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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.04.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140430017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914043001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914043001
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-04
- Tag 1914-04-30
-
Monat
1914-04
-
Jahr
1914
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Seite 2. Nr. 21S. Morgen^Nusgade. Leipziger Tageblatt. Donnerstag, 30. April 1914» beim Zkultusetat. Der Titel: Cvanaclischer Oberkirchcnrctt gab den gebotenen Anlas;, aber- mal» den Aal! Traub, jetzt unter einem an bereu Gesictztsminlel, zu erörtern. Der sort- schrittlictze :stedner C>'>rauc legte den: Ober- liraienral »atze, dem Abg. Traub die Rechte des geistlichen Standes wiederzugebeu und der ua- lioualliberale Redner Dr. von Campe unter strich diesen Wunsch als eine Forderung der Billigkeit. Der >t ullu s ni iuister bat^ die Cntscheidn ngeu der obersten evangelischen >iirchenbel>örde iiickir in den interkonfessionellen Parlamenten zu triiisiereu; er tonnte aber nicht bindern, das; neben dem Fall Traub auch noch die Affären anderer gemas;regelter Pastoren zur Sprache gebraUrt tvurden. Die sü-amerikanische Vermittelung. Unter dein Beifall der öffentlichen Meinung ganz 2 ii d a in e r i t a s haben denen führende Staaten, Argentinien, Brasilien und Chile, den Der- einigten Staaten in einer gemeinsamen Rote ihre guten Dienste zu einer friedlichen Beilegung des amerikanisch mexikanischen Streitfalles angeboten. Dieser diplomatnckn- Schritt, dem eine Reihe anderer siid- und mittelamerikanischer Staaten eine Art diplomatischer Unterstützung dadurch zuteil werden liegen, datz sie sich zu einer Beratung der Gesandten jener Republiken cinsanden, bezeugt einerseits die Besorgnis, mit der Südamerika das Vorgehen der Union gegen Mexiko als eigene Bedrohung ausfasit, anderseits die Entschlossenl>eit, dieser Be drohung gemeinsam zu begegnen. Unter solchen Umstäirden l?ande!te Präsident Wilson zweck- matzig, wenn er den südainerikanischen Ber nitte- lungsoarschlag in höflichster Form annahm. freilich hat er dabei den Vorbehalt gemacht, datz kein merikanisckxr Angriff die Vermittelungsaktion durchkreuze. Außerdem ist cs einstweilen zweifelhaft, mit welcher Instanz in Mexiko Wilson zu ver handeln gedenkt, er weist in seiner Antwort an die drei südainerikanischen Staaten auf „diejenigen, welche für die gemäßigteren Elemente des amerika- uijitxn Bolles sprechen", ohne nähere Bezeichnung bin. Da jedoch Wilson in der Salutfragc bereits an Huerta sich gewandt bat, erscheint es nicht ausge schlossen, datz er wiederum init Huerta verhandeln I will. Dies wäre auch dann möglich, wenn das Ver- , mittelungsanerbieten, wie es den Anschein hat, vom nordamerikaniicben Staatsdepartement dem Rebellen general Carranzo mitgeteilt »vorven wäre. Gelingt es, die Vermittelung tatsächlich eintreten zu lassen, dann wird cs für deren Erfolg schwer ins Gewicht jalien, ob Gewalt tat eil der Mexikaner gegen amerikanische Staatsangehörige und Bel ei di gu »gen der amerikanischen Fahne auf mexikani schein Gebiet unterbleiben oder nicht. Zwischensätze, die aus solche Weise hervorgcrufcn werden, arbeiten der nordamcrikanischen Kriegspartei unmittelbar in die Hande. Je höher in den L>ereinigten Staaten die Wogen der Erregung gehen, um so mehr wird die gelbe Presse jeden Zwiscl?enfall der erwähnten Art ausbeutcn, und die Folge davon mutz ein Anwachsen der amerikanischen Kriegspartei sein. Die Haltung der Rebellengenerale ist auch jetzt noch nicht geklärt. Haben sich