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Nikodemus' erste Maifeier Von llnunsr «ins I« ZreiiiM Nikodemus, Eisendreher, jetzt Rekrut bei der Eisenbahner truppe in Miinchen, lag früh um 4 Uhr wach und starrte an die Studendecke. So begann der 1. Mai 1890! Heute sollte ein Weltfeiertag, ein Kampftag, ein Tag für alle Arbeiter werden. Das war ein ungeheurer Gedanke. Nikodemus sprach halblaut langsam vor sich hin: alle Arbeiter der Erde . . . Ein Schmatzen und Grunzen störte Nikodemus bei diesen Ge danken. Er lupft« die Bettdecke hoch, sah hin — ach, der Green- Huber! Dann rollte er sich in seine Decke ein und sann weiter nach ... alle Arbeiter der Erde . . . Unten an seinem Schrank sah Greenhuber, ein niederbayrischer Bauernsohn. Er schob einen halben Schwartenmagen in seinen Freßladen. Umsonst hatte er nicht den dicken Stiernacken. Jede Woche kamen drei grohe Pakete, von denen er für Feldwebel, Unteroffizier und Stubengefreiten einen Anteil rausholte, der Nest war für Greenhuber allein. Keiner sonst kriegte einen Fetzen ab. Greenhuber und Frehsack waren ein und dasselbe Wort in der zweiten Kompanie. Dieser Greenhuber stand jeden Morgen heimlich auf, sah in der dicken Luft voller Ausdünstungen, Echweih und Leder geruch, verschlang sein halbes Pfund Wurst oder Speck, betete «inen Rosenkranz und legte sich wieder hin bis zum Wecken. MrnidmllMl Schneidig schmetterte der Hauptmann die heutigen Parolen beim Morgenappell hinaus. Die Sozialisten haben eine Revolu tion vor. Alarmbereitschaft. Keiner darf die Kaserne verlassen. Pro Mann 10 Patronen. „Und wenn euer Vater und eure Mutter drunter ist — sobald ich zum Angriff befehle, müht ihr blind gehorchen. Wo das Vaterland ruft, da gibt es kein Elternhaus." Der dicke Kompaniefeldwebel verkündete hinterher: „Und dah eich fei die Zeit nit -'lang wird, kriagt a jeder a Maß Vier." Greenhuber leckte sich die breiten Lippen. Heut war ein lustiges Gewehrreinigcn und Putzen. Der Houptmann ging selber herum, schnauzte nicht, nein, er sprach srcundlich mit dem einen, wo er her sei, wieviel sie zu Hause waren, mit dem andern, wer von ihnen den Hof erbt und wie groß er ist. Den Bauernburschen schwoll der Kamm. Aber es gab welche, bei denen weder Leutseligkeit noch Frei bier verfing. Die wurmten den Alten. Sie gaben vorsichtige, zurückhaltende Antworten und beteiligten sich nicht an der aus gelassenen Stimmung. Mimt in »er Werne Die Gewehre standen geputzt und eingefettet, die Mahkrüge leer. Hauptmann und Spieß waren verschwunden. Jetzt ging da» richtig« Allotria an. Großbauern waren in der Mehrzahl und hänselten Knechte und Arbeiter mit ihrer Maifeier. „Schauts her, ihr Revoluzzer, habts ihr a solchene Feier? A Bier kriagn ma, a Kalbfleisch kriagn mo, exerzicrn brauchN ma nit, und was haben eire Leit? Die ziagn mit an roten Fetzen in der Straßen umanand!" „Seide stad, Großkopfeten! Dos kriagt ihr, daß ihr schee »t'gseift werd' und schiaßen sollts, wenn der Alte kommandiert!" „Neidhammels ihr, Giftnickels, rote Schlawiner, die nix ar beiten und alles teilen wolln!" „Arbeiten — dös müassn ma scho, für an Saulohn. Teilen — d-e toten mL scho, nit alls alloa fressn, wia der Greenhuber da." Greenhuber saß breit und wuchtig am Tisch,'mit stumpfem Blick, mit beiden Backen kauend. Aus der rechten Faust ragte da« lange Dolchmesser, in der Linken hielt er ein saftiges Stück Schinken umklammert. Er schien nichts wahrzunchmen. Plötzlich reckte er den muskulösen