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Sächsische Volkszeitung : 09.08.1936
- Erscheinungsdatum
- 1936-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193608093
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19360809
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19360809
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1936
-
Monat
1936-08
- Tag 1936-08-09
-
Monat
1936-08
-
Jahr
1936
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 09.08.1936
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Nr. 185. — V. 8. 38. Sächsische Volkszeitung Seite 15 Peluschke zieht aus Das Erbe ^ederstrumpf Line kleine Betrachtung aus Amerika / von unserem Berichterstatter Rcünekttert wird, wer Einschreibebrief mit dem Kün- gcgolten hat." Herr Rechtsanwalt", strahlte meinen Sohn ein Küiidigungs- „Aber, lieber Herr Haupert, nun nehmen Sie es mir nicht fiir übel, wenn ich Ihnen sage, daß es eine förmliche Kinderei ist, sich dermalen plump hcrausrcdcn zu wollen. Als Mann von mehr als fünfzig Jahren können Eie doch im Ernst nicht angenommen haben, das; der digungsschrciben Ihrem Sohn „Wer sagt Ihnen denn, Haupert, „das, der Brief an schreiben enthalten hat?" Aus dem Eesicht des Rechtsanwalts Gutknecht wetter leuchtete cs vor Zweifel und Neugierde zugleich. „Ihre Be hauptung erscheint mir reichlich unglaubwürdig, Herr Haupert! Was soll der Bries denn anders enthalten haben, als ein Kün digungsschreiben?" „Ein — Liebesbrief war drin!", lachte der Kläger köstlich amüsiert. Pcluschkes Verteidiger sank wie ein Halbohnmächtiger aus seinen Stuhl zurück. „Ein — Lie — bcs — brics?", stöhnte der Rechtsanwalt. „Scherzen Sie denn auch nicht, Herr Haupert?" „Das Gericht ist kein Ort zum Scherzen, Herr Verteidiger! Der Liebesbrief stammte von Ihrer eigenen Sekretärin. Da ich keine Liebesbriefe mehr zu empfangen pflege, gab ich das Schreiben damals gleich meinem Sohn." „Für den war es natürlich ebensowenig bestimmt", ant wortete Rechtsanwalt Eutknecht, „denn der Bräutigam meiner Sekretärin wohnt austerhalb. Es kann also nur eine ganz üble Verwechslung von zwei Briefumschlägen vorliegcn." „Woran kaum zu zweifeln sein wird", entgegnete Iustizrat Braun. „Na, da bin ich ja in eine schone Patsche hiucingeratenl", wehklagte Peluschken Verteidiger. „Das kann man wohl schon sagen", meinte der Gerichis- vorsitzende lakonisch. „So ist das Teben im Lernen Msten" pflegen die „alten Ost-Asiaten" zu sagen, wenn sich wieder mal irgendwo in Fernost eine Tragödie zugetragen hat, die aus dem Rahmen des „lieblichen" heraussällt. Und dann kippen sie sich einen neuen Whisky ein. wackeln ein Kistchen mit dem Kopse, sagen „tja, tja, t,a ... so ist das Leben im Fernen Osten" und gehen zu einem anderen Thema über. „So ist das Leben in Fernost..." — das dars man wohl auch von der „Tragödie Borisofs" sogen, die sich soeben in Eharbin abge spielt hat. — — Herr Borisofs, ein meister und nicht ganz mittelloser Nossen-Emigrant, war kürzlich oon den in der Ehir- biner Umgebung noch recht rührigen Banditen „aeschnapot" und verschleppt worden. Als Lösegeld verlangte man von ihm einen Betrag, der genau dem Wert des kleinen Häuschens mit Garten entsprach, das dieser sich aus besseren Tagen in die Trostlosigkeit van heute herüber gerettet hatte. Und da die Banditen keinen Spast verstehen und Herr Borisosl keinen Wert daraus legte, seüie Finger, Zehen und Ohren einzeln seiner ver zweifelten Gattin übersenden zu lassen — ein beliebtes Ver fahren, um den Loskauf zu beschleunigen — blieb nichts anderes übrig, als dos Haus zu verkaufen, um mit dem Erlös die Freiheit des Mannes zu erkaufe». Nun verstand Herr Bori- soff aber etwas Chinesisch und hatte ans den Gesprächen der Banditen seststellen können, das; er sein Mistgelchick zwei anderen in Eharbin lebenden Russen zu verdanken hatte. Diese standen als besoldete Agenten im Dienst dieser Räuberbande und batten dafür den Banditen lausend Informationen über zahlungsfähige „Objekte" zukommen zu lassen. Als Herr Borisofs nun als armer Mann aus der Gefangenschaft nach Hause Kain, wollte er sich natürlich Klarheit verschaffen Also steckte er seine Pi stole ein und suchte die beiden verdächtigen Landsleute, Dimi- Iriesf und Pautow geheissen, auf, zumal sie auch von de» „Nach barn" ganz offen der Zusammenarbeit mit den Banditen be schuldigt wurden. Borisofs stellte also die beiden zur Rede und verlangte die Herausgabe eines Teils des Lösegeldes, was die beiden Russen natürlich verweigerten. Darob entspann sich ein Streit, Borisofs rist die Pistole heraus und schost in einem Anfall von sinnloser Verzweiflung die beiden Landsleute über den Haufen.. Der Mörder wurde sofort verhaftet, Prozest, Gerichtsverhandlung und — — — Verurteilung zu fünfzehn Jahren Zuchthaus. Vor Mannten wurde in Brooklyn ein Kangstermord ver übt. Die Untersuchung verlief, wie das in solchen Fällen zu gehen pflegt, im Sande. Keiner der Zeugen wollte etwas ge sehen haben, obwohl der Verdacht sehr stark auf einem bekann ten Garagenbesister und Racketeer fiel. Es geschah auch nichts, als das Gerücht langsam durchsickertc, jener Gangster habe nicht nur die Grostgcschworenen, sondern auch die Staatsanwaltschaft bestochen. Das Gerücht wurde lauter und schliesslich pfiffen es die Spatzen von den Dächern. Rian wustte sogar, wieviel an Schweigegeldern bezahlt worden war. Da sah sich der Gou verneur des Staates Newyork veranlasst, einen Sonderstaats anwalt zu ernennen — ehrenamtlich — der mit der Untersuchung des Falles beauftragt wurde. Der „Druckman"-Mordsall er langte nationale Berühmtheit, denn er förderte ein Bild von Korruption'zutage, wie wir cs uns kaum vorstelleu können. Die Schöffen waren bestochen, die Polizei war bestochen, die Assistenten des Staatsanwalts ebenfalls und er selbst war mit notorischen Gangstern und entlassenen Sträflingen eng befreun det. Die Untersuchung dauerte sieben Monate. Vater und Sohn Druckman wurden auf den elektrischen Stuhl geschickt. Mister Todd der Sondcrstaatsanwalt, wurde von der Presse als Held gcsciert, der der Menschheit Brooklyns einen grossen Dienst erwiesen hatte. Selbstverständlich widmete Herr Todd nicht seine ganze Zeit dem Druckman-Fall. sonst hätte der schon in sieben Tagen beendet sein können. Nebenher betrieb er eine äusterst einträgliche Rechtsanwaltspraxis. Vor vierzehn Tagen präsentierte er der Stadt Newyork seine Rechnung tür das Ehrenamt: 80 000 Dollar. „Ich berechne", erklärte er bescheiden, „nur 60V Dollar den Tag und ZOO Dollar besonders für jede Gerichtsverhandlung salles in allem 250V Mark täglich). Ehre steht, wie man sicht, hierzulande nicht hoch im Kurs, es sei denn gegen angemessene Belohnung. Tas ist nun einmal die Einstellung des Amerikaners seiner Regierung und aller Obrigkeit gegenüber: er betrachtet sie als notwendiges liebel: und für ein Uebel arbeitet man nicht umsonst. Um dem ver hakten Zwang der Obrigkeit zu entgehen, um kein anderes Gesetz als das der Natur anerkennen zu müssen, schlug sich Ledcrstrumpf sein ganzes Leben lang mit Indianern