die Meinungsvcr- jchiedcnheiten zwischen Villa und Carranza so ver schärf, datz sich Carranza von jenem eine Inter nieruiig gefallen lassen mutz, und stellt sich Villa in dem gemeldeten Umfange aus die Seite der Ver einigten Staaten, dann erscheint Carranza als der jenige Rebellenfübrer, der mehr mexikanisches Ra tionalgcsübl besitzt als Billa. lieber die Lage in der Hauptstadt und die voraus- s.chrlichcn schweren inneren Kämpfe telegraphiert Liuzi Barzini dem „Corriere della Sc ra " au s Ale xiio: Bersch i edc ne Rebellen- jührer halvn mit der Regierung Frieden geschlossen, andere stehen in Unterhandlungen mit ihr, der Schwerpunkt aber liegt in dem Verhalten der von General Billa geführten Rebellen Rord- Mexikos, und in dieser Hinsicht sind pefsimistiscl>e An schauungen am Platze. Zwar bat H'ieria immer noch das Heer für sich, das angesichts der Unlreweglich- keit Nordamerikas mit neuer Kraft den Kamps gegen die Ausrübrer im Innern aufzunehmen im Be griffe ist, und cs sind jedenfalls furchtbare innere Kämpfe vorauszusehen, aber Mexiko be sitzt eine ungeheure Widerstandskraft. Die Finanz krise schädigt weit mehr die Fremden, die die Besitzer der Banken, Fabriken und Handelshäuser sind, als die Einlh'imischen. Uebrigens herrscht augenblicklich in der Hauptstadt vollkommene Ruhe. Theater und Kinos sind sehr gut besucht. Sonderaus gaben der Tagesdlätter machten den Vernrittlungs- oorjchlag der südainerikanischen Republiken bekannt. Die Rachricht wurde allgemein mit Befriedi gung zur Kenntnis genommen und erweckt die Hoffnung auf einen Zusammenschluss der lateinischen Republiken Amerikas als Gegengewicht gegen die übermächtig werdende nordamerikanische Union Stillstand der Vermittlung. Rew Horl, April. Die Vermittlungs versuche icheinen noch nicht vom Fleck gerückt ru lein. P»äsident Wilion lätzt indessen verlauten, datz der R ü ck t r i t t H u e r t a s unbedingt erforder lich sei, falls die Vermittlung Erfolg haben sollte. Inzwischen landete General Funston mit 5tM» Mann in Veracruz. Beschädigung der Eisenbahn Veracruz—Mexiko. Veracruz, 29. April. Es werden ziemliche Be schädigungen derEisenbahnanlagen zwischen Veracruz und Mexiko durch die Mexikaner gemeldet. Diele 1872 vollendete Eisenbahnlinie, die die nächste Ver bindung der Hauptstadt mit dem Meere darstellt, be sitzt eine Länge von 58t» tzm und hat eine Steigung von 2A)0 m zu überwinden. Die Deutschen in Sicherheit. Berlin, Al. April. lPriv-Tel.) Rach hier ein getroffenen amtlichen Meldun en soll für die Deut schen in Mexiko keinerlei Gefahr bestehen. Es ist dis jetzl auch keiner an Leib oder Gut geschädigt worden. In den letzten Tagen ist eine Anzahl Deutscher non den besonders bedrohten Punkten des Innern Mexikos an andere sichere Plätze befördert wor den, io neunzig Deutsche aus der Stadt Mexiko in vier Eisenbahnzügen an die Küste. lowie eine ge ringere Zahl von Landsleuten aus Chihuahua und Torreon in die texanische Grenzstadt El Paso. Seitdem Huben sich nur noch vereinzelte deutsche Reichsangehörige bei den Vertretern Deutschlands gemeldet, um an anderen Orten in Sicherheit ge bracht ru werden. politische Ueberlieht Gegen ultramontane Vorstöße in Sachsen ist in der Zweiten Kammer des Landtags von lurtionailibcraler Seite wiederholt mit Entschieden heit Front gemacht worden. Ferner ist in der Ersten Kammer das Verlangen des Grafen Schönburg, das C-esetz über die Orden Stätigkeit vom 20. August 1876 auszuheben, wohl vom Kultusminister zurüctgewiesen waren, auffälligerweise aber nicht von Mitgliedern dieser Kammer, denen cs eigentlich von Berufs wegen hätte nahe liegen müssen, llm so bemerkenswerter und