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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.02.1916
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1916-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19160209011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1916020901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1916020901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-02
- Tag 1916-02-09
-
Monat
1916-02
-
Jahr
1916
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Kunst - Auch für eine Dummheit kann eine Bewegung entstehen, wenn man nur die Majorität dafür gewinnt. Skrindberg. Ueber Bühne «nd Malerei lieber die Wechselwirkung von Malerei und Bühnenkunst ist oft gehandelt worden, leider besitzen wir eine historische Forschung darüber nicht. Und doch würde manches für beide Künste Beherzigenswerte dabei herausspringen. Die Wechsel wirkung begann, als die Bühne den Kreis der Arena verlassen hatte und unsere Guckkastensorm mit der fehlenden vierten Wand annahm. Aber bewusst wurde dieser Einfluh erst nach Ileberwindung des Rokokos, da die Auffassung Allgemeingut geworden war, dah „kein Genremaler je ausgezeichnet gewesen, ohne zuvor wenigstens ein leidlicher Geschichtsmaler gewesen zu sein" (Cochin 1771). „Die anerkannte und vielleicht glück liche Unmöglichkeit, die Natur mit absoluter Genauigkeit wicder- zugeben" (Diderot), lieh damals in David den Meister der Malerei erkennen, einer historischen Malerei, die ihre Be leuchtung, ihre Anordnung und ihre Gcstensprache der Bühne entlehnt hatte. Wir wissen aus Berichten der Zeitgenossen, wie die Maler zu ihrem Studium sich kleine Bühnen in den Ateliers erbauten und mit Kostümfiguren bei passender künstlicher Lichlgebung alle Wirkungen ihres beabsichtigten Gemäldes studierten. Dieser Einfluh der Bühne und der Bühnenbeleuchtung (freilich nicht der Lichtwirkung des modernen Theaters) dauerte bis in die Mitte deä vergangenen Jahrhunderts. Die Düsseldorfer Schule steht noch in allen ihren Genre- und Geschichtsbildern in Ab hängigkeit von der Bühne. Es war ja die Zeit der grohen Künstlerfeste im „Mal kasten", wo das lebende Bild den Höhepunkt jür die Schaulust bedeutete. Der moderne Impressionismus und die Freilicht malerei brachen für die Malerei den Bann der Abhängigkeit von der Bühne, und als das Theater begonnen hatte, im elektrischen Licht eine Beleuchtung auszunutzen, die alle Licht erscheinungen der Natur vorläuschen konnte, kehrte sich das Verhältnis um. Die Bühne suchte fortan engere Fühlung mit der Natur zu gewinnen und benutzte als Wegweiser die Malerei. Hatte die Malerei durch eine feine Beobach tung der Farbenwerte den Naum erweitert, so folgte ihr die Bühne darin und gewann im Nundhorizont das Mittel, fernste Weiten vorzutäuschen. Dem gesteigerten Licht- bcdürfniS der Malerei kamen alle Möglichkeiten der elektrischen Beleuchtung mit dem System von Lampen in drei Farben ent gegen. Aber diese neuen Lichtquellen machten die alten Deko rationen mit ihrem getünchten Licht- und Schattenmasscn un möglich. So entstanden die plastischen Kulissen, und das naturalistische Theater hatte dank der Malerei sein Bühnenbild gewonnen. Die Sehnsucht unserer Zeil nach Monumentalität deren Ausdruck die Werke eines Egger-Lienz oder die neuesten Arbeiten Sascha Schneiders, kommt in der sogenannten Stil bühne auf dem Theater zum Wort. Gordon Craigs vereinfachte Kulissen oder die Vorhänge, von Äeinhardt als Hintergrund in Verwandlungsszenen bei Shakespeare viel benutzt, gleichen dem großzügigen neutralen