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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.06.1915
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1915-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19150617025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1915061702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1915061702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-06
- Tag 1915-06-17
-
Monat
1915-06
-
Jahr
1915
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Lette 2 Nr. 303. Nvenü-Nusoavr. Leipziger Logediatt. vonnersrs-, l7. 3uut ISlS. die Dauer alle« Anforderungen gerecht werde« könnte, und nun ist zum Ueberfluß auch noch das goldhungrige Italien dazugevommen, dessen Hilfe England zugestandenermaßen mit zwei oiS drei Nttlliarden vorläufig bezahlen mußte. Sein Wunder, daß der Golostrom für Rußland aN- mählich versiegt, und daß selbst Drohungen von Petersburg her, man werde mit den Zentral mächten zu einem Frieden zu kommen suchen, ihn nicht mehr zum Fließen bringen. England ist eben erschöpft, und über seine Kraft kann nie mand zu Leistungen gezwungen werden. Trotzdem setzen iE aus diese Entwicklung, die kommen mußte und die durch die deutschen und österreichisclien .Heere in Rußland und Ga lizien wesentlick» beschleunigt werden wird, nicht unsere letzte Karte. Wir wissen, daß des Zaren weites Reich völlig zusammenbrecl-en wird, ivenn die englischen Hilfsquellen verstopft bleiben, und tvie in Pwskau am vorigen Donnerstag Ar beiter und Studenten die Straßen durchzogen mit dem Rufe: „Nieder mit dem Zarismus! Gebt Brot und Frieden!", so wird gar bald auch sonstwo die Revolution ihr grausiges Haupt erheben. Aber weil man das auch in London weiß, wird man schließlich eine letzte Kraft anstrengung macl)en, um das Aeußcrstc zu ver hüten. Unsere Stärke liegt in unseren Heeren, und selbst wenn Ssasouows so ost wiederholter Trick auch diesmal wieder glücken und noch einmal aus dem großen Loch,m englischen Faß einige Tropfen aus den beißen russischen Stein heruberholen sollte, so wird oas unseren Sieges lauf im Osten nicht mehr auszuhalten vermögen, der eines schonen Tages doch die Russen zwingt, die Waffen nicdcrzutcgcn und um Frieden zu bitten. Tann aber wird dec Tag der endgültigen Entscheidung nicht mehr ferne sein. Vie Aussprache im Unterhause Wtd. London, 18. Juni. (Unterhaus.) Premier minister Asquith sagte auf eine Anfrage, die Ver- lüfte an Offizieren und Mannschaften bei der Flotte, Seesoldaten und der Royal Naoal-Division betrügen bis zum !11. Mai ein schließlich der Verluste beim Untergang des „Bulwarr" und anderen Unglückssällen an Toten 549 Offiziere und 7696 Mann, an Verwundeten 181 Offiziere und 2262 Mann, an Vermißten 74 Offi ziere und 2785 Mann, in Summa 804 Offiziere und 12 74S Mann. Kina (liberal) fragte, ob die Regierung ent sprechend den vorhergehenden Fällen und den Rechten des Hauses Anleihen, Unterstützungen und Munitions lieferungen siir die Verbündeten durch besondere Ab stimmungen bewilligen lassen würde. Asquith antwortete, er fähe leinen Grund, von der bisherigen Praxis abzugehen, wonach die Unter stützungen der Verbündeten durch allgemeine Kredit bewilligungen erzielt werden. King fragte, ob es nicht den Rechten des Parlaments entspreche, daß alle Bewilligungen für fremde Mächte mrt der Angabe des Betrages und der Macht, die sie erhielte, einzeln aufgezählt würden. Asquith erwiderte: Das ist eine sehr heikle Frage. Usber di« Koalition sagte Asquith: Ich habe durchaus nicht unter dem Druck außerparlamentari scher Einflüsse, vorübergehender Verlegenhcik »der augenblicklicher parlamentarischer Bedürfnisse gehan delt. Die Ausgabe war