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Men- - Ausgabe «preis»: »»»atUch I.2S M.. viert»!,ührtich r.75 M. S«t »er «»schSfteft»U», oafera Ztllolea «u»4 fio»gab»st«U»n adgehvlt: monatlich 1M., vt»rt«l,Shrllch S M. vurch »t, Post» innerhald veutschlanö« an- -er »eutfchea T»!»^«, monatlich l^o M., »irrtrljlihrlich « so M., au«fchli«Zllch postdesteUgel-. va» Leipziger Tageblatt erscheint Werktag» »mal. Sonn» u. Zeiertagotmal. Sa Leipzig, öen Nachbarorten an» öen chrten mit eigenen Ziltalea wir bt« stdenüauogod» noch am fldenb br» Erscheinen» ln» Hau» geliefert. Serltner Neüaktlon: Sa Sen Zelten 17, lernsprech.slasthluS: Moabit Nr. ««7. /trntsblatt des Rates und des pollzernrntes -er Stadt LeipZrg NeüaMon an» SeschüftosteUe» Zohanni.gasse Ne.4. o -«asprech-Anschlu- Nr. 144«, >4»« ua» >4-44. ISS. Jahrgang slnz-igenprels-: L.' von auowiirt» ro Vf., Neklamen I.ro m., stleiae Anzeigen »tevetitzeli« nur ropf.d.wtr»«rb»l.Kab.,Sns»rat« v»a0«b»r4ea im amtltcheaieli bi« Petit» zeil» so Pf. 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In unbe. irrdarer Redlichkeit hat meine Regierung auch unter herausfor dernden Umständen die Entwicklung aller sittlich-geistigen und wirt schaftlichen Kräfte als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie unermüdlich wir in dem Drange und den Wirren der letzten Jahre in erster Reihe standen, um den Völ kern Europas einen Krieg zu ersparen. — Die schwersten Ge fahre», die durch die Ereignisse am Balkan heraufbeschworen waren, schienen überwunden. Da tat sich mit der Ermordung Meines Freundes, des Erzherzogs Franz Ferdinand, ein Abgrund ans. Mein hoher Verbündeter, der Kaiser und König Franz Joseph, war ge zwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines Reiches gegen gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten Interessen ist der verbündeten Monarchie das Russische Reich in den Weg getreten. An die Seite Oesterreich-Ungarns ruft uns nicht nur unsere Bündnispflicht, uns fällt zugleich die gewaltige Auf gabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den Ansturm feindlicher Kräfte zu schirmen. Mit schwerem Herzen habe Ich Meine Armee gegen einen Nachbar mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen Schlacht feldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigem Leid sah Ich eine von Deutschland treu bewahrte Freundschaft zerbrechen. Die ^Kaiserlich Russische Regierung hat sich, dem Drängen eines un- ersättlichen Nationalismus nachgebcnd, für einen Staat ein gesetzt, der durch Begünstigung verbrecherischer Anschläge das Unheil dieses Krieges veranlaßte. Daß anch Frank reich sich auf die Seite unserer Gegner gestellt hat, konnte uns nicht überraschen. Zu oft sind unsere Bemühungen, mit der französischen Republik zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoffnungen und alte» Groll gestoßen. Geehrte Herren! WaS menschliche Einsicht und Kraft vermag, um ein Volk für die letzte» Entscheidungen zu wappnen, das ist mit Ihrer patriotischen Hilfe geschehe». Die Feind seligkeit, die im Osten und im Westen seit langer Zeit um sich gegriffen hat, ist nun zu Hellen Flammen aufgelodert. Die gegenwärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Interessen konflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor, sie ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Uebelwollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reiches. Uns treibt nicht Grober,ingslnft, uns beseelt der un beugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den Gott uns ge stellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter. Aus den Schriftstücke», die Ihnen zugcgangen sind, werden Sie ersehen, wie Meine Regierung und vor allem Mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemüht waren, das Aeußerste abzu wenden. In anfgedrungener Notwehr mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das Schwert. An die Völker und Stämme des Deutschen Reiches ergebt mein Ruf, mit gesamter Kraft, in brüderlichem Zusammensteheu mit unseren Bundes genossen zu verteidigen, was wir in friedlicher Arbeit geschaffen haben. Nach den» Beispiel unserer Väter fest und getreu, ernst und ritterlich, demütig vor Gott und kampfeSfroh vor dem Feind, so vertrauen wir der ewigen Allmacht, die nufere Ab wehr stärken und zu gutem Ende lenken