondern großer Völker, la ganzer Erdteil« auf Jahrhunderte hinaus entschieden, die also wirtlich di« Bezeichnung Entscheidungsschlacht verdienten. Der Gegenwattsktteg hat eine Unzahl von Schlachten gebracht, die all eine einheitliche, anunter brochene Kampfhandlung sich durch lange Monate hinzogen und hin ziehen. ohne daß ihr Ausgang über den Umfang eben dieser einzelnen Kampfhandlung hinaus eine entscheidende Bedeutung besähe. Die Kennzeichnung trifft anscheinend auch für die seit vier Monaten tobende und noch längst nicht abgeschlossene Sommeschlacht zu. Von den Angreifern freilich war sie zweifellos als Entscheidungsschlacht allergrößten Stils gedacht und angelegt. Sie sollte nach der Absicht un serer Feinde der strategischen Gesamtlage nicht nur an der Westfront, sondern auf der Gesamtheit der Kriegsschauplätze dreier Erdteile den rettenden Umschwung bringen. 2m Rahmen der eingcleiteten Gesamt offensive der Entente sollte sic die Mittelmächte unwiderruflich in di« strategische Defensive drängen. Mehr noch: ihr Ziel war die endliche Durchbrechung unserer so oft bcrannken und immer unerschütterlich gebliebenen Westfront. War dieses Ziel erst erreicht, so muhte noch der Rechnung der Feinde unsere Westfront, einmal durchbrochen, völlig zusammenbrechen. Unsere Heere muhten in Hast und Unordnung zurück fluten, mußten mit jedem Schritt rückwärts einen Meter der in jähem Vorwärtssturm deS KrlegsbeginnS eroberten Feindeserd« räumen und damit die wertvollen und für die vielberufen« .Kriegskarte' so bedeu tungsvollen .Faustpfänder' aufgeben. Vielleicht würden wir versuchen, uns zunächst noch einmal auf FeindeSerde mit verkürzter Front zu einem neuen Widerstande zu stellen. Wahrscheinlicher aber: Mir würden in einem jähen Zurückfluten bis mindestens zur Grenzmark unserer Heimat gedrängt werden. Daß dies der strategische Sinn der Sommeschlacht war, dürfen wir als unzweifelhaft erwiesen ansehen. Die Gesamtkriegslage zwang unsere Feinde, einen solchen Sieg im Westen mit allen Mitteln anzustreben. Ihre Vorbereitungen waren so rtesenmäßig wie die Aufgabe. Bei allen ihren früheren Durchbruchsversuchen hatten unsere westlichen Gegner trotz schon damals ungeheuren Einsatzes an Menschen und Kriegsmaterial recht trübe Erfahrungen machen müssen. Diesmal hatten sie sich noch weit bester vorgesehen. Der ungeheure Umfang ihrer Vorbereitungen beweist am klarsten, daß eS ihnen darum zu tun war, diesmal um jeden Preis die Entscheidung im Westen herdeizuführen. Insbesondere ist hier auf die Tatsache zu verweisen, daß Engländer wie Franzosen riesige Kavallertemastcn bereitgestellt hatten, um nach er zieltem Durchbruch sofort die Verfolgung einzuleiten, so den taktischen Sieg strategisch auSzuwerlen und zu einer vernichtenden Niederlage für unser« ganze Westfront zu gestalten. Heute, nach einem Niesenkampfe von vier Monaten, der an Zu- rilstung, Dauer und Ingrimm alles jemals von Menschen bisher Ge leistete und Erlebte um ein Erhebliches übertrifft: Was ist der Erfolg? Zwar ist dl« Schlacht noch keineswegs abgeschlossen. Im Gegenteil kann eS nicht zweifelhaft sein, daß unsere Feinde ihre Anstrengungen fortzusehen, ja noch zu steigern gedenken. Dennoch gibt es einen Ilm- stand, der zu einem vergleichenden Rückblick auf daS von unseren Fein den Erstrebte und Erreichte geradezu herausfordert. Dieser Umstand ist bte Tatsache, daß während deS Monats Oktober die feindliche Offen siv« trotz