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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.10.1915
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1915-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19151021021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1915102102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1915102102
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-10
- Tag 1915-10-21
-
Monat
1915-10
-
Jahr
1915
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Seite 2. Nr. S37. Aberrd-Ausgave Leipziger Tageblatt Donnerstag, LI. Oktober ISIS seinem Dormarsch benutzen muh. Ehe Engländer und Franzosen mit starken Kräften überhaupt den Dormarsch nach Norden ange treten haben, haben sich ihnen die Bulgaren bereits aus den einzig vorhandenen Dormarschstrahen frontal vorgelegt. Sie sichern damtt die südliche Flanke der ganzen großen Offensive, die von den Zentralmächten und Bulgarien selbst gegen das serbische Heer eingeleltet ist, und verhindern damit jede unmittelbare Unter stützung.. Darin liegt die grohe Bedeutung, dah sich der bulgarische Dormarfch so wett nach Süden ausgedehnt hat und dah er gerade an jener Stelle so tatkräftig durchgeführt und so schnell Raum in westlicher Richtung gewonnen hat. Wollen die Westmächke, wenn erst gröhere Truppenabteilungen in Saloniki gelandet sind, den Vormarsch nach Norden fortsehen, so sind sie gezwungen, die ihnen gegenüberstehendcn Bulgaren anzugreifen und zu schlagen und sich auf diese Weise den Weg nach Norden zu öffnen. Bis bleS ge schehen ist, wird aber noch viel Zeit vergehen. Inzwischen bleiben die Serben ohne jede Hilfe und Unterstützung dem konzentrischen Angriff von Norden und Osten her ausgesetzt. Auf diesen beiden Fronten haben die Zentralmächte wie die Bulgaren auch in den letzten Tagen wieder bedeutende Fortschritte gemacht. Auch der tapfere Widerstand, den die Serben geleistet haben, hat nicht vermocht, das Dordringen der beiden Heeresgruppen aufzuhalten. Nutzland und Galizien Jur inneren Krifis Rußlands Drahtdericht vvtb. Manchester, 21. Oktober. „Manchester Guardian" schreibt in einem Leitartikel: In Moskau den Belagerungszustand erklären, heißt ausdrücklich ankündigen, -ah die Regierung entschlossen ist, jede politische Reform abzu- lehnen und die Resormdewegung zu unterdrücken. Der Zeitpunkt ist für diese Maßregel besonders unglücklich gewählt. Solange der deutsche Bormarsch kräftig vor sich ging, hörte die russische Regierung auf die Duma. Sie wurde aber taub, als Deutschland von Rußland ab lieh und eine Diversion nach dem Balkan unternahm. 'Man übt während des Krieges nicht gern Kritik an einer verbündeten Regierung, aber di« schärfsten Kritiker der russischen Regierung be finden sich in Rußland selbst und alle Parteien zeigen eine bei spiellose Einigkeit in dieser Kritik. Unruhen in Charkow Eigener Drahtbericht sr.) Wien, 21. Oktober. Dos ..Achtuhrblatt' meldet indirekt auS Petersburg: In Char kow ist der Generalstreik proklamiert. Kosaken wurden gegen die Menge losgclasscn, wobei eS über ION Verwundete gad. lieber Stockholm verlautet, daß weitere 12Dumaabgcord- n «1« aus unbekannten Ursachen verhaftet worden sein sollen. Frankreich und England Deutsche Flugzeuge über Belfort und Naney Telegraphische Berichte «tk. Lyon, 