Hals und stierte zum Fenster. Von dort kamen Gesang, Hochrufe: „Es lebe die Internationale!" Greenhuber stand in voller Länge und schwang seinen Dolch mit Hirfchhorngriff über den Tisch: „Himmisakra, Kruzitürken, wann» no scho losgehn tat, dS Echiaßerei! I, wenn so an Revoluzzer vor mir hätt', as Bajonett tat i rahm in sein Ranzen neirenna und umdrahn!" Kaum hatten die Stubenkameraden begriffen, als sie schon einen mächtigen Klatsch hörten. Greenhuber lag am Boden, so lang er war. Kochend vor Zorn kniete Nikodemus auf ihm und boxte ihn an seine riesigen Kinnladen. Das war Signal zur allgemeinen Holzerei. Einige verschanzten sich zwischen den Bettgestellen und die anderen gingen mit Schemeln und Messern vor. W Irin als Nil» Di« Ghargierten hatten die Ruhe wieder hergestellt. Aber im Verlauf weniger Minuten war die Hetz in der Kaserne herum Alle« diskutierte, nahm Partei, die Mannschaft war in zwei Lager gespalten. Der Offizier vom Dienst stolperte vor Aufregung über feinen Degen, Ordonnanzen flitzten, der Wachthabende ver riegelte das Tor. „Dös wird eich scho ei'gsalzen wern, ihr Roten! Grad in dem Augenblick, wo die Kompanie alarmiert wern sollt' gegen die Revoluzzer draußen, fangts ihr hier drin o! A Meuterei j» dö«, a Verschwörung, da gibt'« Festung!" Der Feldwebel schloß die Tür ab. Nikodemus, der Schmied Hirz! und fünf Rekruten standen mit gefesselten Händen und »orteten auf den Hauptmann. Nikodemus stupfte Hirzl mit der Schulter an: „Hirzl. jetz' trittst mir auf mein Fuaß, so fest, a» 'd kannst". soll di treten?" „Dös 1« a« oanzige, war uns retten ko". Erft langsam begriff Hirzl. Dann holte er mit dem eisen* beschlagenen Absatz aus. Nikodemus biß die Zähne auf die Lippen. Ein oberbayrischer Schmied kann treten wie ein Pferd SchlMW Der Hauptmann und sein« Leutnant« saßen am langen Tisch. Dme Feldwebel stand mit wichtiger Miene hinter ihm und schob i^u di« Stammroll« hin. Gegenüber -em Fenster hockten die u, einige mit Verbänden. Der Hauptzeuge Greenhuber «in«u weißen Turban um seinen Bauernschödel Von den Angeklagten wurde Nikodemus zuerst aufgerusen. Er hinkte heran. „Sie haben die Rauserei angejangen." „I hob dem Greenhuber a Watschen highaut, Herr Haupt mann." „Na, das ist doch schon angejangen. Sie standen im politischen Gegensatz zum Zeugen Greenhuber?" Nikodemus zuckte mit den Achseln. „Dös kann i gornit wissen, Herr Hauptmann." „Ä-er Sie haben gehört, was der Greenhuber sagte, und das ivar der Anlaß zur Ohrfeige." „Nix hob i ghört, Herr Houptmann." Ein einsames Bergdorf — ohne Bahnverbindung, ahne Post amt, ohne eigentliche Geschäfte und Straßen — nach solch einem Dorf suchte ich, keuchend unter der Last meines schweren Ruck sackes. Einige Genossen sollten da einquarticrt sein. Irgendwie war es ihnen gelungen, ein Paar Skier zu erstehen, nun wollten sie eine Kostprobe erhaschen von der Winterherrlichkeit, um nach her zu Hause über die Entdeckung zu berichten, auch Proletarier hätten dieselben Glieder und Fähigkeiten wie die „auserwählten" Mitmenschen. Schwerfällig toppe ich bergauf. Die Stiefel versinken bei jedem Schritt im tiefen Schnee bis über die Knöchel. Milchnebel brodelt um mich. Schon glaube ich, mich verirrt zu haben, als Laute an mein Ohr schlagen. Ich höre Worte, sehe aber nichts. Ich rufe. Eine Gestalt schält sich aus dem Nebel. Nun gehe ich in Begleitung eines alten Bauern weiter. Meinen Rucksack hat er mir abgenommen. Ein Zufall will es, daß gerade bei ihm die