unwillkommen und widerwärtig. Es war die schmerzlichste Erfah rung meines politischen Lebens, mich von Kollegen zu trennen, die unter dem Druck neuer, unvorhergesehe ner Verantwortlichkeiten mit unermüdlicher Quali tät und, meiner Meinung nach, mit beispiellosem Er folg die schwerste Aufgabe erfüllt haben, die jemals aus den schultern britischer Staatsmänner gelastet hat. Keine Körperschaft konnte nach meinem wohl überlegten Urteil mehr tun oder besser tun. Asquith betonte, daß er seinen politischen Grund sätzen durchaus treu geblieben sei und nichts davon aufgcgeben habe und auch in Zukunft, wenn er eine Zukunft habe, dafür wirken werde. Dasselbe gelte von den neuen unionistischen Kollegen. Wes halb wurde denn diese Umwälzung unseres ganzen politischen Lebens herbeiacführt? Die Anforderun gen, die die Lage an di« Tatkraft und den Patriotis mus der Nation und in ganz ausnehmendem Maße an die Geduld und Voraussicht der Negierung und an das gegenseitige Vertrauen stellt, können an keinem früheren Vorgang gemeßen werden. Das politische Ziel, nämlich den Krieg zu einem siegreichen Ende zu führen, hat sich nicht geän dert. Durch Personaländerungen im Ministerium konnte nichts Nennenswertes erreicht werden. Aber ich bin langsam, mit Widerstreben und schließlich doch ohne Zweipel, zaudernd zu dem Schlüße gekommen, daß eine solche Verbreiterung der Grundlage der Re. aierung notwendig wäre. Dadurch verliert sie auch den Anschein einseitigen oder Parteicharakters, und es wird nicht nur unserem Volke daheim und jenseits des Meeres, sondern auch der ganzen Welt, den Ver bündeten, Feinden und Neutralen, zweifellos bewie sen, daß das britische Volk nach fast einem Fahre des Krieges entschloßener als je ist, alle Unterschiede zu vergeßen und alle persönlichen, politischen, sittlichen und sachlichen Kräfte zur Verfolgung des Zieles zu vereinen. Allen jetzigen Ministern ist der Gedanke der Koalition unangenehm. Aber die große nationale Not forderte von uns allen sichtbare Zusammenarbeit, an der Männer aller Richtungen und Parteien teilnehmen. Es ist ein großes und, wie viele glauben, gefährliches Wagnis, das keiner von uns wünschte. Asquith sagte weiter, er persönlich labe keinen politischen Ehrgeiz. Der Gedanke, daß das englische Volk Teil nahmslosigkeit beweise, sei die bösartigste Verleum dung. Der Augenblick sei nicht geeignet, die militärische und internationale Lage zu erörtern. Asquith schloß: Wir müßen fortfahren, den blinden Ratschlägen der Hysterie und Furcht kein Gehör zu geben. Wir haben im Augen blick einfache, überragende Pflicht zu erfüllen, den Diensten des Staates die bereitwillige, organlsierte Hilfe jeder Klaße der Bevölkerung zuzuführen. Cecil (Unionist) betonte die dringende Not wendigkeit der Sparsamkeit. Die National- schuld werde bald auf 2 Milliarden steigen. Es herrsch der Eindruck, daß unnötig Geld aus gegeben werde. Der Redner führte mehrere Bei spiele an und erwähnte, daß in einer von der Ne gierung verwalteten Fabrik gelernte Arbeiter acht Pfund Sterling Wochenlohn erhielten. Das Bei spiel der schlechten Staatswirtschaft wirke auf die Prirmtwirtschaft zurück. Chiozza Money (liberal) kritisierte die Methode der Rekrutierung. Die Aufstellung der neuen Armeen wird wohl 500 Millionen Pfund Sterling gekostet haben. Er fürchte, daß England den Krieg finanziell nicht burchhalten könne. Die Regierung werde früher oder später zu einer Zwangsanlerhe greifen müßen, und es sei zweckmäßig, sic sofort ins Auge zu faßen: das würde automatisch bei der Nation Sparsamkeit bewirken. Schatzkanzler Mac Kenn« erwiderte: Es wird häufig übersehen, daß wir gegen unsere Verbündeten gewiße Verpflichtungen übernommen haben, nicht