herum. Mit dem Vordringen der Zivilisation nach Welten zog auch er weiter, immer auf der Suche »ach Freiheit und Ungebundeubeit. Ein Stückchen des alten Lederstrumnf steckt noch in seinen Nach kommen. Von Jugend auf hören sie: der Staat bat die Pflicht, seine Bürger zu schükcn. Er zieht das Geld dem Steuerzahler aus der Tasche und füllt damit diejenigen seiner Beamten bzw. der Partei, die gerade g», Ruder ist: ein Teil wird auch für Strasten. Brücken und Schulen ausgegebeu. aber dann sind der Slrasten-Ingcnieur, der Brückenbauer und der SchustnsvekGr Parteileute. Kommt er einmal mit keiner Regier"»» in Be rührung. dann wird er lie in erster Linie als eine Mückkuh be trachten. Das führt zu Misttraucn gcaen die Regier»»», z„ einer ständigen inneren Rebellion gegen alle Gesetze. Es äustert sich im öffentlichen Leben in hundertkö'tiaer Fann, »an betont^ Formlosigkeit im Verkehr zwischen Beamten und Publikum bis zur Korruption. Lassen wir einmal Wilhelm Schulze aus Deutschland eine kleine Reise machen. Schon bei der Pastkontrolle auf dem Dampfer vor der Ankunft erhält seine wohlgewahrte Würde den ersten Stoh. Da gibt ihm der amerikanische Zollbeamte, den er eben zum ersten Mal in seinem Leben sieht, seinen Paiz Braucht Givens weniger schritte? Ist es Zufall, dast sich immer wieder ein Negeralsder Welt schnellster Läufer erweist? Jesse Owens selbst äusterte sich dahin, dast es in USA jetzt genügenden Nachwuchs an ausgezeichneten meisten Sprintern gebe. Andererseits sollen ame rikanische Aerzte feslocstellt haben, dast ein günstigerer Nei gungswinkel zwischen Becken und Oberschenkel bei den Negern diesen erlaubt, bei gleichem Kraftaufwand um 8 bis 10 cm längere Schritte zu nehmen. Das wäre allerdings eine Lösung der Frage, warum die Negersprintrr schneller sind. Um noch kurz bei diesem Fall zu verweilen: die Film st a m e r a hat ja den „Flug" der sechs schnellsten Sprinter um di» Goldene Medaille fcftgehaltcn. Wer also gute Augen hat und schnell zählen kann, braucht nur die Schritte nachzurechuen. Die Frage lautet: Brauchte Owens weniger Schritt« als der Holländer Osendarp? „So kommt das Gericht nicht weiter, Herr Haupert! Sie wüsten schon etwas näher aus die Cache eingehen." „Na, schön! Der Tag hat so angefangen: wie ich aus dem Bett steige, wird mir von meiner Frau ein kaum lauwarmer Kasse« vorgesetzt. Ich kriege die Wut, dast ich hätte Bäume aus reisten können, denn bei mir must ein Kasse« Heist sein, wenn er schmecken soll. Drei Minuten später kommt mir der Postbote mit einem halben Dutzend Machend briesen ins Haus gefallen." „Was, Wochendbricse?" .Zawohl! Das sind Briefe, die den berühmten Wortlaut haben: .Wenn Sie bis zum Ende der Woche nicht bezahlt haben, usw.' Kaum habe ich diesen Aergcr bestanden, als mein kleiner Cohn Erwin, den meine Frau nach Brätchen geschickt hatte, ganz austcr Atem ins Zimmer gestürzt kommt. „Vater, weisst du schon das Neueste?", keucht er aufgeregt, „Peluschke zieht aus!" Ich denke, mich rührt der Schlag. „Du willst mich wohl ver kohlen", gebe ich zur Antwort. „Wie kann Peluschke ausziehen, der hat ja überhaupt nicht gekündigt." „Aber, wenn ich dir's doch sage," grinst mein Söhnchen, „er zieht tatsächlich aus. Vor dem Haus hält ein ganz groster Möbelwagen und die Zichleute haben schon das Klavier hinuntergeschafst." „Wie von einer giftigen Fliege gestochen, sause ich in die Hohe und renne zum Treppenhaus. Wie ich mich über das Treppengeländer beuge, sehe ich, wie die zwei baumlangen Kerle von der Transportsirma sich