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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.10.1915
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1915-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19151013023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1915101302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1915101302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-10
- Tag 1915-10-13
-
Monat
1915-10
-
Jahr
1915
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Seite 2. Nr. S22. Abend-Ausgabe Leipziger Tageblatt Mittwoch, 18. Oktober ISIS Dierverbands einzugreifen, die lm Frühjahr dieses IahreS zwei fellos vorhanden war, augenblicklich höchst gering ist. Am schwierigsten ist die Lage entschieden für Griechen land. Denn einerseits steht das Land infolge feines mazedoni schen Besitzes, insbesondere der Häfen von SereS, Kawala und Saloniki, zu deren Erhaltung es den Bündnisvertrag mit Serbien abgeschlossen hatte, in starkem Gegensatz zu Bulgarien, anderseits sind seine Küsten und Inseln einem Angriff der Eeestreitkräfte des VierverbandeS ziemlich schutzlos preisgegeben. Sollte Grie chenland trotzdem — und wir halten das nach dem Rücktritt Beni- zelos' für nicht ganz unmöglich — die Erfüllung seiner berech tigten nationalen Wünsche im neuen Balkan an unserer Seite erstreben, so wäre das einzig und allein der festen und klugen Politik seines Königs zu danken, der den Glauben an den Sieg unserer Waffen seit langem zum bestimmenden Faktor der grie chischen Politik während des Weltkrieges gemacht hat, und da mit, wie sich jetzt zeigt, nicht nur die Armee, sondern auch einen großen Teil des griechischen Volkes hinter sich hat. Daß zu diesem Stimmungsumschwung der Gegensatz zu Italien wesentlich deigetragcn hat, haben wir kürzlich schon ausgeführt; jedenfalls will uns scheinen, daß cs bei den unbegrenzten Kompensations möglichkeiten, die der Balkan bietet, einer geschickt arbeitenden Diplomatie möglich sein muß, die griechischen und bulgarischen Forderungen miteinander in Einklang zu bringen. Rumänien ist durch den bulgarisch-serbischen Krieg weit weniger mittelbar als Griechenland berührt und wird deshalb vor läufig seine abwartende Haltung wohl beibehalten. Daß das Land dadurch freilich gezwungen ist, nunmehr verschränkten Armes zuzuschcn, wie das verhaßte Bulgarien sich die Hegemonie auf dem Balkan erkämpft, wird bei dem maßlosen Ehrgeiz und der nationalen Selbstüberschätzung in Bukarest von den leitenden Männern eine höchst schmerzliche Acberwindung erfordern, und wir glauben Kanin, daß die Regierung imstande sein wird, dem Drängen auf Erweiterung des Staatsgebietes durch bewaffnetes Eingreifen auf die Dauer zu widerstehen. Da jetzt, wie die Dinge nun einmal liegen, das größere Rumänien aus Kosten Oesterreic!)- Angarns selbst den größten Heißspornen in Bukarest ein kaum erreichbares Ziel dünken muß, wird Bratianu — oder ein an derer — wohl schließlich aus der Rot eine Tugend machen und Rumäniens Ansprüche auf Beßarabien mit gepanzerter Faust anmcldcn. Das freilich müßte, scheint uns, bald geschehen, wenn Rumänien sich nicht rettungslos zwischen zwei Stühle sehen will. Aber wie man sich auch in Bukarest und Athen entscheiden mag: der große Plan des Vierverbandes, von den Dardanellen aus eine Wendung des Kriegs glücks herbei zuführen und die geeinten Trup pen eines neuen Balkanbundes gegen uns und die Türkei ins Feld zu st eilen, ist durch das Ein greifen Bulgariens ein für allemal vereitelt. And damit ist zugleich unseren