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Waschkathrin ist gekommen, frilh am Morgen, bevor e» ' sieben schlug. ! „'s Wetter hebt (hält), Frauli, Se werden's sehne!" sagt Waschkathrin voll Zuversicht und schlurft in die Waschküche, um in die großen Holzpantinen zu treten und das Wäschesest vor zubereiten. Große Berge warten auf sie, Weißes und Buntes, Strümpfe und Unterzeug. Wäsche von sechs Wochen. Ob's Wetter wird? Ich weiß es noch nicht, habe einige Zweifel. Ader Waschkathrin hat nur diesen einen Tag für mich frei, wenn ich nicht noch zwei Wochen warten will. Und das ist mir zu lange. Ich lasse mich von Waschkathrins Zuversicht anstecken und gebe es aus, ängstlich nach dem morgendlichen Himmel zu spähen. Waschkathrin ist alt und krumm mit ihren hohen Sechzig. Ihre Hände sind weich und voll Rillen und Schrumpfen vom vielen Waschen. Sie trägt ihr dünnes, graues Haar glatt ge scheitelt und zu einem winzigen Knötchen ausgesteckt. Brombeer dunkle Augen sind in ihrem faltigen Gesicht, einem gutmütigen, kindlich-heiteren Großmuttergesicht, auf dessen Nase die Nickel brille ein wenig schief thront. Geradezu verklärt wird dieses alte Gesicht, wenn Waschkathrin vor ihrem Kaffeekännchen sißt und so vier, fünf Täßchen „echten" schlürft. Sie liebt es, reich lich Milch und Zucker bcizumischen und ein Brötchen dareinzu brocken. Wie kleine Fische schwimmen die Stücke in einem braunen See. Nach der ersten Stärkung erhebt sich die Wasch kathrin, gibt mir herzlich ihre fleißige Hand und beginnt „in Gott's Namen". Von meinem Fenster aus kann ich gerade aus den Neben bau der Waschküche sehe». Dichte Wolken weißen Schwadens dringen durch die angelchnte Tür. Es riecht kräftig nach Seisen- lauge. Ich höre Geplätscher und schlurfendes Gehen und zu weilen das Rassel» des Stocheisens unter der Feuerung. Später macht Waschkathrin die Tür auf, so daß ich sie sehe, wie sie an der großen Waschbütte steht, die Aermel hochgekrem pelt, reibend und wringend und die einzelnen Stücke in weitem Vogen ins fließende Spülwasser weisend. Da Waschkathrin ziemlich schwerhörig ist. spricht sie recht laut, und so rüst sie mir von der Waschküche aus zu, daß es nur so über den Hof schallt: „Frauli, jetzt könne Se 's Seil spanne, 's gibt glei ebbes zum Usfhänge!" Und „Frauli" zieht die große Leine über den Hof, indes Waschkathrin sich an ihrem „z'Nüni" (zu Neune, Frühstück) güt lich tut. Am frühen Nachmittag hängen die großen Stücke. Bett- und Tischtücher, die gestickten Decken und die Oberhemden, und als bald wehen sie lustig in einem hilfsbereiten Wind. Die Lust ist voll vom Ruch der erfrischenden Sauberkeit — ja, wenn Waichkathrin am Werk ist! Jedes Teil erzählt vom Fleiß ihrer guten alten Hände. Nach dein ersten Aushängen gehe ich ins Haus zurück, um dort nach dem Rechten zu sehen. Bald bin ich eifrig in eine Arbeit vertieft und schaue erst auf, als es inzwischen sonderbar dunkel geworden ist. Ich blicke den Himmel an — oh, dieser Himmel! Grau-schwarz ist er geworden, und schon fallen die ersten Tropfen. Wenig später rauscht ein Regen herab, vor dem das Plätschern in der Waschküche respektvoll verstummt. Ich lause hinaus. Die Wäsche ist tropfnaß, hängt schwer »nd reglos und läßt geduldig alles über sich ergehen. Wasch- / Von 8Okn6icIer rathrln steht ziemlich geknickt in der TNröstnung und denkt wohl in diesem Augenblick an ihre Gutwetterprophezeiung und ihre Hoffnung aus das erste Mondviertel, das unbedingt gut Wetter bringen sollte. »Je, Frauli, nu gucke Se des Wetter an! Aber 's wird nit anhalte, glaube Se mir, 's wird bald bester werde! 