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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.08.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191508010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19150801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19150801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-08
- Tag 1915-08-01
-
Monat
1915-08
-
Jahr
1915
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s. vetlase. Sonntsy, l. Lluguv lSlS Leipztger Tageblatt. Nr. 386. Sonntags-Nussade. Settt lS Unterhaltungsbeilage Vas deutsche Jahr Bon einem Studenten. Etu Jahr ist über die Erde gestampft, So tod-umschwebt. Erlöstes Blut hat's zum Himmel gedampft Und hat unsre Herzen in Leiden zcrlrampft. Ein Jahr ist über die Erde gestampft. So schmerzendurchbebt. Ein Jahr ist über die Erde gestoben, So rauschumsprüht. Es hat unsre Seelen nach oben, nach oben Aus Alltagsdunst in den Aelher gehoben. Ein Jahr ist über die Erde gestoben, So flammendurchglüht. Ein Jahr ist über die Erde geschritten, So haßdurchbrüllt. Eine Welt und die Lüge hat init uns gestritten, Toch wir haben noch alles zusammengeritten. Ein Jahr ist über die Erde geschritten/' So groß und so wild. Ein Jahr hat über der Erde getobt, Wie leins noch war. Es hat deutsche Löenschheit in: Feuer erprobt. Es sei gesegnet, es sei gelobt! Ein Jahr hat über der Erde getobt: Tas deutscheste Jahr. Mus -en Anfängen -er -eutschen Zlotte im Jahre 1S4S Der ruhmvolle Aufstieg zu stolzer Höhe, den unser« Flotte in kurzer Zeit zurückgelegt hat, läßt sich nicht eindrucksvoller kennzeichnen als durch den Gegensatz, den da» Bild ihrer Anfänge, wie es Hans v. Langer, mann im Augustheft der „Deutschen Rundschau" zeich net, zu ihrer Machtentfaltung im heutigen Welt- kriege bildet. Es handelt sich um die ersten Bera tungen, die in der Paulskirche zu Frankfurt a. M. im Jahre 1848 über die Beschaffung einer deutschen Kriegsmarine gepflogen wurden; die Zahlen, über die hier lange Erörterungen stattfanden, zeigen die ganze Winzigkeit dieser ersten schüchternen Versuche Das Bedürfnis, eine deutsche Flotte zu besitzen, hatte sich gleich im Beginn des Krieges von 1848 mit Dänemark herausgrstellt Man glaubte, diesen Feind, der durch seine insulare Lage gegen Angriffe einer Landarmee gesichert, und im Besitze einer be deutenden Flotte war, nur durch Kriegsschiffe be kämpfen zu können. Am 22. August 1848 sprach stch der Reichsminister v. Schmerling in der berühmten kon. stituierenden Versammlung in der Paulskirche amt lich über die Reichsmarine aus. Er wies darauf hin, daß die patriotischen Bewohner Hamburgs sich schon seit längerer Zeit damit beschäftigt hatten, eine Kriegsmarine zu beschaffen. Zwei Hamburger Bürger Slomann und Godef- froy hatten zwei Segelschiffe, die in Kriegsschiffe umgewandelt werden konnten, zur Verfügung gestellt, und der letztere war nach England geretst, um die notwendigen Offiziere zur Ausbildung der Besatzung zu besorgen Ein Komitee zur Gründung einer deutschen Marine hatte sich in Hamburg gebildet, da» mit dem von der Natronalversammlung gewählten Marineausschutz in Verbindung trat. Das Ergebnis dieser Beratungen war, das; der Bundestag, d. h. die Gesamtheit der Herrscher der Einzelstaaten, die den deutschen Staatenbund bil deten, dem Marinekomilee in Hamburg 