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>1? 254, 30, Oktober 1928, Redaktioneller Teil, Börsenblatt f.b Dtschn. Buchhandel. nicht genügend vertreten. Wenn die Landesjugendämter überall enge Verbindung mit den Jugendschriftenausschüssen gesucht hätten oder auch die Landesschulbehörden antragsberechtigt wären, hätte sich der Jugendschutzcharakter des Gesetzes mehr ausgewirkt. So aber er geben sowohl die bisher bei den Prüfstellen eingegangenen Anträge als auch die bisher verbotenen Schriften ein recht eigenartiges Bild. Insbesondere ist zu beklagen, das) die Schunöhcftreihen, um derent willen das Schandgesetz entstanden ist, noch fast gar nicht von dem Gesetz erfaßt worden sind. Von den Reihen der Berliner Liste sind nur wenige betroffen worden, und immer wurden nur einzelne Num mern einer solchen Reihe verboten, aber noch niemals eine Reihe als Ganzes. Die bekannten Abenteuer- und Verbrechergeschichten, Nüpel- streiche usw. wirken auf die Jugend mindestens ebenso verhängnis voll als die ihnen ganz wesensverwandten Hintertreppenromane und müssen darum auch wie diese von den Prüfstellen als Ganzes beur teilt werden. In der Presse ist wiederholt bemängelt worden, das; die Prüf stellen sich bemühen, den Begriff des Schunds zu bestimmen. Da aber jeder Verlag mit Recht eine Begründung verlangt, wenn eine bei ihm erschienene Schrift verboten wird, so muß das Wesen des Schunds, das Typische einer Gattung, irgendwie in den Entschei dungen der Prüfstellen zum Ausdruck kommen. Zu Unrecht ist ferner den Prüfstellen vorgeworsen worben, daß sie zu langsam arbeiten. Eine Beschleunigung ihrer Beurteilungs tätigkeit kann aber nur erreicht werden, wenn diese umfangreiche, schwierige und verantwortungsvolle Arbeit nicht bloß einem Be amten zugewiesen wird oder wenn die Prüfstellen vermehrt werden. Das Gesetz soll auch den Weg freimachen zu aufbauender posi tiver Arbeit. Bei der Schlußberatung des neuen Gesetzes stellte der damalige Neichsminister vr. Külz für die geistige Jugendpflege Neichsmittel in Aussicht und versprach die Einbringung eines Ncichs- büchereigcsetzcs. Bis jetzt hat die Ncichsregierung ihr Versprechen noch nicht eingelöst. Es ist aber dringend nötig, daß nicht bloß für die körperliche Ertüchtigung, sondern auch für die geistige Versorgung der Jugend ausreichende Mittel von den Reichs-, Landes- und Ge meindebehörden bereit gestellt werden: für Volksbüchereien, Kinder- lcsehallcn, Kinderheime und Eigcnbüchcreicn. Jede Schule sollte so viel Mittel haben, daß sie jedem Kinde am Ende eines Schuljahres ein Buch schenken könnte. An den Vortrag schloß sich eine sehr lebhafte und anregende Aussprache an. 15 Redner meldeten sich zum Wort, darunter auch grundsätzliche Gegner des Gesetzes. Der geschickten Leitung des Vorsitzenden gelang es, daß die Versammlung folgenden Beschluß faßte: Die Vereinigten Deutschen Prüfungsausschüsse arbeiten unter Mithilfe von Vertretern zweier anwesender Verbände 3 Denk schriften aus, die den zur Tagung eingeladcnen Vereinigungen zur Genehmigung vorgelegt und dann an die zuständigen Stellen ab gesandt werden sollen: 1. Eine Denkschrift über wünschenswerte Verbesserungen in der Ausführung des Gesetzes; 2. eine Denkschrift zur Aufklärung über Schundbekämpfung im Sinne der V.D.Pr.; 3. eine Denkschrift über die Notwendigkeit, für die geistige Jugendpflege ausreichende öffentliche Mittel zu bewilligen. Am Tage vorher hatten sich die Vertreter der deutschen Volks bildungsverbände zu einer vom »Berliner Ausschuß zur Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur und des Unwesens im Kino« ver anstalteten Tagung versammelt, die von Magistratsrat vr. Häußler und Stadtrat Gensch geleitet wurde. Verhandelt wurde über Bild- kitsch und Bildkultur, Mittel und Wege zur Ge schmack s b i l d u n g. vr. Cohn-Wiener von der Berliner Hum boldtschule sprach über das gegenwärtige Elend der Bildkultur in der Masse, Hein Zimmermann, Leiter des Archivs für Volksbildung im Neichsministerium des Innern, über die bisherigen Versuche zur Gesundung des Geschmacks in Volks- und Jugendbildung, Pfarrer I)r. Girkon aus Soest über Richtlinien für die zukünftige Aufbau arbeit in Schule und Leben. Keiner der 3 Redner forderte gesetzliche Maßnahmen gegen den Schund und Kitsch im Bild. Eine dem Wesen der Kunst entsprechende Erziehung muß unser Volk dahin bringen, daß es alles künstlerisch Minderwertige von sich aus ablehnt. Zu beklagen ist es, daß die Produzenten den seichten Geschmack des Volkes geschäftlich ausnützen und daß der Kampf gegen den Kitsch in der Kunst heute nicht mehr so tatkräftig und zielbewusst geführt wird wie einst durch den Kunst wart unter der Leitung von Ferdinand Aveuarius. Wichtiger