erfreulicher zugleich ist daher folgende Kund gebung der Hauptocrsamm ung des Evan gelischen Bundes zu Dresden gegen die Versuche^Sachsen zu ultramoiUanijiereu: „In klarem Widerspruch zu der säch- fischen Berfa ff ung und zu dem Gesetz vom 2.". A ägust 1876, das jede Orden Stätigkeit von Angehörigen römisch-katholischer Männerordcn aus guten Gründen verbietet, mehren sich neuerdings in ganz auffälliger Weise die Vor - trüge solcher in Sachsen. Der sächsische Landes verein des Evangelischen Buitdes erkennt darin Len planmäßigen Versuch, diese Elemente, deren nähere Kulturleistungen in keinem Verhält nis zu den religiös-sittlichen und wirtschaftlichen Rachieilen ihres Wirkens stehen, zunächst unver merkt. aber je länger desto dreister in unserem Lande einzuschwärzen und jenes Gesetz durch u n g c s ch e u t e öffentliche !lebertre - tung und Verhöhnung nach jesuitischem Muster im Reiche zu untcrwühlcn. Die Rede des Grafen Schönburg in der Erstell Stände kammer, die im ersten Achter abgelegten offen herzigen Bekenntnisse und der durchsichtige Ent- Historisches von einem Schweizer Gasthof. Von Hermann Kienzl, Berlin. 1. Frühlingsadend in Zürich. Horch! Von allen Seiten strömen Gloctenklange. Dunkle, Helle, brau- icnde, jauchzende aus edelstem Metall. Alle wohl gewählten Glocken Zürichs baumeln. Die Luft ist trunken von Hall und Schwall. Ton- und des Früh abends Lichtwellcn schwingen über Stadt nnd See. Das ist das Scchseläuten, der saft hundertjährige Brauch. Anno Domini l8l!> begleitete es zum ersten mal den Umzug der Zünfte. Der Bürgerstolz der Handwerker war auf Symbole bedacht gewesen. „Wir sind die Herren — und niemand unser Knecht!" Ge- Inrrnischtc zu Pferde voran, durchzogen die Zünfte unter Glocken- und Trompetcnklang die Stratzen. Auf grotzcn Wagen führten sie die Wapz>cnschilder ihres Adels: Handwerksarbciteu. Den Standplatz des Festes bildete der Gasthof „Zum Schwert", der älteste der Stadt, in Jahrhunderten von Patrizier geschlecht zu Patrizicrgeschlecht vererbt. Bor dem Haufe wurde der Eisengrimm ausgestellt, und die Metzger verteilten Kuclicn unter das Volk. Der Triumphzug des Gewerbes hat sich bis auf den heu tigen Tag als Iahrcsfest erhalten. An jedem Abend aber erbraust das gewaltige Orchester der Glocken von Zürich. Zitternd verhallten jetzt die letzten Töne in den walkenreinen Frühlingsadend. Ich sitze an den „histo rischen Eckfenstern" des „Schwert"-Gästhofcs und laste still die Blicke schweifen — hinaus in die gesegnete Weite, zurück in alte Zeiten, der vielen, merkwürdi gen Menschen gedenkend, die diese heilere und er greifende Wundcrschau vor Jahrzehnten, vor Jahr hunderten genossen. Nichts hat sich an dem Bilde verändert. Wandert das Auge gegen den kurzen Lauf des Flusses bis zum See, so öffnet sich ihm eine nahe und ferne Lieblichkeit ohnegleichen: die be glänzte blaue Fläche, aus der milchwcitze Segel ziehen, umlräuzt non grünen Hügeln und Bergen mit ungc zählten schimmernden Häusern, die ein glücklicher Frohsinn gebaut Imt. Dos Auge sucht im Wald versteck die Villa Wcsendvnck. wo Richard Wagner Tristans Wonne und Leid gelitten, uno es grützt hinüber nach Kilchberg, zu Konrad Ferdinand Meyers sUllem Dichter-av«. Fern am Horizont die gigantische Kelte des Hocl>gcbirgcs. Knapp vor uns, am anderen Ufer der Limniat, steigt in engen, hohen Gassen das uralte Zürich den Berg hinan. Es verdeckt die gleitzende Pracht der neuen Zeit, der neuen Stadt. Dort ragt das Münster, in dem Zwingli gepredigt, und am Ufer steht die kleine Wasserkirche (heute die weltberühmte Stadtbibliothel mit ihrer Iukunavlen- Sammlung, der Hort, der Goethes „Ur-Meister" ge