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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.11.1915
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1915-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19151103022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1915110302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1915110302
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-11
- Tag 1915-11-03
-
Monat
1915-11
-
Jahr
1915
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Seite 2. Nr. 561. Abend-^r-ga^e selbstverständliche Pflicht. WaS auS freien Stücken nicht erreichbar ist. must erzwungen werden. Jetzt, in Deutschlands schwerster Stunde, mutz die Landwirtschaft zeigen, daß sie nicht nur Klagen und fordern kann, sie must zeigen, datz sie den Ernst der Zeit erkannt hat — Satz sie der Allgemeinheit gegenüber eine Ehrenschuld adzutragen hat. — Einst wird der Frieden kommen, vor dem Richterstuhle der Nation wird manches klargclcgt werden. — LS wär« bedauerlich, wenn dann die Landwirtschaft dort stehen mühte, wo wir jene finden, die in diesem Kriege — um mich vorsichtig auSzudrücken — nicht richtig gehandelt haben." Das sind mik anderen Worten dieselben Gedanken, die im wesentlichen auch unseren Ausführungen während der letzten Tage zugrunde lagen. Dabei ist dieser Landwirt IunghannS vor dem Kriege einer der überzeugtesten Anhänger des Bundes der Landwirte gewesen und hat in seinem Bezirk im Geiste des Bun des lange Jahre gewirkt. Die Liberalen und Industriellen hatten mit ihm in mancher politischen Bcrsammlung manchen harten Strauß ausiufechlcn. Der Krieg, an dem er als Leutnant der Re serve tcilnahm, und in dem er so schwer verwundet wurde, datz er zum Invaliden ward, hat auch in ihm, wie in so vielen deutschen Brüdern, eine gesunde Wandlung vollzogen. Er hat sich — woran die grotzagrarischen Führer des Bundes der Landwirte allerdings nicht denken — nicht gescheut, umzulernen, und weitz nun die Rot, unter der Millionen der arbeitenden Bevölkerung und des Mittelstandes leiden, zu würdigen. An Ihm Hal sich erfüllt, was ein einfacher Arbeiter in einer württcmbergischen Stadt, Adolf Hahn mit Namen, in einem bei Strecker und Schröder-Stuttgart erschienenen lesenswerten Büchlein schrieb: .In dem Einerlei der feldgrauen Uniform verschwinden die Standcsunterschiedc, in den Gefahren und Entbehrungen der Schützengräben sinken die Schran ken der Vorurteile dahin, und der Mensch kommt dem Menschen näher. Die Grötze der gemeinsamen Ausgabe, das Vaterland zu schützen, lätzt vieles klein und bedeutungslos erscheinen, was bisher trennend zwischen ihnen stand.' Mir hoffen, datz dieser Geist, trotz aller Widerstände, die er in den Handlungen grotzer Kreise findet, nach dem Kriege sich dennoch durchsetzen und auch viele ge sunde Wandlungen vollziehen wird, wie sie bei dem Landwirt IunghannS in Nödenitzsch bei Schmölln im Malcherland in die Er scheinung trat. Dann wird die deutsche Landwirtschaft auch den ungesunden eigennützigen Geist überwinden, mildem, nicht zu ihrem Vorteil, der Bund der Landwirte sie erfüllt hat. Die aLgememe Kriegslage Don Major a. D. von Schreibershofen. Es ist begreiflich, datz das Hauptinterene sich augenblicklich auf die Vorgänge des serbischen Kriegsschauplatzes vereinigt, wo die Zentralmücyte und Bulgarien von Er>org zu Er folg schreiten, und wo beinahe täglich von neuen Siegen und be trächtlichem Raumgewinn zu berichten ist. Darüber darf aber die Kriegslage aus den