Genossen wohnen. Ich frage nach ihnen, sage aber nicht „meine Genossen". Ja und nein stößt er schwer fällig zwischen den Zähnen hervor. Dann gehe ich schweigsam „Vie XommuniLtireke Mtemsrirmsüs" wlckkfgs f-fests Von der „Kommunistischen Internationale", der Zeitschrift des Exekutivkomitees der Kommunistischen Inter nationale, liegen zwei neue Hefte vor (Heft 10 vom 15. März und Heft 11 vom 23. März), die besonders wichtiges Material für jeden Kommunisten enthalten. Der Leitartikel des Heftes 10 zieht die Bilanz des Mos kauer Menfchewistenprozesses. Er analysiert die inter nationale Bedeutung dieses Prozesses und die verbrecherische Rolle der Zweiten Internationale als Schrittmacherin des konter revolutionären Krieges gegen die Sowjetunion. W. Motylew untersucht an Hand aufschlußreichen Ziffern materials die gegenwärtige Phase der Weltwirt schaftskrise und ihre Perspektiven. Gr kommr dabei gegenüber dem engen ökonomischen Standpunkt zu fol gender Schlußfolgerung: „In Wirklichkeit ist die Frage der wei teren ökonomischen Perspektive des Kapitalismus unlösbar verbunden mit der Frage der Perspektiven der revolutio nären Krise, die in einer Reihe von Ländern heranreift." Das Hest 11 ist vollends unentbehrlich für jeden aktiven Parteiarbeiter. Der Leitartikel Hibt einen Rückblick auf die Arbeit der Kommunistischen Internationale und ihrer Sektionen seit der Februartagung des EKKJ-Präsidiums vom i Jahre 1830 und umreißt die nächsten Aufgabe« der f ,Mas, Sie wollen behaupten, nicht gehört zu haben, was alle Zeugen übereinstimmend angeben? Warum haben Sie denn angegriffen?" „Er is plötzli' aufgstandn wia a Wilder und hat mi dabei auf mein Fuaß treten." Nikodemus zeigte feinen Stiefel vor. Die Narbe eines großen Nagelschuhes war in das Oberleder ein gekerbt. „Und Sie wollen nichts gehört haben?" „Herr Hauptmann, schamn's dem Greenhuber seine Haxen o. Wenn der Ihnen damit naustritt, dann verlierens auch die Be- sinnmvg und hörn nix mehr." Allgemeines Gelächter. „Drücken Sie sich nicht so subordt- nationswidrig aus. Sie bleiben bei der Behauptung, daß das der Grund war?" Nikodemus bleibt dabei. Der Fuß wird vom Arzt untersucht. Keiner der Zeugen kann Nachweisen, daß ein politisches Wort gefallen ist. „Jeder der Angeklagten erhält 11 Tage Dunkelarrest. Weg getreten!" Die Arbeiter Münchens haben ohne Zwischenfall demonstriert. hinter ihm her, froh, in seine Spuren treten zu können. Auf ein mal ganz unerwartet dreht er sich um: „Das sind aber aller humane intelligente Menschen!" (So hat er es gesagt.) Tief im Schnee liegen die Berghäuser des Dorfes. Ein geschlafene Häuser denke ich. verschlafene Bauern. Abends, als wir uns in der großen Wohnküche wärmen, setzen sich die Bauern jungen zu uns. Es stellt sich heraus: hier im kleinen, im knie tiefen Schnee versunkenen Bergdorf wohnen Genossen. Bon diesem Tage ab begleitet uns der eine auf allen unseren Touren. Unaufhörlich fragt er. Was möchte er nicht alles wissen. Wie cs in Deutschland ist und wie in Rußland. Und erzählt auch von sich. Maschinenschlosser wollte er werden. Aber das geht nicht. Er muß ja jetzt schon Geld verdienen. Ob er wohl nach Rußland fahren könnte, um dort als Maschinenschlosser ausgebildet zu werden? Hier in dieser entlegenen Gcbirgseckc trafen sich unter der Flagge der roten Sportcinhcit deutsche, österreichische und tsche chische Genossen. Die meisten kommen von weit her, zu Fuß über vereiste Bergstraßen und Pfade. Da in diesem