21. Oktober. Wie .Progrdä" aus Belfort meldet, näherten sich am Sonntag früh die angreifcndcn deutsch en Flugzeuge trotz heftiger Bc- schiehung sehr schnell der Stadt. Nachdem sie dort Bomben abgcworsen halten, entflohen sie und neue Flugzeuge kamen heran. So ging eS bis 3 Uhr nachmittags. Biele Bomben sielen aus die Stadl und in die Gärten; eine große Anzahl platzte nicht. Ein Mechaniker und ein Soldat wurden getötet, mehrere Personen verwundet. reich. Lyon, 21. Oktober. Wie .Nouvelliste" aus Ranen meidet, überflogen Donnerstag nach- mittag zwei Tauben Rancy und warfen Boinben ab. Freitag nachmittag wurde das Stadtzentrum mit drei Bomben belegt. Ihr Platzen verursachte lebhafte Erregung in der Bevölkerung. Eine Person wurde verwundet. Diese Luftangriffe waren die Ursache des Bergeltungs- angrtsfs der französischen Flieger auf die Stadl Trier. Uneinigkeit im englischen Kabinett Eigener Drahtdericht <r.) Genf, 21. Oktober. Schweizerische Blätter berichten, Asquiths Bemühungen, di« Einigkeit im Kabinett wiedcrhcrzustellen, erscheinen nach zensierten Londoner Telegrammen wenig auüsichtSvoll. Der König s«i infolgedessen nach London zurückgekchrt. Fahnenflucht Roman von Guido Kreutzer (-Nachdruck verdat«».) Das junge Mädchen griff nach ihrer Hand, preßte sie in schlechtverhehlter Herzlichkeit. .Ich laß dich letzt allein, Herzlieb; und ich komm' erst wieder, wenn du mich rufst. Dielleicht dauert's lange — aber sei ohne Sorge — ich werde schon nicht ungeduldig. Ich versteh' das . . . jetzt brauchst du keinen Menschen — außer vielleicht ihn. And den laß nicht lange warten!" Leise huschle sie aus dem Zimmer, leise drückte sie die Tür ins Schloß. Sanna Dyroff merkte cs nicht. Sie stand ganz still, sie wollte überlegen. Es ging so schwer; di« Gedanken kamen so langsam ... so qualvoll langsam . . . als zögerten sie. Und doch reihten sie sich aneinander — bis sie zu langer glitzernder Kelle wurden, an der man sich wieder zu rücklastete in seltsam sonnige Jugendzeit. Als sei das Jahrzehnte her — und war dach kaum ver rauscht . . . dieser Traum von Licht und Lachen und Lust. Und jetzt Kam s von da drüben her — wie eine winkende Hand ... wie halbverwehle Geisterstimme ... wie ein Sehn- fuchtsruf. Daß man die Zähne zusammenpresscn mußte, um nicht auf zuschreien: «Komm ... ich bin ja allein wie du . . . und die Jugend ist kurz — und das Leben so lang!" . . . Da wandle die schöne blonde Frau sich vom Fenster ab. Linen Moment drückte sie die Hände gegen die Schläfen, als erwache sie aus einem fiebrigen Halbschlaf. Sie ließ sich am Schreibtisch nieder und schrieb Antwort. < Sehr geehrter Herr von Brack! /s Menn Eie mich übermorgen nachmittag um die Teeftunde : aufsuchen wollen, werde ich für Sie zu Home sein. Seien Sie - inzwischen gegrüßt Vanny Dyroff. Ganz mechanisch schrieb sie das . . . mochte es nun passend sein oder nicht ... es war ja ein Zwang, dem sie erlag. Die Auchstaben verschlangen sich zu Worten — die Worte zu Sätzen ... den Sinn erfaßte sie kaum. Die Lippen hatten sich leis geöffnet. Sie hielt den Kopf zur Seite geneigt und lächelte versunken. - - - Sie wutzte es gar nicht. Bstb. London, 21. Oktober. «Reuter" meldet: lieber das Befinden des Premierministers Asquith wurde ein Krankheitsbericht auSgegeben, wonach Besserung eingetreten sei, der Kranke aber das Zimmer nicht verlassen dürfe. >vlb Rotterdam. 