's git be stimmt nit viel, halt so e Spritzerle!" Ich muß an meine Arbeit zurück und höre das Spritzerle rauschen wie einen Wasserfall. Ich bin ärgerlich. Konnte es nicht eine Stunde früher regnen? Dann hätte ich doch nicht erst alles hinnusgchängtl Nun wird heute abend nichts trocken sein. Di« Tage sind ohnehin schon so kurz geworden! Warum muß es überhaupt heute regnen, wenn ich nach sechs Wochen Wasch kathrin wieder einmal hier habe! Gestern noch war lachender Sonnenschein und ein geradezu sommerlich warmes Wetter. Das Spritzerle bestärkt mich in einem Vorsatz, den ich Waschkathrin zuliebe immer wieder zurückgestellt hatte: die Wüsche den Winter hindurch auszugcben und Waschkathrin erst wieder zum Frühjahr zu bitten. Dann bin ich nicht aus gut oder schlecht Wetter angewiesen, lasse die Wäsche abholen, wann ich will, und bekomme sie bügelseucht zurück. Immer diese Sorge ums Wetter! Ich bin abhängig von ihm, denn ich habe nicht die Möglichkeit, aus einem Speicher zu trocknen. Nein, im Winter wird's anders gemacht. „Frauli", sagt Waschkathrin, als ich später über den Hos gehe, „Sie brauche keine Sorg z'habe. Ich mach Ihn ne extra schöne Wasch heut! Wcnn's nit trocke isch bis zum Obeud, nehm ich alls ab un ring's Ihne us un lcg's in ne Zuber, un morge werde Se 's schönst' Wetter habe! Mir Heu 's crscht Viertel, sell isch e gut Zciche! Selle paar Spritzerle, des isch ja nit der Red wert!" Vor den guten Großinuttcraugen ist mein Aerger verslogen wie ein welkes Blatt im Herbstwiud. Im Lause des Nachmittags hört der Regen aus. Hier und da erscheint ein blaues Fetzchen Himmel. Ich werde mutig und beginne, Taschentücher auszuhängen, weiße und buntrandige, große und lächerlich kleine Taschen- ttcher. Es sind ihrer diesmal so viele. Da es am Himmel Heller wird, greise ich auch zu ein paar zartsarbenen Hemdenblusen, nie leise tropfend aus dem hölzernen Schemel liegen. Und dann kommen Kissenbezügc an die Reihe, Handtücher und Schürzen. Da plötzlich stehe ich in einem schüchternen Sonnenstreisen, der warm über meine feuchten Hände gleitet. Ich sehe ihn iannend an und blicke dann zur Waschkathrin hinüber. Auch sie hat ihn entdeckt. Ihr Gesicht leuchtet, als habe sie so eben fünf Tassen Kasjee ^-schlürft. „Frauli, Han ich 's nit ge sagt? E schöner Waschtag, e Fcscht von 'nem Waschtag, glaube Se 's jetzt? Lachend muß ich zustimmen, und ich sahre fort, Wäschestücke zu spannen. Zwischendurch höre ich Waschkathrins Stimme: „Frauli!" Und cs ist eine so weiche, dunlle Zärtlichkeit in der Stimme, daß ich unwillkürlich zur alten Wäscherin Hin blicke. Sie sagt aus tiefstem Herzensgrund: „Frauli, Wäsche tu ich doch für mein Lebe gern. Ich glaub, wenn ich mal nimme wüsche kann, stirb ich bald Ich bin schon jetzt halb krau', wenn i mal e Tag kei Arbeit hab un daheim sitze muß. Ich muß halt wüsche, bis i nimme kann. Es ist halt zu schön, des wüsche! Deute Ee, all des Schmutzige reiu ze mache, alle Flecke wegzeschasse, ja, des isch wirklich e Freud. Ja, es isch wahr, der Herrgott hat mir e schöner Berus gebbe, meiner Lebtag dank ich ihm dafür!" Die Peter-unZ-Pauli»-liircfte in Stettin Da bin ich ganz andächtig geworden vor dieser Frau. Und ganz klein, ganz zerknirscht. Ich habe mich geschümt meines Aergers über das Negeuwetter, meiner Gedanken an das Aus geben der Wüsche. Ich hatte nur au mich gedacht, an