500000 Gulden überwies, über deren Verwendung in sechs Wochen Bericht erstattet werden sollte. Was würden die Herren, denen augenscheinlich dies« Bewilli gung von einer halben Million Gulden als etwas Bedeutendes erschien, dazu sagen, datz nach 65 Jahren, 1913, die Ausgaben für die deutsche Flotte allein in einem Jahre fast 200 Millionen Mark betrugen! Aus dem Bericht des Hamburger Komitees ergab sich, daß Mitte 1848 zwei Segelschiffe, drei Dampfer und ein „Kanonierboot" ausgerüstet in Hamburg lagen. „Alle Schiffe", heißt e» in dem Bericht, „sind mit Kanonen vollständig besetzt, und namentlich ist mit Rücksicht aus die Bewaffnung eine Fregatte, die den Namen „Deutschland" trägt, mit 32 Kanonen ausgerüstet. Das Schiff „Franklin", al» Korvette, wird ebenfalls mit einer entsprechenden Anzahl von Kanonen und auch die drei Dampfboote mit jener Armierung versehen werden, die mit Rücksicht auf ihre Tragfähigkeit angewendet werden kann." Die Besatzung dieser Schiffe wurde besonders aus der Zahl der Soldaten entnommen, die in Schleswig in dem Freikorps des Major» von der Tann sieg reich getampft hatten. Um nun die Uebernahme der Schiffe durch die provisorische Zentralgewalt einzu leiten, wurde die preutzische Regierung ersucht, Sach verständige zur Prüfung nach Hamburg zu senden. Während die Verhandlungen darüber andauerten, wurden in der Nationalversammlung schon lebhafte Besorgnisse laut, daß die Flotte sehr bald aus Mangel an Mitteln zu ihrer weiteren Unterhaltung abgetakelt werden müßte. . . . Gleichzeitig mit der Privatinitiative hatte aber auch die Nationalver sammlung offiziell und direkt den Flottenbau in An griff genommen. Sie erließ einen Aufruf zu all- gemeinen Beiträgen, al» dessen Folge in allen deutschen Gemeinoen, von Vereinen, Privaten, kon- »ertierenden Künstlern Sammlungen von Geld und Material veranstaltet wurden; fie ernannte einen Marineausschutz und fasste den Beschluß, für die Be gründung eines Anfanges für die deutsche Marine sollte die Summe von sechs Millionen Talern zur Verfügung gestellt werden. Die Verhandlungen zogen sich jedoch bei der Schwerfälligkeit de» ganzen staatsrechtlichen Apparates sehr in die Länge, während im Volke selbst überall in Deutschland grotzes Interesse kür den Flottenbau herrschte. Die Geldmittel wurden von den Staaten nur sehr zögernd bewilligt. Oesterreich machte darauf aufmerksam, datz in dem Flottenplan nur die nörd- lichen Häfen berücksichtigt wären, während ein deutscher Staat, nämlich Oesterreich, im Süden «in Meeresgebtet und also auch Ansprüche auf «ine deutsch« Flott« hab«; «s erklärte sich jedoch bereit, sein« Schiffe weiterhin für den Reichsdtenst »u ver wenden. Nicht ohne Heiterkeit wird man die Er. klärung der vorsichtigen sächsischen Regierung lesen, „datz sie ihren Beitrag unweigerlich, jedoch erst dann, wenn die betreffenden Zahlungen leitens der anderen Staaten, wenigstens der meisten größeren, auch ge sichert fein werden, entrichten werde." Das Ergebnis aller Bemühungen war, datz am 3. März 1849 das Reich drei Dampssregatteii, sechs Dampikorvetten, ein Segelschiff von 32 Kanonen und 86 Kanonenboote und Jollen besag. Auch für die Ausrüstung und Ausbildung der Mannschaft war alle Vorsorge getroffen, Modelle und Zeich. nungen für den Schiffsbau aus den deutschen Werften waren besorgt. „Die hohe