Gegnern ein wichtiger, viel leicht der letzte, Trumpf aus der Hand geschlagen; und wir sind — will uns scheinen — einem glücklichen End e dieses furchtbaren Ringens ein gut Stück nühergckommcn. Rußland und Galizien Die zweite Offensive Iwanows In einem Eondcrbcrlcht dcS .Bert. Tgbl." aus Wolhynten wird zum Ausdruck gebracht, daß die Besprechungen unter den Ententesührern zweifellos die planmäßige Einheitlichkeit der feind lichen Unternehmungen gefördert hallen. Nachdem nun die beiden Offensiven in O st und W e st ohne Wirkung geblieben seien, flamme der Kampf aus 500 Kilomcler Front von der rumänischen Grenze an wieder auf. Die Menge der feindlichen Munition sei bei der letzten Offensive schon ausgefallen, jedoch seien die Etappen der Verbündeten in diesem schwierigen Gelände nunmehr stchergestellt und die Unterstände ausgezeichnet ausgebaut, so daß eine Gewähr vorhanden sei für daS ScheiternderzweitenOffensiveIwanows. Verlegung der Behörden in Wolhynien Eigener Drahlbertcht (r) Stockholm, 13. Oktober. Das russische Ministerium des Innern erteilte Befehl zur Verlegung der Behörden dcS Generalgo» verne- menis Wolhynien nach Poltawa. Anklage gegen Dumamitglieder Eigener Drahlbertcht (r.) Kopenhagen, 13. Oktober. Nach Petersburger Meldungen wurde gegen 3 6 Mitglieder deS liberalen Dumablocks Anklage wegen Abhaltung von verbotenen Versammlungen durch die Militärbehörde erhoben. W—ein. Frankreich und England Neue Offensivabfichten des Feindes an der Lharnpagnesront Telegraphischer Bericht wtb. Berlin, 13. Oktober. In einem Sonderbericht der .Nordd. Allg. Ztg." heißt es, die Tätig keit der französischen schwersten Artillerie und der Flieger in der Champagnefront deute auf wettere Ofsensivabsichten des Feindes hin. Die durch die Kämpfe entstandenen starken Frontausbuchtungen ermöglichten beiderseits häufiges Flankenseuer. Schwere Enttäuschung in Frankreich (r.) Genf, 13. Oktober. Die schwere Enttäuschung in Frankreich kommt in allen hier etnlaufenden französischen Zeitungen zum Ausdruck. Die Pariser Zeitungen veröffentlichen inspirierte Verlautbarungen, in denen die Be völkerung ermahnt wird, Geduld und Vertrauen zu bekun- den; die Kümpfe würden noch lange dauern, der Gegner besitze die modernsten technischen Abwehrmittel. Französischer Ministerrat Telegraphischer Bericht ntb. Paris, 13. Oktober. Die Minister traten gestern am späten Nachmittag im Elysee unter dem Vorsitz Poincarös zu einem Ministerrat zusammen, in dem sic die diplomatische und militärische Lage und verschiedene, das Parlament betreffende Fragen besprachen. Hafenarbeiterstreik in Dublin vvtb. London, 13. Oktober. In Dublin ist ein Hafenarbeiterstreik ausgebrochen, von dem vier Dampferlinien betroffen sind. Mehrere einge laufene Dampfer wurden nicht auSgeladen. Man fürchtet, daß die Be wegung, die durch Nichtbewilligung von Lohnforderungen entstanden ist, sich auch auf andere Linien aüsdehnen wird. — In Bradford haben die Aufseher der Webereien, deren Lohnforderungen eben falls nicht bewilligt wurden, auf den 14. Oktober gekündigt. Sollten, was man als wahrscheinlich annimmt, die Arbeitgeber die Werke schließen, so würden Tausende von Arbeitern beschäftigungslos werden. Vernichtung eines weiteren Truppentransportdampfers Telegraphischer Bericht tu. Athen, 13. Oktober. Der englische Dampfer .Borneo" wurde unweit Kreta von einem österreichisch-ungarischen Unterseeboot ungehalten, dessen Komman dant die Ausladung der Passagiere in die Rettungsboote befahl. An Bord des Dampfers brach eine Panik aus. 30 Griechen