übrigen Kriegsschauplätzen nicht vernachlässigt werden, denn nur wenn dorr unsere Lteuungen gehalten und gegen alle feindlichen Angriffe verteidigt werden, kann die Vjsensive gegen Serbien in der bisherigen Weise weiter geführt werden, und auch nur dann ist cs möglich, datz die erzielten Fortschritte uns in vollem Ilmfange zugute kommen. Denn cs würde von schwer wiegendem Einfluß aus die ganze Gestaltung der militär- volitischcn Lage sein, wenn wir zwar in Serbien weiter siegreich sortschritten, aber in Frankreich oder an der italienischen Grenze vor einem siegreich vorgehenden Gegner zurückweichen müssten. Eine derartige Besorgnis ist aber gänzlich unbegründet. Die Lage hak sich auf allen Kriegsschauplätzen weiterhin günstig für uns entwickelt, überall haben die Verkündeten die Kämpfe erfolgreich durchgeführk, sodatz wir uns der in Serbien erzielten Erfolge aus vollem Herzen und ohne jede Beeinträchtigung erfreuen dürfen. Auf dem westlichen Kriegsschauplatz hatte die letzte französische DurchbruchSoNcnsive nur an einzelnen Stellen gering fügige örtliche Erfolge erzielt, die ohne jede Einwirkung auf die Gesamtlage gebtzeoen waren. In den letzten Tagen ist es den deut schen Truppen gelungen, den Franzosen wiederum einige Teile der früher verloren gegangenen Stellungen zu entreißen. Dies war namentlich bei Neuville, auf der Front Lille—Arras, nnd bei Tahurein der Ehampagne der Fall. Bei letzterem Orte wurde die nordwestlich des Dorfes gelegene wichtige Höhe 193, allgemein als „Butte de Tahure" bekannt, zurückerobert. Die Franzosen hatten diesen Punkt, der eine beherrschende Lage auf die ganze Umgebung ausübte, sofort nach der Besitznahme stark ausgebaut und befestigt, desto grotzer ist der von den deutschen Waffen er zielte Erfolg zu veranschlagen. Seine taktische Bedeutung tritt namentlich hervor, wenn man seine nahe Lage zu der nördlich davon vorbeisührenden Eisenbahn berücksichtgt. Die Bedeutung der Kämpfe gehl auch aus der großen Zahl von Gefangenen hervor, die den Franzosen abgenommen sind. Vergebens haben die Franzosen versucht, durch Gegenangriffe sich wieder in den Besitz dieses wichtigen Gclündepunktcs zu setzen. Alle Angriffe wurden abgeschlagen. Datz die Weltmächte ihr Operationsziel, die Ver ¬ treibung der Deutscycn vom französijcycn und belgischen Boden, nur ourcy eure ^n^nstve errcicyen twnnen, ist klar, ^cacydem aoer aue 2-urryvruu-sveriurye bisher gunzttcy gesiyeilerk sino, ist es jragsicy, ob die Weltmächte laiiaa-ncy wiever Lust und Neigung verspüren, einen neuen Angrisf zu unternehmen. Um ihm eine gesicherte, aussichtsreiche Grundlage zu geben, mutzten jedenfalls bedeutende Streitkräfte vereinigt werden. Ob die Westmuchte gerade setzt dazu in der Lage sind, dürste fraglich er scheinen. Alte diejenigen aber, die sich für den Gedanken eines neuen Angriffes in Frankreich und England erwärmen, müssen sich auch gegen die Saloniki- und Dardanellenunternehmen aus sprechen, weil es nur zu einer Kräftezersolitterung führt. Zu diesen Vertretern hat sich neuerdings auch der bekannte englische Oberst Nepington gesellt, der militärische Sachverständige und Kritiker der .Times . Er halt das Salonikiunternehmen für gänz lich unnütz, weil es zu spät gekommen sei und den Serben keine Hilfe mehr bringen könne. Aus dem östlichen Kriegsschauplatz haben an ver- ' schiede,icn bleuen russische Angrifse startgcsunoen, die aber überall ! ubgcw,cien wurven. ^ucy die grvjze russische ^-egenossensive in Wolhynien uno in