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. . . / eisrs Steclclian er den beiden Müttern die furchtbare Botschaft Überbringen muß. Das Wunder wird zur Wirklichkeit: die ermatteten Arme Langsam steigen di« Studenten über di« Lavablöcktz. Pro fessor Foglietta hält sein« klein« Schar zusamm«n. „Er hat heut wieder einen bösen Tag, der Krater!" er klärt «r, „sehen Si« bloß die giftigen Dämpse, di« sich zu- sammenballeni Wir dürfen keinesfalls zu nah« an di« Kra- tcröffnung Herangehen!" „Schad«!" brummt Giovanni Tinzio, „wollt« so gern« mal dem ewigen Schmied da unten Let der Arbeit zusehen I" „Nicht spotten, Vannil" schilt Giorgio Costanzo, „hat schon manchen Unvorsichtigen büßen lassen, der ewige Schmied!" Unter d«r Schar geht einer hintenan, einer, der böse Wünsche im Herzen trägt. Angelo Botero haßt den schönen Giovanni Tinzio, well «r Sieger geblieben ist bei der reizenden Beronica Stampa. Und nicht allein in der Lieb« hat ihn Gio vanni überflügelt, auch di« Zuneigung de« Professor» entzieht er ihm nach und nach. Weih Gott, wann er büffelt, der Tinzio, aber er weiß immer mehr al» Angelo und versteht es, sich ganz in der Menschen Gunst zu setzen. Bei den schwelenden Schwefeldämpfen ist Angelo ein häß licher Wunsch «ingefallen: wenn es den Giovanni in die Tiefe zog, wären für Angelo alle Wege frei! Und seitdem bohrt und wühlt der unheimliche Wurm in ihm und di» dunklen Fäden umstricken Giovannis Fllß« und locken ihn näher zum Abgrund. Mit lodernden Augen verfolgt der andere des jetzt so gehaßten Freundes Schritte, «r befiehlt ihm innerlich näher und näher an den Kraterrand heranzugehen und ballt di« Fäuste, um Energien zu sammeln. Professor Fogltetta faßt Angelo» Arm. „Halt, junger Freund, nicht so hart dreinschauen. Ist di» Natur hier oben auch unwirtlich, so haben Eie doch dringend dafür gestimmt, daß der Ausflug zum Krater unternommen wurd«! Schauen Sie hinab über die blühenden Lande da unten. Stellen Si« sich vor, daß Zeit und Leben über versunken« Welten hinweggebraust sind. Sollten wir nicht dankbar sein, di« wir hier oben im Licht stehen und uns an allem Seltsamen hi«r oben und an allem Schönen da tief drunten erfreuen dürfen?" Angelo lächelt für Augenblick«. Gestern noch hat ihn Fogltetta streng angesahven, weil «r nicht» gewußt hat in sei nen Fächern. Nur der Tinzio hat wieder geglänzt. O, der vielgeliebt«, wi« er ihn heut« haßt. Und da entdeckt «r plötz. lich mit geheimem Grauen, daß Giovanni sich von der kleinen Schar entfernt hat, dicht am Kraterrand, von Dämpfen um wirbelt, scheint er Studien zu machen. Interessiert schreitet Angelo näher. Ht«r ist wirklich Ge- fahrenzon« und «» ist vorteilhaft, wenn man drunten in Neapel erzählen kann, daß man in den grausigen Schlund der Erd« hinabgeschaut hat! Gerad« stellt Angelo mit Genugtuung fest, daß Ttnzio auf Lavaschicht steht, di« beim kleinsten Beben von innen heraus sich in den Abgrund senken muß, da fühlt «r mit Entsetzen, daß sich di« Eesteinsmass«, darauf er steht, auch zur Tiefe neigt, und im nächsten Augenblick, ehe er einen Hilferuf ausstoßen kann, wirbelt er, von Schwefeldämpfen umspült, in den un heimlichen Kraterschlund hinab. Er kann nicht mehr zur Madonna beten, alles ist dunkel um ihn und grauenhaft. Aber er fühlt plötzlich an einem furcht baren Schlag durch alle Glieder, daß er irgendwo am Krater rand hängen geblieben ist und zwischen Tief« und Höhe in sie dender Hitz« liegt. Er wagt sich nicht zu rühren, aus Furcht, sofort in» Bodenlose zu fallen. Er sieht über sich da» Krater, rund, da» freien Ausblick in den Himmel läßt. Und da über- fällt Angela «iu tiefer Lämmer über sich selbst und er weiß, daß «r an sich selber sein« bösen Wünsch« in Erfüllung gehen sieht... Droben haben si« den Absturz de» Kameraden sofort ge sehen. Der «rst«, der sich ernstlich um den Abgestürzten küm