Hintergründe dieser Malerei. Selbst die Massenszenen der Neinhardtschcn Negie, zuerst in antiken Dramen und in der wicderbenutzten Arena angewandt, sind ohne Liebermanns Gemälde großer Massenbewegungen, als Schöpfung deS Thcatermannes allein, undenkbar. Jedoch mit der Stilbühne ist auch der Höhepunkt der Abhängigkeit des Theaters von der Malerei nach m. E. überschritten. Viel leicht erfolgt jetzt die rücklaufende Bewegung. Doch wir wollen nicht prophezeien, nur anregcn und auslegen, die Antwort auf Fragen der Kunst an die Zukunft findet allein der Genius. vr. liodert Oorccegd. Aus „Deutsche Kunst und Dekoration". Verlag Alexander Koch, Darmstadt. Heft.">, ININ. Fremdes Gut Of Roman von Konrad Döring rijcht d)- Curl vuneker. Koriin.) Bernstein, Malvasier, Kretzer, Drachenblut, Magdalcner und Ferlancr. Eine umfangreiche Käserei war mit dem Lager ver bunden. Obcrmeyer und Albrecht betraten zunächst einen großen Kel ler, von dem aus viele Stufen hinab in mehrere kleinere Näume führten. Ihre Schrille hallten dumpf wider und der Schein der mitgeführtcn Laternen huschle gespenstisch flackernd durch die Ge wölbe, die einen düsteren, fast katakombenartigen Anstrich hakten. Der feurige Wein schlummerte hier wie in dunklen Särgen tief unken im Schoße der Erde. Obermeyer führte den jungen Hamburger in einen abgesonder ten Naum des Lagers und wies auf eine Anzahl mächtiger Fässer. «So, dieses ist der Posten, den ich Ihrem Hause angestellt habe, befehlen Sie einige Stichproben?" Albrecht bejahte, und auf einen Wink des Weinhändlers wurde ein Faß mit dem Skcchhcber angezapft. Dunkelrot rann der Wein ins Glas. Albrecht führte eS zum Munde und kostete. Es war, wie die meisten Tiroler Marken, kein allzu edles Ncbcnblul, doch immerhin eine durchaus natur reine und zufriedenstellende Qualität. „Nun, bchagt Ihnen der Stoff, Herr Weber?" fragte der Tiroler. «Ich bin neugierig, Ihre Meinung zu hören." «Es ist anscheinend ein reintöniger Wein, nicht zu mild und nickt zu feurig. Wenn die andern Fässer die gleiche Ware ent halten, bin ick sicher, daß wir miteinander ins Geschäft kommen werden. Lassen Sic doch bitte noch ein weiteres Faß anzapfen." Auch die zweite Probe fand Albrechts vollen Beifall, ebenso blieb eine dritte nickt hinter den beiden ersten zurück. «Jetzt zur Hauptsache, mein verehrter Herr Obermeyer! Wie steht es mit dem Preise? Aber bitte, Ihr letztes Wort, ohne langes Schachern und Packern, bar Geld auf den Tisch des Hauses!" Der Tiroler sann einen Augenblick nach. «Wenn Sic mir den ganzen Posten, der hier lagert, zusammen dreitausend Hektoliter, in Bausch und Bogen abnchmcn, so will ich Ihnen noch weiter cntgcgcnkommen und das ganze Quantum mit fünfundzwanzig Kronen pro Hektoliter frachtfrei Bahnstation Bozen überlassen. Diesen billigen Preis kann ich jedoch nur dann gewähren, wenn Sie das ganze Quantum nehmen." Albrecht zog sein Notizbuch hervor und rechnete einen Augen blick nach. Wissenschaft Gustav Falke In Gustav Falke, dessen Tod wir bereits gestern kurz meldeten, ist ein Lyriker dahingegangen, dessen Wesen im reinsten Sinne deutsch war. Liner derer, denen sich Empfindungen in An schauung und Klang löst, unverwirrt von Reflexionen. Er blieb einer von den Stillen, die wie Mörike ganz für sich selbst das Leben in Dichtung umgestalten, ohne Sucht zu wirken und ohne Ehrgeiz. Eine Anzahl lyrischer Sammlungen vereinigt die Ernte dieses echten, beschaulichen Dichterdaseins: «Mynheer der Tod", «Tanz und Andacht", «Zwischen zwei Nächten", «Neue Fahrt", «Mit dem Leben", «Hohe Sommertage", «Frohe