wütender Anstürme nur noch Teilerfolge erzielt hak, im ganzen ab« fett der Riesenschlacht vom 28. bis 27. September zum zweiten Male lnS Strocken geraten ist. Die gewaltige Anstrengung dieses letzten, verhültnismüßig erfolg- retchen GrohkampfeS hat den Feinden Ihren letzten nennenswerten Ge- lündegewinn gebracht. Nach Hinzurechnung der keineswegs bedeutungs vollen Fortschritte des Oktober ergibt sich ein im wesentliche» unver ändertes Gesamtbild des feindlichen Erfolges. Er besteht in einer Er. rungenschafk von etwa 300 Gevierkkilometern eines Gelände«, bas keinerlei Ortschaft von Bedeutung einschließt, keinen strategischen Stütz- punkt. Richt einmal der Besitz der beiden Kleinstädte, deren Name frühere« deutschen Stegen «inen gewissen Klang verdankt, d« Städt chen Pä rönne und Bapaume, ist den Feinden vergönnt worden. Von den entfernteren Zielen St. Quentin und Eambrai ganz zu ge schweige». Ihr Besitz hätte zwar auch noch entfernt nicht eine Entschei dung brdeutet. Immerhin würde er das allernächste Ziel d« Feind«, di« Zorückdrängung unserer Front über eine ernsthaft in Betracht kom mend« Strecke feindlichen Landes, in erreichbare Nähe gerückt haben. Nichts von all dem ist erreicht. Das Gesamtergebnis ist eine auf Karlen etwa vom Maßstab« selbst unserer grvßken Atlanten kaum er kennbare Einbuchtung unserer unerschütterlichen Front. Wenn wir uns fragen, mit welchen Opfern der Feind diesen Er folg hat erkaufen müssen, so sind wir naturgemäß auf Schätzungen an gewiesen. Wir wissen, daß die Engländer ihre eingesetzten Divisionen erst herausziehen, wenn sie etwa 4000 Mann eingebüßt haben. Da die Engländer unter doppelter bzw. dreifacher Anrechnung der Divisionen, dl« zwei- bzw. dreimal eingesetzt wurden, an der Somme rund 100 Divi- sionteinheiten eingesetzt haben, so kommen wir za einer Verlustziffer vo» 400000 Mann allein für die Engländer. Daß diese Schätzung«- «ethod« zutrtfst, eratdt sich «s Ke» Umstand«, daß ds« Engländer selb« in ihre» BmmstVste» bis End« September «tuen G«samtv«rt»st mm 372 000 Max» Mgeged«» Haden. B«t dm Annahme, daß die Fran- rosen ihre Di Visionen schon »ach Verlust von »000 Mana heraoszieheu, kommen wir für sie auf ein«» Verlust von 180000 Mann. So kommen wir zu einer feindlichen Vesamtverlustziffer von rund 000 000 Mann, d. h. 2000 Mann auf den Quadratkilometer zwar zurück erkämpften, aber in etn« grauenvolle Wüste verwandelte» französischen Vod«nSl Die Erkenntnis, daß dies« Opfer ru den blüher erreichten Ergeb nis« in einem schreienden Mißverhältnis stehen, hat unser« Feinde lcho» seit geraumer Zeit veranlaßt, ihre Anfangsabsichten in der Seffent- Uchkeit zu verleugnen und dafür etn wesentlich bescheideneres Endziel unterzuschieben. Als solche- wird neuerdings die doppelte Absicht hingestellt: einmal auf unserer Westfront soviel Kräfte zu binden, daß es unmöglich sein würde, die unS vorübergehend scheinbar entrissene Angriff-Kraft unserer Gesamtkriegsführung wiederum voll einzusetzen und gegen den neuen Feind zu wenden, den man uns inzwischen auf den Hals gehetzt hat. Zum mindesten aber durch die Zusammenballung der gesamten Angriffsmacht zweier großer Völker und den Einsatz der Waffen- und MunitionS-Industrie des Erdballes den hier gebundenen Bruchteil unserer Kräfte völlig aufzureiben und damit den Zusammen bruch unserer Widerstandskraft herbclzusühren. Diese wesentlich bescheidener gefaßten Ziele — hat die Somme- schlacht im