Ostgalizien ist gänzlich gescheitert. Die ^erbaiidetrn haben auf der ganzen Front von der Ostsee bis zur rumänischen Grenze ihre Stellungen fest in Händen gehalten und aite scinülichen Angüsse abgeunesen. Wenn sie sich auch i slraleg,^- desensiv verhalten, so sind sie doch mehrfach takt.sch osfenslv vorgegangcn, so an der Dunalinic gegen Riga und Dunaburg, wo der deutsche Angriff zwar langsam, aber stetig vor schreitet, ferner in Wolhynien, wo die Heeresgruppe Linsingen am Styrabschirill .n der Gegend westlich von Lzartorysk und Komarow weitere Fortschritte gemacht hat. Von einer gro zen Offensive ist aber auch hier nickt die Rede, sondern es handelt sich mehr um örtliche Kämpfe, um die Russen über den Elyrflutz wieder zurückzuwcrscn. Datz dies erreicht wird, ist der beste Be weis für die Erfolglosigkeit der russischen Offensive. In russischen und auswärtigen Blättern ist immer noch viel von einem gröberen , Unternehmen gegen Bulgarien die Rede. Da der Landweg > durch Rumänien verschlossen ist, kann dies nur auf dem See wege und mit Hilfe einer Landung an der bulgarischen Küste er folgen. Angeblich soll auch in öüdrusstand schon für diese Zwecke eine Armee zusammen gezogen sein, und Kürzlist) wurde auch der General Bnsiiosf als der wahrscheinliche Führer dieses russischen LrpcdikionsbecreS genannt. Es läßt sich aber noch nicht erkennen, ob diesen Angaben tatsächliche Verhältnisse zugrunde liegen. Jedenfalls dürfen die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens nicht unterschätzt werden, und es wird wohl noch längere Zeit dauern, ehe die russische Transportflotte tatsächlich an der bul garischen Küste erscheint. Seit mehr denn 14 Lagen haben die Italiener einen ge waltigen ANsiurm gegen die Stellungen der öjlerreichisch-ungari- fa-en Truppen an der ualienßcyen wrenze gerichtet. Zum drstten Aral versuchen sie mit allen verfügbaren Kräften den Durchbruch zu erzwingen, aber auch dieser dritte große Angriff ist erfolglos verlaufen. Mit Mindestens 25 Divisionen, also Mit einer HeereS- ulasse von etwa 400 000 — 500 000 Mann haben sie ihre Angriffe gleichzeitig gegen die Stellungen bei Trient, in den Dolomiten, im Kürntnerlandc und an der Isonzofront gerichtet, auch die letzten Armee- und Heeresre erven wurden dazu eingesetzt, aber unerschütterlich hielten die he denmütig kämpfenden österreichisch ungarischen Truppen ihre Stel ungen fest und verteidigten sie hart näckig gegen den italienischen Ansturm. Nur einzelne Vor-Stel- lungen gelangten in den Besitz der Italiener, was für die Gesamt lage ohne jede Bedeutung ist. Und diese kleinen Erfolge mußten die Italiener mit einem Verluste von mindestens 150 000 Köpfen bezahlen, was etwa 30—35 Prozent der Kampfesstärke ausmacht, eine außergewöhnlich hohe Zahl, die auf die Hartnäckigkeit des Kamvses, aber auch auf den tapferen Widerstand unserer Bundes genossen ein Helles Licht wirft. Nach den letzten Nachrichten scheinen die Kämpfe jetzt nachzulassen und die italienische Offensive ihren Höhepunkt überschritten zu haben. Und sollten selbst die An griffe in den nächsten Tagen wieder aufflackern, so dürfte es sich dabei nicht mehr um einen großen allgemeinen Angriff, sondern nur noch um örtliche Vorgänge handeln, da die Italiener bereits ihre sämtlichen Kräfte eingesetzt haben, und die neuen Angriffe mit denselben Truppen durchgeführt werden müßten, die die Ver geblichkeit des Ansturmes bereits an eigenem Leibe erfahren haben. So halten die deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen, sowohl