verlorenen Berz dorf ohne Bahnverbindung trafen mir uns und füllten den ein zigen Niesensaal des Ortes. Ls ist Mitternacht. Die Wege sind von Schnee und Eis fast ungangbar. Ein Aufstieg von drei Stunden steht mir bevor. Und die Schuhe drücken. Auf einmal sind zwei Genossen da, die mir ein Bett anbieten. Der Preis? Entrüstet wehren sie ad. Und die Ehefrau, die Genossin sagt wörtlich: „Lieber will ich mir die Finger abhacken, als von einer Genossin Geld nehmen!" Im fremden Dorf, tn undurchdringlicher Nacht — und ich bin zu Hause. Ich gehe mit zwei Leuten, die ich nie vorher sah, sie sind meine Freunde. Andere Nationalität, zwanzig Jahre Alters unterschied, verschiedene Berufe, ihnen wesensfremder Lebens wandel, das alles was sonst die Menschen in Gruppen zerteilt, entfremdet, schrumpft in ein Nichts zusammen. Wir verstehen uns so gut, als wenn wir gemeinsam ausgewachsen wären. In der Wohnküche ein Bücherregal. Marx, Engels, Stalin und die proletarischen Romane. Ist man in Berlin? Nein, man ist wirklich in Harta im Riesengebirge. Der Genosse verdient nur 60 Mark im Monat. Trotzdem — die Bücher werden gekauft. Nachts ein Uhr kocht man mir noch Kaffee. Und Päckchen beim Abschied. Eins von den Genoßen uird eins von der Mutter eines andern Genoßen, der im Hause wohnt, die mich nie gesehen hat. Sie ist eine Sympathisierende. Man schämt sich beinahe, so rührend ist der Abschied. Ich tappe schwerfällig den Hang hinab. Innerlich merk würdig leicht. Hier, dort, überall wohnen Genossen! Wir sind eine Klasse, die Landesgrenzen und Sprachenfremdheit zerbricht. Wir sind eine Klasse, zusammengeschmiedet durch festen Willen, durch unser Ziel: eine Welt, in der nur solche brüderlich zn- sammengehärenve Menschen einen Platz haben. Ick habe unwillkürlich an die ungeheuerliche bürgerliche und päpstliche Hetze gedacht, die gegen den Kulturbolschewismus tm vollen Gange ist. Ja, das ist Kulturbolschewismus! Der schlichte böhmische Arbeiter im Bergdorf hat von seinen 60 Mark monatlich noch etwas übrig, um jemandem aus fremdem Land, den er zum ersten Male sah, ,u beherbergen. Und in seiner Stube die Kampsbüchcr seiner, unserer Klaße. Ich fühlte die Macht unserer weltumspannenden Idee. kommunistischen Parteien. Von grundsätzlicher Bedeutung ist der Artikel von W. Knorin „Wankende Stabili sierung, revolutionärer Aufschwung und po litische Krise." In beiden Artikeln wird die Lage in Deutschland eingehend untersucht. Nus den weiteren Beiträgen des vorliegenden Hefts seien noch hervorgehoben eine Abhandlung von Th. Neubauer über die Arbeit unter den kleinbürgerlichen Mittelschichten (Heft 10) und eine Untersuchung von P. Jottkas über die absolute Verelendung der Industriearbeiter in Deutschland. Hurra! Der Kurs deS Deutschen Arbeiter-Sängerbundes Wie weit der Kurs des Deutschen Arbeiter-Sängerbundes zur Verbürgerlichung der Arbeiterchöre durch die augenblickliche Leitung des Bundes gekommen ist, zeigt nachfolgender Auszug aus der Zeitung „Der Freie Sänger", Mitteilungsblatt des MUrttembergischen Arbeiter-Sängerbundes, vom 23. 3. 1931: „Erwin-Lendvai-Konzert de» Freien Volkschors „Harmonia", Ulm. DI« Aussührenden waren Ver Männer«, Frauen- und Ge mischte Chor de« Verein«. Dao Orchester stellte die Kapelle des 3. Jägerbataillon« de» 13. Württembergischen Jnsanterie-Regl« ipeüt» und hiesige private Musitkräfte. Da« Konzert wird,-mit Lvrbeerblätterü umrahnit, im Luche der „Harmonia" zu stehen haben, es war ein großer Erfolg."