viermonatigen Niesenkampfe sie auch nur zu einem winzigen Teil ihrer Verwirklichung entgegengeführt? Frankreich zum Tode bereit (-.) Genf, 2. November. (Eigener Drahtbericht.) Der französische Pazifist d'Eskournelles hatte vor einigen Ta gen eine Unterredung mit einem Schweizer Mitglied der neutralen Friedensgesellschaft. D'Estournelles sagte, als man ihn wegen einer Friedensdereitschaft Frankreichs fragte, folgendes: .Die französische Negierung befindet sich nicht im Widerspruch mit der Volksstimmung, wenn sie vorläufig dem Frie densgedanken keinen Naum gibt. Das französische Volk ist tatsächlich so von Haß erfüllt, so leidenschastdurchglüht, daß es jede augenblickliche Friedensanbahnung von feiten der fran zösischen Negierung als einen Verrat am französischen Blute auf fassen würde. Das Volk in Frankreich glaubt, der Krieg sei ihm ausgedrungen worden, und wünscht die Vernichtung seines Fein des. Ls ist gefährlich, in Frankreich über den Frieden zu sprechen; in England ist die Friedensbewegung trotz aller Ableugnung viel populärer. 26) bin der Ueberzeugung, daß England sofort einen Frieden vorschlagen wird, wenn seine Regierung keine Chance mehr sieht, den Krieg gewinnen zu können. Die Engländer wollen auf keinen Fall in diesem Kriege untergehen, aber in Frankreich ist dieser heroische Wille zur Selbstvernichtung vorhanden. Für einen Franzosen ist es selbst verständlich, daß der letzte Mann in den Graben ge schickt w i r d. Nie hat je ein Krieg daä ganze französische Volk in seiner vollkommenen Einheit wie dieses Völkermorden ergriffen. Ls ist, als ob man in Frankreich im wahnsinnigen Kanonendonner das Gehör für menschliche Regungen, für Stimmen der Vernunft verloren hätte. Ganz Frankreich ist ein Land des Hasses. Dieser Haß wird täglich durch die Presse von neuem aufgepeitscht und durch unkluge Reden zum wildesten Fieber ge steigert. Solange dieser Haß in Frankreich tobt, wird Frankreich keinen Frieden wollen.' Der Reichstag zur Notlage der Beamtenschaft Die fortgesetzte Steigerung der wirtschaftlichen Notlage der Beamtenschaft hat die Parteien des ReichStases zu einer einmütigen Stellungnahme veranlaßt. Auf Einladung det Ahaeordneken M « v e r (Herford) sind -die Vertrekvr sämt« licher Parteien zu einer gemeinsamen Aussprache zusammen getreten. Die volle Würdigung der schwierigen wirtschaftlichen Lage gerade der geringer besoldeten Beamtenschaft und die An erkennung der Notwendigkeit schneller Abstellung der Notlage hak zur Einigung aller Parteien aut Einbringung des folgenden ge meinsamen Antrages im AeichsyauShaltsauSschuß gefüyrt: Der Reichstag wolle beschließ«, de» Herr» Reichskanzler za ev- suchen, 1. den ReichSbeamken einschNeßstch d«r nicht etat-mäßig angefiellken, ständig gegen Entgelt beschäftigten Beamten und Beamtinnen — jedoch mit Ausschluß der nach der Kttegsbesoldung-vorschrift mit besonderen Zulagen bedachten Beamten deS Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine —, soweit ihr Iahresgehalt das Meistgehalt der Klaffen 41 bis 43 d der Besoldungsordnung nicht übersteigt, sowie den in den Reichs betrieben beschäftigten Angestellten und Arbeitern, deren Einkommen währen- des Krieges keine wesentliche Erhöhung erfahren hat, ein- malige Kriegsteuerungszuglagen bis zur Höhe eines Monatsgehalts bzw. Monatslohn«- za gewähren; 2. den RuhegehaltS«mpfäng«rn und den Hinterbliebenen von Reichsbeamten einmalig« Kriesitteaerangszulagen nach