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Sächsische Volkszeitung : 11.08.1934
- Erscheinungsdatum
- 1934-08-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193408114
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19340811
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19340811
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1934
-
Monat
1934-08
- Tag 1934-08-11
-
Monat
1934-08
-
Jahr
1934
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 11.08.1934
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vi^sselen Sechs Personen vom Blitz getroffen 20jährlgeg Mädchen getSlel, drei Personen schwer verletzt Am Donnerstagnachmittag kur; nach Z Uhr zog über klokjcke ein kurzes, aber schweres Gewitter. In dem Steinvruch im Priehnihgrund, unweit des Friedrich-August- Bades. hatten sechs weibliche Personen vor dem plötzlich austrelendei Gewitter und dem strömenden Regen unter alten Fichten Schuh gesucht, von den wenigen Blihschläeen, die niederglngen, fuhr einer in diese Fichkengruppe und verletzte sämtliche Personen. Ein junges Mädchen, die rosöhrlae F. aus Dresden-Plauen, starb kurze Zeit später im Friedrlch-Auaust-Bad trotz sofortiger ärztlicher Hilfe. Ihre beiden fünfzehn- und neunzehnjährigen Schwestern wurden schwer verletzt und ins Diakonissenhaus in Dresden gebracht, ebenso elne Frau in mittleren Jahren; zwei ältere Frauen kamen mit leichteren Verletzungen davon. Bel den Schwestern handelt es sich um Elfriede, Hilde gard und Marianne Förster aus Dresden-Plauen; Elfriede Förster starb kurze Zeit später. Dieser Vorfall, der einen fröhlich begonnen Ausflug in trauriger Weise beendete, gilt wieder einmal als eindring liche Warnung, sich bei einem Gewitter nie unter Bäume zu stellen. Stlmmfchelne für den 19. August Anträge auf Ausstellung von Stimmsä-einen für die in der Stadt Dresden wohnenden Stimmberechtigten können am 11. und 12. August 1934 an den durch die Anschläge an städtisä-en Anschlagstafeln bekanntgemachtcn Auslegestellen in der Zeit von 19—20 Uhr. am 14., 15.. 16. und 17. August im Lichthof des Neuen Rathauses, Ringstraße 19, von 8—14 Uhr angebracht werden, Für Ausländsdeutsche (Reichsangehörige. di« im Ausland« ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt habens werden Stimmscheine bis 18. August nur im Statistisä-en Amte, Neues Rathaus, 2. Obergeschoß, werktags von 8—14 Uhr aus geteilt. Wer einen Stimmschein nötig hat. beantrage ihn bei zeiten. da bei etwaigem Andrange in den letzten Tagen längeres Warten auf den Stimmscliein unvermeidlich ist. Ausweis (Ein- wohiiermeldesä>ein. Paß) ist mitzubringen. Ausländs deutsche haben sich durch einen Reisepaß oder einen im klei nen GrenZverkehr eingeführlen Ausweis. Seeleute durch ihr Seesahrtsbuch auszuweisen: Binnenschiffer müssen ihren Beruf nachweisen. Nur in den in der Bekanntmachung angegegebcnen Fällen wird ein Stimmsäiein ausgestellt. Wer am Abstimmungs tage in der für seine Wohnung zuständigen Abstimmungsstelle abstimmen kann, braucht keinen Stimmschein Ter Stimmschein kann beim Statistischen Amte der Stadt Dresden auch schriftlich beantragt iverden. Umlauf von Handelswechseln In letzter Zeit sind bei der Industrie- und Handelskammer verschiedentlich Klagen darüber erhoben worden, daß durch die Vergebung von Wechseln über kleine und kleinste Beträge bisweilen geradezu Mißbrauch getrieben wird. Die Behandlung derartiger Klcinstwcchscl bedeutet eine erhebliche Mehrarbeit: außerdem stehen die dabei erwachsenden Kosten, vor allem wenn noch Protest- und Nückwcchlelspcscn hinzutrctcn, zu der Wechsel summe in keiizxm tragbaren Verhältnis mehr. Die Industrie- und Handelskammer tritt aus diesem Grunde nachdrücklichst dafür ein, daß Wechsel unter einem Mindestbetrage (etwa RM. 100.