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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.12.1916
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1916-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19161223011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1916122301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1916122301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-12
- Tag 1916-12-23
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Monat
1916-12
-
Jahr
1916
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Aus Leipzig und Umgebung Ratsbeschlüffe Weihnacht tdescherung. An der gestrigen Gesamtratssitzung nahm man Kenntnis von einer Einladung des BescherungskomiteeS für Kinderwürdiger Armer in der Altstadt Leipzig zur Bescherungs feier am 29. Dezember 1916. Leipzigs Liebesgaben. Weiter nahm man Kenntnis davon, daß in Gemeinschaft mit den Leipziger Ersatztruppenteilen den Leipziger Truppenangehörigen in erfreulichen! Ilmfange Liebesgaben übermittelt werden konnten. Abgesehen von den durch die Ersatztruppenteile selbst verschickten Liebesgaben, sind aus den durch Sammlung bei der Leip ziger Bürgerschaft ausgebrachten 20909 und den durch die städtischen Körperschaften bewilligten Mitteln insgesamt für 1L5 000 -tt Sendungen an die im Felde stehenden Leipziger Truppen abgegangen, 12 000 an hiesige Ersatztruppenteile für bedürftige, im Felde gewesene Leipziger Familienväter und 2900 <^tt an Verwundete in hiesigen Lazaretten verteilt worden. Außerdem sind noch 12 000 .tt an Leipziger Kriegsgefangene abgesandt worden. Den um die Sammlung verdienten Herren wurde der wärmste Dank des Rates aus gesprochen. Herabsetzung des Brotpreises. Ferner wurde beschlossen, vom 1. Januar 1917 ab den Brotpreis um 1- Pf. ans 16 Pf. für das Pfund herabzusehen. Schulwesen. Zum Konrektor der O b c r r e a l s ch n l c wurde Pro fessor Ketzer ernannt. * Das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhielten der Unteroffizier Mar Herber, wissenschaftlicher Hilfslehrer an der Öffentlichen Handels lehranstalt zu Leipzig, fcwie der Einj.-Kriegsfreiwillige Martin Seidel, Seminarist, Sohn deS Oberlehrers August Seidel an der 24. Bezirksschule in L.-Plagwitz. * Verlegung en.cs fleischlosen Tages. Der aus Dienstag, den 26. Dezember d. A. fallende fleischlose Tag wird aus Mittwoch, den 27. Dezember, verlegt. * Schulnachrichlen. Den Professoren Dr. phil. Sperling am König-Alberl'Gymnasium und F i ck e r an der Petrischale in Leipzig wurde der Titel und Rang als Studienrat verliehen; ferner den Oberlehrern Dr. phil. Gutwasser, Dr. phil. Heussi und Dr. phil. tzunge'r am König-Albert-Gymnasium, Geitzler an der Petrischulc sowie Dr. Aühlmann an der 1. höheren Mädchenschule und Schmidt an der 2. höheren Mädchenschule der Titel und Rang als Professor. * Für Treue in der Arbeit. Die Kgl. Kreishauptmannschaft Leipzig Hai den seit über 25 Jahren in der Buch- und Kunstdruckerei von August Pries in Leipzig, Brüdcrstratze 59, beschäftigten Schriftsetzer Reinhold Ritter in L.-Connewitz und Stereotypeur Ernst Fuchs in L.-Anger w eine Beiobigungsurkundc ausgestellt, die ihnen heute an Ratsstelle auSgehändigt wurde. lU. j. Minderwertige Backpulver. Reucrdings sollen Back- und Puddingpulver in den Verkehr gebracht worden sein, die durch mineralische Stosse, wie Kohlensäuren Kalk, Kreide, GipS usw., als Ersatz für Kartoffelmehl gestreckt sind. Es wird sogar behauptet, datz diese Streckung den Fabrikanten von Backpulvern von der .Teka" m Berlin besonders empfohlen worden sei. Demgegenüber wird darauf aufmerksam gemacht, das; die Verwendung solcher mineralischer Stoffe als R a h r u n g S m i t t e l f ä l s ch u'n g angesehen und