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Nr. 225 (H. 118). Leipzig, Sonnabend den 27, September 1930, 97. Jahrgang. Redaktioneller TA Bekanntmachung der Geschäftsstelle. Bctr.: Titelseite des Börsenblattes. Am l, Oktober wird wieder die Titelseite (erste Umschlag- scite) des Börsenblattes auf Grund der vorliegenden Voraus- bestellungcn für das folgende Jahr (Januar—Dezember 1931) vergeben. Um eine befriedigende Verteilung namentlich für die Monate der lebhaften Geschäftszeit zu ermöglichen, weisen wir auf diesen Termin besonders hin, Bestellungen bitten wir an die Expedition des Börsen blattes zu richten, Leipzig, den 24, September >930, Or, Heß, Vierzig Jahre deutscher Buchhändler in Buenos Aires. Erlebnisse und Erfahrungen von Gustav Krause. Als ich Mitte September im Dreikaiserjahr 1888, damals 25 Jahre alt, in Buenos Aires, der Hauptstadt von Argentinien, eintras, gab cs hier zwei größere deutsche Buchhandlungen: Ernst Noltc und L, Jacobscn sowie mehrere kleinere. Elftere hatte haupt sächlich nur deutsche Literatur, während L, Jacobsen auch eine große Auswahl iu anderen Sprachen hatte, Geschäftszeit war damals von 7 Uhr morgens bis 10 Uhr abends; häufig wurde es noch später, sogar bis 12 Uhr, Bis nach Theaterschluß blieben die Buchhandlungen offen, und mancher Theaterbesucher, der heimging, besah sich die hellerlcuchteten Schaufenster und machte noch einen Büchercinkauf, Das Eintreffen von deutscher Post war damals noch gewissermaßen ein Festtag, die deutschen Buch handlungen waren der Treffpunkt, wo jeder einmal hineinsah, was es Neues gab. Den Abonnenten von Zeitschriften wurden die neueingetroffcuen Nummern durch Boten zugesandt, jede deutsche Familie hielt mehrere. Das »Echo-- war überall zu fin den, dazu kamen »Fliegende Blätter», »Bazar», »Modenwelt», »Gartenlaube», »Buch für Alle» uud noch viele andere Zeitschrif ten, Die Aushändigung der deutschen Postpakete, die mit Ham burger und Bremer Dampfern für die Deutschen usw, in Argen tinien ankamen, hatte die Buchhandlung von Ernst Nolte über nommen, bei der sie ein jeder, der ein Paket aus Deutschland be kam, gegen Zahlung der Spesen und des Zolls abholte, Buenos Aires war damals noch eine Kleinstadt, denn man kannte ge wissermaßen jedes deutsche Gesicht, Gleich nach meiner Ankunft beschäftigte ich mich mit der Kolportage und trat, um mit den Deutschen in engste Fühlung zu kommen, in den Dienst der Deutschen La Plata Zeitung ein, was sich mit dem Vertrieb der deutschen Bücher und Zeitschriften gut vertrug. Bereits nach einem Jahr und drei Monaten meines Hierseins konnte ich die aus 4000 Bänden bestehende Leihbiblio thek von R, Th, Napp Nachfolger, Ernst Nolte, erwerben und er- öffnete am 15, Dezember 1889 in der Lavalle 847 eine deutsche Leihbibliothek, verbunden mit Antiquariat, Meine Geschäfts gründung zeigte ich damals im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel an, ließ meine Firma ins Buchhändler-Adreßbuch ausnchmen und nahm einen Kommissionär in Leipzig, Im März 1890 verheiratete ich mich mit der Hamburgerin Anna Saß, Die guten Erfolge meiner Leihbibliothek und des Antiqua riats ermutigten mich, die Bestände der Buchhandlung »ktckitora äol Rio <io Iu klutu», einer Neugründung einer deutschen Buch handlung aus Aktien, die