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wen-l- machen werden. Ist eS denn da zuv^l verlangt, wenn auch in dar Ersten Kammer alle Stände zu Worte kommen, damit die Entscheidung nicht nur bet der bezeichneten Mehrheit liegt? Die Erfahrungen, die vor wenigen Jahren bet der Beratung über das Gemelndesteuergeseh gemacht worden find, lassen ein solche« Ver langen als nur zu berechtigt erscheinen. Run soll zugegeben werden, -ah eS sür die Regierung mit Schwierigkeiten verknüpft ist, ein befriedigend« Reform durch zusehen. Die Widerstände liegen zunächst ganz natürlich in der Ersten Kammer, dann aber auch außerhalb dieser. Leider ist aber auch der gute Wille der Regierung nicht erkennbar, das beweisen die Vorschläge sür die jüngsten Berufungen. Die fortschrittliche Presse ist merkwürdigerweise mit den neuen Mitgliedern zufrieden und bezeichnet eS als erfreulich, daß durch die lehten beiden Be rufungen der Industrie ein größerer Einslust eingeräumt worden ist. Dabei hat sie jedenfalls übersehen, dast das eine neue Mit glied für einen verstorbenen Industriellen und das andere auS- drticklich als Rittergutsbesitzer berufen worden ist. Letzterer steht »n keiner Beziehung zu einer unserer grasten wirtschaftlichen Or ganisationen, gehört weder der Handelskammer noch irgend einer Einrichtung an, die ihn als Vertrauensmann der Industrie er kennen lassen würde. Und auf diesen Umstand hätte doch eigentlich Wert gelegt werden müssen, wenn man den berechtigten Forderun gen der Industrie Hütte nachgeben wollen. Dafür ist er parteipoli tisch konserva'iv organisiert, wie ebenso sein mitberusener Kollege sich als dieser Partei mindestens sehr nahestehend stets zu erkennen gegeben hak. Also nur aus den ersten Blick ist von der Regierung der Industrie Entgegenkommen gezeigt worden, in Wirklichkeit aber Hot sie dafür Sorge getragen, dmz der konservative Einschlag in seiner vollen Stärke bestehen bleibt. ES scheint nunmehr auch kein Zufall zu sein, dast zwei konservative Mitglieder der Zweiten Kammer, die bei der letzten Landtagswahl von ihrer Wählerschaft auSgebootet wurden, in die Erste Kammer berufen wurden. Soviel sicht fest, die Regierung hat gewußt, wie die Wahl, die sie getrosten hat, wirken mußte. Sie allein trägt die Ver antwortung, wenn der Kampf um eine Reform der Ersten Kammer schon zu einer Zeit einsetzt, die noch Sorgen anderer Art genug Kak. Ein Schweigen zu diesen Vorgängen aber ist nicht M verant worten, denn man kann nicht wissen, was uns in dieser Beziehung -er nächste Tag bringen wird. Handschreiben Kaiser Karls Wien, 22. Dezember. (Drohtberichk.) Die morgiae «Wie ner Zeitung" veröffentlich folgendes Allerhöchstes Handschreiben: Lieber Prinz Hohenlohe'. Ihrer Bitte willfahrend, ent- hebe ich Sie in Gnaden vom Amte meines gemeinsamen Finanzministers und spreche Ihnen dabei sür Ihre in Verseilung dieses Amtes entfaltete aufopfernde Tätigkeit und patriotische Hingabe meinen wärmsten Dank und volle Anerkennung aus. Ich behalte mir Ihre Wiederverwendung im Dienste vor. W l c n , 22. Dezember 1916. K a r l m. p. Durian m.p. Lieber Baron Durian'. In Willfahrung Ihrer Bitte, von dem Amte des Ministers meines Houses und des Aeustern enthoben zu werden, genehmige ich in Gnaden die von Ihnen erbetene Enthebung. Bet diesem Anlässe spreche ich Ihnen für die in Versehung dieses Amtes unter schwierigen Verhältnissen und mit Aufopferung geleisteten aus gezeichneten Dienste volle Anerkennung und besonderen Dank auS. In Würdigung Ihrer in den führenden Stellen