Maßgabe ihrer wtrtschaftstch«» Bedürftigkeit, ht, ftmllchst anker Zugrundelegung ihres stmeersich festgestellten Einkommen- z» ermitteln ist, za bewilligen; 3. ht« Famtlienanterttützungeu der Kriegsteilnehmer sowie die Unterstützungen an ErwervSlose den Bezugsberechtigten im Monat De zember 1016 m doppelter Hübe aas Reichsmitteln zu gewähren. Der Antrag ist von Mitgliedern sämtlicher Parteien -es Reichstages unterzeichnet. Von der nationalliberalen ReichStags- fraktion haben ihn die Abgg. Hirsch, Keinath und Meyer-Herford unterzeichnet. Zur Dresdener Tagung Noch immer zerbrechen sich verschiedene Blätter den Kops über daS Ergebnis der Aussprache, die am Sonntag in Dresden zwischen sächsischen nationaliiberalcn Politikern und Bassermann und Friedberg gepflogen wurde. Man möchte gerne Antwort baben auf die Frage, welche „Richtung" dabei gesiegt habe, und ob die Aussprache die Folge hatte, daß die sächsischen National liberalen ihre — das sei nochmals unterstrichen — von der Land lagsfraktion und dem geschäftsführenden Ausschuß des Landes- verelnS gemeinsam und einmütig gefaßte Erklärung an die Partei mitglieder preisgegeben haben. Davon ist, wie wir schon einmal betonten, keine Rede. Den Sinn und Geist der Aussprache faßte am Dienstag der .Deutsche Kurier" in den Satz, der den Wiß begierigen die beste Auskunft gibt: „Die mehrstündige Verhand lung führte zu einer einheitlichen Auffassung der politischen Lage, und zwar sowohl auf dem Gebiete der äußeren Politik als auch auf dem Gebiete des freiheitlichen Ausbaues unseres Staatswesens.' Daran möchten wir unserseits noch die Mit teilung knüpfen, daß der Neichstagsabgeordneke Bassermann in Dresden erklärte, die Reichstagsfraktion und der Parteivor- stand hätten mit dem unglücklichen Artikel, den seinerzeit der .Deutsche Kurier' gegen die sächsische Erklärung brachte, nichts zu tun. Sie hätten ihn weder geschrieben noch veranlaßt. Damit er ledigt sich die Annahme gewisser Blätter, die jenen Artikel als eine offizielle Stellungnahme des Darleivorstandes gegen die sächsischen Nationalliberalen werten zu können glaubten. Politische Nachrichten * Die Zigarellentabak-Einkaufsgesellschaft »ach Dresden ver legt. In der letzten Aufsichksratssitzung der Gesellschaft wurde, wie Dresdner Blätter berichten, unter Zustimmung der Vertreter des Reiches und verschiedener Bundesstaaten beschlossen, den Sih der Gesellschaft von Berlin nach Dresden zuverlegen, wo der Geschäftsbetrieb schon seit Beginn durchgeführt wurde. Wie er innerlich, hat die sächsische Regierung schon vor einem Jahre ver langt, daß der Sitz der Gesellschaft in Dresden errichtet würde, das als Mittelpunkt der deutschen Zigarettentndustrie und des euro päischen Aohtabakhandels in erster Linie in Betracht kam. -- Da- Präsidium de- Hansa-BvndeS trat am 28. Oktober unter Vorsitz deS Reichstagsabgeordncken Prof. Dr. Ri eher za einer Sitzung zusammen, in dem Geschäftsführer Dr. Leidig über die Tätigkeit deS Hansa-Bunde- in den letzten Monaten ausführlichen Bericht erstattete, dem sich eine eingehende Erörterung über dl« Stel lung des Hansa-Bund«- zu den Problem«« der Kriegswirtschaft sowie den Aufgaben der IlebergangSzeit und deS Frieden- anschloh. Die Er örterung ergab ein« völlige Uebereinsttmmung deS Präsidiums in den Methoden und Zielen, die der Hansa-Bund zu beobachten hat. Die in Aussicht genommenen organisatorischen Maßnahmen innerhalb des Hansa-Bnndes fanden