21. Oktober. «Rieuwe Rolterdamsche Eourant" meldet aus London, die Er krankung Asquiths hab« «ine Pause in die Krise gebracht, die durch Carsons Rücktritt bekannt wurde. Man glaubt, daß zunächst keln« weiteren Demissionen stattftnden werden. Ium Rücktritt Carsons Drahtdericht vvtd. Rotterdam, 20. Oktober. Der «Rieuwe Rvtterdamsche Courant" meldet aus London: Di« Er krankung des Ministerpräsidenten Asquith hat ein« Pause in dl« Krise gebracht, die infolge der jüngsten Ereignisse am Balkan im Kabinett entstanden war und durch den Rücktritt Carsons bekannt wurde. Man glaubt, daß zunächst kein« weiteren Demissionen statt- stnden »erden. Times" und «Morning Post' versuch«!, trotzdem, TarsonS Abgang als ein politisches Ereignis ersten Ranges hinzustellen. Sie verhehlen nicht den Wunsch, dah das ganze Koalitions kabinett fallen möge. Besonders «Mornlng Post' wendet sich scharf gegen die Verkehrtheit einer Regierung von 22 Politikern. Beide Blätter suchen die Person Carsons möglichst vorzuschieben und machen ihn zum Mittelpunkt der Opposition und der zukünftigen neuen Regie rung. Man hat allgemein den Eindruck, daß Carson sich, falls er davon Gebrauch machen will, durch seine Demission eine sehr starke Steilung geschaffen habe. — «Daily Lhronicle" und «Daily News" schreiben, eS sei unter den gegenwärtigen Umständen Carsons Pflicht, zu schwelgen. Di« .Times" hingegen erklären, das Land erwarte von ihm «ine mrklärnng. Die «Morning Post' schreibt: Am wichtigsten ist es, daß diejenigen, di« mit Carson ubereinsttmmen, sich um ihn scharen und sich daraus vorbereilen, wenn nölig, ein neues Ministerium zu bilden, das stark genug ist, dir schwere Verantwortung, die die gegen wärtigen Minister nbzu schütteln trachten, zu übernehmen. Als die wich tigsten Mitglieder einer etwaigen neuen Regierung nennt «Morning Post" L I o y d G c o r g e und K i i ch e n e r. Daß nicht mehr Minister zuriickl.eten. deutel darauf, baß die Stellung der Koalitionsregierung stärker ist, al-' die «Times" und die «Morning Post' eS wünschen. Ueber die Stellung Canons herrscht vorläusia noch zuviel Unsicherheit, als baß er den Mittelpunkt der Opposition bilden könnte. Man weiß noch nicht, was er will, jedenfalls muß man erst seine Erklärung ab warten. London, 20. Oktober. Der parlamentarische Korrespondent der «Times* schreibt: Der Rücktritt Carsons und die Rückberufung Hamiltons sind nicht unerwartet gekommen, aber die Ankündigung beider Ereig nisse an demselben Morgen hat stärkeren Eindruck auf die Parlaments mitglieder gemacht, als irgend etwas seit Bildung der Koalition. Asquiths Erkrankung hat weitere wichtige Aendcrungen verhindert und die Debatte im Unlcrhause hat die Besorgnis, die in allen Teilen des HauseS herrschte, nicht zum Ausdruck gebracht, aber die Forderung einer offenen Re gierungserklärung werde ungehindert doch bald wiederkehren. Anfragen im Unterhaus Drahlberlcht vvtb. London, 20. Oktober. Lord Charles Beresford fragte im Unterhaus«, ob die königliche Verordnung vom 11. März 1015 bezwecke, die Erklärungen von Paris von 1858, von London von 1008 und die vierzehn von der Haager Konferenz 1907 beschlossenen Konventionen auf zuheben, und welche dieser Verträge die Regierung noch aufrecht erhalte. Lord