Versammlung", fchtotz ein Bericht oes Ministers, „hat verlangt, datz eine deutsche Flotte al» einheitliche Reichsfache geschaffen werden toll«. Diesem Verlangen ist Folge gegeben und nunmehr ein tüchtiger Kern für die Entwick lung der deutschen Seemacht gewonnen. Deutschland erscheint daher zuerst auf dem Meere unrer dem schwarz-rot-gelben Kriegsbannrr als eine Einheit. Möge diel« auf dem festen Lande bald nachjolgen!" Für di« Küstenoerteidigung wurde eine Kommission ernannt mit dem Aultrage, die Haicnplatze zu be festigen, um „ein vorläufiges Urteil über die Wahl eines Kriegshafens abzügeben" Ferner wurden Küstenbatterien errichtet, und zur Verteidigung der Häsen und Landungspuntte fällten etwa 8u Scha luppen gebaut werden. Am 1. Mai 1849 befatz die deutsche Kriegsflotte zusammen 12 Kriegsschiffe, deren Kosten sich auf 1953 773 Taler beliefen; dazu kam die „Hamburger Flottille", die 3 Dampfer und 1 Segelschiss zählte und bis zum 1. April 450 010 Taler Kouenauswand erfordert hatte. Diese neue deutiche Flotte hatte am 4. Juni ein kleines resultat loses Gefecht mit einem dänischen Kriegsschiff, war jedoch dem däni chen Blockadegcschwader «richt ge wachsen. Von einer besonderen Seite zeigte sich der Flotte gegenüber Englund, das erklärte, die deutfch« Kriegsflagge nicht zu kennen und sie führende Schiffe als Seeräuber zu behandeln! Preußen lietz daher seine Kriegsichiffe unter eigener Flagge fahren und begann den Ausbau einer eigenen Marine. Als die deutsche Vundesflotte 1852 nach Wieder- Herstellung des Deutschen Bundestages versteigert wurde, ging sie z. T. in Preugens Besitz über und verstärkte dessen Seemacht, aus der sich schließlich die gewaltige deutsche Flotte entwickelt har. Sein guter Engel Von Lenelotte Wiufttd. Die stille Fern« sandte den Reitenden Licht grütze zu. Datz diese Ferne nicht wie gewöhnlich die An kömmlinge mit ehernem Mund anbrültte, datz klares, dunkles Blau nicht getrübt von Pulverdampf und l Schrapnellwolken — wie eine innig segnende Hand über den Müden schwebte, empfand jeder als etwas Tröstliches. Und doch war Argwohn in den Seelen der Braven. Würde die so freundlich grützende Stadt halten, was sie versprach? j In einein halb zerschossenen Hause, das — von den z räuberischen Feinden fast aller Geräte beraubt — s seinen Bewohnern kaum noch das Dach als Schutz zu Listen hatte, nahm Fritz Degenhart Quartier. Die sehr freundlichen, arme,: Besitzer des Hauses suchten selbst mit grossem Redeschwall eine Ecke des grössten Raumes zur Lagerstätte für Fritz aus. Stroh wurde geschichtet. Fritz atz von den Kartoffeln, die die Kameraden auf dem umfangreichen Kamin ge kocht hatten. Müde zum Umfallen, wie er war, wollte er sich auf seinem knisternden Lager ausstrecken. Da fiel ihm Hedis Bild ein. Sie hatte ihm gestern einen „selbstgemachten" Rahmen dazu geschickt. Er suchte, suchte. Es war mit der Wäsche, die er vorhin aus dem Tornister genommen, in das Stroh gerollt. Wie leicht konnte das Bild im Stroh ver loren gehen! Fritz betrachtete im Schein der kleinen Kerze die reinen Züge seines Weibes. „Mein guter Engel", flüsterte er zärtlich. Trotz seiner Müdigkeit beschloss er, dem Bilde einen guten Platz zu verschaffen. Ein staubiges Eck brett lehnte an der einen Wand. Die Nägel steckten noch in den eisernen Oesen. Fritz klettert« auf