strafrechtliche V.rfolgung nach sich ziehen kann. ES kann daher nur davor gewarnt werden, selche minder wertige Backpulver in den Handel zu bringen und zu vertreiben. * Versorgung mit Freimarken für Reujahrsbricse. Beim Heran nahen des Jahreswechsels ist wiederum darauf aufmerksam zu machen, iatz es sich dringend empfiehlt, die Freimarken für ReujahrS. briefe nicht erst am 01. Dezember, sondern schon früher zu Käufen, damit sich der Schalterverkehr an dem genannten Lage ordnungsmäßig abwickeln kann. Auch ist es bei den gegenwärtigen, durch den Krieg geschaffenen schwierigen Verkehrsverhältnissen von Wichtigkeit, daß die Reujahrsbriefe frühzeitig aufgeliefert werden, und datz nicht nur auf den Briefen nach Großstädten, sondern auch auf Briefen nach Mittelstädten die Wohnung des Empfängers an gegeben werde. Für Berlin ist außerdem die Angabe des Post- vezirks (O, >1, 8, XV usw.) und des Bestell-PostamtS dringend erwünscht. * Moschinenausglcichstellc. Die Geschäftsräume der durch den Verein deutscher Ingenieure au Auftrage des Waffen- und Munitions beschaffungsamtes errichtetenM aschinenausgleichstelle Leip zig befinden sich in L.-Sellerhausen, Wurzner Straße 115, I. Um unnötigen Briefwechsel zu vermeiden, wird mitgeteilt, datz die Ma- schineiiausgleichstelle vorerst mit der Feststellung verfügbarer Ma schinen beschäftigt ist. Nach dieser Feststellung wird das Waffen- und MunitionsbeschafsungSaml bezüglich des anzumcldenden Bedarfes ent sprechende Verfügungen treffen und den BedarsSfirmen in Kürze Ge legenheit zur Anmeldung gebe». Bis dahin wolle man keine Nach- iuchungen wegen Maschincnerhalts, sei eS auf schriftlichem oder münd lichem Wege, an die Maschinenausgleichstelle richten. * PolheistrraL« für Weihnachten und Silvester. Der Leipziger Poiizeidirektor batte beabsichtigt, für Weihnachten und Sil vester die Polizeistunde bis 1 Uhr nachts zu verlängern. Seine Anordnungen sind jedoch durch die Bekanntmachung des Bundes rates aufgehoben, so daß also auch an diesen Tagen die Gast- und Kaffeehäuser um X12 Uhr geschlossen-werden müssen. Besonders zu bedauern ist diese Maßnahme für den Silvestertag. Es ist doch wirklich außer Zweifel, daß von einer Lichtersparnis durch den 1-12-Uhrschluß am 31. Dezember nicht die Rede sein kann. Im Gegenteil. Zehntausende von Menschen, die sonst gemeinsam in den Lokalen auf das neue Jahr anstohen würden, werden es nun in ihren Wohnungen tun. Dadurch wird natürlich viel mehr Licht verbraucht. Die Beleuchtung in den Lokalen, die großen Masten dient, ist viel geringer, als wenn in den einzelnen Wohnungen für wenige Menschen überall Licht gebrannt wird. Den Schaden haben lediglich die Gastwirte und die Kafseehausbesiher, die in der heutigen Zeit so wie so schon nicht aus Rosen gebettet sind. Vielleicht gelingt es noch, für diesen einen Tag wenigstens eine Ausnahme von dem Schema zu erreichen. Es handelt sich hier nicht bloß um Wünsche der Gast wirte, sondern auch um solche weiter Bolkskreise. Selbst in den Lokalen hat der Jahreswechsel etwas Stimmungsvolles an sich, und wenn Menschen in dieser Stunde ihr Glas erheben, so geschieht es doch überall auf ein kommendes FriedenSjahr. Man soll ihnen das nirgends verwehren? Für die am 27. Dezember erscheinende Kummer nuferes Blattes werden Anzeigen Aufträge seder Art in unserer Hauptgeschäfts stelle und in unseren Zweigstellen am 2F. Oe zember abends bis zum Geschäftsschluss, wäbrend der FeiertMe Bestellungen van FatnttiennachrichWn und kleinen An zeigen in der Setzerei, Lingang Iabannis gaffe 8, biss rechts, und Rönigstraße ö, 2 Treppen, sowie Johannirgasse 8, ^>of links, Z Treppen Privatwobnung) entgegen genommen. * Line Bekanntmachung der Allgemeinen Ortskrankenkasse