di« Zustimmung d«S Präsidiums. Der vom stell vertretenden Geschäftsführer, Geheimrat Sturtz, vorgetragene Fi nanzbericht ergab, daß di< Mitgliedschaft in voller Treu« zum Hansa- Bund während der KrtegSzett gehalten hat, und daß der Hansa-Bund auch finanziell auf sicherer Grundlage ausgebaut ist. Mit besonderer Genugtuung wurde es von dem Präsidium begrüßt, daß während des letzten Jahre- sich 60 wirtschaftUch« Verbände d«M Hansa-Buo- neu angeschloffen haben, und daß damit die Zahl der dm» Hansa-Bund zu- - gehörigen wirtschaftlichen Verbände da- erst* Tausend überschritten hat. * Freunde und Feinde. Die Rede, dl« -er Abgeordnete Schif fer am 18. Oktober bei einer patriotischen Kundgebung in Mägde- bürg gehalten hat, ist jetzt als Broschüre im Druck erschienen (Reichs verlag Kalkoff, Berlin, Preis 60 Pf.). Die Ausführungen Schiffers, die im Auszug bereits durch die Presse gegangen sind, verdienen in dieser ausführlichen Form die weiteste Verbreitung. * Ilebertritt eine- schwedische« Offizier,- ft, deuttche Dienste. Der schwedische 9Najor Ponsekte, der bisher der persisch«» Gercharmerie zugeieilt war, wird in deutsche Dienste übertreten. * Der Aar und der Großfürst-Thronfolger sind aus dem Großen Hauptquartier nach Zarskoje Sselo zurückgekehrt. * Churchill Gesandter lm Haag? an Haager Enkentekreisen machen nach der .F. Zkg." unwahrscheinliche Gerüchte die Runde, daß Winston Churchill zum Gesandten im Haag ernannt werden sollte. ' Besichtigung der japanischen Flotte. Nach einem Telegramm der Petersburger Telegraohen-Agentrrr aus Tokio hat der Mikado unter großen Feierlichkeiten auf der Reede von Yokohama eine Besichtigung der japanischen Flotte abgehalten. Rur so wird man gerecht, wen» ma» jede« nach feiner Natur behandelt. Emil Fromme!. Ueber Willibald Alexis Reue Beiträge zur lilerargeschichilicheu Forschung. Von Di. Fritz Neese. (Nachdruck verboten.) N. .. Vie Feier der Huldigung für Friedrick Wilhelm IV. aber riß auch Alexi-, wie so viele andere, vorübergehend zur Begeisterung für das Stoat-pttnzip deS jungen Königs hin. Wir lesen am IS. Oktober 1t>40 folgenden Bericht aus der Feder unseres Dichters: .Der Hauptteil deS großen Festes, der Huldigungsact, ist beendet. Erschöpft vom achtstündi ge Stehen im Freien und von Regengüssen durchnäßt, die gerade im Hauptmoment vom Himmel herabströmten, kann ich Ihnen heute nur Andeutungen niederschreiben. ES war eine so großartig« Feier und so würdig au-geführt, so zu Sinn und Herzen dringend, daß sie, wäre die Köalg-berger nicht vorangegangen, wunderbar überrascht hätte. E» war keine tot« Feierlichkeit, mit Verdruß und Gähnen begangen, um den Glanz der Krone aufrecht zu erhalten, eS war aufs neue ein feierlicher Lkebe-bund, zwischen König und Volk geschloffen. Was der König ge redet, al- er, an die Freitreppe tretend, zum Volke sprach, kann ich Ihnen jetzt noch nicht aufschreiben. Trotz der tönenden Stimme deS Fürsten drangen bei den großen Dimensionen des Lustgartens, zu Denen, di« schon in einiger Entfernung standen, nur einzelne Worte. Regen u»d Wind waren edenfall- hinderlich. Aber die tiefe, innere Bewegung, mit d«r der Fürst sprach, daS strahlende Auge, der hohe königlich« An stand, di« volle Gemütlichkeit, die aus Wort, Blick und Bewegung hervorleuchteten, hatten etwas Hinreißendes. Don den Reden der andven Redner hätte man, so laut sie sprachen, kaum Töne. ES ist überraschend, wenn etn König außer seinen