nur die Meere ihrem Handel offen zu halten, son dern auch ihre Anslandseinkäufe zum größten Teil zu finanzieren. Daber ist eine sofortige na tionale und häusliche Sparsamkeit notwendig, um den Kredit zu erhalten. Sie wird einen Fonds schaffen, wenn auch der im Frieden er wartete Rückgang des Handels eintritt. Wenn Thiozza Money saate, England könne 4 Millionen Soldaten und 4 Millionen Munitionsarbeiter auf bringen, während 17 Millionen die gewöhnliche Friedensindustrie fortsetzen könnten, so glaube ich nicht, daß wir eine solche Reservekraft an Industrie oder Kapital haben, Im Lande ist nicht genug Energie, um alle Friedensgüter, deren wir bedürfen, und alle Ausfuhrgüter zu erzeugen. Wir imnortieren von Amerika viel mehr für den eigenen Bedarf als im Frieden. Italienische Zensur für Zel-postbriefe (r.) Wien, 17. Juni. (Eigene Drahtmel dung.) Die „Neichspost" meldet aus Ehiasso: Die italienische Militärbehörde hat eine beschränkte Zensur für Feldpostbriefe ein geführt, wie aus einem Bericht des „Avanti" zu entnehmen ist. Vie Serben im Vormarsch nach Vurazzo (-.) Wien, 17. Juni. (Eigene Drahtna chr.) Das „N. W.Tgbl." meldet indirekt aus Durazzo: Don San Giovanni di Medua aus beschießen die italienischen Torpedoboote Cap Roden und Scilinz im Golf des Drin, wo die Aufständi schen ihre Depots haben. Diele Häuser sind bereits in Brand geschoßen worden. Die Serben sind aus Tirana nach Durazzo im Vormarsch. Italienische Stimmen gegen Serbiens vorgehen in Albanien (v.) Genf, 17. Juni. Die italienische Preße be urteilt immer schärfer das Vorgehen Ser. biens in Albanien und spricht von italienisch. serbische« Konflikt. »Trib»»«- schreibt, datz D»ra,,o von gela»dete« italie»tsche» M«rinesold«ten gege» jede» serbi. schenAngriff Verteidigt »«che. Vie Montenegriner vor Skutari tu. Lugano, 17. Juni. „Journal d'Ztalia" meldet aus Skutari, daß montenegrinische Tr » p- pen wegen der feindseligen Haltung der Malißoren nach der Mündung der Bojana verschickt worden seien, um dadurch die aus Italien erwarteten Lebens mitteltransporte zu sichern. Diese Truppen hätten sich aber allmählich weiter im albanischen Ge biet ausgedehnt und schließlich den Tarabosch bei Skutari besetzt. Eine Abteilung sei sogar bis zur Zollbrücke vorgcdrungcn und habe die albanische Kaserne besetzt. Die Bevölkerung Skutaris hat sich in ihrer Not an den italienischen Konsul gewandt, dessen energischem Vorgehen allein es zu verdanken sei, daß Skutari noch nicht von den Montenegrinern besetzt worden ist. Die Albaner verlangen, daß Italien zu ihrem Schutze San Giovanni di Medua. Alessio u d Skutari besetzten, um die Ordnung wiederherzustellen, um einen Monte- negrinischen Handstreich zu verhin dern. (r.) Genf, 17. Juni. (Eig. D r a h t m e l d u n g.) Nach dem „Herald" hat infolge des Anrückens der Montenegriner auf Skutari die internationale Kontrollkommission in Skutari ihre Tätigkeit eingestellt. vergettungsmaßregeln Schwedens cvtd. Stockholm, 16. Juni. „Astonbladet" und „Nya Daglight Allehanda" treten in Leitartikeln für entschiedene Eegenmaßregeln Schwe dens gegen die ihm von einzelnen Kriegführenden zugefügten Vergewaltigungen ein. Schweden habe den Verbandsmächten als Durchgangsland ge dient. Zum Dank dafür laße man jetzt das, was Schweden selbst brauche, nicht ins Land. Die Blätter begrüßen das neue Ausfuhrverbot Schwe dens, das als Durchfuhrverbot wirke, und fordern, daß auch der durchgehende Post- und Tele- graphenoerkehr eingestellt werde, solange England und Frankreich schwedische Briese aufhielten. fiuf eine Mine gelaufen Ul. Haag, 17. Juni. Nach einer Meldung aus Brestens ist ein mit 12 Personen besetztes F i s ch e r b o o t in der Nähr der Küste auf eine Mine gelaufen. 