borgen hats. Unserem ehrwürdigen lvasthof gegenüber, nur durch die Brücke getrennt, steht sein Altersgenosse: das sclückjalreiche Rathaus. Roch immer Hökern aus der Nathausbriicke die Obstleriunen. Roch immer stehen, wie vor sieben hundert Jahren, unverwittert im Flusse die Piloten des Gasthofes „Zum Schwert". Die Chonik von Zürich erwähnt des „Hauses au der Ricderen pruclea" schon im 10. Jahrhundert. Wassersnot und Feuersbrunst haben diesem steinernen Dentmal rvan- dcrnder Geschlechter wiederholt übel zugejetzt, und seine Mauern, die viel Glanz und Ruhm sahen, könn ten auch manche Tragödie erzählen: so von einem düsteren Tage, an dem man einst den Erben des alten Besitzers mit seiner Tochter Sohn als Brankstifter ins Gefängnis schleppte. Doch aus aller Fährnis hat sich der Gasthof immer wieder erhoben: auf dem- selben Grundritz, im gleichen altertümlichen Stil. Während der letzten dreißig Jahre (unter H. Göldens patriarchalischer Leitung) entwickelte sich das „Schwert" zu einem modernen Hotel, ohne indes sein Bestes zu opfern. Der Hauptteil des Gasthofes ist seit Goethes Besuchen scheinbar unverändert ge blieben. Die Rücksicht auf verwöhnite Ansprüche patzte sich pietätvoll der Tradition an. Wer möchte den altmodischen Wandschmuck misten, den die Blicke Goethes geweiht haben? Wer wünschte sich die Wände weiter, die Decke höher? Ter Speisesaal galt in vergangenen Jahrhunderten als Prnnlstätte: er genügt heute dem trauten Behagen. Fast wuuwr- lich nimmt sich das Komfortable und Fashionable, die elektrische Hotel-Hexerei, in diesen Räumen aus. Doch all das stört nicht. Einheitlich, eindrücklich ist der Charakter kostbarer Vergangenheit. Vor einem alten Haus bleibt gerne der Wanderer stehen: „Was hast du erlebt?" Wie nun erst mutz es das Herz bewegen, in den Zimmern des Schweizer Gasthvf-r Zwiesprache zu pflegen mit den Geistern der iliustreu Gäste, die hier aus ihrer Reise zum Ork»-. sVater Krom»s aus dem Kutschbock...) kurze Rast gehalten. Vor kl«» Jahren satz an dieser Stelle Kotzebue, und dieser lockeie, der lyrischen Ver senkung sonst wenig geneigte Geist, schrieb u» kein rüstungslärin klerikaler Zeitungen und Dolksver- jammlungen liefern vollgültige Beweise für die Richtigkeit dieser Auffassung. Der sächsische Landesverein des Evan gelischen Bundes erhebt gegen jene Methode und gegen jeden Angriff aus die beuüihrte inter konfessionelle Gesetzgebung des Landes ent schiedenen Einspruch Er dankt der uationalliberalen Fraktion der Zweiten L t ä n d c k a m in c r für ihr ener gisches Eingreifen und dem Herrn Kult u s - Minister für sein klares Bekenntnis zu dem Gc setz von 1876. Dieses Gesetz mutz nach seinem vollen Umfange bestehen bleiben: denn cs enthält unter Verzicht auf jode Bedrückung nur das Mindestmaß der Rechte, deren der Staat zur Wah rung seiner Kirchenhoheit und des konfessionellen Friedens bedarf " Ver gefälschte örief öee Kaisers. Im preutzischeu Abgeordnetenhauje lmt der Kultus minister die Feststellung der „R. A. Z." bestätigt, datz der Brief des Keifers an die Landgräfin von Hessen keinerlei Ausspruch ''ber die katholische Religion ent balle. Eine dcrar.ig« Bestätigung, deren Richtigkeit auch vo>n Zciitrvi!i-.