Fracht". Er hat jene Musik und Rhythmik im Blut, die einmaf der eigenste Besitz des Lyrikers sein muß und die wir bei manchen sprachlich Stär keren vermissen. Erst allmählich vollzog sich Falkes Entwicklung zum Persönlichsten. Einflüsse Mörikes sind fühlbar; aber auch Konrad Ferdinand Meyer und Liliencron scheinen cingewirkt zu haben. Er gestaltete dann mit individueller Kraft tief aufgesahte innere Erlebnisse, oft einfachster Art. Wie überhaupt das Däm mernde, Verhüllte, Geheimnisvolle, wie cs Dehmel oder Rilke zu künden vermögen, ihm ferner lag als das Schleierlose, Klare, Durchdringliche. Auch hierin zeigt sich seine innere Verwandt schaft mit Meyer oder Liliencron. Er ist im Seelischen noch ganz Impressionist und ohne kosmischen Zug. Falke bat auch Romane geschrieben. ..Aus dem Durchschnitt" erschien 1892 und wurzelte naturgemäß im Naturalismus. Im „Mann im Nebel", 1899 ver öffentlicht, wird „modernes" Leben in den Erscheinungen jener Ucbergangscpoche gekennzeichnet, und mit feinen Mitteln werden auch hier Stimmungen ergriffen. Falke war 1853 in Lübeck ge boren. Sieben Jahre wirkte er als Buchhändler, dann als Musik- lchrcr. Seit 1903 bezog er einen lebenslänglichen Ehrensold der Stadt Hamburg nnd gehörte von da ab ganz der geliebten Kunst. Ein weniger an äußeren Ereignissen als an innerem Gehalt reiches und beglücktes Leben ist abgeschlossen. Franz van KNmnsbrrm-SÄanp Franz von K ö n i g s b r u n - S ck a u p, einer der wenigen zeitgenössischen Schriftsteller Dresdens, dessen Name und Persön lichkeit auch außerhalb der sächsischen Residenz rege Beachtung und teilnehmende Freundschaft fand, ist, wie bereits gemeldet, am Sonnabend nach kurzem Leiden in Leipzig verschieden. In Cilli, in der Steiermark, geboren, unter den Einflüssen einer vornehmen, die Neigung zu schönen Formen pflegenden Tradition aus gewachsen, wurde König drun durch seinen Roman «Die Vogu- milen" in weiten Kreisen Oesterreichs bekannt. Durch die seine Charakteristik und die lebendige Zeichnung bosnischer Gesellschafts verhältnisse hat das Buch ein gewisses Aussehen erregt. Der Dichter kam nach Dresden, — und die Elbstadt ward ihm die zweite Heimat. „Der Hundskagszauber" schildert die lastende Schwüle dieser Stadt im Hocksommer, den Wechsel der Stim mungen eines unruhig suchenden Gemütes, die dumpfe Enge des Lebens in einer kleinen Fremdenpension und die Befreiungen in den duftigen Nächten, unter den breiten Blätterkronen alter Bäume des Großen Gartens. Hier sprach eigenes Erleben und euch die Liebe für die eigenartige Schönheit Dresdens. Es gab wohl keinen, der so sehend war für die landschaftlichen Reize dieser ihm neuen 1lwg"bung; mit den Jahren wurde immer Neues, In timeres entdeckt, und seinen Freunden werden die gemeinsamen Spaziergänge in erlebnisreicher Erinnerung bleiben. Auch Otto Julius Bierbaum verband enge Freundschaft mit Königsbrun- Schaup. Gemeinsamen Anregungen verdankt das romantische Abenteuer „Fortuna", ein Drama, seine Entstehung. Es hat kürz lich die Uraufführung im Braunschweiger Hoitheater erlebt, der weitere Aufführungen in Homburg folgen sollen. Ein Vergleich der alten, noch unter Bicrbaum entstandenen Fassung mit der letzten Ausgabe zeigt daß Königsbruns Anteil daran der weitaus wesentliche ist. Sein fröhlicher Schwank „Der Hochzeitstag" (ge meinsam mit W. Wolters) ist häufig gegeben worden, zuletzt in Dresden und Braunschweig. Eine Komödie „Maldcscl und Wolkcnkuckuck", in fünf Akten angelegt, ward die letzte Arbeit, und ihr Manuskript ist nur wenigen bekannt. In diesem satirischen Spiel