in Frankreich und Rußland, als auch an der italienischen Grenze ihre Stellungen fest in Händen, überall wurden die feind lichen Angriffe abgewicsen, sodatz die serbische Offensive ungestört durchgeführt werden konnte. Den heldenmütig kämpfenden Truppen, die dies erreicht und die in schwierigem, anstrengendem Kampfe in ihren Stellungen ausgehalten und dadurch unsere Flanken und Rücken gesichert haben, gebührt aber unsere höchste Anerkennung und Bewunderung. Mittwoch, 3. November ISIS Rußland und Galizien Verbot des AlLoholverLaufs für Apotheken in Rußland Telegraphischer Bericht rvtb. Kopenhagen, s. November. .BerlingSke Ttdende" meldet auS Petersburg: Der Minister deS Innern Chwostow hat eine Verordnung der Gesundheitsbehörde unterzeichnet, nach welcher es den Apotheken verboten ist, Alkoholpräparate ohne Rezept zu verkaufen, ausge nommen ist nur der nicht trinkbare Alkohol. Man sucht gegenwärtig eifrig nach einer Methode der Denaturierung, die es unmöglich machen soll, Alkohol zu berauschenden Getränken zu verwenden. Unter dem Vorsitze deS Unkerrlchtsinspeklors des Moskauer Bezirkes wurde «ine Beratung abgehalten, an der Vertreter der Militärbehörden und des Roten Kreuzes sowie Schulleiter teilnahmen. Ls wurde über die Frage der Umwandlung von Schulen in Hospitäler beraten. Neun Mos kauer Gymnasien sind bereits in Hospitäler ver wandelt. Eine neue Anleihe Rußlands in Amerika Telegraphischer Bericht tu. Zürich, 3. November. Aus New Tork wird gemeldet: Rußland verhandelt wegen Aufnahme von 100 Millionen 7prozentiger Schatzwechsel. Frankreich und England Zoffres Bericht über seine Englandreife TelegraphischerBerlcht tu. Lyon, 3. November. „Republicain" meldet aus Paris: General Ioffre wurde nach seiner Rückkehr aus London vom Präsidenten und dem Ministerpräsidenten empfangen. Ioffre er stattete Bericht über seine Englandrelse und erklärte, sehr zufrieden zu sein. Zu dieser Meldung steht allerdings folgende Nachricht in schreiendem Widerspruch: dm. Amsterdam, 2. November. Die „Daily Mail' schreibt: „Wir sind in der Lage, zu berichten, daßIoffre nach London kam, weil er endlich wißen wollte, was auf dem Balkan geschehen soll. Er ging nicht fort, bis er von den 21 Mitgliedern des Konversakionsklubs, der sich Kabinett nennt, erreicht hatte, was sonst nie aus ihnen herauszukriegen ist: ein entschiedenes Ja oder Nein. IoffreS sehr deutliche Bemerkungen über die Lage gingen als ein Nervenchok auf Downing Street nieder, wo man dergleichen nach fünfzehnmonatiger gegenfeikiger Bewunderung der KabinettS- minister nicht gewohnt war.' Der neue Militärgouverneur von Paris Telegraphischer Bericht vtd. Paris, 3. November. Meldung der „Agence Havas": General Maunoury ist als Nachfolger Gallienis zum Militär-Gouver neur von Paris ernannt worden. Französische Stahlhelme für englische Soldaten Telegraphischer Bericht vtb. London, 3. November. „Preß Association" meldet aus dem Hauptquartier, daß eine gewisse Anzahl englischer Truppen nach fran zösischem Vorbild mit leichten Stahlhelmen zum Schuhe gegen Schrapnells und Bombensplitter versehen wor den ist. Die Schwierigkeiten mit dem Wehrpflichtgesetz in England Eigener Drahtbericht (r.) Amsterdam, 3. November. Aus London wird gemeldet: Kilchener habe dem letzten M i - ni st errat nicht beigewohnt. Er äußerte öffentlich zu Politikern seine Unzufriedenheit mit der fortdauernden Ver zögerung des Wehrpflichtgesehes. Fahnenflucht Roman von Guido Kreutzer <Nachdruck