Robert Cecil erwiderte, die königliche Verordnung habe die genannten Abkommen nicht außer Kraft gesetzt. Cecil erklärte weiter, er wolle nicht sagen, daß die bestehenden Verpflichtungen gegen über den Neutralen nicht vorhanden seien. In Beantwortung einer weiteren Frage sagte Lord Cecil, die Aktenstücke über die Balkan- Frage würden veröffentlicht werden, sobald dies ohne Schädigung deS öffentlichen Interesse- und in Uebereinslimmung mit den Alliierten ge schehen könne. Cecil verneinte, daß Lord Reading ermächtigt worden sei, mit der Regierung der Vereinigten Staaten Fragen der Berufung von britischen Prisengerichtcn und der Freiheit der Meere zu erörtern. Llond George sagte aus eine Frage, Lord Haldane habe die Front als Gast F> enchs besucht und habe keinen Sonderauftrag gehabt. Aus eine Frage deS Abgeordneten Bryce wegen neuer Vorschriften für die Pressevertreter im Hauptquartier sagte Tennant, er wisse nichts davon, daß die Journalisten von der Front zurückgekehrt seien. Bryce fragte darauf, ob Tennant nicht wisse, daß der einzige amerikanische Pressevertreter an der Front, Frederick Palmer, voller Widerwillen gegen di« neuen Vvlschristen nach Amerika zurückge kehrt sei. Lloyd George jagte in Vertretung Asquiths, daß er keinen Tag für ein« Debatte über die Dardanellen versprechen könne. Tennant sagte, er wolle versuchen, möglichst genaue Zahlen über di« an den Dardanellen verwundeten Offiziere und Mannschaften festzu stellen. Outhwaite sLib.) fragte, ob ASquith angesichts der Erklärung deS britischen Botschafters in Petersburg, daß die Operationen an den Dardanellen auf Ersuchen der russischen Regierung unternommen worden seien, um die türkischen Truppen vom Kaukasus wegzuziehen, erklären wolle, ob dle ruMche Regierung den OveraÜonen noch dieselbe Bedeutung beimesje, obwohl bis zum 10. Oktober die brlltschen Verlust« 96 809 Mann betragen hätten. Lord Robert Lecll erwiderte, er dürfe über bie Bedeutung, ble «lner der Alliierten oder England selbst einem bestimmten Kriegsschauplatz keimest«, keln« Erklärung abgegeben. Dle Operationen an den Dardanellen seien militärische und maritime und die Erklärung des britischen Botschafters in Petersburg enthalte keine vollständige Er klärung aller einschlägigen Erwägungen. Lloyd Georg« lehnte eine Erklärung darüber ab, ob der Befehlshaber deS alliierten Expeditionskorps in Serbien ein Engländer oder Franzose sein werde. Broce fragte, ob bei Luftangriffen künftig alle Lichter der Themfeorücken ausgelöscht und der Tramdienst entlang dem Themse ufer entweder eingestellt oder die Lichter der Wagen gelöscht werden würden. Ilnterstaatssekretär Brace antwortete, die geltenden Vorschrif ten seien aus Veranlassung der Admiralität erlassen worden und sie würden abgeändert werden, wenn neue Erfahrungen «ine Verbesserung möglich machten. Brace sagte ferner, daß die Vor schriften über daS Herablassen der Fenstervorhänge der Eisenbahnwagen verschärft werden sollen. Bryce fragte den Vertreter des Kriegsamtes, ob die im Dienst be findlichen Flugzeuge, deren Aufgabe die Beschirmung Londons war, am 13. Oktober abends kurz vor dem Luftangriff außer Dienst gestellt wurden und ob andere Flugzeuge den Befehl erhalten hatten, ihre Stelle einzunehmen, ferner ob sich bei der Ankunft der Zeppeline Flugzeuge auf