-abgcordnetcn Dr Par sch an erkannt wurde, war zu erwarten und ist zu begrützen. Bedauerlich aber würde es sein, wenn hiermit, wie es nach den Ausführungen des Kultusministers den Anschein hat, die Briefangelegcnhcit erledigt wäre, die Fälschung nicht Gegenstand eines strafrecht lichen Verfahrens würde. Zu einer solchen Schonung der beteiligten Zentrumsorgane liegt wegen der Haltung, die die Zentrumspresse irach der amtlichen Feststellung eingenommen hat, nicht der geringste Grund vor. Denn eine ganze Reihe führender Zen trumsblätter hat sich gerade n a ch der amtlichen Fest stellung ganz anders verhalten, als das Lob ver muten lätzt, das Abg. Porsch den Blättern seiner Partei spendete. Hat doch die „Köln. Volksztg." das Misstrauen gegen die amtliche Feststellung genährt, indem sie das heute vom Abg. Porsch als „Zumutung" zurückgewiesene Verlangen erhob, Ken vollen Wort laut des Kaiserbriefes zu veröffentlichen, und indem sie diese Forderung auch dann nicht zurückzog, als das Wiesbadener Zentrvmsorgan die amtliclx: Feststellung bestätigt hatte. Der „Bayrische Kurier" und der „Bad. Beob." suchten gleichfalls das Misstrauen gegen die amtliche Feststellung mit den fadenscheinigsten Gründen zu nähren, dabei den Spuren des Zentrums abgeordneten Dr. Jaeger folgend. Angesichts solck>er Erfahrungen darf man sagen, datz der Verzicht auf eine strafrichterliche Untersuchung einerseits die Zen trumspressc zur Wiederholung jener illoyalen Taktik ermuntern, anderseits klerikale Heitzspornc zu neuen Fälschungen anrcizen würde. * Die „Germania" schreibt einen langen Leit artikel, um nachzuweisen, datz der gefälschte Kaiser brief mit dein Zentrum nichts zu tun hätte. Der einzige Schuldige sei vielmehr die kulturkämpferische Presse im allgemeinen und die nationalliberal« im besonderen, weshalb die wackere „Gemania" den Ausspruch des preußischen Kultusministers jiber die in dieser AngelagenHeit verübte Brunnenvergiftung auch ganz konsequent, aber gewiß nicht sinngemäß auf die Abgeordneten von Eampe und Lohmann be zieht. Her n ach erteilt sich die „Germania" das Selbst - lokb, datz sie ebenso wie di« „Köln. Volkszeitung" die Angelegenheit mit großer Zurückhaltung behandelt hätten? Heber die Tätigkeit des Abg. Dr. Jäger sagte das Zentrumsorgan leider nichts und der ge hörte am Ende doch auch mit dazu, wenn von dem ! gefälschten Kaiserbrief gesprochen wird. Im übrigen erklärt di« „Germania" durch die Feststellung des Kultusministers über den Inhalt des Kaiserbriefes befriedigt zu sein: Der Streit sei damit in der „be friedigendsten Weise" erledigt. Zum 70. Geburtstag ües Großa-mirals von Köster. Der Kaiser richtete anläßlich des 7V. Geburtstages des Großadmirals von Köster an diesen eine Kabinettsorder, in der er ihm seinen herz lichsten Glückwunsch ausjpricht, seiner hohen Ver dienste um die Marine sowie der opferwilligen und geschickten Leitung des Flottenvcreins gedenkt, und ihm das Kreuz der Großkomture des Hausordens von Hoi-enzollern verleiht. Auch der Kronprinz hat dein Großadmiral telegraphisch seinen wärmsten Glückwunsch ausgedrückt. — Die Stadt Kiel hat Großadmiral v. Köster zum Ehrenbürger ernannt. Großadmiral o Tirpitz richtete an Groß admiral o. Köster, Kiel, folgendes Telegramm: Ew. Exzellenz sende ich zum 70. Geburtstage meine und der Marine aufrichtigsten, herzlich sten Glückwünsche. Das an tatkräftiger Ar beit und Erfolgen reiche Leben, woraus Ew. Exzellenz heute in ungewohnter Frische des Geistes und Körpers zurüclschauen, ist mit der Entstehung und Erstarkung der deutschen Marine unauslösch lich verbunden. Ew. Exzellenz vorbildliches Wirken als Seemann und Flotten führer wird ebenso unvergeßlich bleiben, wie das unermüdliche Eintreten für die deutsche Wehr haftigkeit zur See. Möge Ew. Exzellenz vergönnt sein, noch viele Jahre in alter Rüstigkeit die Frucht alles dessen hcranreifeu zu sehen, was Ihre Zucht gepflanzt hat und heute noch fördert. Strittige Gewerbe. Der Deutsche Handwerks- und Gcwcrbctammertag hat eine Umfrage veranstaltet, ob die Herstellung van Zigarren als ein handwerksmäßiges Gewerbe be