Nebcltage, an meine eisigkaltcn Hände beim Aufhüngeu, die dabei ost weh tun, daß ich weinen könnte. Und ich hatte vergessen, daß es den Segen einer Waschkathrin gibt mit gutem Alisrauengesicht und unermüdlich schassenden Hünden, einer Waschkathrin, die in ihrem schweren Berus viel mehr sieht als nur den Broterwerb, die ihn als ihr von Gott gegebenen Auftrag ausfaßt und liebt und glaubt, sterben zu müssen, wenn sie ihn nicht mehr aus üben kann. Gute, alte Kathrin, wenn du heute abend mit --crschrumpften und nach Seife riechenden Hünden deinen wohlverdienten Lohn ins abgegriffene Tüschchcn steckst, und ich dich sehe im Alltagskleid, das vielfach gestopfte Wolltuch um den zittrigen Kopf, wenn du mir dann die immer noch ein wenig feucht scheinende Hand reichst und sagst: „Schlafet wohl, b'hüt euch Gott alle miteinander!" — dann werde ich nicht sagen, was ich mir heute wührend des Re gens ausgedacht habe. Dann werde ich dir) zur Tür begleiten und deinen guten Wunsch erwidern, ehrlichen Gemütes, und ich werde mich dank bar freuen, wenn du in ein paar Wochen wiederum in heiterer Zufriedenheit von deinem Frühmorgenlassee ausstehst und dich anschickst, zu beginnen „in Gott's Namen", in dem wir alle be hütet sind, bei Nacht und Dunkelheit jo gut wie bei der Sonn« segensvollem Licht. - „Nein, diesen Fisch möchte ich nicht haben, der sicht so schlecht aus." „Sieht schlecht aus? Ach du liebe Zeit, meine Gnädigste, der sieht nicht bloß schlecht aus, der ist mausetot!" Der Oeisrt üer plaudere! sm ^ioekenenäe Von Marabu. Lieber Freund, Sie haben ganz recht, meine Antwort auf Ihren lieben letzten Brief lzat sich ungebührlich verzögert. Aber grotze Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Und das grotze Ereignis, unter dessen Einwirkung ich nun schon eine ganze Zeitlang stehe, sind die grotzen Ferien. Jetzt sind es blotz noch Knappe 8 Tage bis dahin. Und da verlangen Sie, datz ich Briefe schreiben soll? Das ist beinahe so, als ob einem am Sonntag knechtliche Arbeit zugemutet wird. Sie finden, ich sei sehr faul? Aber Ich bitte Sie: Das ist doch eine liebenswürdige menschliche Eigensü-aft. Erinnern Cie sich, datz ausgerechnet der fleitzigste unserer Klassiker, unser sächsischer Landsmann Lessing, ein Lob lied auf die Faulheit geschrieben l>at? Wer nicht richtig faul sein kann, mit dessen Fleitz ist es auch nicht weit her. Es gibt Leute, die arbeiten von früh bis spät und mög lichst am Sonntag auch, nur aus der geheimen Angst her aus, datz sie doch im Grunde zu einer wirklichen Leistung nicht fähig sind. Mer ernstlich etwas schasst, der mutz sich auch ernstlich erholen können. Das ist der tiefe Sinn der Ferien. Beide gehören znsammen: Arbeit ohne Ferien ist genau so wie ewige Ferien ohne Arbeit: ein Laster. Oder zweifeln Sie, datz Arbeit ein Laster sein kann? Ich versichere Ihnen: Das ist das schlimmste Laster, das cs überhaupt gibt. Gcwitz ist die Arbeit eine Gottesgabe, ja, von allen irdischen Gaben vielleicht die grötztc. Aber jedes Laster ist ja die Uebertreibnng und der Mißbrauch einer guten Gabe Gottes: Das Trinken kann zur Trunk sucht werden, das Essen zur Böllere!, die Liebe zur Aus schweifung und die Arbeit — ja, auch die Arbeit ist, wenn KroÜen Serien sie das rechte Matz überschreitet, ein vcrabscheuungswür- diges Laster. In diesem Laster lzaben die grotzen sozialen Krisen ihre Wurzel, durch dieses Laster ist mehr an Men schenglück vernichtet worden als durcb alle übrigen ande ren