—), von besonderen Ausnahme fällen abgesehen, nicht mehr In Umlauf gesetzt bzw. von der Wirtschaft abgelehnt werden. Andererseits wird in diesem Zusammenhang aus die schon wiederholt von maßgebenden Kreisen unserer Wirtschaft, insbe sondere auch seitens der Reichsbank hcrvorgchobene Bedeutung des Wechsels im kaufmännischen Zahlungsverkehr als Zah lung-»- und Kreditmittel hingewicscn. Eine Steigerung des Umlaufs von Handelswechseln ist — von den oben geschilderten Ausnahmesällen abgesehen — im Interesse der Gcsamtwirtschast wie der einzelnen Unternehmungen sehr zu begrüßen. Es wird deshalb empfohlen, von dem Warenwechsel wieder in größerem Umfang Gebrauch zu machen. : Dankdirektor Wagner 60 Jahre alt. Am 11. August voll endet der Direktor der Dresdner Handelsbank AG.. Richard Wagner, sein 60. Lebensjahr. Wagner trat 1897 bei der Dresd ner Handelsbank, vormals Central-Biehmarktsbank ein. wurde 1907 stellv. Vorstandsmitglied und 1916 1. Vorstandsmitglied mit alleiniger Vertretungsbefngnis. Unter seiner Führung nahm die Dank eine gesunde und aufwärtsstrebend« Entwicklung. : General Edler v. d. Planitz 75 Jahre alt. Am 11. August kann General d. Inf. a. D. Edler v. d. Planitz, der letzte Frie denskommandeur der 3. Säcks. Division 32. seinen 75. Geburts tag seiern. General v. d. Planitz wär vor dem Kriege u. a. Chef des sächsischen Generalstabes und von 1913 an als General leutnant Kommandeur der 3. Division in Bautzen. Er zog als Führer seiner Truppe in den Krieg und wurde 1916 komman dierender General des 12. Armeekorps. Ende Juli 1918 schied er aus Gesundheitsrücksichten aus dem aktiven Heeresdienst aus. General v. d. Planitz ist u. ct. Ritter des Ordens Pour le MSrite und des Kommandcurkreuzcs des Heinrichsordens. : Kein Zapfenstreich am Sonnabend. Wie uns von der SA-Brigade 33 ^Dresden) mitgeteilt wird, findet der Zapfen streich. der anläßlich der Begrüßung des neuen Gruppenführers von Sachsen für Sonnabend, den 11. August, auf der Ilgen- Kampfbahn vorgesehen 'var, nicht statt. Der Aufmarsch mn Sonntag auf dem Alaunplatz wird duräigeführt. Läcjisisciies Dr. Ley spricht zur Volksbefragung. Der Führer der Deutschen Arbeitsfront, Dr. Leh, spricht am 14. Augstst in Stralsund, am 15. August abeuds 8.30 Uhr in Chemnitz über den Nelchssendcr Leipzig nnd am 16. Anglist in Gelsenkirchen zur Volksabstimmung. Einkrillskarlen für Wahlkundgebungen Gegen den Vorverkauf von Eintrittskarten zu den Wahlkundgcbnngen bestehen keine Bedenken. (gez.) Salzmaun, Gaupropagandalettcr. Was man von postlagernden Briefen wissen muß Wenn man sich Briese „postlagernd" nachsenden läßt und versäumt, einen postlagernden Brief abzuholen, so gilt eine etwa in diesem Brief entlmltene Willenserklä rung als dem Empfänger an dem Tage zugegangen, an dem der Brief abzuholen war. Ein Mieter kündigte mit Schreiben vom 30. Dezember 1931 sein Wohnungsmietverlmltnis. Da der Vermieter verreist war, sandle der Mieter den Brief an die letzte ihm bekannte Anschrift des Vermieters nach Berlin. Der Vermieter k>atte iedoch sein Berliner Postamt beauftragt, ihm die Briefe nach Lübeck post lagernd nachzusenden. In Lübeck hat er am 12. Dezember 1931 einen weiteren Nachsendcantrag auf dem vorgedruckten Formu lar gestellt, und zwar sollten ihm