der Wacht befanden und wieviele eS waren. Tennant lehnte die Beantwortung ab, die an die Admiralität gerichtet werden müsse. Die unter militärischem Befehl stehenden Flugzeuge seien am IS. Oktober 6 Uhr abends nicht vom Dienst entlassen gewesen. Als sich die Zeppeline über England befanden, seien fünf Militärflugzeuge aufge- stiegen, drei von ihnen gleichzeitig. Bryce fragte, wieviele über London gewesen seien. Tennant erwiderte: Ich glaube drei. Versagen des Londoner Sicherheitsdienstes gegen Jeppelingefahr Eigener Drahtdericht (r.) Lhrlstiania, 21. Oktober. Die Admiralität in London enthob eine Anzahl im Offi ziersrang stehende Aviatiker ihrer Dienststellungen. Man nimmt an, daß das Versagen der Sicherheitsvorkehrun- g e n anläßlich des letzten deutschen ZeppelinflugeS nach London den Grund der Maßregelung bildet. Dom Volkan Abkommen zwischen Griechenland, Bulgarien und Rumänien Telegraphischer Bericht tu Konstantinopel, 21. Oktober. Bei der feindlichen Stellung der VierverbandSmächte zu Griechen land, das auszuhungern der Vierverband nicht zögern würde, ist es bemerkenswert, daß zwischen Griechenland, Bulgarien und Rumänien ein Abkommen über die Lebensmittelversorgung perfekt geworden ist. Bulgarien gewährt Griechenland die weitesten Erleichterungen. Sind erst gewisse Abschnitte der mazedonischen Eisenbahn in Bulgariens Besitz, so kann sich die Versorgung Griechen lands sehr glatt vollziehen. Truppenlandungen in Saloniki Telegraphischer Bericht >vtb. Paris, 21. Oktober. Wie der „TempS" aus Athen meldet, landen französische und englische Truppen unausgesetzt in Saloniki. Die Franzosen bilden weitaus die Mehrzahl. Da die Eisenbahnen nicht ausreichen, werden große Truppenmassen in Eilmärschen nach Norden geschafft. >vtd. Turin, 21. Oktober. Der Sonderberichterstatter der „Stampa" meldet aus Athen, daß die bis jetzt in Saloniki gelandeten 30 000 Mann Entcntetruppen ausschließlich von Gallipoli weg genommen worden seien. tu. Budapest, 21. Oktober. Wie „Az Est" aus Athen meldet, vollzieht sich die Zusammen ziehung der Drciv erbandstruppcn und deren Landung in Saloniki unter großen Schwierigkeiten, und zwar hauptsächlich wegen der Unterseeboote. Die französischen Truppen konnten wegen der Unterseeboote im Mittelländischen Meer nicht aus Marseille, die eng lischen nicht aus Port Said abgehen. Der stand halblinks von der Tür neben einem hochlehnigen Polstersessel; ebne Mantel, den hatte er im Flur gelosten — aber Helm und Pallasch. «Also ganz förmlich!" glitt es ihr durch den Sinn. Den Bruchteil einer Sekunde standen sie und sahen sich stumm an. ES war, als forsche jeder in des andern Gesicht: — «Was ist aus dir geworden?" Dann trat sie auf ihn zu und streckte ihm di« Hand entgegen. «Wir sind uns lang« nicht begegnet, Herr von Brack; ich treue mich, daß Sie doch wieder den Weg zu mir gefunden haben." Er beugte sich über ihre Hand. «Und ich, gnädigste Frau, habe Ihnen für die Güte zu danken, mit der Sie mir diesen Besuch gestatteten." «Wie schade, daß Sie nicht zu einer glücklicheren Zett kamen!" .Sie meinen, als Ihr . .. Herr Gemahl noch lebte, gnädige Frau?" Eie zuckte zusammen, doch ihre Augen begegneten den feinen in stolzer Offenheit. VI. «Gnädige Frau nehmen an?" wagte der Diener nach einer Pause zu fragen, als sie noch immer reglos