mert, ist Giovanni Tinzio. Obwohl ihn Foglietta streng zu- rückhalten möchte, mit dem Hinweis aus völlige Unmöglichkeit einer etwaigen Rettung de» Verunglückten, reiht er da» Sicherheitsstil von der Schulter, wickelt es sich um den Leib und ist schon in den ätzenden Dämpfen verschwunden, während di, Kameraden mit aller Kraft das Seil halten. Hätt« Tinzio nicht zur Vorsicht ein Taschentuch um Mund und Nas« gewun den, da» mit stärkendem Wasser getränkt ist, müßt» ihn di« Kraft verlassen. Aber er hat Gtgantenkräfte, er wird dem Tod trotzen, wenn es gilt, einen Freund zu retten! Und «r schreit immer wieder gellend den Namen Angelos in die unh«imlich« Ties« hinab. Da hört er ein ersterbendes Wimmern dicht unter sich und greist im nächsten Augenblick den Körper des Freundes. Mit Willensanstrengung bindet er auch Angelo, so gut es geht in der Finsternis, rin Tuch um den Mund und umschlingt ihn fest mit beiden Armen. Die Kameraden oben verspüren die doppelte Last und be ginnen langsam das Seil emporzuwinden. Professor Foglietta betet laut für die beiden lieben Jungen, die so grausiges Schick sal erleben uird im Geiste stellt er sich den Augenblick vor, da wie Eisenklammern um den ohnmächtigen Freund geschlossen, taucht jetzt über dem Kraterrand Giovanni Tinzio auf und di« Kameraden ziehen die beiden vollends auf sicheres Gebiet her über. Ihre Gesichter sind rauchgeschwärzt, nur langsam arbeiten die Lungen, aber sie leben alle beide und auch Angelos Deist kehrt allmählich in den vom Fall zerschundenen Körper zurück. Professor Foglietta betet. Lauter wundersame, alt« Dank gebet spricht sein Mund fast willenlos aus und mit zitternden Händen rührt er wieder und wieder an die Schläfen der beiden, die ihm so furchtbare Nöte gebracht haben und für deren Leben er sich drunten in Neapel verantwortlich gemacht hat. Da erwacht Angelo Votero und schickt di» erstaunten Blicke in die Rund«, läßt seine Augen auf dem knienden Giovanni hasten, noch unbewußt die Vorstellung tragend, daß ihn der Gehaßte, Geliebte gerettet und geborgen hat. Und unt«r krampfhaftem Weinen, das ihm nach dem grauenvollen Sturz in die Ti«fe zur Erlösung wird, umarmt er den Retter und beichtet, mit sich selber unbarmherzig, fein« häßlichen Wünsch« und die gerechte Vergeltung. „Hättest mich nicht dem Tod ent reißen sollen, Giovanni, der Brand de» Hasses kann nur mit dem Feuer der Tief« erstickt werden!" „Es gibt auch noch einen anderen Weg, Angelo", «rwidert Giovanni ebenso leise, „Haß kann auch durch Liebe erlöschen! Und für dt« Lieb« von Mensch zu Mensch ist kein Opfer z» groh!" ick Kai86r war / Die Ueberschrist dieser Geschichte ist kein« Irreführung. Ich, der einstmalige Schlossergefelle, hab« es in meinen jungen Jahren tatsächlich zur höchsten Würde der österreichisch-ungari schen Monarchie, zu ihrem Kaiser, gebracht, und zwar nicht nur einen vorübergehenden Augenblick lang, sondern sogar für einig» Wochen, beinahe jeden Tag auf ein paar Stunden. Ich war genau mit der gleichen Uniform angetan wie Kaiser Franz Joseph, hatt« dieselben Orden auf der Brust, den gleichen Säbel an der Seit« und trug denselben Generalshut. Der Kaistr re sidiert« wi« immer in der Hofburg und ich in einem weitläufigen Gebäude auf dem Schillrrplatz. Zu jener Zeit arbeitete ich bei einem kleinen Schlossermeister in der inneren Stadt Wiens. Er war ein alter Veteran au» den Kriegen von 18KS und Besitzer der goldenen Tapferkeits medaille, der höchsten Kriegsauszeichnung für einfach« Sol daten. Auf Grund dieser Auszeichnung hatte er von der ärarischen Gebäudeverwaltung den lebenslänglichen Auftrag der kommenden Reparaturarbeiten an allen staatlichen Gebäuden erhalten. Und ein solcher Anlaß sührte nun den Meister und mich auch in die Kunstakademie aus dem Schillerplatz. Im Ate lier de» Professor» der Maleret Siegmund L'Allemand waren ein