di« Briefe „bis auf iveiteres" nach Hamburg-Hauptbahnhof postlagernd nackrgesandt werden. Der Vordruck enthält folgende Fußnote: „Der Antrag erlischt... nach 14 Tagen.... und ist nötigenfalls vorher zu erneuern." Dementspreäxmd wurde der Brief zwar nach Lübeck nachgeschickt, wo er am 31. Dezember eintraf, von dort aber nicht nach Ham burg, er blieb vielmehr in Lübeck 14 Tage zur Abholung liegen und wurde dann an den Absender zurückgesandt. Der Mieter nahm an. daß sein« Kündigung gültig sei. zog Ende März 1932 aus und zahlte nicht länger den Mietpreis. Der Vermieter je doch. der den postlagernden Pries nicht erhalten lmtte. ließ die Kündigung nicht gelten, sondern klagte auf Zahlung des Miet zinses bis zum nächsten vertraglich zulässigen Termin, dem 31. März 1933. Die Sacke beschäftigte das Landgericht, das Ober landesgericht. das Reichsgericht, wurde zurückverwicsen an das Obcrlandcsgericht, und erst nachdem dieses noch einmal entschie den hatte, kam man darauf, das Nachsendeformular der Post anzusehen. Nun legte der Mieter nochmals Revision ein und das Reichsgericht entschied im Mai 1934: Bei Personen, die Kraft einer Vereinbarung mit dem Be stellpostamt ihre Pnstsaä>en an einem Schließfach abholen, gilt der die Willenserklärung enthaltende Brief als an dem Tage zugegangen, an dem er in das Abholfach einsortiert, das heißt zum Abholcn bereitgelegt morden ist. sofern nach der Verkehrs- aufsassung mit der Abholung an diesem Tage zu rechnen ist. Dasselbe muß bei postlagsrnden Sendungen gelten, wenn, wie hier, der Empfänger selbst dem Postamt gegenüber die Anord nung gegeben hat. daß die für ihn' eingehenden Sendungen bis zur Abholung durch ihn bei der Polt lagern sollen. Hiernach ist der Kündigungsbrief als am 31. Dezember 1931 oder späte stens am 2. Januar 1932 dem Beklagten zugegangen anzuschen. Daß er die Möglichkeit, von dem Inlzalt des Briefes Kenntnis zu nehmen, nicht benutzt hat. ändert nichts daran, daß die Kün digung wirksam geworden ist. Sie ist als dem Beklagten recht zeitig und in rechter Form zugeqangen anzuselren. (Reiclrsgericht IV 17/34.) Amtliche Bekanntmachungen Vcbauungsplaniindcrung Seevorstadt. Für das von Wie ner Straße. Gellertstraße, Rcichseiscnbahn und Wiener Platz be grenzte Gebiet ist ein neuer Bebauungsplanenlwurf aufgestellt worden, der bis zum 12. September 1934 im Neuen Rathaus, Ringstraße 19. 4. Obergeschoß, Zimmer 434, zur Einsicht für je dermann ausliegt. Widerspriicl>c sind bei Verlust des Wider- spruchsrechts bis zum 12. September 1934 bei dem Rat zu Dres den, Stadtplanung«- und Hochbauamt als Vaupoli.zeibehörde ^u erheben. Bebauungsplan Lockwitz (Nickern). Für das von Dohnaer. Büttigstraße einschl. der daran gelegenen Flurstück« 6 nnd 6a, Langobardenstraße und Flurgrenze Prohlis^Lockwitz-Nickern be grenzt« (Oebiet ist ein Behauungsplanentwurf ausgestellt worden, der bis zum 11. Septeml»«r 1934 im Neuen Rathaus, Ringstraße 19. 4. Obergeschoß, Zimmer 434. zur Einsicht für jedermann ausliegt. Widerspriiel,« sind bei Verlust des Widerspruchsrechts bis zum 11. September 1934 Ixn dem Rat zu Dresden, Stadt planung«- und Hochbauamt als Baupolizeibchörde zu erheben. Am Rlonkag kein Gemelnjchafksempfang ln Sachsen Entgegen einer aus Berlin gebrachten Meldung wird mitgeteilt, oatz am Montag, 13. August, kein Gemeinjchasts- empfang für Sachsen stattsindet. Die Bevölkerung nimmt daher an den angeletzten örtlichen Veranstaltungen und Ver- iammlunaen der NSDAP teil. Feuerschuhwoche verlegt Die Landesstelle Sachsen