für die Stadt Leipzig im amtlichen Teil der vorliegenden Ausgabe enthält höchst wichtige Neubestimmungen. Alle Mitglieder der Kaste seien hierauf aufmerksam gemacht. * Die Anternatlonale Baufach-Ausstellung mit Sonderausstellungen Leipzig 1913, e. D., zeigt die Auflösung des Vereins im Anzeigen- teile vorliegender Ausgabe an. ar. Die Lhristbescherung in der Bienerschen Blindenanstalt, die gestern nachmittag in den Anstaltsräumen stattfand, gestaltete sich für öle zahlreichen Teilnehmer überaus weihevoll und ttefergreifend. Nach einer kurzen Ansprache des Leiters der Anstalt, Direktors Görner, der hierbei Bürgermeister Dr. Weber besonders willkommen hieß und diesem für sein der Anstalt bewiesenes Wohlwollen und gewährte Unterstützung herzlich dankte, leitete ein Quintett blinder Damen mit der Weihnachtsmotette von M. Hauptmann die Feier stimmungsvoll ein. Hieran schloß sich ungemein wirkungsvoll der Vortrag des Ge- dichtes .Noch ist ja Krieg' von Porsch. Drei Weihnachtslteder: .Heil'ge Nacht, auf Engelschwingen' von Raimund Fritzsche, dem gesang lichen und musikalischen Leiter der Anstalt, .Zu Bethlehem geboren' von Göhler und .Sei uns mit Iubelschalle' von Mozart wurden hierauf von blinden Knaben und Mädchen im Chore gesungen. Ferner ge- langten die Gedichte .Welhnachttlted" von F. Dahn, .Friede auf Erden" von Helene Brehm, .Zu Weihnachten' von Viktor Blüthgen und .Engel, ihr habt es fein' von Schmerlen zum Vorträge. Rührend wirkte der Vortrag der biblischen Geschichte von der Geburt Christi, von blinden Knaben erzählt. Als Klavierstücke wurden .Weihnachts glocken" von Gabe, .Nocturne' von Field, .Lied ohne Worte' von Mendelssohn und .Moment mustcal' von Schubert recht ansprechend vorgetragen. Ungemein wirkungsvoll erwiesen sich die Damenchor, lieber .Denn in seir-r Hand', Psalm von Mendelssohn und .Sel'ge Stunde, frohe Kunde' von Becker, ferner das Damensolo .Latz dir an meiner Gnade' von Wermann. Nachdem ein Knabe .der Kinder Weih nachtsdank' zum Ausdruck gebracht hatte, fand mit dem gemeinsamen Gesänge des Chorals .Das ist der Tag, den Gott gemacht' die stim mungsvoll« Feier ihren Abschluß. Die Blinden wurden nun zu den Gabentafeln geführt, die in drei Sälen unter lichtstrahlenden Lhrtst- bäumen vorbereitet und reichhaltig ausgestattet waren. Da bei der Beschaffung der Gaben den Bedürfnissen wie den Wünschen der Be schenkten den verschiedenen Altersklassen entsprechend Rechnung ge tragen worden war, war die Freude der Empfänger sichtlich allgemein und groß. * Haferslockenrerkauf unter städtischer Aufsicht. Die Geschäfts inhaber, die ihre in der Bezugsscheinstelle entnommenen Hafer- flockenbezuoSkarten noch nicht in der Grieß- und Graupen- zentrale, hier, Burgstr. 33 l, vorgelegt und eine Ordnungsnummer für die Abholung der Haferflocken erhalt:« habe», werden darauf hinge wiesen, dah sie dies umgehend nachholen müssen. I.. Deutsche Kriegsausstellung Leipzig 1916'17. Eine Sammlung, di« in den weitesten Kreisen, namentlich aber in denen der Freunde unserer Marine das größte Interesse erregen wird, beschert die Deutsche Kriegs ausstellung Leipzig 1916/17 ihren Besuchern zu Weihnachten. Es ist die Sammlung von Erinnerungen aus der großen Seeschlacht am Skagerrak. Diese Sammlung ist erst in den letzten Tagen im großen Mittelraum der Deutschen Kriegsausstellung ausgestellt worden und nimmt fast die ganze rechte Seitenwand ein. Da sehen wir Teile eines englischen Zerstörers, der nach einer Kollision mit S. M. S. .Nassau" gesunken ist, da erkennen wir die zerstörende Gewalt großer Schifssgeschüye an der Tür eines Torpedobootes, die von Granat splittern wie ein Sieb durchlöchert ist, und sehen gleich daneben Geschoß- splitter in imponierender