Türschloß und die Schließvorrichtungen an den Fenstern nicht ganz in Ordnung. Ich entsinn« mich noch, daß der Bote, der dem Meister di« Bestellung überbracht hatte, dabet sehr ge heimnisvoll tat. Das erste, was mir nun im Atelier des Professors aufsiel, waren die vielen großen Militär- und Schlachtengemälde, welch« teils an den Wänden hingen, teils herumstanden. Vor einem Gemälde, der Schlacht bei Cnstozza, blieb mein Meister stehen. Er war daran beteiligt gewesen und hatte sich dort seine Mozeichngna geholt. Nun eriäblte er dem Professor die Ge- Von schicht«, während ich mir die übrigen Bilder besah. Mein leb hafte» Interesse erweckte ein auf der Stasselci stehendes lebens große» Gemälde de» Kaisers. Es war, wie der Professor nach her erzählt«, ein Geschenk für den König von Rumänien. Al» der Meister dieses Bild erblickte, schlug er unwillkürlich dt« Hacken zusammen und stand «inen Augenblick stramin. Dieses Bild fesselt« mich derart, daß ich in wenig respekt voller Weis« unwillkürlich dir Haltung de» Kaiser» angenom men hatt«. Wahrend Professor L'Allemand aufmerksam der Ge schichte meines Meister» folgte, waren seine Augen aus mich g«- richtet. Plötzlich unterbrach er die Erzählung und rief mir zu: „Junger Mann, Sie stehen ja genau so da wie der Kaiser." Wie bet einem Vergehen ertappt, schrak ich aus und stam melte einig« verlegene Entschuldigungsworte. Der Meister warf einen wütenden Blick auf mich und befahl mir, mich an die Arbeit zu begeben. Doch der Künstler beruhigt« ihn lächelnd und fordert« mich auf, neben der Staffelei di« gleiche Haltung noch einmal einzunehmen. Ich tat. wie mir geheißen. Der Pro fessor verglich eine Weile und schüttelte dann den Kops: „Merkwürdig!" sagte er jetzt zu mir. „Sie sind der erst« Mensch, der genau dieselbe Haltung einnehmen kann, wie der Kaiser." Und zum Meister gewendet fuhr er fort: „Ich such« krampfhaft nach einem Modell. Der Kaiser kommt wohl selber her, aber er bleibt mir nie so lange, daß ich auch die Aalten an der Uniform ausarbeiten kann. Wenn er da ist, dann arbeit« ich lieber an seinem Kopse. Ich habe schon eine ganze Meng« Modelle ausprobiert, aber keines kann die Haltung des Kaiser» rinnehmen." Dann forderte er mich auf, ihm für dieses Gemälde jeden Tag ein paar Stunden Modell zu stehen. Ich war natürlich Io» Narsbu im 8pi6l26UZIsnci Richtig fliegen wie ein Vo^el müßte man können — das würde eine solche Reise in die Berge weit angenehmer machen. So darfst Du, seelenvoller Reisender, Deine Kno chen erheblich durchrittteln lassen, ehe Du die Serpen tinen der Gebirgsstraße hinter Dich bringst . . . Aber endlich liegt vor Dir das Ziel Deiner Fahrt, friedlich hingebreitet am Fuße des Pöhlbergs, die Häuser trutzig geschart um die große Kirche wie ein Fähnlein Reisiger um ihren Hauptmann: Annaberg, Kernstadt des westlichen Erzgebirges. Wenn Du die ebenen Straßen der Städte im Flach land gewöhnt bist, dann macht es Dir etwas Mühe, hier immer auswärts oder abwärts zu steigen. Dennoch schaust PIsu6erei sm >Voekenen6e Von silsrsdu. „Schon ins Land der Pyramiden flohn die Störche übers Meer . . ." Ein Marabu ist ja nach Brehm auch eine Art von Storch. Und ich wäre wahrhaftig schon lange gern der bösen Jahreszeit, da man Kohlen und ähnliche kostspielige Dinge braucht, gen Süden entflohen. Mer im Land der Pyramiden sind jetzt dauernd Straßenkämpfe, anderswo ist es auch ziemlich bewegt: da bleibt man schon lieber zu Hause . .. Aber ein bißchen nach Süden zu fliehen kann man ja einmal riskieren. Hinauf auf die Berge, die so treu die Grenze Sachsens im Süden bewachen: „Dort, wu da Grenz ve Sachsen is, In Wald da Schwarzbeer blükt, Dort, wu mr heit noch klippeln tut, In Winter hutzn gieht . . Warum soll Marabu nicht einmal ins Erzgebirge fliegen, ins Land der Wälder und der holden Wiesen, ins deutsche Spielzeugland, dessen