verkoken.) In diesen herben, schmucklosen Morten lag eine Ehrlichkeit, die den langen blonden Agrarier unendlich sympathisch berührte. Es war plötzlich etwas Verwandtes zwischen ihnen beiden — eine Harmonie des Grundakkords — ein Gleichstand des Empfindens, vor dem er seine Unsicherheit in Gottes Namen zum Teufel jagen konnte. Und ein Zwang trieb ihn, noch einmal nach der Hand des Aelteren zu greifen. „Wenn wir nur alle drei mit ehrlichem Herzen zueinander stehen, Herr Direktor . . . also dann Kanns ja gar nicht fehlen!' Der Bankier Gruscndorf sah sekundenlang scharf prüfend in daS noble, offene Gesicht init den Hetzen blauen Augen und dem langausgezogenen dünnen Schnurrbart. „Ich danke Ihnen, lieber Baron . . . auch ich zweifele nicht. Die Vorgeschichte dieser Verbindung mag manchem vielleicht selt sam erscheinen, doch ich bin überzeugt, die Zukunft wird uns recht geben — auch wenn wir so eigenmächtig waren, der üblichen Konvenienz monatelangcr Entwicklung durch eine offene Aus sprache vorzugreisen!" Dafür hatte der Hans-Krischan bloß ein Achselzucken übrig. „WaS . . . andere Leute!" . . . ein steisnackiger Banerntrotz sprach da mit. . . „Die haben sich den Dcuwcl darum zu scheren! Wie Sie die Sache cingerenkt haben — also famos! ganz famos geradezu! Auf solche Art eine Frau zu Kriegen ... da steckt doch waS drin! Nicht dies verfluchte Rumlämmcrn mit Worten und süßen Redensarten und Augenplinkcrn und so . . . nicht Him beeren mit Schlagsahne, sondern eine Frage — eine Ant wort . . . Schluß, Kutz, Julius! .Wenn man von keinem Menschen abhängt — warum soll man Rücksicht nehmen?! Und im übrigen ... unser Kram ist doch weitz Gott rein und zweifelsohne!' „Abhängen?" . . . wiederholte der Aeltcre; nur das eine Wort schien in ihm haften geblieben zu sein . . . „Nein — ab hängen werden Sic von keinen'. Menschen; denn cS ist ganz selbst verständlich, datz ich . . .' Sein künftiger Schwiegersohn hob jählings den Kopf. .Was ist selbstverständlich?' „Datz ich meiner Tochter eine Mitgift gebe — entsprechend der Partie, die ste macht!' Da lächelte der Jüngere; aber um seine Augenwinkel ging ein böses Zittern. .Jetzt werd' ich Ihnen mal etwas sagen, Herr Direktor; wobei ich gleich bemerke, datz es in dieser Angelegenheit mein letztes Wort ist: „Ich heirate Ihre Tochter, aber nicht Ihr Bankkonto! Geld fragen gibt's nicht bei einer Ehe, die ich eingehe. Wenn auch Barranowo keine Goldgrube und kein Spckulationsobjekk ist — es wirft seinen anständigen Grundsteuerreinertrag ab; und zwei tausendvierhundert Morgen löhniger Lehmboden werden schließ lich auch noch einen zweiten Menschen neben mir satt machen. Seien Sie unbesorgt — nach Ihrem Tode sehen wir schon, wo wir bleiben. Bis dahin aber — verschonen Sie mich mit all sol chem Kram und verderben Sie mir nicht den heutigen Tag. Ich hab mal bei einem Schriftsteller, den ich sehr verehre, das Wort gelesen: „Eine reiche Heirat ist der Traum von Barbiergesellenl' — lind wenn der Kerl sonst keine vernünftige Zeile weiter ge schrieben hätte — dafür möcht' ich mit ihm Schmollis trinken! Einer von unserm Schlag mutz Manns genug sein, nach seiner Neigung zu heiraten. Oder man soll ihm das Adelsprädikat ab erkennen und ihn in einen Unterrock stecken!" Der Bankier Grusendorf war blaß geworden. „Was . . . was soll denn das heißen, Baron?" Und der lange Ostade darauf dreibastig und arrogant: „Datz man sich bloß dann an eine Frau ranmacht, wenn man weitz — die Holste dir, so oder so! Datz man