trachtet wird und ob dementsprechend eine Anmelde pflicht für die Lehrlinge besteht. Als Ergebnis dieser Rundfrage wurde fcstgestellt, daß neun Kammern das Zi g a r r e n ma che n als Handwerk betrachten, und zwar sind dies die Kammern Arnsberg, Augs burg, Bremen, Heilbronn, Oldenburg, Statthagen, Stuttgart, Ulm uud Zittau. Die weitaus meisten Kammern sehen demnach das Zigarrenmachen nicht als ein Handweri au, soweit eben die Herstellung der Zigarren in ihren Bezirken in genügendem Um sauge betriebe« wird. Für die preußische» Kammern war hierbei der Umstand maßgebend, daß gemäß Ausführungsanweisung zur Gewerbeordnung vom 1. Mai 1901 festgelcgt worden ist, daß Zigarren macher nicht zum Handwerk gerechnet weiden sollen. Das braunschweigische Staatsministerium hat sich, wie es auf eine Anfrage erklärt, der Auffassung Preußens angcschlosscn, so datz die Vorschriften der Gewerbeordnung über die Gesellen- und Meister prüfung auf dieses Gewerbe keine Anwendung finden. Ferner wurde seitens des Deutschen Handels- und Gewerbekammcrtages eine Umfrage über die Zu gehörigkeit der zoologischen Präparatoren zum Handwerk gemacht. Die meisten Kammern — 29 — erachten diese als zum Handwerk gehörig. Zu diesen gehören die in Augsburg, Berlin, Bremen, Köln, Halle, Karlsruhe, München, Münster, Pl a u c,i, Stuttgart und Weimar. 18 Kammern wollen die zoologischen Präparatoren nicht in die Handwerks organisation miteinbeziehen. Hierunter befinden sich die Handwerkskammern Altona, Arnsberg, Che m n i tz, Koblenz, Dresden, Erfurt, Hannover, Hildesheim, Leipzig, Magdeburg, Straßburg und Würzburg. Bei verschiedenen Kammern, so in Kastel, Schwerin und Weimar, sind für die zoolo gischen Präparatoren besondere Gesellenprüsuugs ausschüssc errichtet, und es sind auch Gesellen prüfungen abgenommen worden. Mehrere Kammern halten das (bewerbe für gleichbedeutend mit dem der Kürschner. Deutsches Reich. * Antrittsaudienz des Gesandten v. Stieglitz. Der König von Württemberg hat den neuen sächsischen Gesandten an den süddeutschen Höfen, Kammerherrn v. Stieglitz, zur Ueberreichung seines Beglaubigunflsschreibens empfangen. Der Gesandte wurde hierauf auch von der Königin empfangen und zur Abcndtafel geladen, an der noch der Minister Präsident v. Weizsäcker und die Beamten der diplo matischen Abteilung und des Ministeriums des' Aeußern teilnahmen. * * Das Kaiscrpaar in Korfu. Der König der Hellenen hat an die Herren des Kaiserlichen Gefolges Auszeichnungen verliehen, u. a. dem Gesandten v. Treutler sowie dem Hofmarschall Grafen v. Platen- Hallcrmund und dem Generalleutnant v. Ehclius das Großtreuz des Erlöjerordens und dem Korvetten kapitän Kaleske das Kommandeurkreuz desselben Ordens. — Zur kaiserlichen Abendtafel am Reisetagebuch: hier habe der liebe Gott geweilt, als er nach der Schöpfung die Welt ansah, und er habe sagen müssen: „Sie ist gut." Genauer als die vielen Großen, die vor und nach ihm im „Schwert" ein kehrten, beschrieb Kotzebue sauf seiner Fahrt nach Paris im Herbst 1801) den Ausblick, den ich heute mit ihm teile: „Das Zimmer ist ein Eckzimmer. Oeffnen Sic ciu Fenster linker Hand, so sehen Sie unter sich den Fluß, die Limmat, und eine sehr breite Brücke darüber, welche zu beiden Seiten mit dichten, bunten Reihen von C-emiise- nnd Obstverkäuferinnen besetzt ist: zwischen denselben spazieren die frar gischen Chasseurs herum, deren Wachtl>aus (heute Fleisch halle» Sie jenseits der Brücke gewahr werden. Sie glauben nicht, welch «in Leben und Gewimmel auf dieser Brücke herrscht. Links herunter erblicken Sie längs dem Flusse zwei lang« Straßen und einen Teil der Stadt. Oeffncn Sie das Fenster rechter