des Neichsministeriums für Volksausklürung und Propaganda teilt mit: Die Feuerschutz woche ist lvegen der Vorbereitungen jür die Volksabstim mung auf die Zeit vom 17. bis 23. Septen,ber 1S34 verlegt worden. Es ist beabsichtigt, während der Feuerschutzwocbe auf die Brandgefahren aller Art in Schrift und Bild nachdrücklichst hinzuweisen. Um das Verständnis aller Bevölkerungskreise für diese überaus wichtige Aktion zu sichern, mutz die Durchführung einheitlich und nach den festgelegten Richt linien erfolgen. Jndustriefirmen, Vcrsicherungsgesellscl)aften und alle interessierten Kreise, die eine eigene Werbung beabsichtigen, wollen sich deshalb vorher mit der Landesstelle Sachsen des Reichspropagandaministeriums, Ruf Dressen 25 271, oder der Gauleitung Sachsen der NSDAP, Amt für Volkswohl fahrt, Abtlg. Schadenverhütung, Ruf Dresden 52 006, Neu städter Markt 12, in Verbindung setzen. d. Bad Schandau. Straßenbahn gegen Lastzug. Aus der Hindenburgstraß« stieß ein Straßenbahnwagen von hin ten gegen einen in gleiel>er Richtung fahrenden Lastzug, der beim Ausiveichen eines entgegenkommenden Lieferkraftivagens auf die Gleise gefahren war. Durch den Zusammenstoß wurde der vordere Teil der Straßenbahn aus den Schienen gehoben. Per sonen kamen bei dem Unfall zum Glück nicht zu Sünden. d. Großenhain. S ch e u n e n b r a n d. Am Donnerstag entstand aus bisher ungeklärter Ursache in der Scheune des Bürgermeisters Baumgart in Kalkreuth bei Großenhain ein Brand, der sich mit großer Schnelligkeit aus das ganze Gebäude ausdehnte. Die Scheune mit den gesamten Erntevorrätcn sowie landwirtschaftliche Maschinen wurden durch das Feuer ver nichtet. Der Schaden beträgt etwa 30 000 Mark. Büche» Heinrich Zerkaulen, „Anna und Sigrid", Roman. (Verlag Holle u. Co., Bcrlin-Halensee.) Der in den Reihen des Volksverbands der Bücherfreunde außergewöhnlich erfolgreich gewesene Roman „Oslcrnothosen" erscheint nunmehr unter dem Titel „Anna und Sigrid" im ös- fentlichen Buchhandel. Dcls seine, reise Werk des gewandten Erzählers, der hier auch beachtlich in die Tiefe geht, verdient die Bekanntschaft weiterer Kreise. Wir haben sr. Zt. den „Osternothasen" ausführlich besprochen und können uns daher auf eine kurze Erinnerung beschränken. Zerkaulen behandelt in vornehmer Weise einen Anklang an das alte Thema des Grasen von Gleichen, dem nach einer tendenziösen Fabel der Heilige Vater die Ehe mit zwei Frauen erlaubt haben soll, weil er sich von der Innigkeit dieser Liebe überzeugt hätte. Zer kaulen schildert einen solchen Fall, der naturgemäß zur Kata strophe sichren müßte, wenn nicht endlicher Verzicht der späte ren Geliebten kurz zuvor noch cllles zum Guten wendete. Die beiden Frauengestalten sind vom Autor ganz besonders sein ge zeichnet. Sie sind beide Edelmcnschen und durch und durch ge sunde Naturen, die im schwersten Kampfe bestehen. Auch der Mann, dieser „Jlausenkönig" mit der ernsten Lebensführung und dem frohen Kindcrhcrzen, ist in der Knappen, kräftigen Zeichnung Zerkaulens vorzüglich gelungen. Die letzten Kapitel spielen an der Waterkant. Hier haben mich die Meercsszenen erneut ungewöhnlich gefesselt: die brandenden Wogen, vernich tend und heilkräftig zugleich, werden Symbol, wie es nur ein wirklicher Dichter formen kann. Zck. Gutsmuths, der erste deutsche Turnlehrer Zum 175. Geburtstag am 9. August. Wenn man den Namen Jahn ausspriäst, dann darf man gleich danach den Namen Gutsmuths nennen. Während man Jahn den Vater des deutschen Turnens heißt, so sollte Guts muths