einen Stuhl, um das Eckbrett zu befestigen. Der erste Nagel wollte nicht „ziehen". Er probierte eine Spanne weiter. Da glückte es überraschend schnell. Run zum zweiten Nagel. — — Was war das? Die Wand fühlte sich plötzlich überraschend weich an. Etwas Zuckendes bewegte sich dahinter. Fritz pfiff gemütlich vor sich hin, suchte nach dem Nagel, den er verloren batte, und leuchtete dabei un auffällig die Ecke über dem Strohlager ab. Die Tapste war offenbar in dieser Ecke erst kürz lich erneuert worden. Darum mutzte wohl auch das Eckbrett entfernt werden. Dafür deckte die gross blumige, bunte Tapete ein schwarzweitzcs Bild. Es stellte einen Engel dar. Er hielt die Silberflügel gebreitet und eine Lilie in der Hand. Die reichte er dem Beschauer hin. Offenbar war es ein guter Engel, denn er lächelte sütz und Paradiefeswonncn verbeißend. Die Augen redeten leider eine andere Sprache als der gemalte Mund. Dunkel, drohend schauten sie Fritz an. Der trug nach wie vor die grösste Nahe zur Schau, gähnte herzhaft und ging mit müden Schritten zu seinem Tornister. Die Augen des „guten Engels" folgten ihm. Fritz stieg wieder auf den Stuhl, Nagel und Ham mer in der Hand. Deutlich konnte er sehen, wie der „Engel" mit den Augen „blinkte". Fritz hob den Hammer, zugleich aber auch den Revolver, welchen er bereitgehalten. Ein Schutz gerade in die Augen des Engels. Ein Schrei! — — — Die Kameraden stürzten herein. Sie fanden Fritz Degenhart vor dem Tavetenaus schnitt, der durch das Herabfallen des Bildes ent standen war. Durch die Luke sah man in einen schmalen, fensterlosen Raum. Eine leblose Gestalt lag am Boden. Die Besitzer des Hause» taten sehr bestürzt. Sie wollten von dem Manne im Versteck nicht» wissen. Die frisch tapezierte Ecke, die sorgsam ausgehöhlten Augen des „Engels" überführten sie. Zitternd ge standen sie ein, dem Drängen des hatzerfüllten Toten, der allen Deutschen den Tod geschworen, nachgeqeben zu haben. „Ein guter Enael!" spotteten Fritz Degenharts Kameraden grimmig, den Gefallenen betrachtend. „Sucht sich heilige Gucklöcher zum Morden aus." Fritz hielt im Schein der brennenden Kerze wie der Hedi» Bild in der Hand. „Mein guter Engel", flüsterte er innig dankend von neuem. Einkehr Skizze von Els« Krafft. sNachdruck verboten.) Sie hielt es vor Sehnsucht nicht mehr aus. Zehn Monate Trennung, Angst, Not, Sorge und Einsam keit, das war doch wahrhaftig genug für eine junge Frau, die nur ftinf glückselig« Monate an der Seite des geliebten Manne» gelebt hatte, nachdem man drei Jahre aufeinander gewartet hatte. Andere Männer bekamen Urlaub, ob Soldat, Offizier oder Aerzte; Richard müsste ihn auch be kommen, wenn er ernsthaft darum bat, wenn er dringend« Gründe anaab, o ja. das war sicher. Immer wieder von Pflichten schrieb er nur, von den armen Schwerverwundcten, die er nicht im Stich lassen wollte^ und datz er daheim doch keine Ruhe hätte zum Glücklichsein, wenn er daran dächte, es könnte sich um dieses kurzen Glückes willen vielleicht einer der Tapferen, Braven verbluten, weil zwei hel fende Hände weniger waren an der Front. Und sie sollte ihm das Herz nicht unnötig schwer machen, wenn sie ihn wirklich liebe und eine tapfere Frau wäre. Immer wieder zerknitterte Anni diesen kurzen, letzte«» Brief, immer wieder flössen ihre Tränen über das Papier, das ihr wieder