4 Personen wurden getötet, die übrigen verwundet. Teile des Bootes wurden über 500 Meter weit geschleudert. Eiserne kreuze Das Eiserne Kreuz zweiter Klaße erhielten ferner verliehen: der Oberleutnant der Reserve im Landwehr-Jnfanterie-Rcgiment 101 Kurt Kempe, Kgl. Bezirkslandmesser beim Kreissteueramt zu Dres den, der Leutnant der Reserve im Leib-Grenadier- Regiment 100 H e i n r i ch K a d e n, der Unteroffizier der Reserve im Leib-Grenadier-Regiment 100 Jo hannes Hochgemuth aus Dresden-Plauen, der Oberjäger der Reserve im Jäger-Bataillon 12 Ru dolf Pohl, Sohn des Parkinspektors Pohl im Kgl. Großen Garten zu Dresden, der Soldat in der Reserve-Fernsprechabteilung 27 Bruno Fritsch, der Studierende an der Technischen Hochschule Dres den F r i tz B i e b c r, Sohn des Baumeisters R. Bieber aus Nossen, der Unteroffizier der Reserve im Leib- Grenadicr-Regiment 100 Johannes Poetzsch, Lehrer in Briesnitz, Sohn des Jntendantursekretärs B. Poetzsch in Dresden, der Kriegsfreiwillige Pionier Nein hold Liebscher, Sohn des Buch- uno Zeit schriftenhändlers Artur Liebscher in Dohna, der Un teroffizier der Reserve bei den Telegraphentruppen Max Steiger (er besaß bereits die Friedrich- August-Medaille in Silber), der Jäger im Res.-Jäger- Bataillon 12 Kurt Hammer, der Leutnant und Kcmpanieführer Willy Bönisch, Lehrer in Schönau bei Chemnitz (er war bereits Besitzer des Ritterkreuzes vom Albrechtsorden mit Schwertern), der Leutnant im Infanterie-Regiment 107 Werner Keil, Sohu des Oberbürgermeister» Kell tu Zmicka», der Vizefeldwebel Artur Meier, Eoh« des Ber- sorghausverwalter» Emil Meter in Zwickau, der Sol- dat im Landwehr-Ersatz-Regiment b Eduard Ptfchkowitz au» Chemnitz (ihm war früher die Friedrich-August-Medaille in Bronze verliehen wor den), der Feldunterarzt Friedrich Merkel aus Mylau. kleine krlegsnachrichten » Deutsche verwundete Soldaten als Gäste in Preßburg. Aus Einladung des hiesigen Damen- ausschusse» für Kriegsfürsorge trafen hier 200 verwundete deutsche Soldaten aus Wien ein und begaben sich durch die reichbeflagg ten Straßen vor das Palais des Erzherzogs Friedrich, auf dessen Erker sich die Erzherzogin Isabella und der deutsche Botschafter von Tschirschky befanden. Die Soldaten waren Gäste der Erzherzogin und wurden von ihr festlich bewirtet Vie Einweihung -es ersten Kriegerdenkmals für veutfche un- Zranzojen in Frankreich. Von unserem mit Genehmigung des Großen Generalstabes zur Westarmee entsandten Kriegsberichterstatter Julius Hirsch er halten wir folgenden, von den zuständigen Zen surbehörden genehmigten Bericht vom 12. Juni. Deutsches Großes Hauptquartier, 12. Juni 1915. (r.) Auf der Höhe von Noyers, zehn Kilometer von Sedan entfernt, wohnte ich heute einer ergreifen den Feier bei. Es wurde das erste Denkmal geweiht, das auf französischer Erde von deutschem Militär ge fallenen deutschen und französischen Helden gewidmet ist. Das Denkmal erhebt sich am Ausgang von Novers, auf einer Höhe, die am 27. Auaust v. I. von rhein ländischen Regimentern fünfmal gestürmt und beim letzten Sturm erobert wurde. 1024 Deutsche und 1773 Franzosen waren die Opfer der heißen Kämpfe jenes Tages, der auch den tapferen Regi mentskommandeur Oberst Schmidt unter den Tcten sah. Etwa 500 Schritte von dem unermeßlichen Gräber feld erhebt sich inmitten einer Gartenanlage das Denkmal, ein Obelisk aus weißem Sandstein. Auf der vorderen Seite trägt e« unter dem Relief des Eisernen Kreuzes die Inschrift „Für uns", an d : rechten Seite das Datum der siegreichen Schlacht „27. August 1914" und auf der Rückseite die Zahlen der deutschen Regimenter, deren Helden auf der Höhe gefallen sind. Vom Hofprcdiger Goens, der