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Nummer 22V. Sächsische Volkszeitung 22. September 1934. Eine Erklärung des evang. Reichsbischofs Berlin, 21. September. Der Reichsbischof Mittler veröffentlicht folgende Erklärung: In einigen Zeitungen wird behauptet, ich hätte bei meinen Ausführungen in Hannover dem Katholizismus den Kampf angesagt. Eine derartige Ausführung steht im Ge gensatz sowohl zu dem Wortlaut meiner Ausführungen; als auch zu meinem eigenen Wollen. Ich habe lediglich erklärt, Luther habe die Absicht gehabt, eine romfreie Kirche zu schaffen. Wir wollen in Deutschland nicht etwa einen Kampf gegen die katholische Kirche. Im Gegenteil stehe ich auf dem Standpunkt, dah die beiden grotzen christlichen Kirchen nicht gegenein ander zu arbeiten haben, sondern eine gemeinsame Aus gabe haben, nämlich zur Erziehung des deutschen Men schen alle religiösen und ethischen Werte unserer Konfes sionen ganz und gar einzusetzen. Die Bedeutung der Relchstagung der „Deutschen Christen" Berlin, 21. September. Tas Deutsche Nachrichtenbüro meldet: Tie Reichstagung der Deutschen Chri st e n am 21. und 22. September steht im Zeichen des Aus gleichs und der Versöhnung. Ueb:r die Bedeutung dieser Reichstagung sprach am Donnerstagabend vor der deut schen Presse der Rechtsivalter der deutschen evangelischen Kirche, Ministerialdirektor Jäger. Er wies darauf hin datz die Amtseinführung des Reichsbischofs am kom menden Sonntag weit über das Persönliche hinaus von smnbolischer Bedeutung sei, denn es dokumentiere sich hier der Schlussstrich, der unter die Gesamtent- wicklung in der deutschen evangelischen Kirche gezogen werde. Die Entwicklung habe damit allerdings noch nicht ihr Ende erreicht, es werde jetzt der innere Aufbau cinsetzcn. Dr. Jäger erklärte wei ter. das; weder die äussere, noch die innerliche Kirche Ge genstand eines Kirchenstreites sein könne. Bei dem Kir- chensircit handele es sich um die irdische Organitation. Ter Staat habe nicht die Absicht, in Glaubensangelegen- heiten einzugreifen, nur mühten die irdischen formen und die sonstigen irdischen Verhältnisse .steichgerichtct sein. Das Wort Gottes werde in seiner ganzen Ausdeh nung nicht gehemmt. Es herrsche vollkommene Freiheit des Glaubens und der Verkündigung. Wenn aber die Freiheit missbraucht werde, nm Disziplinlosigkeiten zu be gehen könne dies im Interesse der notwendigen Ord 'ung nickt a,duldet werden. Die Kirchenpolitik sei nicht eine Sache der Pfarrer und Bischöfe, allein verantwortlich sei die höchste Führung der Kirä>e. Kirchenpolitik hai>e nichts mit dem Worte Gottes und der Verkündigung zu tun. die Kirche müsse aber von dem absoluten Willen ge tragen sein, dem Worte Gottes und seiner Verkündigung bis ins letzte gerecht zu werden. Abschliessend erklärte Dr. Jäger, datz die finan ziellen Fragen in Zukunft nur noch einheit lich vom Reich zur Reichskirche geregelt würden. Die Ausbildung der Pfarrer müsse anders als bisl-er vorbe reitet werden; man werde eine gewisse Auslese für Stadt oder Land oder für höhere Ausbildung schon in früher Zeit treffen lind eine Hauptausbildungsstätte für die Er lesenen schaffen, wofür das „ A u g u st i n e r k I o st e r " in Erfurt ausersehen sei. Weiter seien zu bearbeiten die Frage des Religionsunterrichts und ein umfassendes D i sz i p l i n a r r e ch t. Er hoffe, datz die Irrungen und Wirrungen, die so viele Kräfte in sinnloser Weise verschlungen hätten, bald ihr Ende finden möchten und datz eine Zeit komme, in der Aufbauarbeit im Sinne des Führers geleistet werde. Lhristenhaß eines Sind» schwer bestraft Ernaculam (Indien). Ein Hindu aus vornehmer Kaste schlich sich zu Palai in «ine Kapelle ein und zertrümmerte dort ein Kruzifix und eine Mutter-Mottes-Statue. Die Tat erregte einen förmlichen Aus ruhr. Schulen, Läden und öffentliche Gebäude blieben tags darauf zum Zeichen der Trauer geschlossen. Man hielt Protest mrsammlungen ab, an denen sogar Heiden teilnahmen. Die Bischöfe von Changanchcrry und Kottayam begaben sich sofort an Ort und Stelle, um die Bevölkerung zu beruhigen. Auch die Regierung von Travaneore, die