alle Hoffnung aus ein baldiges Wiedersehen nahm. Und drangen blühte der Sommer, rote Rosen nickten im Garten, der Wald drüben war voll Düfte, das Korn am Wege stand hoch, überall flog die Sehnsucht durch das Blühe»» und Reifen, aber ihre ausgestreckten Hände blieben leer. „Kind", mahnte die alte Dame nun schon zum dritter» Wale, die im Erker strickend, strickend satz und nicht müde wurde, diese grauen, schrecklichen Sol datenstrümpfe immer wieder anzufangen, „sei dock) vernünftig, er hat ja doch recht, wenn er jetzt zuerst ai» seine Pflicht, an sein Vaterland denkt, stolz müsstest dl» darauf fein, Kind." Die junge Frau fuhr leidenschaftlich herum. „Wenn er mich liebte, wie ich ihn, ach, wenn er mich blotz halb so liebte, und sich nach mir sehnte, käme er. Die meisten kommen. Drüben der Oberleutnant war hier, Kläres Mann, der Mäkler, der Birkebusch, die einfachsten Soldaten, Urlaub kriegen sie eben alle mal, das weitz ich! Deshalb tut doch jeder seine Pflicht in diesem langen Kriege, aber Richard ist eben so komisch, das bat er von dir, jawohl, schwer fällig ist er; aber ich weitz schon, was ich tue, ich schrerbe jetzt gar nicht mehr an ihn, kein Wort, dann wird er es schon mit der Angst kriegen und kommen, jawohl, das tu..e ... iich ..." „Anni", sagte die alte Dame ganz erschrocken in das Aufschluchzen hinein, „aber Anni, du weisst nicht, was du sprichst! Dann wärst du ja gar nicht seiner wert; hilf ihm lieber in seiner grossen Pflichttreue, damit sie ihm leicht bleibt, und ..." Sie sprach nicht aus, weil die junge Frau in ihrer grossen Aufregung gar nicht hörte, was sie prach. Und dann sprang sie plötzlich auf und lietz die Schwiegermutter im Zimmer allein. Sie musst« jetzt fort, zu irgend jemand, der sie verstand, der teilnahm an ihrer Unruhe, ihrer Erregung. Sie überlegte. Und dann mutzte sie, sie würde zu Leuchen Lüders gehen. W:e lange war sie nicht dort gewesen, und die Freundin hatte ja auch ihren Mann im Felde, fühlte dasselbe wie sie, hatte dieselbe Sehnsucht, dasselbe Leid, jo, die würde sie sicher ver stehen und ihr recht geben, datz ein Mann auch Pflichten gegen seine Frau hätte, ganz genau so gross wie andere Pflichten, vielleicht größere noch. Die Freundin, die draußen in der Vorstadt in einer reizenden kleinen Villa wohnte, war gerade im Garten damit beschäftigt, die schwer beladenen Obststräucher mit Holzstäben zu stützen, und streckte ihr ein paar sonnengebräunte Hände erfreut zum Gruß entgegen. „Mein Gott, Aenne, 'ch dachte, du hättest mich schon ganz vergessen? Was sagst, ... nein, was sagst du bloß zu unfern wundervollen Siegen? Können wir nicht stolz sein, wir Deutschen? Und noch stolzer, daß unsere Männer dabei sind? ... Ach, Aenne ... Sie drehte die Jüngere herzlich zu stch herum und küßte sie. „Tanz schmal geworden, ja Kleines, das ist r un mal nicht anders, wir Frauen kämpfen ja auch, wrnn auch meist mir den» Herzen und gegen unwürdige Schwächen ... das kenne ich, das ... aber, ... Du weinst ja, dein ... dein Mann ist ... doch nicht ..." Sie wagte das Wort nicht auszusprechcn. was ihr so schnell bei dem verzweifelten Gesicht auf die Lippe kommen wollte. Anni schluckte, wollte sprechen, und schob dabei die sie umschlingenden Arme von sich ab. Das lachende Gesicht der Freundin verwirrte sie, sie begriff auch den Ton nicht sofort