der Feier beiwohnte, stammt der Gedanke, auf dem linken Sei lenfeld zu Ehren der gefallenen Franzosen auch die Worte: „Pour la Patrie" einzumeißeln. Zu beiden Seiten des Denkmal» liegen zwei Steinplatten zwischen grünen Blattpflanzen, auf denen die 'Worte stehen: „lei rsposent 80 drnve» ^raveais" und „Hier ruhen 30 tapfere Deutsche". Ein wunderbarer Rundblick bietet sich von der Denkmalshöke. Im Tale liegt Sedan und weiter nach Osten da» stille Beinhaus von Bazeilles, und rings ein Kranz der blauen Wälder der Ardennen. Aus den drei kleinen Gemeinden, Pont-Maugis, Noyers und Chaumont, die sich am Fuße und Abhang der Höhe mit ihren kleinen Häuschen und rauch geschwärzten Ruinen, den Zeugen jener heißen Kämpfe, zusammendrücken, sind heute die Einwohner im Sonntagsstaat hinaufgewandert; es ist ja auch ein Weihefest ihrer Toten, das auf der Höhe be gangen wird. Feldgendarmen zu Pferd haben den Platz um das Denkmal abgcsperrt, links stehen deutsche Soldaten, rechts die Franzosen der Umgebung mit Weibern und Kindern. Auch ein Soldatensängcrchor und eine Militärkapelle haben sich eingestellt. Vor dem Denkmal versammelten sich die Offiziere der Etappe, aber auch viele von jenen sind da, die zum Siege von Noyers bcigetragen haben. Als Letz ter erscheint der Armee-Oberkommandant General oberst ».Einem auf der Denkmalshöhe. Ein frommes Soldatenlied eröffnete die Feier. Dann hielt Feldprediger Buchholz die Weiherede. Er pries das Wort „Für uns", das Vermächtnis der Tausenden Toten, die hier ruhen, die vom deutschen Rhein auszogen, um in Frankreich Deutschlands Recht mit dem Schwerte zu wahren. Für das Vaterland sind aber auch unsere tapferen Feinde in noch größerer Schwere hier zu Boden gesunken. Als ihres Ehren todes Ehrenzeugnis leuchte dieser Stein. „Für uns" sei unser Dankesgruß an unsere Toten, es sei aber auch ein Mahnruf für uns und ein Gelöbnis, daß wir treu sein sollen im Geiste unserer gefallenen Brü n Lies Wcrinev Geschichte einer Ehe von Leontine von Winterfeld. Nachdruck verboten.) 1V. Kapitel. Es verging jetzt fast kein Albend, an dem Römer nicht kam, um mit Knut und Ellen zu musizieren. Ja, wenn es sein Dienst erlaubte, kam er sogar manchmal des Tages, um mit Ellen zu üben. Es war im Nainerschen Hanse jetzt schon zur Gewohnheit geworden, daß, sobald es dunkelte, im Salon die Lampe angezündet rourde, die man sich sonst sparte. Dann ging Ellen, den Flügel zu öffnen, ihre Geige zu stim men und die Noten zurecht zu legen. O, wie sie diesen Musikwinkel, wie sie eS jetzt scherzend nannte, liebte! Gestern hatte Römer dec Haus frau wunderbare, langstielige Rosen mitgebracht, die standen nun auch auf dem Flügel im Musik winkel, im weichen, verschleierten Lampenlicht. EllenS Hand strich über das Cello, das Römers Bursche eben gebracht. Verträumt summten ihre Lippen die Melodie eines soeben gespielten LiedcS nach. Da trat Knut ins Zimmer. „Wo ist Lies?" -Ach glaube, in der Speisekammer." „Und d» bist schon wieder mitten bei der Arbeit?" Seine Hand fuhr prüfend über die Tasten Dann sah er nach der Uhr. „Wollen wir schnell noch die Sonate von gestern zusammen üben, ehe Römer kommt?" Ellen war dabei und holte geschwind ihre Geige aus dem Kaste». Darüber überhörte sie sau- dte NmNnMt »rd da» geräuschlose Er- tz scheinen Giselas auf der Schwelle. Tie steckte nur den Kopf durch die Portiere, dann tvar sie wieder verschwunden. Leise trat sie ins Kinder zimmer zu Lies, die eben ihrem Jungen fein Llbcndsüppchen einfütterte. „Aber Gisela, wo kommst du her?'" „Aus allen möglichen Konfektionsgeschäften. Aber ich scheine überall zu stören. Unterbrach eben beinah ein musikalisches Tete-a-tete zwischen dem Gatten und Ellen, und