ertranken. Plötzlich er schien ein auf Mudros zusahrender, mit indischen Truppen vollgeladener Truppentransportdampfer. Das Unterseeboot machte sich sofort an eine Verfolgung, reinigte das Deck des Truppenlransporkdampfers mit Maschinengcwchrfeuer und versenkte den Dampfer. Darauf kehrte das Tauchboot zu der «Borneo" zurück, der es die Weiterfahrt erlaubte, nachdem es sich überzeugt hatte, daß die Passagiere griechischer Nationalität waren. Ein schwedisches Urteil über den Neutralitätsbruch in Salonki Eigener Drahlbertcht (r.) Stockholm, 12. Oktober. .Svenska Dagdladcl" führt in einem Leitartikel aus: Man hat den Neutralen gegenüber allzu oft in den höchsten Tönen davon geredet, daß der Krieg in erster Linie den Rechten der Neutralen gilt, und daß Belgiens Schicksal zeige, auf welcher Seite die Verteidiger der Neutralität und der völkerrechtlichen Abmachungen stehen. Dies nötigt zu der rein theoretischen Ueberlegung, wie es wohl stünde, wenn die Rollen vertauscht wären. Wenn Frankreich oder seine Verbündeten sich veranlaßt gesehen hätten, Belgiens Neutralität zu verletzen? Kein Zweifel, daß die Mittelmächte in nicht weniger flammenden Worten sich zum Verteidiger der Neutralität aufgeworfen hätten. Mancher aber von denen, dle heute meinen, daß sich die ganze Wellpolttik um die belgische Frage dreht, würde der Meinung sein, daß es sinnlos ist, sich über eine vorübergehende Episode zu empören. Oder: Wenn das Land, dessen Neutralität verletzt wurde, an einer anderen Stelle läge, etwa Polen wäre? Wie viele von den Garanten, z. B. bei einem deutsch-österreichischen Zwist, dann wohl dafür das Schwert gezogen Fahnenflucht Roman von Guido Kreutzer Ss ^Nachdruck vridolrn.) Der Besucher Halle sofort begriffen. Eine Röte schlug ihm ins Gesicht. Er bog, wie ausweichend, den Kopf zur Seite. «Aber das ist denn doch ein Thema . . sagte er abweh rend . . . «Ich möchte dich wirklich bitten, Onkel, an so abgetane Geschichten nicht mehr zu rühren." Der Hausherr hingegen hatte ganz unvermittelt eine spöttisch überlegene Miene. «Warum denn, mein Junge? Sei nicht so rücksichtsvoll sür andere Leute; ist immer 'n undankbares Geschäft. And hier ganz besonders. Nämlich i ch kann getrost davon sprechen; ich brauch weiß Gott nicht mit meinen Wissenschaften hinter'm Berge zu halten! Und vielleicht wär's dir ganz dienlich, du erfährst mal authentisch den ganzen Zusammenhang." Daraus kam keine Antwort. Der Acltere schien sie auch nicht erwartet zu haben. Er nahm seinen Kneifer ab und begann ihn mit einem großen gemusterten Foulardtuch zu putzen. Dabei lächelte er in sich gekehrt, als schürfe er halbverblaßten Erinne rungen nach. «Sichste, Henning, wie die Bracks als LehcnSlcute des Burggrafen Friedrich von Nürnberg dunncmalS nach Branden burg kamen, halten sie reineweg nischt als ihre Plempe und ihr Wappenschild — die drei Spcrberköpfe im braunrot gespaltenen Schild. Das war die ganze Herrlichkeit. Aber dafür normten sie mit was andcrm aufwarten — sie verstanden sich aufs Raufen. Das hatten sie tadellos raus und bewiescn'S in der Schlacht am Kremmener Damm — dem ersten Treffen, daS die Hohenzollern auf märkischer Erde lieferten. Da waren sie mächtig munter und höchst eifrig mit dabei, die Quitzows und die beiden Pommern herzöge in die Pfanne zu hauen. «Ja, und mit Johann SiegiSmund ritten sie hundertfünszig Jahre später 'n bißchen weiter ostwärts und setzten sich behaglich fest. Warkenrode und Laszkitten hießen die beiden Klitschen; und das war wohl so der einzige Grundbesitz, zu dem sie ge kommen