als sein Vorgänger, nach einem Ausspruch von Adolf Spieß, den Ehrennamen „Erz- und Großvater der, Turnkunst" tragen. Seine Untermauerung der Leibeserziehung mit geisti gen, im Vaterländischen und Volkhaftcn wurzelnden Grundlagen ist gerade in jüngster Zeit wieder dankbar erkannt worden. Man darf ihn wohl ohne Uebcrtreibung den ersten Turnlehrer und Wehrerzieher des deutschen Volkes nennen. Johann Christoph. Friedrich Gutsmuths ist ein Quedlin burger Kind. Dort wurde er am 9. August 1759 geboren. Nach dem er in seiner Heimatstadt das Gymnasium besucht, studierte er an der Universität Halle Theologie und Naturwissenschaften. Daraus fand er in der berühmt gewordenen Erziehungsanstalt Schnepsenthal Anstellung als Lehrer. In dieser von Chri stian Gotthilf Salzmann gegründeten Schule wurde» wohl erst malig Gedanken und Wünsche verwirklicht, die heute betont in unserer Erziehungserneuerung auftretcn. - Gutsmuths unter richtete zunächst in Geographie, Sprachen und Geschichte. Seine überragende Bedeutung aber liegt auf dem Gebiete der ihm übertragenen körperlichen Erziehung. Salzmann hatte im „Plan seiner Erziehungsanstalt* den Wert und die Notwendig keit dieses bisher vernachlässigten Gebietes klar erkannt. So schreibt er einmal: „Da ihr wisset, daß der Mensch neben seiner Seele auch einen Leib habe, dessen Gesundl)«it, Kraft und Ge schicklichkeit nölig ist, so ist es unsere Schuldigksit, auch täg lich Leibesübungen anzustcllen. Gutsmuths ivar der rechte Mann zur Durchführung dieses Programms. Auf der Harth, eine nahe Anhöhe, von Buchen und Eichen umgeben, wurden tägliche gymnastische und turnerische Uebungcn abge halten. Aus den Erfahrungen dieser planmäßig gehaltenen Turnstunden erstand das erste Turnunterrichtsbuch der Welt. Gutsmuths gab seinem Werk den Titel „Gym nastik für die Jugend" (1793 erschienen) und nannte es eine „praktische Anweisung zu Leibesübungen und.ein Beitrag zur nötigsten Verbesserung der körperlichen Erziehung." Er be tonte darin, wie notwendig es sei, die gesamte Jugend durch gute, planmäßig aufgebaute und kräftigende Leibesübungen zu den Werten der Gesundheit, der Lebensfreude und der Wehrhaf tigkeit zu bringen. Turnen müsse eine Angelegenheit des gan zen Volkes werden. Berühmt geworden ist seine Begriffs bestimmung von Turnen, es sei Arbeit im Gewände jugendlicher Freude. Vor allem für die Armen des Volkes, deren Gesundheit durch schwierige Berufsarbeit und Mangel an genügender Erho lung besonders angegrisfen wird, sei die körperliä»' Ertüchtigung notwendig. Gutsmuths sah mit scharfem Blick schon im Turnen auch „ein Mittel nationaler Volkserziehung". Er erkannte recht bald, wie die turnerische Betätigung auch der vorteil-asten Bildung des Charakters dienlich sei. Mut. Geistes gegenwart, Entschlußkraft u a. werden durch entsprechende Lei besübungen geweckt und gesteigert. Mit Absicht hatte Guts muths in seinem Buche nicht viel über die Tlieorie des Turnens geschrieben: ihm kam es vielmehr daraus an. eine praktiselie Anleitung zur Erteilung des Turnunterrichts und eins Anivei- sung zur Selbstbetätigung zu schaffen. In feiner Erkenntnis schreitet er vom Leichten zum Schweren fort Nunmehr konnte jede Schule den Turnunterricht in ihren Arbeitsplan aufnehmen. So wurde denn auch tatsächlich das Buch bald in ganz Europa bekannt. In wenigen Jahren wurde es fast in alle europäisclien Sprachen übersetzt. Seinen Anweisungen gemäß turnte die Ju gend in England, Dänemark. Schweden und Holland Besonders viel« deutsche Erziehungsanstalten nahmen den in seinem Werk nieüergelegten Aufbau der könierlichen Erziehung zur Grund lage ihres Turnunterrichtes. 