jederzeit bewährten erfolg reichen Wirksamkeit finde ich mich bestimmt. Sie zu meinem gemein samen Finanzminlster zu ernennen und verleihe Ihnen als Zeichen meiner Gewogenheit die Brillanten zum Grostkreuz meines St-Stephan- Ordens. Wien, 22. Dezember 1916. K a r l m. p. BurIa » m. p. Lieber Graf Lzernin'. Ich ernenne Sie zum Minister meines Hauses und des Aeuhern und betraue Sie mit dem Vorsitze im gemeinsamen Mintsterraie. Wien, 22. Dezember 1916. Karl m. p. LzernIn m. p. Lärmszenen in der russischen Duma ! (r.) Stocsi Holm, 22. Dezember. <Droh» bericht »nsereS Sonderberichterstatters.) I« der Reichsduma spielte« sich »ach dem Wiedererscheinen der Sozialdemokraten infolge der Ver gewaltigung der Doma anläßlich d«S deutschen F rie» -«ntangebots riesig« Lärmszenen ad. Namentlich di« Sozialdemokrat en und di« Vertreter der Arbeiterpartei geitzelten in schärfsten Worten den von dem Dumapräsidenten unternommenen Versuch, die öffentlich« Meinung mundtot zu machen. Der Sozial- demokrat T »lliakow erklärte: «Wir hätten zweifellos die Abweisungs formel abgelehnt, und zwar aus folgenden Gründen: Wir stehe« mehr als je auf dem Standpunkt, daß wir den Frieden brauchen, aber durch die schäbigen Manöver desDumapräfldenlen (ungeheurer Lärm im Zentrum) ist uns jede Meinungsäußerung ab geschnitten gewesen. Wir legen darum Protest ein und verlafle« den Saal als Symbol, bah uns nichts mit der kriegshetzerischen Duma ver blühet.' Darauf protestierte der Arbeitervertreier Ianuschkewitsch gegen di« verbrecherisch« Verletzung der Dnmastatuten, daß sie durch das Präsidium gewaltsam deS Wortes beraubt wurden, um iu den ollerwichtigstea Frage« des StaatSledenS ihre Meinung gebührend zum Ausdruck zu bringen. Die Duma, di« in fremdem Auftrag« diese» Schritt vnternah«, müsse di« Verantwortung tragen. Die Mass«» d«r Haoplstabt wüßten, was sic von einer solchen Maulpulotlo» zu halten hätten. Der Text der Witsonschen Note "tb. Berlin, 22. Dezember. (A m tl i ch e M el d u n g.) Der amerikanische Geschäftsträger I. L. Grew überreichte gestern abend dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes tm Auftrage des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika eine Note, die in deutscher Uebersetzung wie folgt lautet: Berlin, 21. 12. Euerer Exzellenz beehre ich «ich mitzuteilen, daß der Präsident der Vereinigten Staaten mir dl« Weitung gegeben hat, durch Vermittlung Euerer Exzellenz bei der Kaiserlich Deutschen Regierung ein Verfahren mit Bezug auf de« gegenwärligen Krieg i« Anregung zu bringe«. Der Präsident hoff», daß die Kaiserlich Deutsche Regierung «S in Erwägung ziehen werde als eine Anregung, die in freundschaftlichster Gesinnung ge macht ist, und zwar nicht nur von einem Freunde, sondern zugleich von dem Vertreter einer neutralen Ration, deren Interesten durch den Krieg ernstlichst in Mitleidenschaft gezogen worden sind »ad deren Interesten einer baldigen Beendigung deS Krieges sich daraus ergeben, daß sie offenkundig genötigt wäre, Bestimmungen über den bestmöglichen Schutz ihrer Inleressen zu treffen, falls der Krieg sortdauern sollt-». — Der Prä sident Hal sich schon lange mit dem Gedanken getragen, de« Vorschlag, den ich Weisung habe za übermitteln, zu machen. Er macht ihn im gegen wärtigen Augenblicke nicht ohne eine gewisse Verlegenheit, weil es jetzt den Anschein erwecken könnte, als sei er angeregt von dem Wunsche, im Zusammenhang mit dem jüngsten Vorschlag der Zentralmächle eine Rolle zu spielen. Tatsächlich ist der ursprünglich« Gedanke des Präsi denten