aber schon nach einjährigem Bestehen einging, zu übernehmen und meiner Leihbibliothek nebst Anti quariat eine deutsche Buchhandlung hinzuzufügeu. Dafür mußte ich mehr Raum haben und ich verlegte meine Buchhandlung 1891 nach Calle 25 de Mayo 533, neben den Palast des Präsidenten der Argentinischen Republik namens Juarcz Celman, Hier in diesem Hause wohnten bei einer deutschen Familie drei deutsche Buchhändler, nämlich Herr Otto Baumgärtel (jetzt in Berlin; ihm sende ich, diese Gelegenheit benutzend, treudeutschen Gruß und Handschlag), Herr Friedrich Knoblauch, der hier im Jahre 1921 verstarb, und ferner Herr Köhler, der lange Jahre an der Deutschen Bank arbeitete und dann nach Deutschland zurückkehrte. Im neuen Lokal richtete ich auch einen Zeitschriften-Lesezirkel ein. Kaum ein Jahr später wurde der Geschäftsraum wieder zu klein und so verlegte ich meine Buchhandlung nach Calle San Martin 693 und machte als einer der ersten Geschäftsschluß um 7 Uhr abends. Mein Hauptumsatz bestand damals in der Samm lung -Deutsche Library- aus New Dort und »Heimat und Fremde» aus Philadelphia, beides waren Nachdrucke deutscher Romane, der Preis betrug etwa ein Sechstel vom Originalpreis der deutschen Ausgaben, Mein Bestreben, das Lager stets zu vergrößern, veranlaßte mich 1898, nach Calle San Martin 387, in mehr zentraler Lage, überzusiedeln. Gleich um die Ecke war die Hauptpost, Hier im neuen Lokal hatte ich viel Raum und meine Buchhandlung konnte sich hier gut entwickeln, sodaß ich mit drei Gehilfen und drei Hilfskräften arbeiten konnte. Allwöchent lich gingen mit den Zeitschriften und sonstigen Sendungen 1000 Prospekte in die Wohnstätten der Deutschen in Argentinien hin aus und alljährlich zu Weihnachten folgte als Beilage in der Deutschen La Plata Zeitung und später im Argentinischen Tage- nnd Wochenblatt mein Lagerverzeichnis, Allen Sendungen wurde ein hübscher Abreißkalender als Neujahrsgeschenk beigclcgt. Durch diesen Kalenderversand wurde ich auch einmal unbe- wußtcrweise zum Heiratsvermittler, Dies kam so: In der Druckerei in Deutschland, von der ich die Kalender alljährlich kommen ließ, hatte ein Angestellter auf verschiedenen Blocks einen deutschen Gruß niedergeschriebcn, mit der Bitte, der Ent decker dieser Zeilen möchte ihm eine Ansichtskarte vom schönen sonnigen Argentinien senden. Die Tochter eines Kunden kam, als der Zufall ihr ein solches Blättlein in die Hände spielte, dem Wunsche nach und sandte die erwünschte Ansichtskarte und, um es kurz zu machen, cs entstand ein Briefwechsel, der mit einer Heirat in Argentinien endigte. Gelegentlich der Hochzeitsreise stellte sich das Pärchen in meiner Buchhandlung vor, um frcund- lichst »Danke schön!» für meine Vermittlung zu sagen. Im Jahre 1898 kaufte ich in öffentlicher gerichtlicher Ver steigerung die Bestände der Buchhandlung E, Meyer, die nach sechsjährigem Bestehen eingegangen war, — Ich hatte cs mir zum Prinzip gemacht, alle Bestellungen auszuführen, ganz gleich, ob der Betrag beilag oder nicht. Es wurde somit jedem Kunden geliefert und Begleichung nach Empfang angcfordcrt. Das Er gebnis dieses Geschäftsprinzips war, daß 60A der Kunden pünkt lich zahlten, weitere 20°/o erst nach mehrmaliger Mahnung und die übrigen 20°/> leisteten überhaupt keine Zahlung, Da Klagen 933