sich der Tragweite des Zwischenfalls bewutzt war, griff ein. Sie verurteilte den Schuldigen zu Zwei Jahren Gefängnis und setzte einen Beamten ab, der dem Attentäter zuviel Entgegenkommen gezeigt hatte. In Gegenwart von vier Bischöfen, zweihundert Priestern und über zwanzigtausend Katholiken wurden am Ort der Tat ein neues Kruzifix und eine neue Madonnenstatute ausgestellt. Hochzeit eines Verwandten Pius XI. Für die Hochzeit des Grafen Franco Ratti ist der 18. Oktober, das Fest der hl. Theresia, festgelegt worden, weil sowohl die Mutter Pius XI., wie die Mutter der Braut den Namen der Heiligen trugen. Die Eheschllctzung wird vom Papst selbst in der Sixtinischen Kapelle vocgcnommen wer de». Es ist das zweite Mal mährend seines Pontifikates, datz Pius XI. diesen Ritus vollzieht. Die erste Eheschlietzung nahm der Papst im Jahre 1920 zwischen der Schwester des Grafen Ratti und dem Marquis Ugoltni, dem Gesandten der Republik San Domingo beim Hl. Stuhl, vor. Die feierliche Zeremonie vom 15. Oktober wird in der Sixtinischen Kapelle stattfinden, weil Graf Nattl nicht nur ein Verwandter Pins XI., sondern zugleich ein hoher Würdenträger Im Vatikan ist. Das römische Vikariat fordert In einer Kundgebund alle, die Schriften Mus X. besitzen, dazu auf, diese entweder im Ort- ginal, oder als Kopie beim Diözcsantribunal abzugebcn, wo die vorbereitenden Matznahmen für den Seligsprechungsprozetz des Papstes getroffen werde». Oie katholische predigt von Genf Rlotta, Schuschnigg, Valera, AaczynSkt nahmen an dem denkwürdigen Gottesdienst in der katholischen Kirche von Genf am 17. September teil Die katholische Kirche von Gens war am 17. Sep tember der Schauplatz eines denkwürdigen Gottesdienstes, in dem Gottes Erleuchtung für die wichtige Entscheidung des Völkerbundes herabgesleht werden sollte. Bischof Marion Besson, unterstützt von seinem General vikar Petit, feierte die heilige Messe. Beim Evangelium be stieg der Dominikanerpater Lavaud von Freiburg die Kan zel und suchte in folgenden Ausführungen der Bedeutung des Tages von Genf gerecht zu werden. Er legte seiner Ansprache einen Thomastext zugrunde, der auch in der Enzyklika „U b i Arcano" eine grotze Nolle spielt. Der Gedanke des hl. Thomas lautet: Der Friede ist das Werk der Gerechtigkeit indirekt, in dem die Ge rechtigkeit die Hindernisse des Friedens aus dem Wege räumt, das Werk der Liebe direkt, weil die Liebe durch ihr eigenes Wesen den Frieden schasst; denn die Liebe hat eine einigende Macht. Wenn dieser Geist der Liebe einen Leib braucht, den er beseelt, einen Leib als Testament, um sich zu ossenbaren, um sich zu erhalten, ein grotzes Ganzes nämlich von Einrichtungen, zum Schutze des Rechtes und der Gerechtigkeit, um so mehr brauchen wir auch diese Institutionen, um leben und bestehen zu können, den Geist des Friedens, der kein anderer ist als der Geist der Liebe. Ohne diesen wären diese Institutionen (von Genf nämlich) ein Kadaver, ein lebloser Leib. Aber autzerhalb des Christentums wären die Beziehungen der Menschen und Völker untereinander nur vom Hatz und von der Gewalt diktiert, nicht von Gerechtigkeit und gegen seitigem Wohlwollen. Wenn aber Christenheit und Christen tum sich mit Menschheit und Menschentum verbindet, und wenn die Liebe herrscht unter ihnen, so Netze sich daraus, wenn nicht immer eine Rechtsinstitution um jeden Preis, so doch ein wenn auch kompliziertes System von Organisationen zum Schutze des Rechts schassen. Die Einheit der Völker und die Ruhe der Ordnung wären realisiert mit einer Liebe, die kein Gesetz braucht: „Denn liebe »Nd tu, was du willst" (wie ein augusti- nisches Wort lautet). Aber die Kirche meitz wohl, datz die Liel>e vielen man gelt. Darum wünscht sie mit aller Macht, datz Institutionen des Friedens geschaffen würden. Dann weist der Redner in der Geschichte nach, wie die Päpste immer und bei jeder Gelegenheit zugunsten des Frie dens eingctreten sind und wie sie immer auch auf dem Geiste bestanden hätten, der die internationalen Institutionen be leben müsse. Heute aber herrsche in der Welt gar zu sehr nur der Hatz, unter den