in keiner Weise auf diese Schritte zurückzuführcn und der Prä sident hätte mit seinem Vorschlag gewartet, dis diese Vorschläge unab hängig davon beantwortet worden wären, wenn seine Anregung nicht auch die Frage des Friedens beträfe, die am besten im Zusammenhang mit den anderen dahinzielenden Vorschlägen erörtert wird. Der Prä sident bittet nur, daß seine Anregung allein nach ihrem eigenen Werte und so beuricili werde, als wäre sic unter anderen Verhältnissen gemacht worden. Der Präsident regt an, daß baldigst Gelegenheit genommen werde, von allen jetzt kriegführenden Staaten ihre Ansichten über di« Be- dingungen zu erfahren, unter denen der Krieg zum Abschluß g«. bracht werden lrönnte, und über dis Vorkehrungen, die gegen Li« Wiederholung eines Krieges oder die Entfachung irgendeines ähnlichen Konfliktes in Zukunft zufriedenstellende Bürgschaft leisten könnten, so daß sich di« Möglichkeit diele, sie offen zu vergleichen. Dem Präsidenten ist die Wahl der zur Erreichung dieieS Zieles geeigneten Mittel gleich. Er ist gerne bereit, zur Erreichung dieses Zweckes in jeder annehm baren Weise seinerseits dienlich zu sein oder sogar di« Initiativ« zu er greifen, er wünscht jedoch nicht, die Art und Weije und die Mittel zu bestimmen. Jeder Weg wird ihm genehm sein, wenn nur daS große Ziel. daS er im Auge hat, erreicht wird. Der Präsident nimmt sich die Freiheit, darauf hinzuweiscn, daß die Ziele, die die Staatsmänner beider kriegführenden Par le icnindiesemKriegeimAugehabcn,dem Wesen nach die gleichen find; sie baden sie ja in allgemeinen Worten ihren eigenen Völkern und der Welt kundgegeben. Beide Parteien wünschen sür die Zukunst die Rechte und Freiheiten schwacher Völker und kleiner Staaten ebenso gegen Unterdrückung oder Verneinung gesichert zu sehen, wie die Rechte und Freiheiten der großen mächtigen Staaten, die jetzt den Krieg sühren. Jeder wünscht, sich neben allen anderen Nationen und Völkern in Zukunst gesichert zu sehen gegen die Wiederholung eines Krieges, wie des gegenwärtigen, sowie gegen Angriffe und eigennützige Störungen jeder Art. Jeder glaubt der Bildung weiterer gegnerischer Vereinigungen, die unter dem wachsenden Argwohn ein unsicheres Gleichgewicht der Mächte herb-ifübren würde, mit Mißtrauen entgegen sehen zu sollen, aber jeder ist bereit, die Bildung einer Liga von Ratio nen in Erwägung zu ziehen, die den Frieden und die Gerechtigkeit in der ganzen Welt gewährleistet. Ehe jedoch dieser letzte Schritt getan werden kann, hält jede Partes «S für notwendig, zunächst die mit dem gegenwärtigen Krieg« verknüpf- ten Fragen unter Bedingungen zu löse«, di« di« Unabhängigkeit und territorial« Integrität sowie di« politische und wirtschaftliche Freiheit der am Kriege beteiligten Rationen sicherlich gewährleisten. Volk und Regierung der Vereinigten Staaten haben an den Maß- nahmen, die in Zukunft den Frieden der Welt sicherstellen sollen, ein ebenso dringendes und unmittelbares Interesse, wie die jetzt im Kriege befindlichen Regierungen. Ihr Interest« an den Maßnahmen, di« er griffen werden sollen, um die kleinere» und schwächeren Völker der Welt vor den Gefahren der Zufügung eines Unrechts und der Ver gewaltigung zu schützen, ist ebenso lebhaft und brennend, wie das irgend eines anderen Volkes oder einer anderen Regierung. DaS amerikanisch« Volk und die Regierung sind bereit, ja sie sehnen sich danach, nach der Beendigung des Krieges bei der Erreichung dieses Zieles mit allem ihnen zu Gebote stehenden Einfluß und Mitteln milzuwirken, aber der