zusammen. Wer also recht gearbeitet hat, darf sich mit gutem Gewissen der Ferien sreuen. Datz die euro päischen Völker die Ferien erfunden haben, isk für mich einer der wichtigsten Beweise für die kulturelle lieber- legenheit der weitzen Nasse. Selbstverständlich gibt es auch Leute, die in diesen Ferien arbeiten. Einmal alle die, die von der vorteil haften Einrichtung der Schulferien in keiner Weise Nutzen haben. Die Unglücklichen, die ihren Urlaub schon hinter sich und womöglich selbst in diesem Jahre der Trockenheit in einer Negenperiode »»erbracht haben. Ebenso die Glücklichen, die den Urlaub grundsätzlich nur Im Winte» nehmen, um sich den Freuden des weitzen Sports widmen zu können. Diese alle arbeiten — aber ihr Herz ist weit davon. Denn so. wie der Dachs in der Kallen Jahreszeit seinen Winterschlaf hält, so sehnt sich der Mensch danach, in den hcitzen Tagen eine grotze Nnhepause einlegen zu können. Aber cs gibt noch andere, die arbeiten gerade in diesen Ferien mit Begeisterung. Das ist die edle Zunft der Einbrccker und Taschendiebe. Für sie ist die Ferien- zeit die grotze Saison ihres „Berufes". Da gibt es leer, stehende Wohnungen mit vorsorglich heraluzclassencn Bor hängen, die man leicht erkennt und öffnen kann, um sie mit reicher Beute wieder zu »erlassen. Ein solcher ..Fe rienbesuch" ist häufig lohnend, wenn auch für die unfrei- willigen Gastgeber sehr nnersreulich. Da gibt es ferner dicke Brieftaschen — eine seltene, aber doch noch nicht ganz ausgestorbenc Abart der mageren Instrumente, die wir in unseren Taschen zu tragen pflegen — dicke Brief taschen also, die zu „ziehen" sich lohnt. Eigentlich müh ten alle Taschendiebe gute Klavierspieler sein, »veil sie die Schule der Fingergeläufigkeit aus dem ff »veahaben. Das also sind die Leute, die zur Ferienzeit mit Be geisterung arbeiten. Und in solche Gesellschaft soll ich mich begeben? O nein, da bi» ich lieber faul, wie sich das für die Ferienzeit gehört und lasse Sie lieber etwas län ger auf den fälligen Brief warten. Gebirge oder See, das ist heule die grotze Frage, über die sich viele Leute den Kopf zerbrechen. Es soll ganz erprobte Zauderer geben, die diese Frage an den Knapsen abzählen. Und auch sorglose Leute, die einfach nach dem Bahnhof fahren und sich in den nächsten Zug setzen, gleichgültig, wo der hingeht. Im Grunde haben diese Leute recht. Denn die Welt ist überall sckön, man mutz die Schönheiten nur entdecken. Wenn man aber alle Schönheiten schon vorher im Baedeker ausgesucht und auswendig gelernt hat, dann ist es mit der Entdecker freude ja nichts mehr. Dann kann man getrost zu Hause bleiben nnd sich alles in der Phantasie vorstellen. Denn in der Phantasie ist alles bekanntlich viel schöner. Aber trotzdem: Wie sehr ist cs allen zu gönnen, die für ein paar Wochen aus dem gewohnten Gleise ihrer Arbeit herauskommen und die ganze Herrlichkeit der freien 'Natur Gottes unbeschwert auf sich ivirken lassen können! Sonnentage wie Regentage haben da für den, der sich ihrem Zauber ganz hingeben kann, besonderen Reiz, sind beinahe gleichwertig. O herrlicln' Stunden, wenn inan in den sanften Dünen des Ostseestrandes in der Sonne liegen kann und die ruhige, dunkelblaue Flache der See mit den roten Segeln der Schifserboole andächtig bewundert! Aber wie lzerrlich auch, wenn diese See sich empört, die Wellen hohe Schaumkronen tragen, die sorg fältig geballten Burgen der Sommergäste am Strande zerstören und mit dumpsem Grollen gegen die Dünen