und fand das Echo dazu nicht. „Meinem Manne geht es gut, danke", sagte sie steif. „Es geht ihm anscheinend sogar s o gut, daß er gar keine Lust hat, Heimzukommen, denk mal. noch keinen Tag Urlaub in zehn Monaten, ... keinen ... Tag ..." Da waren wahrhaftig die Tränen schon wieder. Die schlanke Frau mit dem schlichten, braunen Scheitel über dem klugen Gesicht lachte plötzlich nicht mehr. Sie schob den letzte»» Stab, der nebei» ihr lag, in die früchtebcladenen Zweige des Busches und band ihn fest. „Entschuldige, ich bin gleich hiermit fettig, Annie, dann setzen wir uns in die Laube. Es gibt gottlob ein gutes Ernten, sieh nur, Gott sorgt schon für uns und lässt das schwere Kriegsjahr fruchtbar werden. Alle Bäume übervoll, wohin du siehst, ... nein, weinen mußt du nicht, wenn ich dir so was Gutes erzähle." Sie legte schon wieder den Arm um ihren Besuch und ging mit ihm den Gartenweg zur Laube. „War ... war denn dein Mann schon da? Sicher, denn du strahltest ja, sicher war er schon da und hatte Urlaub." Die schlanke Frau schüttelte den Kopf. „Er wollte kommen, ich war krank, und da hat Muttchen heimlich geschrieben, obwohl er es nicht wissen sollte. Aber da fiel gerade in den Tagen sein Hauptmann, Hans mußte die Kompanie führen, und du weißt ja, die Kämpfe waren jetzt schwer im Osten. So ging » nicht, und ich habe auf seine be sorgten Briese ganz schnell wieder geschrieben, cs ginge mir wieder gut. Das wäre doch schrecklich, wenn sich unsere tapferen Männer da draußen auch noch um unsre kleinen Leiden grame»» sollten, mit denen man doch allein fertig wird, nicht wahr? Sie haben doch alle schon genug zu sorgen da draußen vor den vielen Feinden." „Ja sagte Frau Anni, nur um etwas zu sagen, vor dem fragenden Gesicht der Freundin. Die hatte die Hände im Schoß verschlugen nnd blickte sinnend über das Helle Laub der Bäum«. „Sehnsucht hat man ja.... ach, Kleine» ...» man weiß ost nicht mit wohin, aber man überbrückt fie doch, wenn man sich ein bissel Zusammenhalt und seines tapferen Mannes wert blttben will. Anni hob jäh den Kopf. Eie wollte wider sprechen ..., das, ja, das waren ja beinah dieselben Worte, die ihr vor einer Stunde die alte Frau ge sagt, das, dieses „Seiner wett", was fie so empört hatte. Aber die Freundin ließ sie gar nicht zu Worte kommen. Rur ihre Hand nahm sie plötzlich, al» wäre das ein ganz fester Halt, wenn zwei Frauen zu- sammenkämpften. „Ja .... denn wir haben es doch noch immer sehr gut, Anni, gegen tausend, tausend andere; die Hoffnung lebt uns noch, wir sehen blühend ein fernes, seliges Ziel, für das wir uns stark erhalten müssen, uin unfern in» Frieden heimgekehtten, im Kampfe müde gewordenen Männern alles Glück wieder aufrichten zn können, und sie mit selbstloser Liebe zu überschütten für das, was sie da draußen in Not und Tod getan. Roch gar keinen Grund MM. ' Weinen und Klagen haben wir, liebste Freundin, so lange unsere Männer noch irgendwo da sind auf der Welt, so lange sie gesund atmen! Gretchen Römers Mann siel damals gleich bei Lüttich, du weist es wohl; du müßtest sie nur sehen, Anni, was aus ihr geworden. Sie war wohl nie eine starke Frau, aber sie sagt jetzt hundertmal, daß sie mit dem Bündel wandern »volle, weltenweit, nur ihn zu finden, nur, um ihn lebend zu wissen, daß sie warten wolle Jahre, Jahre geduldig und