anderen Gaden auch di« besitzt, daß seine Stimm« vorzugsweise freudig und kraftvoll zu Okr und Herzen dringt. Soweit ich von Näherstehenden gehört, war die Rede abermals daS schönste Gelüdni-, welche- ein König seinem Volke vor Gotte- Angesicht tun kann, und bedeutungsvoll in diesem Augenblicke. Richt Ruhm und Glanz solle man von seiner Regierung fordern, oder Alles, wa- zur wahrhaften Erhebung seines teuren Vaterlandes führe, zu seinem Gedeihen in Wahrheit und Gerechtigkeit, da« wolle er mit heiliger Lieb«, mit dem Aufgebot aller Kräfte fördern. Von den Stim mungen im Publicum ist eigentlich nicht zu sprechen, «S war in diesem Augenblick nur Eine Stimmung, bi« der wahrhaftigen Liebe, der Be geisterung für d«p teure» Monarchen. Di« anderen, ernsten Fragen, di« die Gemüt« beschäftigen, waren v» diese« Moment ganz in den fernsten Hintergrund zurückgedrängt; und so muh dünkt mich, überall sein, wo eine solche Persönlichkeit einer noch so vollkommenen Theorie gegenüber sich in die Waagschale stellt. DaS hindert freilich nicht, daß die andere Schale wieder aufschnellt, sobald diese Persönlichkeit wieder zurücktrttt; ober Lehren und Sähe erben fort und vergehen nicht, das moralische Große und Edle ist hingegen ein Geschenk deS Himmels, daS man besonders wahren, schätzen und nutzen muh, solange man es hat. Einen Napoleon, sagt Chateaubriand, schenkt die Vorsehung den Völ kern, die in Anarchie vergehen, in vielen Jahrhunderten kaum einmal. Preußen ist so glücklich, daß ihm im Zeitraum von zwei Jahrhunderten mehrere Monarchen geboren wurden, die mit den strahlendsten Gaben den aufrichtigsten Willen verbanden, für das Heil ihrer Völker ihr Alles daranzusehen. Das hat unser Vaterland groß gemacht, das muß auch der eifrigste Verfassungsfreund anerkennen. Ich wiederhole, was Ich Ihnen schon neulich schrieb, der preußischen Monarchie ist ein neues Siegel ihrer moralischen Dauer aufgedrückt in dem geistigen Liebes bunde, den Friedrich Wilhelm mit seinem Volke schloß. Auf diesem Fundamente gegenseitiger Verständigung und Liebe lasten sich die anderen Zeitfragen, wenn die Gemüter erst zur Ruh« gekommen, leichter ausgleichen.' Im Dezember 1841 erließ Friedrich Wilhelm IV. das berühmte Zensuredikt, worin er die weitestgehenden Zugeständnisse an den Libe- ralismuS glaubte gemacht zu haben, wenn er erklärte, daß .Schriften, in denen die Staatsverwaltung im ganzen oder in einzelnen Zweigen gewürdigt, erlassene oder noch zu erlassende Gesetze nach ihrem inneren Werte geprüft, Fehler und Mißgriffe aufgedeckt, Verbesserungen ange- deulel oder in Vorschlag gebracht werden, um deswillen, weil sie in einem anderen Sinne al« dem der Regierung geschrieben, nicht zu ver werfen sind, wenn nur ihre Fassung anständig und ihre Tendenz wohl meinend ist.' Dieses Versprechen begrüßten Tausende mit großen Hoff nungen, auch Alexis sprach sich freudig darüber auS. Er schrieb am 21. Januar 1842: .Ein Heller Lichtstrahl dringt plötzlich durch unsere, in letzter Zeit von mannigfachen Nebeln umdüsterte Atmosphäre. DaS Zensuredict ist eine so eigentümliche Emanation de- höchsten Willens, in seiner Idee und Form, daß es uns überrascht hat, und da berliner Urteil, welches sonst immer fettig Ist, hier zaudert. Die lieber- rasckung, brauche ick kaum zu sagen, ist eine freudige. Wir erblicken wieder den wahrhaft königlichen Witten in seiner ursprünglichen Rein- Helt. ... ES kommt Alles darauf an, daß die