gerade mit dem Bücherschrank ab quälen. „Peluschke!", kreische ich aus Leibeskräften. „Was geht hier vor? Sie sind wohl des Teufels?" Nach einer Weile kommt Peluschke ganz breitbeinig und ge lüsten aus seiner Wohnung, in der linken Mundecke die alt modische, verharzte Grostvaterpiepe. „Sie wissen doch, das; heute Zichtag ist. Wie kommen Sie dazu, mich anzufauchcn?" Als sich Herr Peluschke gleich hinterher anschickt, seine Piepe unmittelbar vor meinen Fristen auszutlopsen, hebe ich die Hand, um ihn daran zu hindern. Meins Armbewegung aber scheint Herr Peluschke mistverstanden zu haben, denn schon zwei Sekunden später hatte ich eine Backpfeife sitzen." „Die Sache mit der Vackpseise stimmt nicht," unterbrach Psluschkes Verteidiger, Rechtsanwalt Eutknecht. „Mein Man dant hat Herrn Haupert überhaupt nicht angerührt, hingegen ist Herrn Peluschke von dem Klüger der Eummikragen samt dem Selbstbinder vom Halse gerissen worden." „Hier handelt es sich weder um die Klärung der reichlich »weiselhasten Eummikragengeschichte", wandte Iustizrat Braun, der Rechtsbeistand Hauperts, ein, „noch um die Feststellung des Schuldigen, der die Szene im Treppenhaus hcrausbeschworen hat: das Gericht hat heute einzig uird allein die Frage zu ent scheiden: war Herr Peluschke berechtigt, auszuziehen oder nicht? Hier kann es nur entschiedenes „Nein" geben Dem Beklagten fehlte jede Berechtigung, den Umzug vorzunehmen, der Miets vertrag war überhaupt nicht gekündigt worden." „Es hat keinen Sinn, Herr Iustizrat", gab Rechtsan,valt Gutknecht zurück, „hier Katze und Pfaus zu spielen. Ich habe das untrügliche Beweisstück für das rechtmässige Vorgehen meines Mandanten in Händen. Herr Haupert hat also alle Veranlastung, sich vor dieser Tatsache zu beugen" „Ihr Beweis, Herr Kollege", warf Iustizrat Braun ein. „dürfte wohl auf recht schroachen Fasten stehen, denn hier ist nur ein einziges Argument ausschlaggebend: die Kündigung des Mietvertrages wurde verabsäumt, ergo musste Herr Pe luschke wohnen bleiben." „Meinen Sie wirklich?" schmunzelte Rechtsanwalt Eut« knecht mit breithingelegtem Behagen. Recht umständlich, wie einer, der die Süßigkeit des Triumphes ganz bis auf den Grund auszukosten trachtet, kramte der Rechtsanwalt tn seiner Aktenmappe und reichte dem Präsidenten dann ein Schriftstück hinauf. „Hier klebt die postalische Quittung Uber den Ein schreibebrief, vom 10. Dezember 1065, durch den Herrn Haupert die Kündigung -»gestellt wurde. Die Kündigung ist also recht- »eitig erfolgt« Der Präsident machte graste Augen, während Herr Haupert und sein Verteidiger lebhaft aufeinander einsprachen. „Nun, was hat es mit dem Einschreibebrief vom 10. De zember aus sich?" wandte sich der Vorsitzende nach einer Weile an den Kläger. „Ich habe keine Kündigung von Herrn Pe luschke erhalten, Herr Präsident", erklärt« Haupert. ,Wls käme ich sonst dazu, Herrn Peluschke zu verklagen?" „Der Kläger klammert sich an einen Strohhalm" er- «iscrte sich Rechtsbcisland Eutknecht. „W"enn Herr Haupert wirklich auf den Dreh hinaus will, dast er den Einschreibebrief nicht erhalten habe, dann must dem Kläger entgegengehalten rverden, dast bei der austerordentlichen Vervollkommnung des postalischen Veförderungsapparates heute schon für die lieber- mittlung eines gewöhnlichen Briefes eine hundertprozentige Sicherheit besteht . . . Und Herr Haupert möchte uns gar glau- ben machen, das er nicht einmal den Einschreibebrief bekommen hat?" „Ich erkläre zum letzten Male", versicherte Haupert mit feierlich erhobener