selbst in der blöd sinnigsten Leidenschaft niemals die Direktion verliert, sondern immer der Herr bleibt. Herr seiner Handlungen — Herr seines Gewissens — und Herr auch der Frau, die man begehrt. Sonst ist man ein erbärmliches Subjekt. Denn . . . natürlich, ich kann mich ja infam irren, aber ich meine doch: — für einen Kerl ist das Höchste auf der Welt nicht die Liebe, sondern die Selbstachtung und dos Herrcnbewutztsein. Und ich für meinen Teil sage: — der Deuwel soll jeden holen, der mir davon, bewutzt oder unbewußt, auch bloß ein Titelchen nehmen will!" Der Bankier Grusendorf hatte wie in innerem Frösteln die Schultern zusammengezogcn. Er antwortete nicht; er nickte nur stumm. In den beherrsch ten verschlossenen Zügen wieder die müde apathische Resignation. Xll. Der Oberleutnant von Brack hatte die Tür seines Pensions zimmers leise hinter sich ins Schloß gezogen. Er warf Hut und Mantel beiseite, dann blieb er aufatmend mitten zwischen Tür und Schreibtisch einen Moment stehen. Gut, daß ihn draußen auf dem Gang niemand getroffen und mit neugierigen Fragen über Kitty Brusendorfs Befinden angefallen hatte! Es wäre ihm eine Tortur gewesen, Rede und Antwort zu stehen. Diese fiebernde Unrast seit heute mittag — seit er mit dem alten Bankier ge sprochen! Er sah sich widerwillig um — wie nüchtern das alles hier anmutete — wie schablonenhaft — wie unwohnlich trotz Klubsessel und imitierten Gobelins und französischem Himmelbett! Und hier hatte er länger denn einen Monat gehaust! Er begriff sich nicht. Er dachte mit plötzlicher ungebärdiger Sehnsucht: — «Na ... bis morgen. Dann hat der ganze windige Zauber Gott sei Dank ein Ende. Lieber in Ostrowö oder Bruchsal oder Schubin, als gerade hier — als gerade in Berlin!" Er haßte es förmlich — es hatte ihn zu sehr aus seiner Bahn gerissen. Er hätte am liebsten sofort seine Koffer gepackt. Doch das eilte ja nicht so — die paar Zivilanzüge! Denn seine Uni form . . . natürlich fuhr er in Uniform, selbstverständlich. Ganz dienstlich korrekt. War ja ein Segen von Gott, daß man's über haupt noch durfte. Viel hätte nicht gefehlt, dann wär' der Zylinder in Permanenz erklärt worden. Den Deuwel auch — daß man da noch gerade im letzten Moment stoppen konnte . . . eigentlich war's doch ein direktes Geschenk vom Himmel! Kopfschüttelnd trat er an den Tisch, dessen Mitte eine ent setzlich geschmacklose Visitenkartenschale zierte. Nanu — auf der lag ja ein Brief und ein Telegramm?! Die Depesche vom Onkel Just — wetten, daß? Natürlich: Laszkitten, Post Ezedzin. Alles in Ordnung. Uebernahme ersten April. Bleibe noch ein paar Tage hier. Komme du, wenn möglich, auf Rückweg nach Allenburg für einen Tag hier heran. Justus von Brack. „Justus von Brack" — hakte er unterzeichnet! Sein Neffe sah lange auf diesen Namen. Wie eigentümlich der sich aus nahm: — fremd und doch vertraut. Und alle Wetter — dieser IustuS von Brack war trotz seiner achtundsechzig Jahre ein Kerl, von dem manch Jüngerer an Tat kraft und Initiative einen ganzen Batzen lernen konnte. Machte sich nicht das geringste daraus, datz sein ganzes Haus voll fremder Leute steckte, sondern setzte sich einfach auf die Preußisch-Hessische Staatsbahn und fuhr schlankweg in die „polnischen Wälder", well da ein paar leichtsinnige Hühner seines NamenS vor unterschied lichen hundert Jahren was verloren hatten, das einer doch schließ lich mal wieder holen mußte . . . tFortsetzung in der Morgen Ausgabe.)
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