Männer und Censoren gesunden werden, statt obligater Pagoden, die nach dem leisesten Luft zug lauschen. Solche Männer sind selten, sie müssen vielleicht erst ge- vildet werden. Die letzten 21 Jahre waren ein« schlechte Schule dafür. Was man von einem Censor fordert, ist außerordentlich schwer: In telligenz und Eharakter zugleich. Nicht die Worte, sondern di« Tendenz soll er ergründen. Da- läßt sich nicht mehr erreichen durch Hinhorchen auf die geltenden Meinungen. Noch manchem Tensor wird e- beaegnen, daß er Artikel durchläßt, welch« »achh«r Anstoß «rr«g«n, ihn Zurecht weisungen aa-sehen, welche von hohen Personen gerügt werden. Ist denn ein Schuh für den Tensor da, wenn er zu wLhle» hätte zwischen den Aufgaben seines Postens oder feines TharakkerS? Der gute Sinn soll die Richtschnur geben, nicht die Keckheit der Worte. Wie ist eS aber dann mit jenen irenischen Parteigängern, die gegen daS Bestehende einen kleinen Krieg führen und denen doch die bisherige Lensur nichts anhaben konnte, weil sie vorsichtig in der Wahl der Ausdrücke waren? Ich will sie nicht verteidigen, wenn wir dieser Plänkerer nicht mehr be dürfen, wenn sie alle männlich, kühn und offen vettreten dürfen; aber sott die neue Censur, die nur nach der Tendenz fragt, etwas bisher Er laubtes unterdrücken? Die Zweifel und Bedenken können noch um Vieles vermehrt werden. Aber weshalb! Ergreifen wir die Gunst deS Augenblicks; auch wenn eS sich in der Folge nur al- Illusion zeigt«, es Ist ein schöner, großer Moment, und viel solcher Momente machen ein schöne- Leben, in einem Volk eine schöne Geschichte. Der König, er selbst, hat wieder zu seinem Volke gesprochen, mit einer klangvollen Stimme, die auS tiefster Brust rein hervorkam. Sr wÜl entwürdigende Fesseln gesprengt wissen und begleitet das Machkgebot mit merk würdigen Wünschen für di« Organe der öffentliche« Stimme, welche es zunächst betrifft. And merkwürdig' Was? Hätte man ificht erwarten sollen, daß unsere Zeitungen mit Freuden die gegebenen hochherzigen Winke benutzen würden! Nicht erwarten, daß jeder Redackeur am nächsten Morgen einen leaäinx; article seinem Blatte voransehte, in welchem er mit Freimütigkeit, die der König wünscht, daS freudige Gesetz besprechen würde? Nein! Von alledem nichts, noch alles wie zuvor!" Atnnst rrnd Wissenschaft In der Aufführung Aristan und Isolde' am Sonntag, de« 5. November, im Neuen Theater unter muflnattscher Leitung von Pro fessor Otto Lohse, wird Alfred Käse erstmalig di« Partie de- Kurvens! singen. Der Senat der freien und Hansestadt Hamburg sandte an den Schriftsteller Dr. Ludwig Skettenheim solarirdes Telegramm: .Der Senat spricht Ihnen anläßlich deS HlnscheloenS Ihre- Herrn Vater-, dem leider nicht mehr vergönnt war, seinen 85. Geburt-tag zu begehen, seine herzliche Teilnahme auS. Der Präsident de- Senat-. Schroeder.' Der Ordinarius des Maschinenbaues an der Technischen Hochschule zu Darmstadt Professor Ludwig von Roehler hat einen Ruf an die Technische Hochschule in Graz erhalten, denselben jedoch abgelehnt. — Ernannt wurde der erste Observator an der Sternwatte zu Kiel, Privaldozent Dr. Alexander Wilken-, zum ordentlichen Professor der Astronomie an der Universität Br «-lau. Dr. theol. h. c. Der außerordentlich« Professor für neutestament- lich« Exegese an der Göttinger Universität Lic. theol. WeEker Bauer Ist von der theologischen Fakultät der Universität Mar burg «n» Ehresdoktor «raannt «vorde«.