sind. Abgesehen davon, daß der ganze Segen überhaupt man knapp zweihundert Jahre dauerte. Dann waren 'n paar klamme Geister unter uns, die den ganzen Schwung zu Geld machten — und feit der Zett haben wir wieder nischt. Rennen uns «edle und freie Herren auf Warkenrode und Laszkitten" und . . . können eigentlich nicht mehr den Wahrheitsbeweis an treten! «Ihren Standard aber haben die Bracks trotzdem unentwegt innegehalten — mit sieben Jahren ins Kadettenkorps oder die Schule absolviert und dann als Fahnenjunker irgendwo bei der Kavallerie untergekrochen. Immerhin — jeder hatte so seine paar hundert Mark Familienstiftung, und da kann man sich schon mit Ach und Krach durchklemmen. Namentlich, wenn der . . . Dalles sozusagen 'ne geheiligte Familientradition geworden ist!" Henning Brack muhte ungewollt lächeln; und sein Gegenüber versetzte nach kurzer Pause mit unerschütterlicher Bonhomie: — «Siehste, wie du schon ein ganz anderes Gesicht machst? And nach diesem allgemein chronologischen Aeberblick komm ich jetzt an die Reihe. «Nämlich mich hakten sie auf die Rikterakademie nach Bran denburg gesteckt. Mächtig feudal, Mensch; vor lauter Feinheit traute man sich kaum richtig satt zu essen. Na, und als ich dann meine Matura weg hatte, rückte unser Herr Vater mit der Rang liste an. Irgend 'n Truppenteil sollt' ich mir aussuchen, am besten die Wetzlarer Dragoner, wo ja auch dein Vater als Fahnenjunker mimte; dann wären die beiden Brüder in einem Regiment ge wesen. Ich aber wollte nicht; weder nach Metzlar noch sonst wo hin im heiligen Preußen. Ich wollte nach New 'Dork und Lon don — Bannclerk werden, Moneymaker, Cikyman." Er schlug sich mit der flachen Hand auf den Schenkel und lachte wieder seinen dröhnend schlitternden Baß, daß sich der Be sucher das spillrige fidele Kerlchen amüsiert beäugte. «Na — das Theater, Junge! So viel ist noch nie auf 'n Menschen eingercdet worden. And immer sind sie um mich rum gegangen, als wenn ich schon so 'n halber Verbrecher wäre. Ich aber ließ mir nicht 'n Kopp verkeilen, riß erst mein Jahr ab; ganz gemein bei der Infanterie — weil ich doch «drüben" jeden ersparten Groschen zehnmal besser gebrauchen konnte. And dann «gute Nacht, Madrid!" — rüber über'n channel — weg war ich!" Er steckte bedächtig das Foulardtuch ein, setzte den Klemmer wieder auf und zwinkerte ein paarmal mit den Augen, bi- die Geschichte wieder ihre Ordnung hatte. «Mit dem Clerk wurde ja nicht viel, da war keine Seide bei zu spinnen. Sonst aber hab ick mir den Wind in jeder Fasson und in den unterschiedlichsten Weltteilen um die Nase wehen lasten; machte Geld, wo sich auf faire Art Gelegenheit bot. And als ich nach fast zwanzig Jahren hier wieder in die Erscheinung trat, hatte mir mein Globetrott 'ne runde Million elngebracht." hätten? «2a, das kommt darauf an. .. — Nichtig! So etwas be ¬ ruht auf dem Intereste, das jeder Garant in feder besonderen Situation zu haben meint. Natürlich soll damit nichts gegen daS menschliche Mit gefühl für Belgien gesagt sein. Wer aber zu weitgehend« Folgerungen daraus zieht, hat Rückschläge zu erwarte«. Lin solcher Rückschlag ist die Landung der Truppen der Berbandtmächt« In einem griechischen Hafen. Rach alledem, was über Belgien gefchriebentst.istdtefevnzweifelhafteRea- IralitütSverletzung äußerst peinlich. Natürlich will man jetzt einen großen Unterschied gegenüber Belgien finden. Der einzig vorhandene Unterschied liegt aber darin, wie der unmittelbar betroffene Staat selbst seine Neutralität auffaßt. Hinsichtlich des Völkerrechts hat