verschiedensten Formen, der dem Evan gelium Feind sei und deswegen immer von den Päpsten an den Pranger gestellt worden sei. Er zitiert dabei einige konkrete Fälle. Der Wirtschastsmaterialismus in seiner liberalen und plutokratische» Form, mit der leidenschaftlichen Geschäsls- macherei und Spekulationswut verkennt ganz Liebe und Recht und führt die Welt in eine Sackgasse, und ist auch bereit zu einem Pakt mit dem Antichrist, wenn nur die Geschäfte wieder ausgenommen werden. Der dialektische (philosophische) Materia lismus mit seinem Aussehen als internatio naler Kommunismus erhebt den Klassen - k a m p s z u m D o g m a und geht aus die Zerstörung aller moralischen Werte aus und bekämpft mil Erbitterung das Christentum als Hindern's für die Weltreoolution. Solche Doktrinen, die mehr oder weniger in den Tatsachen, in den Parteien, in den Staaten Gestalt angenommen haben, die sich bis aufs Messer seind sind und sich auf Leben und Tod bekriegen, sind alle gegen den Frieden gerichtet. Das gemein same Charakteristikum sür sie alle und das ihnen allen ge meinsame Gift ist der gänzliche Mangel an Liebe, an deren Stelle aber der Hatz stehe. Die Enzykliken des gegenwärtigen Papstes haben mehr als einmal diese Lage gckennzeichnel, um alle Undurchsichtigkeiten und Unklarheiten für das christliche Bewusstsein zu zerstreuen. Die Sympathie und das leidenschaftliche Interesse der Kirche sür alles, was in Genf vor sich geht, und Gutes ge schaffen wird, wird niemand in Frage stellen dürfen. Aber wir müssen klare Ideen und Begrisse haben von den Formeln und den Pakten, und den Vereinbarungen, von den Beschlüssen und Texten, aber diese können die Kommissionen, die Sekretariate, die Büros und Sitzungen nicht haben, wenn sie in Verbindung stehen mit einer Mystik des Hasses, und sich nicht inspirieren an der wahren Mystik der Liebe und der Er lösung. Es ist darum von grösster Bedeutung für die Erhaltung des Weltfriedens, an der Bekehrung der Seele, an der Re stauration der sozialen und der christlichen Ordnung zu ar beiten, wie es die Päpste immer gelehrt haben, darum zu beten. Mit diesem Geiste wollen wir teilnehmen an den Be mühungen, Frieden und Recht in der Welt auszu richten, bis datz wir einmal aus dieser blutgetränkten Welt das Kreuz, das Symbol der Liebe und des Friedens aufge richtet sinden. An dieser Predigt des Pater Lavaud nahmen teil die grotzen katholischen Politiker Motta. Schuschnigg, Prinzessin S t a r h e m b e r g, Bcrgner Midellropp, Iaspar, Carla de Wiart, Valera, Raczynski usw. Hochschule und Kameradschafishaus Einheitliche Regelung des studentischen Gemeinschaftslebens Berlin, 20. September. Auf Grund gegebener Vollmachten hat der Reichsschasts- fiihrer der Studierenden an den deutschen Hoch- und Fachschulen mit Wirkung vom 20. September 1934 über die Kameradschasts- erzichung der Deutschen Studentenschaft eine Verfügung er lassen, in der es heitzt: Zum Wintersemester 1934/35 werden nach den vorliegenden Erhebungen der Deutschen Studentenschaft nu* etwa 4000 Abiturienten aus dem Arbeitsdienst aus die Hochschule kommen. Um eine einheitliche Erziehung des akademischen Nachwuchses im nationalsozialistischen Sinne zu gewährleisten, ist eine ge regelte Verteilung auf die zur Verfügung stehenden biindischen Gliederungen innerhalb der Deutschen Studentenschaft notwen dig. Ich verfüge daher betreffend Kameradschastserziehung der Studentenschaft folgendes: 1. Jeder Abiturient, der zum Wintersemester 1934 35 zu studieren beabsichtigt, ebenso jeder Student, welcher zum Wintersemester 1934/35 sein zweites Sludiensemester beginnt, hat sich bis zum 1. Oktober 1934 bei der Studentenschaft der jenigen Hochschule zu melden, auf der er studieren will, Er hat dieser Meldung Angaben über geleisteten Arbeits dienst und über sein Studienfach beizusiigen. Er ist verpflichtet, während der ersten beiden Semester, sofern er sein Studium nicht aufgibt, an demselben Hochschulort zu studieren. 