wolle! Auf Sie, geehrte Herren, blickt heute, um seine Fürsten und Führer geschart, das ganze deutsche Volk. Fassen Sie Ihre Entschlüsse einmütig und schnell — das ist Mein innigster Wunsch. Der Kaiser fügte der Thronrede folgende Worte hinzu: Sie haben gehört, Meine Herren, was Ich zu Meinem Volke vom Balkon des Schlosses aus gesagt habe. Ich wieder hole: Ich kenne keine Parteien mehr, Ich kenne nur Deutsche. (Stürmisches Bravo!) Und zum Zeichen dessen, daß Sie fest entschlossen sind, ohne Parteinntcrschied, ohne Standes- und Konfessionsunterschied znsammenzuhalten mit Mir durch dick und dünn, durch Not und Tod, fordere Ich die Vorstände der Parteien aus, vorzutreten und Mir dies in die Hand zu geloben. Zur Eröffnung des Reichstags. Der Reichstag trat heute unter ähn lichen Umständen zusammen wie der Nord deutsche Reichstag am 19. Juli 1870. Unter ähn lichen Umständen insofern, als ein schweres Kriegsgewitter am Himmel steht, und doch wie ganz anders nimmt sich alles aus! Zwar war man an jenem Tage des Jahres 1870 schon des Eintretens der süddeutschen Staaten sicher, das nationale Hochgefühl war mächtig ent flammt; allein die Nation war noch nicht in die einheitliche Form gebracht, das Deutsche Reich sollte erst werden. Heute stehen wir vor aller Welt als längst fertige Nation. Längst gibt es keine „deutsche Frage" mehr. Mit gan zer Wucht, einheitlich geleitet, erfolgt der Auf marsch des Heeres. Aber anders als damals ist auch die kriegerische Entfaltung. Damals ein F«nd. Diesmal der Feind, den wir 1870/71 beispiellosen Siegeslauf niederwarfen, im Westen von neuem auf dein Plane, aber gleich zeitig, ja noch vor ihm, der Feind im Osten, der damals unser Freund war. Am 19. Juli 1870, unmittelbar nach der feierlichen Eröffnung des Reichstages durch den greisen König Wil helm, empfing Bismarck die Kriegserklärung Napoleons. Diesmal keine Kriegserklärung Frankreichs — auch keine Kriegserklärung Nuss- lands: diese Verbündeten spotteten der Forma lität, die seit Urzeiten die Völker übten; sie zogen den Uebcrfall vor, die Ueberschrcitung der Grenzen, den Verrat und die Niedertracht. Mit Lügen und Betrug versuchten sic uns hin- zuhaltcn und sich einen erbärmlichen Vorsprung zu sichern. So zwangen sie uns zur Kriegs- erklärung, um hüben und drüben das Volk auch über diesen Schritt täuschen und sagen zu kön nen, sic seien die Angegriffenen! Es wird keiner im Reichstage sein, der diese Vorgänge verkennt, er müßte sich denn absicht lich gegen die Wucht der Tatsachen verschließen, die in dem gestern bckanntgewordcncn Weißbuche aneinandergerciht wurden. Die heute mittag im Reichstage verlesene Thronrede verzichtet auf eine nochmalige Wiedergabe der Einzelheiten, aber sie ruft in feierlichen Worten die Welt -um Zeugen auf, daß Deutschland in erster Reihe stand, um den Völkern einen Krieg zn ersparen. Sie ver- weist aus den Mord in Serajewo, rechtfertigt das Vorgehen Oesterreichs und betont unsere Blind- nispfticht und zugleich die Aufgabe, „mit der alten K u l t u r g c m c i n s ch a f t der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den An sturm feindlicher Kräfte zu schirmen." So wird die große Auseinandersetzung unter den denkbar höchsten Gesichtspunkt gerückt, nnd um so schärfer wirkt die kühle Art, womit das Erscheinen Frankreichs auf dem Kriegsplane abgetan wird. Sein Auftreten überrascht uns nicht, sind wir doch mit allen Bemühungen um ein bes seres Verhältnis stets „auf alte Hoffnungen und alten Groll gestoßen." Es ist nicht grade schmei chelhaft für die französische Republik, in dieser Weise wie ein Nebenfaktor, mit dem von vorn herein gerechnet wurde, in die große Abrech nung eingestellt zu werden. Das deutsche Volk weiß aber — es brauchte bei diesem feierlichen Anlaß nicht erst gesagt zu werden —, daß cs grade die wahnwitzige Politik Frankreichs ge wesen ist, die fortdauernd, mit ganz wenigen Unterbrechungen, an der Herausführung dieses Völkerkricges arbeitete. Darum heißt es ja auch zum Schlüsse sowohl im Hinblick auf Rußland ivie auf Frankreich: die Ereignisse sind das Er gebnis eines seit langen Jahren tätigen Uebelwollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reiches. Das ist nicht eine Beschuldigung, die zu unserer Rechtfertigung erhoben wird, das ist keine Phrase I — das ist die geschichtliche Wahrheit!