sich gezeigt, daß eS, wie lange vor dem Krieg ausgesprochen wurde, genau so lange unangetastet bleibt, wie es mit den praktischen Interesten der Kämpfenden vereinbar ist. Das hat Schweden zu beachten und dl» nötigen Schlüsse daraus zu ziehen. Politische Nachrichten * Der Entwurf des RelchSetatS für ISIS wird, wie eine Korre spondenz behauptet, dem Reichstag in seiner bevorstehenden Tagung gegen Ende November noch nicht vorgelegt werden. Di« Verhandlungen zwischen dem Reichsschatzamt und den Reichsämtern, di« sonst über dl« Gestaltung des Etats schon im August beginnen, finden erst im Dezember statt. Voraussichtlich wird der Etat nur dieselbe Bedeutung haben wie für das laufende Jahr, das heißt, es werden Einnahmen und Ausgaben im wesentlichen nach dem Etat dcS IahreS 1914 eingestellt werden; denn eine Schätzung der zu erwartenden Einnahmen ist bis auf weiteres un möglich. Neue Beamten stellen werden auch für das nächste Jahr nicht gefordert werden. Neuforderungen dürften im Etat für eine Reihe von Neubauten im Bereich der Reichs-, Post- und Tele graphenverwaltung und der Heeresverwaltung enthalten sein. Es handelt sich dabei um unaufschiebbare Neubauten, deren Ausführung zugleich der Belebung der Industrie und der Beschaffung von Arbeits gelegenheit dient. Da zweifellos im ersten Vierteljahr 1916 wieder eine Reichstogstagung statlfindet, wird die Verabschiedung deä Etats im Laufe dieser Tagung erfolgen. — Arbeilercrnährung lm Kriege. Man schreibt uns: Praktische Fragen der Arbeiterernährung wird am 28. Oktober der Zentralverein für daS Wohl der arbeitenden Klassen auf seiner Tagung im ReichStags- gebäude behandeln. Von der voraufgehenden Konferenz, die die Zentral stelle für Volkswohlsahrt über die Erhaltung und Mehrung der deut schen Volkskrast abhält, wird der Vortrag Geheimrat Rubners über Grundfragen der Volksernährung übernommen. Es folgen Vorträge des Frankfurter Stadtrats Prof. Dr. PH. Stein über Erfahrungen mit Ai assenspei jungen und Fabrik küchen und des Landtagsabgcordneten Amtsgerichtsrats Dr. Liep- mann über die Praxis der gemeinnützigen Volksspei- s u n g e n. Nach allen Vorträgen findet freie Aussprache statt. --- Kleinhandel und ZentraleinkaufSgesellschafl. Man schreibt unS: Nachdem die Zcntraleinkaufsgesellschast, deren Rcichskommissar der An- terstaatssekretär im Rcichsamt des Innern Dr. Richter ist, ihre Maren außer an Kommunalverbände usw. jetzt auch an Vereinigungen des angemessenen Kleinhandels abgidt, beginnt sich eine zweck- mäßige Regelung der Lebensmittelversorgung in einer Reihe von Ar tikeln durch den Kleinhandel anzubahnen. In den Kleinhandelsaus- schüsscn verschiedener Handelskammern ist anerkannt worden, daß der Geschäftsverkehr der Kleinhandelsorganisationen mit der Zentralein- kaufsgescllschaft ein durchaus günstiger sei, der die wünschenswerte Ver sorgung der Verbraucher ermögliche und dem Kleinhändler einen an- gmessenen Nutzen läßt. Der Zusammenschluß der K ol o n i a l w a r e n- Händler zum Zwecke des gemeinsamen Bezuges von Lebensmitteln wird von den Handelskammern energisch gefördert. Bei den Bezügen von der Zentraleinkaufsgesellschaft üben die Handelskammern eine Kontrolle des Kleinhandels über die Erfüllung der Verkaufsbedingun- gcn aus. * Frau Klara Zetkin in Stuttgart, langjähriges Mitglied der Kon trollkommission der sozialdemokratischen Partei Deutschlands, dle vor längerer Zeil verhaftet worden war, ist gestern, wie dem «B. T.' gemel det wird, aus der Haft entlassen worden. Kleine Kriegsnachrichten * Aus dem Lügensack unserer Feinde betitelt sich eine Broschüre von H. Zer niko (Verlaa Äennich Le Hollander, Hamburg, Preis 25 Pfg ), die eine Älumenlese feindlicher Prahlereinen, Lügen, Ver drehungen und Fälschungen bietet. * Prompte Wirkung. Es war berichtet worden, daß in dem früher als deutsch bekannten Hotel und Cafti Gugel (jetzt Central et Bellevue, A.