stark, nur, wenn er noch einmal wiederkärnel" Anni saß ganz still auf ihrer weißen, harten Holz bank. Nur ihre Hand begann zu zucken in der streichelnden der Freundin, und ihr Herz schlug stark, es war beinah wie eil» Gefühl schwerer Schuld, das plötzlich über sie herfiel. Im nächsten Augenblick lag sie der Freundin im Arm und drückte den Hellen Kopf gegen die weiche Schulter. „Und ich habe meinen Mann in allen Briefen nnr gequält und geplagt mit meiner Herzensnot, habe nur an mich gedacht, war blind und taub gegen jede Vernunft, habe schon geglaubt, er liebte mich nicht mehr, weil er seine Verwundeten an der Front oorzog gegen mich .... Lenchen." Die lächelte nur und strich tröstlich über das schmale, hübsche Gesicht. Wir müssen erst in uns selber feststehn, Kleines, ehe wir andere halten können. Und wenn man liebt, ist das ja so leicht. Mach' deinen» Liebsten seine schweren Pflichten darum nicht noch schwerer. Ge rade wir Frauen können durch unsere frohen Briefe uneirdlich viel für die allgemeine Kraft und Aus dauer unsrer Kämpfer tun, und haben darum oft großen Anteil an den Siegen, die uns unser Vater land erhalten. Wir müssen nur weniger an uns und mehr an sie denken, Anni." Eine Stunde später kniet« Frau Anni in dem blumenüberfüllten Erker vor dem Stuhl der alten Dame daheim, die ihres Liebsten Mutter war, und legte den Hellen Kopf in die ihr entgegengestrecktcn Hände. „Du hattest heute morgen recht, Mama, ich muß erst seiner wert sein; ehe er wiederkommt zu mir, hilf mir, zu denken wie er, tapfer zu bleiben wie er, und stark wie er die heiligsten Pflichten in dieser großen Zeit zu erfüllen." Erschüttert hielten die alten Hände den jungen Kopf fest. „Mein geliebtes Kind", sagte sie leise, warm, während ihre Gedanken den fernen Sohn im Feindes land suchten, dem Gott soeben ein köstliches Geschenk gemacht... vuredftatten Wir halten durch. Das ist das Mott, Das Kriegsgeschrei für alle. Es klingt an jedem deutschen Ott Und pflanzt sich brausend weiter fort Ins Feld zum Heldenwalle. Wir halten durch. In Treue fest! Richt zagen und nicht zittern! Zuckt auch der Blitz von Ost und West, Der Eiche knorriges Geäst Kanu nimmer er zersplittern. Wir halten durch. Sind noch so groß Die feindlichen Gewalten. Und ist auch noch so hart ihr Stoß, Es ist mm mal der Deutschen Los, Im Sturme siandzuhalten. Wir halten durch. In aller Not Und Angst des Erdenbrandes Ist es der Stunde Hauptgebot, Getreu zu «ein bis in den Tod, Zum Heil des Vaterlandes. Wir halten durch. Das Pflichtgefühl Ist überall das gleiche: Im stillen Dorf, im Stadtaewühl, Am Herd, am Pflug, am Webgestühl Und in dem Waffenreiche. Wir halten durch. Die Rechte her, Ihr Brüder und ihr Schwestern! Wir bilden alle eine Wehr. Bis keiner unsrer Feinde mehr Mag de»'1sck>es Wesen lästern. Wir halten durch. Das »st der Schwur, Den täglich wir erneuern. Wir Haven einen Willen nur Und folgen alle einer Spur: Dem Vaterland, dem teuern. Wir halten durch. Und matten gern, Bis Nacht und Nebel weichen. Schon leuchten in dem Osten fern Der deutschen Freiheit Morgenstern Und ihre Flammenzeichen. Wir halten durch Einst kommt der Tag. La heißt »: Die Waffen nieder! Dann werden wieder tausendfach Die alten Friedcnsalocken wach Und deutsche Iubellieder Ernst St«gel»a«K-
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