auf die Visitenkarte herabsay. Sanna Dyroff schrak zusammen. «Ja . . . gewiß, bitten Sie den Herrn Oberleutnant in den roten Salon; und ich komme sofort." „Sehr wohl, gnädige Frau." Sie stand mitten Im Zimmer vor dem großen Ankleidespiegel, aber sie sah nicht hinein; sie scheute sich vor dem Ausdruck des Gesichts, das ihr von dort entgcgenstarrte. Eie hatte Angst — vor sich selbst, vor ihm, vor den nächsten Minuten. Was die wohl brachten? Nichts natürlich. Einen korrekten Kondolenzbesuch! Einen Austausch höflicher Phrasen, die durch gesellschaftliche Usance vorgczeichnet waren! Und doch — dies fiebernde Jagen der Pulse . . . dieser häm mernde Schmerz in den Schläfen. Sie fragte sich fassungslos: — „Sanna Dyroff, wo hast du deine eisigküyle mondäne Routine gelassen?" Und gleichsam als Antwort darauf mit plötzlichem Gedanken sprung: — «Wenn er nur keine Blumen gebracht hat!" Da warf sic — in jähem Zorn über sich selbst — die Visiten karte auf den Toilettentisch und ging zu ihrem Gast hinüber. - „Nein, ich meinte, als — mein Bruder noch lebte!" Da hob er ihre Hand zum zweitenmal an seine Lippen. «Verzeihung, gnädige Frau — ich hatte . . . mißverstanden!" „Wollen wir uns nicht sehen?" ... es klang beherrscht, kon ventionell. Sie lieh sich nieder, der Oberleutnant von Brack folgte ihrem Beispiel. Er hatte den Helm neben den Sessel gestellt und den Pallasch zwischen die Knie genommen. Er fühlte — jetzt war es Zeit, die üblichen Kondolenzphrasen abzuhaspeln; hundertmal hatte man das ja schon getan — vor hundert gleichgültigen Leuten. Hier aber wollten sie einem plötzlich nicht von den Lippen. Und trotzdem ... es war die gebotene Form . . . also: „Wie ich Ihnen schrieb, gnädige Frau, erfuhr ich von . . ." Sie bewegte leise verneinend den Kopf: „Nicht doch!" sagte sie ruhig und bestimmt. «Nicht, Herr von Brack! Sie haben meinen Bruder kaum je gesehen und meinen Gatten nie . . . also sprechen Sie nicht davon. Es wäre ja nur das Hergebrachte, was ich in den letzten Wochen so oft hören muhte. Lassen Sie es genug sein. Es soll nicht mehr von außen daran gerührt werden. Das mache ich alles mit mir selbst ab." Er schwieg; er wußte keine Erwiderung; es lag ihm auch nichts daran. Er fühlte nur das sprunghaft unruhige Schlagen seines Herzens und preßte die Hände um den Säbelkorb. «Fassung gewinnen!" dachte er ingrimmig. „Beherrschung! Verdammt, ich ... ich hab ja keine Direktion mehr im Leibe!" Und die junge Frau ihm gegenüber sagte in seltsam gelassener Art, die auch ihm seine Ruhe allgemach wiedergab: «Ich freue mich wirklich, Herr von Brack, daß unsere Wege sich wieder kreuzten. Vielleicht finden Sie es unweiblich und un zart von mir, an eine abgetane Vergangenheit zu rühren, doch..." «Gnädige Frau!" .. » . doch ich halte mich dazu für verpflichtet, vor mir selbst, und gerade well Sie es sind, Herr von Brack!" Er sah Sie starr an. «Sie meinen, gnädige Frau?" «Also Sie verstehen mich nicht?' Fl . . . ein." Schweigen. Sanna Dyroff hielt die Hände iin Schoß gefaltet, sie schien lange zu überlegen. Dann hob sie unvermittelt wieder den Kopf. Ihre Augen zuckten zu dem Gast hinüber, besten dunkelblauer Ueberrock gegen das falle Rot der Sessellehne hart kontrastierte. (Fortsetzung ln der Morgen-Autgabe.)
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