Krieg muß erst beendet sein. Die Vereinigten Staaten müssen es sich versagen, Bedlnqungen vorzuschlogen, auf Grund deren der Krieg beendigt werden soll. Aber der Präsident sieht «S als sein Recht und seine Pflicht an, daS Interest« der Vereinigte« Staaten an der Beendigung deS Krieges darzutun. damit «S nicht «inst zu spät ist, die großen Ziele, die sich nach Beendigung deS Krieges austun, zu er reichen, damit nicht die Loge der neutralen Staaten, die setzt schon äußerst schwer zu ertragen ist, ganz unerträglich wird, und damit vor allem nicht die Zivilisation einen nicht zu rechtfertigenden und nicht wieder girlzumachenden Schoden erleidet. Der Präsident fühlt sich daher durchaus gerechtfertigt, wenn er ein« alsbaldige Gelegenheit zu einem Meinungsaustausch über die Bedingungen anregt, die den schließlichen Vercinbarangen sür den Weltfrieden oorauSgehcn müssen, die jeder mann wünscht und bei denen die neutralen Staaten ebenso wie die Kriegführenden bereit sind, in voll verantwortlicher Weise milzuwirken. Wenn der Kamps bis zum unabsehbaren End« durch langsame Aus reibung fortdauern soll, bis die eine »der die andere Gruppe der Kriegführenden erschöpft ist, wenn Millionen und aber Million«« Menschenleben weiter geopfert werden solle«, bis aus der eine« oder der anderen Seit« nichts mehr zu opfern ist, wenn eine Erbittern«- aaaefacht werden soll, die sich niemals adkühlen kann, und «in« Verzweifln«- erzeagt wird, von der sich niemand erholen kann, dann «erden die Hoffnungen auf den Frieden und ein freiwilliges Zu- sammenardeiten freier Völker null «ad nichtig. — DaS Leden der gou- zen Welt ist tief in Mitleidenschaft gezogcn. Jeder Teil der großen Familie der Menschheit hat die Last und die Schrecken dieses noch nie dagewesenen WaffcngongeS gespürt. Keine Nation in der zivilisierten Welt kann tatsächlich als außerhalb seines Einflusses stehend oder als gegen seine störenden Wirkungen gesichert erachtet werden. Doch die konkreten Ziel«, für di« der Kamps geführt wird, sind niemals endgültig testgestellt worden. — Die Führer der verschiedenen kriegführenden Mochie haben, wie gesagt, dies« .Ziele in allgemeinen Wendungen auf gestellt. Ader in allgemeinen Ausdrücken gebalten schein«,, sie di« glei chen auf beiden Seite«. Bisher haben di« verantwortlichen Wort führer auf beiden Seiten noch kein einziges Mal di« genauen Ziele angegeben, die, wenn sie errclcht würden, sie und iure Völker so zu- sriedenstellcn würden, daß der Krieg nun auch wirklich zu Ende ^e- fochten wäre. Der Welt ist es überlasten, zu vermuten, welche end gültigen Ergebnisse, welcher tatsächliche Austausch von Garantien, I weiche politischen ober territorialen Veränderungen oder Verschiebun gen, ja selbst welches Stadium des militärischen Erfolges den Krieg in Ende dringen würde. Vielleicht ist der Friede näher, als wir glauben. Vielleicht sind die Bedingungen, auf denen die beiden kriegführenden Parteien eS für nötig halten zu bestehen, nicht so unver einbar, als manche fürchten: vielleicht könnt« ein Meinungsaustausch wenigstens den Weg zu einer Konferenz ebnen, vielleicht könnte so schon die nächste Zukunft auf ein dauerndes Einvernehmen der Nationen hoffen und sich ein Zusammengehen der Nationen alsbald verwirklichen. Der Präsident schlägt keinen Frieden vor, er dielet nicht einmal seine Vermittlung an. Er regt nur an. daß man sondiere, damit die neutralen und die kriegführenden Staaten erfahren, wie nahe wokl das Ziel deS Friedens sein mag, wonach die ganze Menschheit mit heißem, wachsendem