als in die Museen zu gehen ist es, Schulhäuser und Wohnungen mit Kunst bildern auszuschmücken. Darum müssen alle Bestrebungen gefördert und unterstützt werden, die Originalkttnstlerbilder und gute Ncpro- 1200 duktionen in Schule und Haus verbreiten wollen. Den stärksten Ein druck hinterließ der dritte Redner, der in überzeugender und be geisternder Weise das Wesen der Kunst zu erläutern verstand und etwa mit den Worten schloß: Wirkliche Volksbildung zu schaffender und schauender Kunst kann nur geschaffen werden, wenn wir uns um die Heiligung der Kunst und des Schauens bemühen, wenn wir uns dagegen wehren, daß die Kunst dem Geschäftssinn überliefert bleibt. Die Kunst sei uns ein Heiligtum, eine innere Lebcnsmacht, für die wir kämpfen müssen. Go. (Ernst Consent ins): Die älteste Berliner Zeitung. Fragmente der Berliner Wochenzeitung von 1626 aus dem Besitz der Preußischen Staatsbibliothek. Berlin: Preußische Staatsbibliothek 1928. 21 S. und 22 Tafeln. 8° Die neue Gabe, die dem »Verein der Freunde der Preußischen Staatsbibliothek« mit diesem schönen Privatdruck geboten wird, führt in die damalige Kurfürstlich-brandenburgische Residenz zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Es existierten damals in Berlin mit seinen etwa 10 000 Einwohnern nur zwei Buchhändler, die um das Jahr 1626 (dem Beginn der Verwicklung Brandenburgs in den Kriegs ganze drei Werke auf die Messen brachten, während es 1617 noch dreizehn waren. Trotzdem konnte sich in Berlin die 1606 zu gezogene Buchdruckcrfamilie Runge hier halten. Nicht zum wenigsten trug dazu bei, daß seit ungefähr 1617 ein bzw. zwei gedruckte Wochen blätter erschienen und regelmäßige Verbreitung fanden. Das eine wurde von dem kurfürstlichen Botenmeister Christoph Frischmann in privilegierter Ausgabe veröffentlicht, das andere war, wie es scheint, ein Blatt, das, für einen internen Hof- und auswärtigen Beamtcnkreis bestimmt, die vorgcschricbene Sammlung von hand schriftlichen Berichten ersetzen sollte — eine Staatszeitung. Von beiden Wochenblättern hat die Preußische Staatsbibliothek Repro- duktiouen Herstellen lassen, und Bibliotheksrat vr. Ernst Consentius gibt einen erläuternden Text dazu. Als drittes Stück ist eine hand schriftliche Zeitung des gleichen Jahres reproduziert, die schon dar um interessant genug ist, weil auf ihrer Rückseite sich die Empfän ger verzeichnet finden und der Gang des Umlaufes erläutert wird. Das Stück der eigentlichen Wochenzeitung ist nach den Ausführun gen des Autors ein direkter Vorläufer der »Vossischen Zeitung« und hat als solcher gewiß großen historischen Wert. Das gleiche trifft selbstverständlich auch für die Wiedergabe der »Staatszeitung« zu, doch wird das Interesse für dieses Stück noch dadurch wesentlich erhöht, daß hier eine eigenartige Drucktype gewählt worden ist. Die verwendeten Lettern geben eine schöngeschnittcne, deutsche Kanzlei schrift wieder, und die technische Herstellung des Druckes ist so ge schickt, daß man nicht ein gedrucktes, sondern ein geschriebenes Blatt vor sich zu haben glaubt. Im ganzen genommen haben wir cs mit einer kulturhistorisch sehr wertvollen Veröffentlichung zu tun, die gewiß geeignet ist, dem großen, alten Staatlichen Institut neue Freunde zu werben. Mit Genehmigung der Staatsbibliothek wur den außerdem davon 1000 Exemplare für den Verlag Ullstein her gestellt, der sie den Teilnehmern an der Tagung des Vereins Deutscher Zeitungsverleger widmete. Ernst Drahn. Für die buchhändlerische Fachbibliothek. Alle für diese Rubrik bestimmten Einsendungen sind an die Schrift leitung des Börsenblattes, Leipzig, Gerichtsweg 26, Postschlteß- fach 274/75, zu richten. Vorhergehende Liste s. 1928, Nr. 248. Bücher, Zeitschriften, Kataloge usw. ^Vion. ^üs dom Inkalt: d. viokler: Xann man mokr Lüeker ver kaufen? — 8. VVi8lvsekiII: Der 6eseiLent>vurk über das vramien- und XuZaben^vesen. — Werbung kür kkekvverke. ^n/ei^er kür kapier- unck 8ekroik>var6N. 38. d§., ^r. 20. ^Vien. ^us ckem Inkali: Vas 8ekreiknvar6n-8ekauken8ier. — Der Ur sprung cke8 vapiers. Der Bahnhofsbuchhandcl. 23. Jg., Nr. 17. Leipzig. Aus dem Inhalt: 100 Jahre Neclam. — Vom Büchermarkt des Bahn hofsbuchhandels. vistoriseks Kell6tri8tik. vin kritiseker kiteraturberlekt. Idrsg. von der 8ekr1ki1e!tung der vistoriseken Leilsekrikt. klüneken 1928: U. Oldonbourg. 54 8. IM. —.60. s8onderdruek au8 6d. 133, II. 3 (1926) und vd. 138, v. 3 (1928) der Ilistoriseken Aeitsokrikl.^j Bücher, die Sic interessieren. Oktober 1928. Müncheil: Arche- Verlag Wilhelm Kürzl. Aus dem Inhalt: N. Thiel: Zwei Bücher über Rainer Maria Rilke. Eine Studie über moderne Biographien. — Leseproben aus Werken von Klabund, F. Blei, G. Frenssen. — Anmerkungen zu Büchern.