sprüht ein blendender Witz, mit großartiger Souveränität wird Treiben und Sein moderner Scheineristenzen behandelt, die Grazie alter Kultur überlächelk spöttisch das breitspurige Gebaren merkantiler Geister. Hier liegt viel von des Verfassers eigenster Lebensauffassung und von der Wirkung, die seine Persönlichkeit ausgcübt hat. Er war ein Erzähler, der stundenlang die Zuhörer «Wir hatten auf ein so großes Quantum nicht gerechnet, aber da Ihr heutiger Preis erheblich größere Vorteile bietet, will ich ein Telegramm nach Hause riskieren!' „Tun Sie das, lieber Freund!" Sie stiegen nun die Kellertreppe empor und befanden sich bald wieder unter freiem Himmel. Am Telegraphenamt verabschiedete sich Obermeyer von seinem Gaste, und Albrecht betrat den Schalterraum. Wenige Minuten später blitzte der elektrische Funke seine Botschaft nach Norden, und unser Freund wandte sich über den St. Jakobs-Platz nach den Talfer-Anlagen und gelangte bald über die Brücke nach seinem Hotel zurück. Punkt drei Uhr hielt der mit zwei niedlichen kleinen Pferden bespannte offene Wagen des Weinhändlers vor dem „Schwarzen Greifen" und der Kutscher bat den Portier, doch den Herrn von Weber herauszurufen. Die Freundschaft mit dem angesehenen reichen Obermeyer imponierte dem Hotelpersonal sichtlich, und der Portier lieh darum in Anbetracht der zu erwartenden reichlichen Trinkgelder nach guter österreichischer Sitte den vom Kutscher in den Adelsstand erhobenen Herrn von Weber noch weiter avan cieren und ersuchte den Herrn Baron von Weber, sich gütigst in die seiner wartende Equipage bemühen zu wollen. Albrecht nahm lächelnd von diesen im Süden alltäglichen, für den Norddeutschen etwas überschwenglich klingenden Titulaturen Vermerk, ergriff Hut und Paletot und schnell sauste das leichte Gefährt nach Mauritzing. Im Obermeyerschen Hause harrte der weihgedeckte Kaffee tisch bereits des Gastes. Das Ehepaar begrüßte ihn mit gewohn ter herzlicher Liebenswürdigkeit, und Annamirl reichte ihm mit freundlichem Lächeln die Hand. Die Antwort auf das Telegramm war noch nicht eingetros- sen, und darum wurde in Gegenwart der Damen der geschäftliche Teil nicht weiter berührt. Das Fuhrwerk blieb angespannt vor dem Hause halten, und man beeilte sich daher mit dem Kaffee. Dann gab Vater Obermeyer das Zeichen zum Einsteigen, und Albrecht wußte cs so einzurichtcn, dah er seinen Platz Annamirl gegenüber fand. Das Fuhrwerk setzte sich in Bewegung und rasselte zwei Stunden später über den Marktplatz der Stadt Kol tern. Am Gasthof zum Röhl machte der Kutscher halt und spannte die Pferde aus. Unsere Freunde verliehen das Gefährt, und Albrecht bot seiner schönen Begleiterin galant den Arm. Bald war man am Stationsgebäude der Drahtseilbahn an- t, die von Koltern hinauf züm Mendelplatz führt. er Zug kletterte mühsam den Abhang hinauf. Als man oben anlangte, stieß Albrecht unwillkürlich einen freudigen Schrei der * Leben zu fesseln wußte und in eleganter, fein pointierter Art die Dinge des täglichen Lebens mit Geschehnissen der Vergangenheit zu ver knüpfen verstand. In den gesellschaftlichen Zirkeln Dresdens, Leipzigs und Berlins, die höheres Sein erst in einer Verbindung von Geistes pflege mit klarer, wshlabgewogener Form sehen, war Könlgsbrun-Schaup ein erfrischender Quell von Anregungen. Ein Weltmann, der spöttisch mit einem Witzwort seine Umgebung zu skizzieren wußte, — ein schweigsamer Beobachter, den es tagelang in die Stille der Gärten zog, ein sehnsüchtig Genießender, der jahre lang die Säle der Dresdner Galerie durchwanderte. Ein Pessimist, der