Begehren sich sehnt. Der Präsident glaubt, daß der Geist, in dem er spricht, und die Ziele, die er erstrebt, von alle» Be teiligten verstanden werden. Er hofft und vertrant auf ein« Anlwe?.. dl« ein neues Licht in die Angelegenheiten der Welt bringen wird. Ich benutze diesen Anlaß, Euere Erzellenz erneut meiner nuSgezeich- neksten Hochachtung zu versichern. gez. Gre w ' An seine Exzellenz Zimmermann, Staatssekretär deS Auswärtigen Amts. Mir haben dem, was wir gestern abend zu dem Schrille Wilsons gesagt haben, nichts mehr hlnzuzufügen. Unsere ehrliche Absicht, dem menschenmordenden Kriege ein Ende zu bereiten, ist unseren Feinden bekannt. Es bedarf also keines Vermittlers. Wenn sie von dem gleichen Millen beseelt sind, mögen sie sich mit uns an einen Tisch zu gemeinsamer Aussprache zusammcnscßcn, und es wird sich ein Weg zum Frieden finden, der die Gewähr dci Dauer in sich trägt und die Rechte aller Nationen wahrt, auf die Wilson so großen Wert legt. Wir fürchten, daß sein Ratschlag bei den Ententemächten eine ebenso ungünstige Ausnahme finden wird, wie unser Friedensangebot. Er braucht nur zu lesen, in welch schroffer Form Bonar Law das, was Lloyd George am Dienstag gesagt hat, im englischen Unterhause noch einmal unterstrich und mit welch unlauteren Mitteln er dabei arbeitete, um zu erkennen, daß die vor aller Oeffentlichkeit von beiden Seiten bekannt- gegebenen Kriegs- und Friedensziele das zarte Pflänzchen einer aufkeimenden Verständigung sofort ersticken mühten. Auch aus Bonar Laws Worten geht deutlich daS Haupthindernis für eine Verständigung hervor: unsere Feinde wollen unsere Erfolge nickt anerkennen und hoffen immer noch, mit einer lehten Kraft anstrengung uns niederringen zu können, fo dah es ihnen möglich ist, uns den Frieden zu diktieren. Solange sie sich von diesem Wahn nicht losreihen und die daraus entspringenden Forderungen von Genugtuung, Entschädigung und Bürgschaften nicht fallen lassen, dürften leider unser Friedensangebot und der Wilsonsche Vor schlag wenig Aussicht auf Erfolg haben. ES liegt also an unserer Feinden, den ihnen gezeigten Weg zu beschreiten. Tun sie es nicht und verlängern sie damit den Krieg, so trifft für alles Kommen-c sie allein die Schuld. fr) Von der Schmelzer Grenze, 22. Dezember. (Draht- bericht unseres Sonderberichterstatters.) Laut Schweizer Bläktermeldungen sind tm französischen Senat insgesamt 17 Interpellationen über daS Friedens angebot der Mittelmächte eingegangen. Amerikas Urteil über Mlforr (^) Rotterdam, 22. Dezember. (Droh»bericht.) Zu der Auf forderung Wilsons wird aus New Dock gemeldet: Die Leute, die mit Deutschland sympathisieren, frohlocke« über Wilsons Note, die als ein großer Sieg für Bernstorfs begrüßt wird. Die deutsch-amerikanischen Blätter schreiben vor allem in diesem Sinne. Unter den englisch-amerikanischen Blättern ist die Auffassung geteilt. Einige Presseartikel «enneu den Schritt deS Präsidenten versrüht. Andere meinen, er dürste die europäischen Staatsmänner ver anlassen, ihre Ziel« und Bedingungen bekanntzugeden. Ein deutscher Sprachforscher des 18. Jahrhunderts (Zu I. I. ReiSkeS 200. Geburtstag.) Am 25. Dezember sind eS 200 Jahre, daß der große deutsche Sprachforscher Johann Jakob RciSke in Zörbig bei Hall« ge boren w«de. Um daS Studium des Griechischen und deS Ara bischen hat Reiske sich unvergängliche Verdienste erworben. Gerade ln jetziger Zelt, in der von unseren Feinden das deutsche Geistesleben und seine Vertreter herabgesetzt und verdächtigt werden, ist es von hohem