Gröhe von einer 34,5-Zentimeter-Granate. Unweit davon befindet sich ein in deutsche Hände geratener Rettungs ring des englischen Zerstörers .Turbulent", ferner ein Torpedoschott mit Torpedonische, Teile von Torpedobooten, die einer Minenerplosion zum Opfer gefallen sind, Teile einer großen Ankertrossc usw. Wer sich für unsere Marine und ihre Heldentaten interessiert — und wer tut das nicht in Deutschland? —, der findet in dieser Sammlung reiche Anregung. In den Weihnachtsfeiertagen wird sich übrigens allen denen, die die Ausstellung eingehend studieren wollen, der Besuch an den Vormittagen empfehlen, weil dann der Andrang des Publikums nicht so stark ist wie nachmittags. p. Unterschlagung. Am 19. d. M. erhielt ein Bote von einem hiesigen Geschäft den Auftrag, zwei Korbflaschen Essenzen auf der hiesigen EilgutabsertigungSstelle aufzugcben. Der Bote hat die beiden Flaschen, die einen Wert von 1000 haben, und XV. K. 218 und IV. X. 1023 gezeichnet sind, nicht ausgegeben, sich auch selbst nicht wieder sehen lassen. Da ohne Zweifel der Bote über die Gegenstände in unrecht mäßiger Weise verfügt hat, wird ersucht, alle Wahrnehmungen über die unterschlagenen Gegenstände, insbesondere verdächtige Verkaufs angebote, der Kriminalpolizei mitzuteilen. * Leutzsch, 22. Dezember. In der Christvesper am Heiligen Abend lSonntag) wird außer dem Kirchenchor noch Frau Elisabeth Burk hardt (Sopran) Mitwirken. Beginn 5 Uhr nachmittags. Sächsische Racheichten * Leisnig, 22. Dezember. In der Nacht zum Donnerstag wurde, wie uns drahtlich gemeldet wird, in das Geschäftszimmer der 1. Komp, des Ersatzbataillons 179 eingebrochen und aus einem verschlossenen Schrank der Betrag von 5000 Mark in Papier und Silber gestohlen. Von dem Täter hat man noch keine Spur. * Döbeln, 22. Dezember. Der Gemeindeeinkommensteuersatz wurde hier infolge der erhöhten Anforderungen durch den Krieg von 160 auf 175 Prozent deS Normalsteuer satzes erhöht. * Chemnitz, 21. Dezember. Eine in der Ostvorstadt wohnhafte 63 Jahre alte Schuhmacherswitwe, die seit längerer Zeit leidend war, versuchte sich vergangene Nacht in ihrer Wohnung mit einem bei ihr in Pflege befindlichen zweijährigen Kinde zu vergiften. Die Tat wurde von Hausbewohnern noch rechtzeitig bemerkt und ver hindert. Die Frau und das Kind fanden Aufnahme in der Nerven- Heilanstalt. Thüringen und Provinz Sachsen * Merseburg, 21. Dezember. In der Papierfabrik KönigS- Mühle brach gestern früh ein Groh feuer aus, das die Holzbe arbeitungsräume völlig einäscherte, wobei über 400 Kubikmeter Holz und wertvolle Maschinen nebst anderen HolzbearbeltungSetnrichtungen vernichtet wurden. Der Schaden beträgt mehrere hunderttausend Mark. Die Entstehungsursache ist unbekannt, es wird Selbstentzündung ver- mutet. Die Papierfadrikation erleidet keine Unterbrechung. * Auma, 21. Dezember. An einem Tage starben das Weber Lud - wigsche Ehepaar, das vor drei Iakren die goldene Hochzeit feiern konnte. Der Man« starb Freitag früh im 79. Lebensjahre, seine treue Ehefrau im 75. Lebensjahre am selben Tage abends. Gestern nachmitküg wurden sie gemeinsam zur ewigen Ruhe gebettet. Kunstkalender Konzerte , Der von friderem -Luftretrn hier bekannte Kölner Pianist Dr. Walter Seorot Kali« kürzlich in Konzerten zu Berlin, Köln und Dresden „rohen Erfolg. Zahlreich« Press«, stimmen rühmen sein „Melstersplel", bezeichnen ihn al« „ganz prüchtige Künstlernatur-, „Poet am Klavier" usw. Sei getreu! xoj Roman von Erica Grupe-Lörcher ^vMri^lit Ulli ,Xu8Uui Lolierl 0. M. b. U. Noelin (Nachdruck verboten.) Nun wurde ihren Zärtlichkeiten ein Ende bereitet Clsmence stand neben ihr und erzählte ihr in großen Zügen ihre Erlebnisse. Die brennendste Ungeduld stand ihr in den Zügen. Fort, in