1805 wurde mit Genehmigung des preußisch» Königs an der Universität Erlangen ein« gymna stische Anstalt mit einem Turnplatz und eigenem Turnhause ein gerichtet. Und 1807 machte der Minister Freiherr vom Stein den Vorschlag „nach dem Muster von Schnevfental und-mit Be nutzung der Vorschläge des Herrn Gutsmuths Leil>eoübuugen in den Schulen allgemein einzuführen." Auch dem Schwimmsport wandte Gutsmuths sein besonde res Interesse zu. das „kleine Lehrbuch der Schwimmkunst" (1796 erschienen) ist wieder das erste deutsche Schwimmlehrbuch. Nach dem Ausgang des bekannten unglücklichen Krieges, da in Preußen das Nationalgesühl zu erglühen cmfing. erach tete man die ersehnte Stunde für gekommen, di« Jugend des Volkes durch zweckmäßig«, zielgerichtet« Körpererziehung für kommende nationale Aufgaben vorzul>ereilen. Gutsmuths wurde mit Jahn bekannt: beide wurden bald aufrichtige Freunde. Jahn trug seines Freundes Werk nach Berlin, auf der Hascn- hnide turnte und üble er mit der deutsci-en Jugend nach der „Gymnastik". Ein Urteil Jahns über Gutsmuths lautet: „Ein echter Vaterlandsfreund mit Namen Gutsmuths hat uns in der „Gymnastik sür die Jugend" ein trefssiek;«; Lehrbuch der Leibes übungen geschenkt". Inzwisci-en schrieb Gutsmuths schon an seinem zweiten Turnbuch: das „Turnbuch für die Söhne -es Vaterlandes" erschien 1816. Hier drin finden sich die ersten Geländeübungen nach unserer heutigen Auffassung. Seine letzte Turnschrift erlebt« 1818 die Drucklegung und hieß „Kate chismus der Turnkunst". Auch für die Turnausbildung der Soldaten wirkte Guts muths. Um sich mit „den Leibesübungen und der ziveckmäßigen Weise, jung« Leut« darin zu unterrichten", bekannt zu maci-cn, wohnten 1816 prch,ßisä>e Offiziere dem Turnunterricht« in Schnepsenthal bei. — Aber, daß das Turnen seinem Wunscl>« gemäß vom ganzen Volke gepflegt wurde, erlebte er nicht. Durch die im Jahre 1819 eingesetzte Tur »sperre wurde in den meisten deutsci-en Ländern die Einrichtung von Turnplätzen ver boten. Das Turnen mar bei den maßgebenden Stellen politisch verdächtig geworden. Vis 1842 blieb dieses merkwürdige Sperr gesetz in Kraft. Man kann sich denken, wie diese plötzliche ge waltsame Hemmung des Volksturnens auf Gutsmuths «inen mehr als leidigen Eindruck machte. Den kommenden Umschwung sah er jedoch voraus, wenn er z. B. sagt«: „Doch was tut's? Wie manä>er Sämann stirbt, wenn seine Saat kaum keimt." Diese Saat ist inzwischen tatsächlich in hundertfältiger Frucht aufgegangen, die Leibesübungen sind nunmehr in Wahr heit Anzzelegenheit des gesamten deutschen Volkes geworden. An dieser Entwicklung hat neben Ludwig Jahn der erst« Turn lehrer und — wir können auch sagen — Wehr«rziel)«r des deut- sel>en Volkes Johann Gutsmuths hervorragenden Anteil. Dafür, sagt Salzmann, iverden sein W«rk und sein Nam« auf deutschem Boden nie untergehcn. Gutsmuths hat seine Lebensarbeit sür die rechte und gründlicl-e Auffassung -er Leibesübungen getan, von denen er im ersten der zehn Gebote der Leibeszucht, die er seinem Turnlehrbuch an den Anfang schrieb, sagt: „Du sollst deines Leibes vernünftiger Aufsel)«r, Herr und Meister sein, ihn zu rüstiger Mannhaftigkeit ausbilden und geschickt und ge horsam machen zu allem Guten, damit du ein gan.zer Mann werdest für dich, die Deinigen und das Bürgertum, in dein im lebst." Karl Adamczak.
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