aber eine bunte Welt der Farbe und gesteigerter Bewegung zu erschauen verstand, und hierzu seine Märchen schrieb. Die „Trimusti", das „Märchen vom Paradiese" und «Das heilige Blau" sind aus bunten Fäden einer reichen Phantasie gewebt, darein die ernste Zeichnung errungener Erfahrung und neuer Hoff nung. k. r. * Schauspielhaus. Es wird nochmals darauf aufmerksam gömachi dah die Karten für die am Sonnabend, nachmittags 8'/, Uhr, statt findende Sondervorstellung des Weihnachtsmärchens „Schnee wittchen" für die Kinder und Frauen im Felde stehender Krieger morgen (Donnerstag), nachmittags von 3—6 Uhr, an der Kaffe des Schauspielhauses ausgegeben werden. — Die lustige Posse „Doppel selbstmord" wird Donnerstag, Sonntag und Dienstag wiederholt. — Am Mittwoch, den 16., beginnt das Bassermann-Gastspiel. O Die Wiedereröffnung der berliner Dreien Sezession Aus Berlin wird uns geschrieben: Die Freie Sezession, die während der bisherigen Kriegsmonate ihre Pforten geschlossen hatte, lud Sonnabend zur feierlichen Eröffnung dieser neuen Ausstellung. Es war ein kleines gesellschaftliches Ereignis mit Wagenauffahrt am Kur>ürstendamm und einer von Curt Herrmann gehaltenen Er öffnungsrede. Die bekannten Persönlichkeiten aus dem Kunst- und Gefellschastsleben waren erschienen, und auch die Regierung war zum ersten Male in diesen Räumen vertreten, durch den Dirigenten der Kunstabtellung im preußischen Kultusministerium. Leider er- lüllte das Gebotene nur zu einem geringen Teil die gehegten Erwartungen. Als vor mehr denn fünf Jahren eine Gruppe von Malern aus der Berliner Sezession ausschied, um durch Gründung der Freien Sezession dem Fortschritt und der Jugend ein Betätigungsfeld zu bieten, wurde diese Revolution im Palast der Kunst mit freudigem Interesse begrüßt. Doch eine llebcrsicht der neuen Ausstellung legt die Betrachtung nahe, daß von den hohen Zielen der Jungen und Modernsten, die sich um Liebermann scharten, nicht viel zu merken, von Entwicklung und Reuland kaum etwas zu sehen ist. Und so zieht man sich in der bunten, fast erdrückenden Uebersülle dieser Ausstellung zu den wenigen Alten zurück. Liebermann, der Ehrenpräsident, ist mit kleineren charakteristischen Arbeiten vertreten, die zeigen, daß er seinen Jungen immer noch unerreichbar ist. Ein eigener Raum ist Wilhelm Trübner gewidmet, und dies mit vollem Recht. Als der Größte, Tiefste und Innigste von allen, als der Meister an Weisheit, Empfindung und Kraft erscheint Hans Thoma, dessen fün, Bilder Farbe, Seele und Leben haben, wie nur ein ganz Großer sie au, die Leinwand zu- bannen vermag. Auch Tierstücke von Slevogt gehören in die erste Reihe. Vorzüglich und von erfreulich einfacher, echter Ratur ist Fritz Rhein, dessen Landschaft zu seinem Besten gehört und dessen ösfiziersporträt alles hat, was man von einer Porträtdarstellung verlangt. Emil Orlik spendet ein Mädchen in Weiß, das zwar äußerlich, ohne die letzte Wärme ist, aber das starke Können dieses vielseitigen Künstlerartisten zeigt. Etwas schwächer sind seine beiden Landschaften. Von Landschaften sind noch zu nennen Theo von Brockhusen, entwicklungsfähig zeigen sich Eewald, Melzer und Ollo Hüttner. Vorzüglich ist ein großes, leicht, aber treffsicher hin geworfenes Porträt von Benno Bern eis. Zwei Porträts und ein lustiges Interieur stammen von Walther Bondy. Außerordentlich be gabt ist ein indischer Kopf von Ludwig Kainer. Ganz entzückend «ist eine Reihe kleinerer Bronzen von Acn6 Sinke ne s, die einen er freulichen Glanzpunkt der Ausstellung bilden. Alles übrige, und es ist eine