die Heimat zurück! Und der kleine Jean Paul war nicht der Erbe von Schloß Duplaissy, sondern der Sohn von Eiemence? Und Made moiselle Almuth war die Braut von dem jungen Dr. Eisen? — Niere Barthelemy sland jetzt mitten im Zimmer und blickte er staunt von einein zum anderen, weil ihr alter Sinn das alles so plötzlich kaum fassen konnte. Sie sah zu Friedel und Almuth hin über, die noch einige Augenblicke Hand in Hand saßen, um sich aus- zuruhen, während das Verbandzeug eingepackt wurde. lieber dem altmodischen Ledersosa hing ein großes Bild von Napoleon l. In welchem Hanse in Dedonne fehlte ein Bild des großen Kaisers, mit dessen Andenken man gerade in dieser Gegend einen besonderen Kultus trieb! Zahlreiche Invaliden hatten sich hier einst niedergelassen, nachdem sie in der «Großen Armee' mit- gekämpft und sich aus dem brennenden Moskau und den Schnee gefilden Rußlands zurückgeflüchtet, um mit ihren Erzählungen das Andenken des Kaisers in Kindern, Enkeln und Urenkeln fortleben zu lassen. Nicht nur düster-nachdenklich, sondern fast erstaunt schien der Blick des großen Imperators auf dem jungen Paare zu liegen, das ihm jetzt zu Füßen saß. Deutsche Uniformen hier — aus dem geheiligten Boden Frankreichs? Das muhte er sehen — er, der als Sieger den Boden von Berlin betreten, vor dessen Nähe die preußische Königsfamilic bis nach Memel hinauf flüchtete! — Für Sekunden stieg in Merc Barthelemy eine Regung von Selbstvorwürsen auf. Durste sie als Französin dem Feinde helfen? Doch sie redete sich vor, es würde unklug sein, sich in dieser Situa tion dem Feinde cntgcgenzustellen. Auch hatte sie im Sommer ichon diesen prächtigen jungen Dr. Eisen ganz in ihr Herz ge schlossen, weil er so groß, so blond und blauäugig war und in seinem Benehmen voll so freundlicher Männlichkeit, wie einst vor vier- nudvierzig Jahren ein junger deutscher Soldat ihr cntgegengetreten war. Damals, als sie die schwarzen Flechten noch um das frische, >unge Gesicht schlang und mit leisen Schritten durch dieses Haus brer Eltern ging. An jenen toten Liebsten hatte er sie immer wieder erinnert, dem sie ihre erste, unschuldige Liebe geschenkt, und der vor den Mauern von Paris sein Leben lieh? Leise — leise! Mit kurzem Händedruck trennte man sich zur s Vorsicht schon drinnen im Zimmer. Dann bestieg man draußen j die Autos. Behutsam setzten die Chauffeure die Molaren in Be wegung, und die Wagen fuhren davon. Mdre Barkhölemy stand noch in der Haustür und winkte, weil sie den Eindruck hatte, als ob noch ein Kinderhändchen zu ihr hinausgegrüßt hatte. Der liebe, kleine Jean Paul! Dann schlang sie die Hände zitternd vor Kälte in ihre Schürze. Jetzt erst merkte sie, wie kalt die Winternacht war. Aber sie blieb noch einige Augenblicke stehen. An der Ecke kennten sich die Gefährte. Das eine bog nach Westen ab, das andere schlug die Richtung zur Landstraße nach Nordosten, nach Deutschland ein. Dann ging fie in das Gastzimmer zurück. Wo sie denn so lange gesteckt habe, fragte ihr Sohn sie, der hinter dem Schenktisch viel müder und schwerfälliger zu sein schien als seine Gäste. Cs seien nur zwei Autos vorbeigesahren, hätten Wasser bei ihr ver langt und nun ihre Fahrt fortgesetzt. Auch habe sie in der Küche noch aufzuräumen gehabt. Das sei alles, erzählte sie gleichmütig. Es fiel ihr gar nicht ein, zu sagen, daß es deutsche Autos gewesen waren. Im Gegenteil, sie gähnte jetzt recht offensichtlich und er klärte den Gästen, es sei spät, sie möchten doch nach Hause gehen. Sie, als die Besitzerin des «Goldenen Löwen', konnte sich diese bündige Maßnahme schon erlauben. Nachdem die Gäste gegangen, öffnete sie noch einmal den Fensterladen und horchte in die Nacht hinaus. Es war draußen totenstill. DaS