Hand, so haben Sie unter Ihren Füßen einen freien, s«hr leb haften Platz, und gerade vor sich den Züricher See. von lachenden Landhäusern eingefaßt, die wiederum van den Alpen begrenzt sind, über denen sich wie derum die Schneekoppen erheben. Dieses Amphi theater, aus sanfter und rauher Ratur zusammen- n,-setzt, mit dem Mcnschcngewimm«! gerade unter uns, ist einzig." An diesen Fenstern stand auch Goethe. Auf seinen drei Schweizer Reisen (1775, 1779 und 1797) hat er — ein« Gedenktafel sagt cs — jedesmal das selbe Zimmer bewohnt. Vom See her führt mir nun leise der AbendwinL Goethes Morgenlicd zu: „Und frische Nahrung, neues Blut Laug' ich aus freier Welt: Wie ist Ratur so hold und gut. Die mich am Busen hält! Die Welle wieget unseru Kahn Im Rudertakt hinauf, Und Berge, wolkig himmelan, Begegnen unscrm Lauf. Äug', mein Äug', was sinkst du nieder? Goldn« Träum«, kommt ihr wieder? Weg, du Traum! so gold du bist: Hier auch Lieb' und Leben ist. Auf der Welle blinken Tausend schwebende Sterne: Weiche Rebel trinken Rings die türmende Ferne: Morgenwind umslügelt Die beschattete Bucht. Und inc See bespiegelt Sick» di« reifende Frucht." Die Verse, des Züricher Sees melodisch« Ver klärung, schrieb Goethe während seines ersten Auf cnthalts im „Schwert", wo er, dem Verlöbnis mit Lili Schönemann entfliehend, mit den Brüdern Stolberg, den Hainbund-Dichtern, eingekehrt war. In jenen Tagen von 1775 knüpfte Goethe ein zartes Verhältnis mit der Kaufmannsgattin Bar bara Schultheß au, einen Bund der Waudcrliebe, auf den erst in jüngster Zeit einiges Licht fiel. Die Beziehung wurde in langen Zeitabschnitten bei Goethes szcätcren Besuchen wieder belebt, endete aber, nach heißen Tagen, spurlos. Spurlos? Richt so ganz! Aus Frau Barbaras Händen kam der erste Entwurf des „Wilhelm Meister" auf die Rachwelt. Schon im Jahre 1775 satz Goethe mit Freund La vater (lange noch sein Freund, spater als christlicher Proselytenmacher dem freien Goethe über lästig) in der Gaststube des „Schwerts". Als er 1779 wicderlehrtc und mit seinem Herzog Karl August von 2 ach j e n - W e c m ä r im „Schwert" wohnte, sammelten sich dort um den Gast die Großen non Zürich: der Physiognomiker Lavater und Johann Jakob Bodmer, einer der Altväter der Schweizer Dichtung, und Salomon Geßner, der Idyllendichter und Maler, dessen kur,) nach seinem Tode (1787) errichtetes Denkmal noch heute in den Züricher Anlagen steht. Fast zwanzig Jahre später, im Herbst 1797, verlangte Goethe, die Schweizer Gegenden, die er in der Jugend durchwandert, „och einmal zu sehen. Sein Buch „Aus einer Reise m die Schweiz" macht uns mit allen Personen vertraut, die Goethe an der Speisetasel des „Schwerts" kennen lernte. Dort traf er mit dem treuesten seiner Freunde, Heinrich Meyer, zusammen, mit dem er im Oktober an den Ufern des Sees weilt« und durch die Urkantone auf den Sankt Gotthard wanderte. In und bei Zürich entstanden die Lieder vom Edel knaben und der Müllerin und die Elegien „Amyntas" und „Euphrosync" (im Hochgebirge hatte Goethen die Nachricht vom Tode der Christiane Neumann-Becker ereilt). Auf dieser Reise entstand auch Goethes Plan zu einem Tell Epos: die Absicht blieb unausgeführt: doch den Fruchtkcimen, die Goethe in der Schweiz ausgenommen, verdankt die Welt Schillers „Wilhelm Tell". Don einem Spazier gange am Ufer des Züricher Sees rühmt Goethe, datz er ihm ..von der schönsten und höchsten Kultur einen reizenden und idealen Begriff" gab. — Das war 1797. Mit den wenigen Worten hat Goethe sen Eindruck festgehalten, der sich heute jedem Besucher des Züricher Parodrcscs erneut.
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