weihnachtlicher Zauber grad jetzt vor Weihnachten alle Kinderherzen entzückt? Du mit großem Eifer in alle sehensiperten Winkel der Stadt. In die alte Kirche vor allem, deren wuchtiger Schieferbau von vergangenen harten, aber auch stolzen Zeiten erzählt. In das Erzgebirgsmuseum, wo Du die Bilder der Barbara Uttmann, die in Krisenzeit Anna berg durch Einführung der Spitzenklöppelei rettete, des Adam Niese, der hier Miinzmeister war und seine berühm ten Rechenbücher herausgab, und des Stülpner-Karl, vor Jahrzehnten berühmtester Wildschütz dieses Gebiets, be wundert. Dann hinüber in die große Weihnachtsschau, die vor acht Tagen ihre Tore geöffnet hat! Da staunst Du kostbare Schnitzkunst, liebevoll ausgestaltete Krippen und Weih nachtspyramiden. Vor allem aber das Spielzeug. Ach, da möchte man noch einmal ganz klein werden und mit all den schönen und bunten Sachen spielen können! Am tief sten aber rührt einen eine Gruppe von Spielsachen, die Kinder des Erzgebirges für sich selbst hergestellt haben. Eine Eisenbahn aus Streichholzschachteln und Holz scheiben zum Beispiel. Sind diese kleinen Versuche, die nur Andeutungen sind, nicht noch schöner als das fertige Spielzeug aus der Hand der Großen? Denn die kindliche Phantasie ergänzt sich das unvollkommene Bild doch viel herrlicher, als die größte Kunst des feinsten Schnitzers es vermag... „'s ls Feierohmd, 's is Feierohmd, 's Tachivark is vullbracht, 's gieht alles seiner Hamit zu, Ganz sachta schleicht da Nacht . . O Zauber der Dämmerung, die von den Bergen sacht in das Tal sinkt. Wenn die Schleier immer dichter werden. Wenn langsam im Westen üver den Höhen das Licht des Tages verlöscht. Und wenn dann aus dem Tal herauf die ersten Lampen blitzen: kleine Sterne, denen auch bald van oben der Gruß der großen Sterne erwidert . . . „'s is Feierokmd . . ." Wenn man den ganzen Tag bergab, bergauf gelaufen ist, dann hört man dies Lied mit ganz besonderen Gefühlen. Dann fühlt auch der Groß städter kein Bedürfnis mehr nach „Nachtleben", sondern sinkt dankbar auf das Lager, um neue Kräfte für den neuen Tag zu sammeln ... Aber cs kann der Beste nicht in Frieden schlafen, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Kaum bin ich eingeschlafen, da pocht es an meine Ziminertiir. — Ver ärgert öffne ich . . . Draußen steht ein seltsamer Besucher. Ein kleines Männchen mit großem Bart, der als sorgsam geschnittenes Viereck auf die Brust hinabreicht. Angetan mit einem faltenreichen Staatsrock im Stil des 16 Jahrhunderts, und einem Barett auf dem Kopf. . . „Nanu", sage ich — denn das Schimpfen habe ich vor Staunen vergessen — „Fastnacht im Advent? Was haben denn Sie für Kleider an?" „Auch eine Frage!" brummt der andere. „Meine eigenen natürlich! Denken Sie, ich werde mir für Sie extra neue Kleider machen lassen?" „Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?" „Adam Ries!" stellte sich der andere vor. „Sie haben da drüben im Museum, als Sie beute vormittag vor meinem Bild standen, mich „Adam Niese" genannt. Ich muß das richtig stellen. Heiße „Adam Nies" ohne e hinten, obwohl die Leute es dauernd falsch lagen. Ein Riese bin ich, wie Sie sehen, ganz und gar nicht." „Welche Ehre!" verbeuge ich mich erstaunt. „Zwar habe ich in meinem Leben wie so viele andere schon tausendmal gesagt: „Nach Adam Riese!" — aber daß ich den großen Rechenmeister hier persönlich kennen lernen würde . . ." „Miinzmeister, bitte!" berichtigte mich der andere. „Sie sind sicher ein schlechter Rechner, sonst würden Sie nicht alles so ungenau sagen. Ungenau haben Sie sich heute auch die Stadt angesehen. Sie haben sogar ver gessen, Barbara Uttmann einen Besuch abzustatten." „Das ist freilich ein schwerer Fehler", gab ich zu. „Das muh ich sofort nachholen." „Aber benehmen Sie sich ja richtig!" ermahnte mich Ries. „Frau Uttmann ist eine geborene von Elterlein und