ganze Menge, ist verworren, entwicklungslos, phantasiearm und darum höchst überflüssig. Futurismus und noch manch anderer Ismus bedecken die Wände mit Fieberphantasien, die wohl schwerlich von ihren Schöpfern verstanden werden. Hier wäre endlich ein tüchtiges Reinigungsbad am Platze. ö. Kleine Mitteilungen Auf der Wiener Volksbühne wird die deutsche Urauf führung des Schauspiels „Die Wölfe" von Romain Rolland vorbereitet. In Maloja ist Mario Segantini, ein Sohn des großen Malers, im Alter von 27 Jahren nach längerer Krankheit gestorben. Mario Segantini war wie sein Vater ursprünglich Maler, hatte sich jedoch vor mehreren Jahren in Berlin zum Flieger ausgebildet und sich darauf in Mailand niedergelassen, wo er Fluglehrer werden wollte. Bei Ausbruch des Krieges verließ er Mailand und kehrte nach Maloja, wo noch die Witwe Segantinis lebt, zurück. Ueberraschunq aus. Zu seinen Füßen zog sich der langgestreckte Talkessel der Etsch hin, auS dessen Grün Landhäuser und Dörfer hervorlugten. Die Stadt Bozen erschien ihm von oben wie auf- gebauteS Kinderspielzeug. Um den Mendelplatz herum erblickte sein trunkenes Auge die mächtigen Felsmassen des Monte Penegal und Monte Rön. Am meisten aber fesselten den Blick die mäch tigen, sagenumwobenen Kegel des Rosengartens. Seine Begleiter, denen dieser überwältigende Anblick schon etwas Gewohntes war, hatten ihn einige Minuten lang sich selbst überlassen, dann aber trat Vater Obermeyer auf ihn zu. «Nicht wahr, hier offenbart sich der Herrgott in seiner ganzen Herrlichkeit! Wem hier nicht das Herz ausgeht, der hat einen Stein in der Brust. Nun aber kommen Sie, lieber Freund, meine Damen sind schon vsrausgegangen, wir wollen uns drüben im Hotel Penegal ein Stündchen niederlassen. Allzuviel Zeit haben wir ohnehin nicht zu verlieren, denn unser letzter Zug heute nach unten geht nicht sehr spät, und von Koltern bis nach Hause ist's immerhin auch noch anderthalb Stunden. Also nun vorwärts zu Tisch drüben im Penegal!" Albrecht konnte sich nur mit schwerem Herzen von dem herr lichen Rundblick trennen. Im Gasthof hatte man inzwischen einen Tisch gewählt, von dem aus der Sonnenuntergang in seiner vollen Pracht bewundert werden konnte. Ein Zufall wollte es, daß Obermeyers droben ein paar Bekannte aus Bozen trafen, die auf das Ehepaar sogleich Be schlag legten. Man hatte durch die Kellner einige Tische zu sammenrücken lassen, und Albrecht saß mit Annamirt am unteren Ende der kleinen Tafel, durch mehrere Plätze von ihren Eltern ge trennt. Im stillen segnete er diesen günstigen Zufall, der es ihm gestattete, fast unbeachtet von den übrigen mit dem lieblichen Mädchen zu olandern. Das Glück war ihm auch in der Tat ganz besonders hold gewesen, denn die neben Annamirl sitzende Dame war von ungewöhnlicher Redseligkeit und hatte ihrem anderen Tischherrn so viel Neuigkeiten zu berichten, daß er sich ungestört seiner holden Nachbarin widmen konnte. Annamirl benannte ihm mit Namen die einzelnen Gebirgszüge und Felsen, die er vorhin geschaut. «Seitdem Sie uns gestern die Sage von König Laurins Rosen garten erzählt haben," fuhr sie fort, «sehe ich die Berge mit noch größerer Liebe an als vorher. Zwar hat mir der Vater in meiner Kindheit gar oft berichtet von den Märchen und Dichtungen unseres Landes, aber das ist nun schon so manches Jahr her, und ich habe inzwischen vieles wieder vergessen. Auch habe ich die Märchen nimmer so poetisch und anschaulich vortragen hören, wie gestern von Ihnen." (Fortsetzung in der Abendausgabe.)
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