Stimme, „dast mir kein Einschreibebrief mit einer Kündigung zugeschickt worden ist, wohl aber hat mein erwachsener Sohn vor einigen Monaten einen Ein- schreibebries aus dem Büro des Herrn Rechtsanwalts Gut- knecht erhalten." „Ihr Sohn???", erstaunt Peluschkes Verteidiger. „Wie heißt denn Ihr erwachsener Sohn mit Vornamen" »Genau so wie ich." mit den Worten zurück: „Nun las; Dir's in Amerika gut gehen, Wilhelm". Der Mann untersteht sich also, ihn, den Herrn Wil helm Schulze, zu duzen? Auf der Fahrt zum Hotel überfährt sein Begleiter ein ro tes Licht. Es entspinnt sich folgende Unterhaltung im Brüllton zwischen dem Verkehrspolizisten und seinem Begleiter: Der Polizist- „Bildest du dir vielleicht ein, du Trottel, du seiest Mussolini?" Der Antoiahrcr (noch stärker): „Seh ich vielleicht aus wie Hatte Selassie?" Der Hüter des Gesetzes freut sich über den Reim und schmunzelt. „Ja, um Gottcsmttlen. lässt sich denn der Herr Wacht meister sowas ..?" — der Verkehr geht wciter. In den Parks fällt ihm auf. das; nirgendwo das Zeichen „Zutritt verboten", „Betreten verboten" »iw zu sehen ist. Es ist anscheinend erlaubt, mitten über den Fahrdamm gegen das grüne Licht zu laufen. Nur in der Untergrundbahn wird er einen Anschlag finden: „Im April 10:15 wurden in dieser Stadt 260 Fussgänger vom Auto oetötrt Iw Avril 1006 waren cs 821. Diesen Monat kommst Du an die Reibe — wenn Du nicht die Strohe an den Krenuingen und nur bei rotem Lichte überquerst. Mai 1006, die Pol'-eidireklion." Eine Woche später widerfährt Wtthelm Schulze vielleicht die Ehre, bei Tisch neben Senator >' zu ätzen. Im Laufe der Unterhaltung stellt sich heraus, dah der Senator an zwei Uni versitäten seinen Doktor gemacht Kot, dah er zum Ehrendoktor einer anderen ernannt wurde, dah er der Verfasser mehrerer Bücher ist und ein Vermögen von ettickcn Millionen besitzt Und doch reden ihn seine Freunde und Bekannten nur mit „Joe" an. Keine Titel, keine Amtsmiene, keine Zugeknöpftheit. Uns er scheint das vielleicht als ein Mangel an Respekt, aber es ist etwas anderes, eben iencs Stückchen Lederstrunwi — andere nennen es amerikanische Demokratie etwas kann, wenn auch nicht so kehr ^'"ck Unterwürfigkeit und Worte, als durch die Tat buv den Dollar Nichts ist dem Amerikaner mehr verkässt als starres Schema, feste Form. Disziplin. Es aibt Kaum ein Lane- der Wüt. dessen Rechtsprechung so kompliziert ist, wie die >r Bereinig ten Staaten, wo täglich von den Staaten und der Bui'V-srcgie- rnng ganze Bände von Gesekeu und Verordnungen erlassen wer den. Es gibt auch kein Land wo Geseke fr-st-b fröhlich übertre ten werden. Gon;-amerikanisch ist ein Vorfall, der fick kiirtt'ch im Camp Smitk Newyork. einem Lager des Frciwillioen Ar beitsdienstes. ereignete. Dreihundert neue Freiwtt'-ae woren eingekleidet worden und sollten vereidigt werden. Sü wurden in einen Saal geführt, wo man jedem eine Eidesurkunde zur Unterschritt vorlegte. „Ick schwüre der omerikorn'chen Regie rung Treue", hies; es lediglich aus dem Bogen. Die Urkunden waren verteilt, es entstand eine minutenlange Stille un Saal. Jeder der Sechzehn- bis Achtzehnjährigen starrte auf das ver hängnisvolle Dokument und brütete st'.unpf vor sich hin Schiieh- lich stand einer auf und sagte: „Ich gebe. Ich loste mich nicht von der Regierung übers Ohr kauen." Es bedurfte aller lleber- redungskunst der anwcseuden Offiziere, um den Jungen klar- zumachen, dos; die Bundesregierung durchaus keine bösartigen Absichten Hobe, dost sie ihnen doch nur Helsen wolle. Zwanzig von ihnen