Werte, eines solchen Mannes zu gedenken, der trotz aller äußeren Hindernisse uneigennützig sich nur seinen wissenschaftlichen Zielen hingob. Johann Jakob Nets Ke war der Sohn eines Loh gerbers, er verlebte eine schwere Kindheit unter der Erziehung seiner schwermütigen Mutter und besucht« von 1728 biS 1732 die Schule des Waisenhauses in Halle. Um Theologie zu studieren, kam er nach Leipzig, wandte sich aber bald von diesem Studium ad. Dagegen trieb er ohne Anweisung mit vielem Eifer das Arabische. Die arabische Grammatik lernte er in vierzehn Tagen. Um arabische Handschriften studieren zu können, wanderte ec zu Fuß von Leipzig nach Leyden in Holland und fand dort einen Gönner und Freund in dem Gelehrten d'Orvlll». Reiske ordnete die Handschriftensammlung der Unlversttät und wiümele sich während fünf Jahren der Erforschung arabischer Hand schriften. Er übersetzte in dieser Zelt die Geographie des Abulfeda. Dann studiert« er noch drei Jahre in Leyden Anatomie und Arznei kunde und wurde zum Doktor der Medizin promoviert. Im Sommer 1718 kehrte er nach Leipzig zurück und lebte hier 12 Jahre lang in äußerster Dürftigkeit. Von seinem medizinischen Studium machte er keinen Gebrauch, sondern übernahm eine Professur der arabischen Sprache mit einem Gehalt von 100 Thalern, daS ihm während bet Siebenjährigen Krieges nicht einmal ausgezahlt wurde. Neben den arabischen Forschungen widmete er sich mit gleichem Eifer der Heraus- gab?, kritischen Bearbeitung und Uebersetzung griechischer Autoren. Für das Studium der griechtscken Sprache in Deutsch- kand wirkte er bahnbrechend durch Herausgabe der Werke des Thcokrit, griechischen Redner, des Plutorch, deS DtonyfluS von Hallkarnaß, des Masimus Tirius, deS Lidanivs, det Dio Chrysostomus u. a. Er übersetzte die Reden -eS Demosthenes, AcschtneS und ThuzvdideS. All« diese Arbeiten veröffentltchte RetSke unter großen Enckeh- Sungen; ostmats fand er keine Verleger für selrre Werke und Netz ste von dem Geld, daü er sauer verdient hatte, selber drucken. Endlich wurde ihm ein Amt angeboten, das ihn vor der Not deS Lebens sicher stellte: Im Sommer 1758 übernahm er das Rektorat der Niko lai sch ule in Leipzig. AIS Pädagoge legte Reiske auf die geistige Durchdringung der Unterrichtsstoffe höchstes Gewicht und leistete Großes im Dienste der Aufklärung. Besonders prägte er seinen Schülern Liebe zur deutschen Sprache und ein deutsches Natto- natgefühl ein, in jener Zett der Fremdtümelei wahrlich ein un- schätzbares Vcldienst. Von ihm stammt folgender Ausspruch: .Uns Deulschen ist die deutsche Sprache so nötig als das liebe Brot; bin ich als Deutscher nicht im Gewissen verbunden, alles, was in meinen Kräften stehet, zur Ehre und zum Besten eines Landes beizutragen, wo ich ge boren und erzogen bin und so vieles Gute genieße?' 1764, bald 50 Jahre alt, vermählte Reiske sich mit der Tochter des Superintendenten Müller, die ihn bei seinen gelehrten Arbeiten unterstützte. Er starb am 14. August 1774. Sein Briefwechsel mit Moses Mendels sohn und Lessing erschien 17S9. Der neuesten Zeit blieb cs vor- behalten, das vorbildliche Wirken dleseS Mannes voll zu würdigen. Ueder 500 Briefe von ihm, von Prof. R. Förster in BrcSlau ge sammelt, wurden von der Kgl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften hcrausgcgcben; weitere Veröffentlichungen wer den folge». Diese Briefe bieten «inen Ersatz für oie Biographie Reiskcs, die schon Lessing verheihen hatte, die aber bis heute noch nicht geschrieben ist. Eine große Aufgabe für einen deutschen