-G.j in Lausanne den Angestellten die deutsche Sprache verboten worden sei. Eine Zuschrift auS Lausanne an die «Neue Zürcher Zei tung" vom 10. Oktober erzählt, daß an der Speisenausgabe jetzt deutsch gesprochen werde, anscheinend sei also daS Verbot schon wieder rück gängig gemacht. (Die Nachricht davon erfolgte in der Zeitung am 6. Oktober auf Mitteilung vom 5. Oktober auS Lausanne, die neue Zu- schrtft datiert vom 8. Oktober. Sie hat also prompt gewirkt.) * Flugzeug - Absturz. Nach einer Meldung des .Nouvelliste" aus Paris stürzte dort ein französisches Flugzeug in der Nähe desTrocadero ab. Der Apparat wurde vollkommen zertrümmert. Von den beiden Insassen wurde einer tödlich, der andere schwer verletzt. Dle zahlreichen Passanten kamen ohne Schaden davon. Der Oberleutnant von Brack saß ln dem Klubsessel ver graben, rauchte in behaglichem Genießen feine Henry Clay und musterte Stück für Stück der luxuriös-schweren Einrichtung dieses halbdunklen großen Gemaches, vor dessen Fenstern sich der halb vereiste Spiegel des Wannsees breitete. Nur um die momentane Stille zu unterbrechen, warf er ge dankenlos hinüber: «And was wurde mit den Verwandten? Hast du sie denn nicht wieder ausgesucht?" «Doch!" . . . versetzte Just Warkenrode und streifte behutsam die Asche ab . . . «versteht sich; und ich dachte mir, sie mühten den «reichen Onkel aus Amerika" doch eigentlich mit offenen Armen aufnehmen. Aber das tun sie wall bloß in Romanen; in Wirklichkeit und in meinem Spezialfall waren sie hunde schnäuzig kalt. Von der Nebenlinie da oben am Rhein halt' ich ja allerdings sowieso nichts zu erwarten, dazu war daS Band seit jeher zu locker; und von unserm Clan lebte bloß noch dein Vater — mein einziger Bruder. Der war schon an die Vierzig, knapo vor dem Major und trotzdem erst ein paar Monate verheiratet. Hatte so ne verkniffene Freundlichkeit und betrachtete mich lm übrigen höchst mißtrauisch; hielt mich woll für so nen halben Zi geuner, und war sicherlich von Herzen froh, als ich ihm «good day" wünschte und nach Berlin abdampfte. «Das alle- liegt mehr als fünfundzwanzig Jahre zurück, und damals wechselte ich auch meinen Namen und nannte mich War- kcnrode, nach unserm sagenhaften Stammgut. Vielleicht ge schah'- nur so in der ersten Enttäuschung und um vor mir selber aufzutrumpfen; es hat mir in der Folgezeit auch nie leid getan. Meine Million hab ich nachher noch in Kuxen und Kaligruben arbeiten lasten, bis sie sich vcranderthalbfachte. Dann baute ich mir hier draußen am Wannsee meine Villa, lebe wie die Made lm Speck und kümmere mich — exkuse, aber das ist nu mal Tat sache! — kümmere mich den Deuwel darum, daß ich für all die andern Bracks ein katastrophaler Zeitgenosse bin, weil ich da mals als hundsjunger Schnösel die gotteslästerliche Idee gehabt hatte, außer dem Sprunggarten und Kasernenhof müsse es doch eigentlich auch noch andere . . . ethische Werte auf der Welt geben!" Das alles war ohne jede Bitterkeit, war vielmehr halblaut, behaglich mit leisem Lächeln erzählt. Jetzt hüstelte er noch ein paarmal auf, um sich dann in geruhsames Schweigen elnzufpinnen. (Fortsetzung in der Morgen-AuSgabe.)
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