surrende Rauschen der leise dahingleitenden Gefährte war verstummt. * * So fuhren sie in die Nacht hinaus. Und doch war ihnen allen, als glitten sie einem neuen, sonnigen Tag entgegen! Wieder ruhte Almuth im Arm von Friedel. Wie damals, als sie sich auf dem Fest von Schloß Duplaissy auf der kleinen Bühne ihre Lebensziele aufgebaut. Wie damals, da sie auf dem Bahnhof in Paris in der Nacht der Mobilmachung sich trennen muhten und die Erfüllung ihrer Lebenswünsche zusammenzubrechen drohte. Kaum ein Wort kam über ihre Lippen. Jedes Wort schien ihnen zu arm, um ganz das Glück, sich nun wiedergefunden zu haben, auszudrücken. Auch die anderen wechselten kaum ein Wort. Jeder von ihnen hing seinen mannigfachen Gedanken nach in dem hoffenden Unterton: von Minute zu Minute sich der Rettung näher zu wissen. Endlich verlangsamte sich das Tempo. Nach der langen Dunkelheit blitzten hier und da neben dem Wege Lichter auf. Das Gefährt hielt für Augenblicke. Draußen klangen Stimmen. Sol baten schienen dle Autokontrolle vorznnehmen. Ein Schlagbaum, der sich über die Straße gesenkt, richtete sich nun wieder auf. Die Fahrt ging langsam weiter. Rechts und links erschienen Umrisse von Häusern, die sich zu Straßen formten. Dann hielt man vor einem Hause. Im Lichtschein sprangen jetzt dienstbeflissen einige deutsche Soldaten heraus. Clömence preßte ihren Knaben für Sekunden unter Tränen ans Herz. Nun hatte sie die Stunde der Untreue, die sie damals in Paris ihr Kind verlassen ließ, gebüßt. Nun blieb das Kind ihr und damit auch der deutschen Heimat geweiht. Dem deutschen Soldaten, der jetzt in der geöffneten Tür ihr die Hand entgegenstreckte, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein, reichte sie ihren Knaben entgegen. — Wie damals, als sie sich auf der Flucht den deutschen Truppen enkgegenwarf und der Feld graue sie ohnmächtig am Chausseerand fand. * * * Und der Frühling stieg in die Berge hinauf! Wie er es Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt getan, breitete sich der Frühling über das Elsaß. In der reichgesegneten Rheinebene füllte er zuerst die Gärten mit dem Duft frischer Blumen und spannte über die zahlreichen Obstbäuine seine weißen und rosigen Schleier. Dann stieg er in die Vogesenberge hinauf, sie vom Tal auswärts Schritt für Schritt in ihren Wäldern mit einem samtnen, grünen Schimmer überhauchend. Die Natur hielt ihre ewigen Rechte und Gesetze ein. Aber nicht wie sonst war es, daß Hunderte, Tausende nach den langen Wintertagen aus den Mauern der Städte und Häuser hinausströmten, um draußen den Spuren des Frühlings zu folgen. Kein aufjauchzender Gesang von Frühlingswanderern widerhallte dieses Mal in den Bergen. Kanonenschlägc durchzitterten dumpf die Luft, und der Marschtritt von unzähligen feldgrauen Kämpfern zog sich von der Ebene in die Berge hinein. Schwer wogte dle Wucht des Krieges gerade über diesem Stückchen Erde. Ihnen allen dreien kam dies alles voll zum Bewußtsein, die jetzt oberhalb von Rappoltsweiler auf den von Ruinen gekrönten Bergen dem Höbeupfad der Hohkönigsburg zuschritten. Friedel Eisen und Almuth hatten sich mit dem alten Dr. Schmidt in Rappoltsweiler ein Stelldichein gegeben. Nun stiegen sie nach langer, schwerer Zett zu den Bergen hinauf, die sie olle drei so liebten. Das sollte ihre Hochzeitsseier sein. Gestern hatten sie sich in Straßburg trauen lassen. Nach einem wochenlangen Aufenthalt im Lazarett war Friedel jetzt beurlaubt. Noch immer trug er den Arm in der Binde. Der Arm war ihm erhalten geblieben, doch ob er — auch nach einer lange währenden ärztlichen Behandlung — je wieder feine volle Beweglichkeit im Gelenk zurückerhielt? (Schluß folgt.)
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