Literatur- Historiker harrt ihrer Erfüllung. vr I.. Stettenkeim. Leipziger Bibllophilenabend Der Leipziger Bibltophtlenabend veranstaltete seine Jahresversammlung Im Hotel Astoria. Bet dieser Gelegenheit wurde die neue Veröffentlichung der Gesellschaft .Sieben vergessene Holz schnitte aus Kuglers Geschichte Friedrichs des Großen' an die Mit glieder verlellt, di« sieben Darstellungen der bedeutendsten Bauten Berlins von der Hand Adolph Menzels enthält. Ferner wurden den Teilnehmern noch folgend« hervorragende graphische Blätter und wertvolle bibliophile Neudrucke gewidmet. Gustav Kirsteln stiftete eine reizvolle M e n z e l - P h o t o g r a p h l e, die den Meister stehend im HauSrock beim Zeichnen darstellt; bemerkenswert ist, daß Menzel hier den Bleistift mit der linken Hand führt, einen zweiten Bleistift käl er zwischen den Lippen. Prof. Dor en stiftete den faksimilierten Glückwunsch Menzels zum 75. Geburtstag von Ludwig Pietsch, zu dem Erich Gruner eine prächtige Zeichnung geliefert hat. Der höchst charakteristisch« Brief Menzels ist vom 25. Dezember 18SS aus Berlin datiert und lautet: .Wärmste Wünsche und noch übliche 10 Jahre! Lin mehreres wünsche ich Ihnen kaum. Ich lerne eS seht kennen. Wessen Magen die Wasser von Port Said nichts angehabt, wessen Herz nicht Fächer nicht Montilla vidrtren gemacht — Wer die Kribtlka aus gehalten (wozu nach Seume Stahlknochen gehören), der athme auch noch 10 Jahre Druckerelpapter-Feuchtlgkelt ein, ohne wie Kant den Schnupfen zu bekommen. Also Glückauf! Menzel.' (Hierzu fei bemerkt, daß Pietsch bei der Einweihung des Suezkanals 1867 tnS Wasser gefallen war, aber glücklich wieder herauSgefischt wurde. Kribitka ist eln rus sischer Wagen.) Prof. Richard Bossert steuerte eine feine neuc Radierung bei. Die Speisensolae zum IahreSessen war mit einer humorvollen Radierung von HanS Meid geschmückt. Prof. Bran denburg un- Hofrat Meiner widmeten den Teilnehmern «ine Schrift von Johann Gottlieb Fichte Ueder ehrenvollen Frieden', und der Bibliothekar des Reichsgerichts Dr. HanS Schulz gemeinsam mit Adolf Weigel eine Schrift .Thorwaldsen tn Dresder und Leipzig 1841'. Zum Vorsitzenden deS Leipziger Bibliophilen abends wurde Gustav Kirsteln wledergewählk. Aurrft rrn- Wissenschaft Im Hoftheaterkonzert zu Altenburg kam als Neuigkeit bi« Die versunken« Glocke' genannte Suite für großes Orchester von Car! Kleemann unter Kapellmeister Groß Leitung zu überaus erfolgreicher Aufführung; drei Sähe (Rautendelein', .Die Kinder mit dem Tränenkrügletn", .Meister Heinrich') nach Gerhard Hauptmanns Drama von starker poetischer Einfühlung und bedeutender musikalischer Erfindung und Ausgestaltung. Kapellmeister Richard Hag«! (Letpzig) hatte tn Dresden als Dirigent deS V. VolkSstnfonickonzertS deS Dresdner Philharmont- schen Orchesters einen großen künstlerischen Erfolg zu verzeichnen. In Dresden hat sich eine neue künstlerische Vereint- gong gebildet mit der Absicht, in zwanglosen Zusammenkünften In einen Meinungsaustausch über künstlerische Fragen elnzutreten. Vor. stand ist Professor Julius Ferdinand Wolf'. Der außerordentliche Professor Dr. Oskar KraoS wurde zum ordentlichen Professor der Philosophie In Prag ernannt. Der bekannte Psychiater an der Bonner Universität un langjährige Leiter der Irrenklinik, Ordentlicher Professor, Gch:'mrat Karl Pellman ist im Alter von 79 Jahren gestorben. Im Alter von 97 Jahren ist der frühere Ordinarius der Augenheil kunde an der Rostocker Universität Obermedtzinalrat Dr. Kar! Wil helm vonZehender gestorben.