2. Jeder Student, der zum Wintersemester 1934/35 das erste bzw. zweite Semester beginnt, ist vcrpslichtet, während der nächsten beiden Semester in einem von der Deutsclzen Stu dentenschaft anerkannten K a m e r a d s cha s t s h a u s zu wohnen. Freiwillige Teilnahme älterer Semester ist möglich, wenn sie nachweisen, datz sie vor dem 31. 1. 1933 der NSDAP, dem NSDSTV, der SA, der SS, der HI oder dem Arbeits dienst angchört haben oder sofern sie sich in der Zeit danach aktiv an dem nationalsozialistischen Alstban der Studentenschaft beteiligt haben. 3. Laut Anordnung des Nrichssührers der Deutschen Stu dentenschaft ist es den Einzelstudentenschaften untersagt, soge nannte staatliche Kameradschastshäuser der Studentenschast neu zu errichten und anfziibauen. Kameradschastshäuser sind nach Maßgabe des vorhandenen akademischen Nachwuchses vom Führer der örtlichen Slndenlcnschst aus den vorhandenen, ein gerichteten M oh n k a m e r a d s ch a s te n der Korpora tionen und aus den bestehenden Kameradschaft-,- Häusern der Studentenschaften aufzubaucn. Sämt liche örtlichen Kameradschastshäuser unterstehen einem ört lichen Führer. 4. Für eine einheitliche Ausrichtung in diesen Kameradschajtshäusern ist die Deutsche Studentenschast verant wortlich. Sie hat das Recht, die Führer der Kameradschafts häuser ein- und abzusetzc». Die Deutsche Studentenschast be stimmt eine einheitliche Tracht sür die Belegschasten sämt licher Kameradschastshäuser. Mütze und Band sollen wäh rend der ersten zwei Semester nicht getragen werden. Die Frage der Ehrengerichtsbarkeit wird im Rahmen einer neu ausznbauendcn Ehrengerichtsbarkeit und Disziplinarordnung der Deutschen Studentenschast zu lösen sein. Die Kamerad schastshäuser dürfen nicht nach konfessionellen Gesichtspunkten belegt und geleitet werden. 5. Laut Verfügung des Reichsführers der Deutschen Studentenschast vom 20. 1. 1934 unterstehen die örtlichen bzw. zentralen Untergliederungen der Deutschen Studentenschast — wie Verbände, Korporationen, studentische Vereine usw. — dem Rcichssiihrer der Deutschen Studentenschast, bzw. in seinem Auftrage den Führern der örtlichen Studentenschaften. Der Reichssührer hat das Recht der Ein- und Absetzung der Leiter dieser Gliederungen. Bei Verhandlungen mit Staats- und Parteistellen haben die Untergliederungen den Dienstweg Uber die Deutsche Studentcnsclmit einzuhaltcn. 0. Ausführungsbstimmungcu erfolgen demnächst. (gez.) Fcilkert. * Hierzu können wir folgendes mitteilen: Der Reichssührer der Deutschen Studentenschast hat die Leiter der studentischen Verbände zur Besprechung studentischer Fragen aus Dienstag, den 25. 9. 34, nach Berlin einberujen. Abbau der fiudentischen Korporationen Reichssci-aftsfiihrer F e i ck e r t schreibt in der NSK. zu dieser Anordnung: Vom jetzigen Zeitpunkt an wird die aus der HI., SA. und Arbeitsdienst kommende Hoch schuljugend zu einer geschlossenen, einheitlich geführten studentischen Mannschaft geformt werden müssen. Ich bin mir darüber klar, datz ein Teil der Altherrenschaft diese Neuregelung mit sehr gemischten Gefühlen ansehen wird, datz auch ein Teil der studentischen Jugend in die ser Neuregelung Härten finden wird. Man kann nicht jedem alles rechtmachen. Der grötzt« Teil der Mitarbeiter am Aufbau der Deutschen Studentenschaft setzt sich zusammen aus Korpo- rationsstudenten, die heute noch in Ehren ihr Band tra gen und die als Nationalsozialisten erprobt und bekannt sind. Ein Teil der Korporationen wird nicht bei der Neu regelung herangczogen werden können. Die Ausweitung der Korporationen ist zu »erstehen ge. wesen aus der ständigen Erhöhung der Zahl der Studie renden vor der nationalsozialistischen Revolution. Während aber vor Ns Jahren noch an 10 000 bis 12 000 erste Semester auf die Hochschulen kamen, werden zum Wintersemester 1034 35 nur 4000 Studenten ihr Stu dium beginnen, Diese niedrigere Zahl wird nach mensch lichem Ermessen während der kommenden Jahre nicht zu-, sondern abnehm en. Für diese 4000 erste Semester stehen heute etwa 1500 Korporationen zur Verfügung. Jeder r>ernünstige Mensch kann sich aus rechnen, datz ein Grossteil der Korporationen einfach an der Nc.chwuchsfrage scheitern mutz. Bei ständiger Ver kleinerung des Nachwuchses mutz ein Kamps um jed.'n