hier erhält der Prinz sein Nachtmahl." „Worin du ihn absolut nicht störst, liebe Gisela. Komm, setz dich zu uns. Sv, das ist gemütlich." Gisela warf sich in den Stuhl und gähnte. „Sag mal, kleine Lies, musizieren Knut und Ellen täglich so stundenlang miteinander?" LieS lachte. „Dann müßte Knut viel Zeit übrig haben, was aber leider der Fall nicht ist. Sie müssen gerade eben angefangen haben, Römer kommt nachher auch." „So, so, der ist wohl jetzt ständiger Gast bei euch ? Niedlicher, kleiner Karl. Werde näch stens anfangen, mit ihm zu flirten. Komisch, das) Ellen sich so wenig für ihn zu interessieren scheint." Währenddessen war Römer gekommen, und im Musikwinkcl spielten drei der Welt Entrückte. Als UM zu Bett war, ging Gisela, obgleich Lies sie bat, doch noch zu bleiben und den Tönen im Salon zu lauschen. „Ja nicht, Kind! Musik macht mich immer nervös. Auf Wiedersehn!" Und sie ging. Beim Abendessen, zu dem Römer wie immer blieb, kam die Rede auf Ellens baldige Ab reise. „Wirklich, Sie wollen schon fort?" Römer sah erschrocken von seinem Teller auf. „Warum denn und wann?" Ellen lachte. Dann seufzte sic leise. „Warum? Aber weil Weihnachten vor der Tür steht und ich noch in Nilmer alle Hände voll zu tun habe. In fünf Tagen hcißt's Ab schied nehmen von Königsberg." „Ja, zu schade." Lies streichelte traurig die Hand der Schwester. „Aber ich hoffe, du kommst sehr, sehr bald wieder, Ellen, ja?" Ellen spielte mit ihrem Brot. „Ich weiß nicht, ob ich so bald werde ab kommen können. Aber du kommst ja doch im Frühling mit dem Jungen zu uns." Im Eifer des Gesprächs hatten sie nicht acht auf Römer, der plötzlich sehr ernst und blaß geworden war. Er verabschiedete sich heute früher als sonst und schützte, auf allseitiges erstauntes Fragen, seine Winterarbcit vor. Ellen war mich schweigsam geworden und ging früh zu Bett. Am anderen Tage um zwei Uhr, als Knut und Lies sich eben zum Mittagessen nieder setzen wollten, merkten sie, daß Ellen noch nicht da war. 2llS sie mit der Suppe schon fast fertig waren, kam Ellen eilig und erhitzt aus der Stadt zurück. „Ach, ich bitte sehr um Entschuldigung, ich wußte ja nicht, daß es schon so spät war." Eilig hängte sie Hut und Jacke ins Entree und setzte sich zu den beiden. „Wo warst du denn noch, Liebling? Hast du noch so viele WcihnachtSbesorgungen gemacht?" Alle» löffelte hafttg ihre Suppe „Das nicht gerade. Wir waren noch in der Gemäldeausstellung." „Wir? — Wer denn noch?" „Ich traf zufällig Römer in der Königstraße, da meinte er, er müßte mir die Bilder vor mei ner Abreise noch zeigen. Es sind wirklich wun derschöne darunter." Lies sah ihren Gatten bittend an. „Ach, Knut, da müssen wir auch einmal hin, sobald du Zeit hast." „Aber gerne, Kind. Ucbrigcns habe ich einen Vorschlag für euch beide. Wollen wir heute abend zusammen in den „Tannhäuser"? Als Abschiedsfest für Ellen?" Gerade wollte Lies „O ja, wie herrlich!" rufen, da sagte Ellen leise, kleinlaut: „Heute abend wollte doch aber Römer noch einmal zum Neben kommen." Knut nickte. „Richtig, das hatte ich ganz vergessen. Na, da gehe ich nachher schnell heran und sage ihm ab. Das ist ja eine Kleinigkeit." Ellen saß tief über ihren Teller gebeugt. „Er wird nachher nicht zu Hause sein, Knut. Er sagte mir vorhin, er hätte noch bis sechs Uhr- Dienst heute." „Dann schreibe ich ihm schnell ein paar Zeilen. Er kann dann ja morgen kommen." Ellen spielte tief Interessiert mit ihrem Ser viettenring. „Morgen abend hat er Kriegsspiel." Knut lachte. „Donnerwetter, bist du aber orientiert. Na, dann also ein andermal. Also heute ist die Parole „Tannhäuser"." Z (Fortsetzung in d« Morgens»»-«-».)
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