pocktcn trotzdem ihre Ranzel und zogen ab. Lieber in ihre Newnorker Hungerkasernen zurückkehren, als sich dem „Government" mit Haut und Haaren zu verschreiben. Ein bekannter amerikanischer Journalist sagte vor kurzem: „Amerika ist keine Rasse, kein Regierunassystem. nicht einmal eine Nation, sondern eine Lebensweise. Plan erkennt es daran, das; nichts bestimmt ist Der Amerikaner kam hierher in erster Linie auf der Suche noch Wechsel und Bewegung Er ist nie sesshaft aeworden Er kennt keine dauernde Stadt, keine von den Vätern ererbten Aecker, keine unzerbrechlichen Gewohn heiten Er ist so fliehend wie ein Wassertropfen in einer Ge sellschaft, die ebenso im Flust befindlich ist wie er selbst." zusammengesetzt", rief er aus, „die ein englischer Richter einmal als sklavisch bezeichnet hat!" Der tüchtige Verte diger hatte ober mit seinen Argumenten kein Glück, da dec Rich'er durchaus nicht einsehen wollte, worin die Sklaverei oer verschiedenen Klauseln und Bedingungen be stehen sollte. Der Schiedsrichter gar fand den Vertrag sehr nabel und vor allem die Gage bemerkenswert hoch Das Gericht vcrurteütv die Schauspielerin sehr uirgalant zu einer Strafe von 1530 Pfund, die von ihr. die noch mit Svu- ran der Atelierschminke im Gesicht erschienen war. unter Pro test angenommen nnirde. Sehr verärgert erklärte sie nachlier, dast sie dieses Urteil nicht wegen des Geldbetrags, den sie ver schmerzen könne, sondern wegen oes Prinzips treffe, das sie ver fechten ivollte. „Ich bin keine Anfängerin mehr", sagte sie. „der von der Firma alle möglichen Vorschriften gemacht werden rnüssen, wie sie sich benehmen soll, was sie wiegen darf und was sonst noch sein darf und nicht fern darf. Ich bin eine bekannte Schauspielerin und -terveninonsck geling. um nicht allein von meiner Gage leben zu können. Ich brcruclx' Anerkennung, auch von meiner Firma. Und lvenn meine Firma sich so feindselig zu m»r verhält, dann bin Ich eben austerstande künstlerisch etwas zu Kisten. Während meiner Arlxit imch ich fühlen, dal; man mich schätzt, dost man für und nicht gegen mich ist. Aber ich weroe weiter gegen diese Versklavung känusten. Vielleicht gibt mir «In anderes Gericht das Recht, dcu> mir gebührt!" Der Sklavenvertrag der Filmstars Nicht ohne Ironie zitierte der Richter in dem Wiener Prozest gegen die Filmschauspielerin Frances Da y die Worte ihres Anwalts, sie wäre das Opfer eines Skla- veuvcriroges, den sie mit der Produktionssirma Gaumont Bri tish Picinre Corporation geschlossen habe. „Wenn dieser Ver trag Sklave »-Klauseln entlsiilt. dann mären wohl viele in diesem Saal gern in der Lage, das Opfer solcher Sklaverei zu sein", niointe er unter dem Gelächter des Publikums. Gauinont British hatte nämlich dem Star zum Borwurf gemacht, dast er den Vertrag von seiner Seite nicht «nnhalte, mit viel-stündiger Verspätung im Studio erscheine, sich mehrer« Male geweigert habe, zu arbeiten, das eine Mat nicht sprechen, das andere Mal nicht spielen ivollte. Aus diese Weise seien der Fimina nachweisbar grost« Verlust« entstanden, für deren Ent schädigung Frances Day nun aufzukommen habe. Mr. Monckton, der Verteidiger oer Künstlerin, schildert« ober mit bewegten Worten, dast sein« Klientin lediglich «in Jahreseinkommen von 6750 Pfund von der Firma be.vgen hätte, dah der Kontrakt aber nicht realisierbar gewesen sei. -a die Möglichkeiten der Gegenseitigkeit gesehli hätten, aber unbegrün dete Verbote enthafkn gewesen seien. „Er war aus Elementen
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