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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.08.1915
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1915-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19150823021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1915082302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1915082302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-08
- Tag 1915-08-23
-
Monat
1915-08
-
Jahr
1915
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kV» r-pr's »n» v»r»r<» Sur« nns»e» r»a,« ^*AUAV . VN» Speöttr»»» »moltSglt« In» hau»»«dracht« inonotUch 1.LS M., vt»»t»Uvhrttch Z.75 M. Vit Ser Ses«üft»st»U». »nf»r» jklNalea undN«»aad«N»U»a aboehoUr m»nat»«>M.,v!»rtrlIährUch r M. durch »as»»e aa»wä»»t>«a -ilialra in» yau« gebracht: m»aatUch >^S m., »iertitjShrltch 4^rs m. durch Sir Post: Innerhalb deutsch, ianü* nnS Ser »rutschen Kolonien monatlich l.ro m„ »iertiliahrlich b^S M., au»s«li«tzllch postbesteUgelS. prri» Ser Lin)»Inummcr I» Pf. Zu Leipzlg. 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Kuyult. l915. llenirels; griegiiscker Mini;ierpcr;iclenl Italien unck die Türkei Von Major a. D. von Schreibershofen. Seit langer Zeit suchen die Westmächte nach einer Hilfe und Unterstützung, um das Dar danellenunternehmen, das auf einem toten Punkte angelangt ist, erfolgreich zu Ende zu führen. Zunächst hatten sie auf russische Hilfe gehofft. Tatsächlich hatte auH Rußland schon bei Odessa, Sebastopol und Kiew eine ,r.>ue Armee gebildet, die sogenannte „Bosporus"- ^rmee, die an der Küste des Schwarzen Meeres nördlich von Konstantinopel landen unv den Bormarsch gegen die türkische Landeshauptstadt antreten sollte. Das siegreiche Vordringen der Verbündeten in Galizien und später in Polen und die damit in Verbindung stehende gänz liche Niederwerfung des russischen Heeres haben aber die Ausführung dieses Planes unmöglich gemacht. Die Bosporus - Armee als solche mutzte aufgelöst und ihre einzelnen Be standteile zum Kampfe gegen die Verbün deten herangezogen werden. Zwar konnte ihr Eingreifen den Niedergang des russischen Heeres nicht aufhalten, sondern wurde mit in die allgemeine Niederlage hereingezogen. Das Unternehmen gegen Konstantinopel ist aber gänzlich unmöglich geworden. Die West mächte haben die Hoffnung auf eine russische Unterstützung aufgeben müssen. Dann hofften sie auf das Eingreifen Bulgariens, aber die kluggeleitete Politik dieses Landes hat allen Lockungen der Westmächte widerstanden. Durch einen soeben abgeschlossenen Vertrag hat Bulgarien auf friedlichem Wege den erstrebten Gebietszuwachs von der Türkei erhalten und alle Dlfferenzpunkte aus der Welt geschafft. Nun war die Hoffnung der Westmächte auf Griechenland gerichtet. Aber auch bei der jetzigen neuen innerpolitischen Lage und selbst bei einem Ministerium Venizelos wird Griechenland voraussichtlich streng neutral bleiben. Jedenfalls beabsichtigt es vorläufig nicht, die Waffen gegen die Türkei zu ergreifen. Nun blieb nur noch Italien übrig unü tat sächlich haben die Westmächte schon seit langer Zeit ihre ganze Macht, ihren politischen Ein fluß und ihren wirtschaftlichen Druck darangesetzt, dieses Land zum Kriege gegen die Türkei zu veranlassen. Lange Zeit war dies vergeblich gewesen, denn Italien konnte mit Recht auf seine ungünstige militärische Lage Hinweisen. Am 22. Mai hatte Italien den Krieg an Oesterreich-Ungarn erklärt und unmittelbar darauf den größten Teil seines Heeres an der österreichischen Grenze versammelt. Seit drei Monaten währt der Kampf, ohne daß es bisher den Italienern gelungen ist, den geringsten Erfolg zu erzielen. Alle Angriffe wurden ab geschlagen, an welcher Stelle sie auch unter nommen wurden. Der Hauptstoß wurde im Küstenlande gegen die Front Eörz-Mon- fa leone gerichtet. Ganze Armeen gingen nebeneinander zum Angriff vor, aber nirgends ein Erfolg. Wo es den Italienern einmal ge lang, in die Stellungen der Oesterreicher einzu dringen, wurden sie sehr bald durch die Gegen angriffe der sehr schnell herangeführten Reserven aus ihnen vertrieben. Die fortwährenden Nieder lagen und mißlungenen Angriffe haben dem italienischen Heere außerordentlich schwere Verluste gekostet und auch seine innere Widerstandskraft bedeutend vermindert. Be rücksichtigt man nun noch, vaß die Italiener auch zur See unglücklich gekämpft haben und nicht imstande gewesen sind, ihre Küsten gegen die feindlichen Angriffe zu schützen, so kann man die allgemeine Lage Italiens vom militärischen Standpunkte aus nur als eine außerordentlich ungünstige bezeichnen. Es ist daher wohl begreiflich, daß die italienische oberste Führung wenig Neigung verspürte, einen Teil ihrer Kräfte abzugeben und zur Unter stützung der Engläuder und Franzosen eine Expedition gegen die Türkei zu unternehmen. Es kam noch hinzu, daß ständig mit einer Offensive der Oe st erreiche: gerechnet werden mußte. Sie schien um so näher zu liegen, seitdem die Lage der Verbündeten auf dem polnischen Kriegsschauplatz immer günstiger ge worden und das russische Heer immer mehr zusammengedrochen war. Mit Recht konnte der italienische Generalstab darauf Hinweisen, daß es unrichtig wäre, sich unter diesen Umständen an der österreichischen Grenze zu schwächen. Aber alle diese militärischen Bedenken haben auf die Dauer nicht vorgehalten. Der Druck der Westmächte war ein so starker, daß die italienische Regierung schließlich nachgeben und den Krieg an die Türkei erklären müßte. Es ist nicht anzunehmen, daß Italien sich lediglich mit der Kriegserklärung begnügen wird, sondern es wird daraus auch dre not wendigen Folgerungen ziehen und den Kampf gegen das Osmanenreich aktiv zu führen suchen. Denn nur mit dieser Absicht haben die West mächte Italien zum Kriege gedrängt. Es ist deshalb mit der Entsenoung eines starken italienischen Expeditionskorps zu rech nen. An welcher Grelle es seine Landung aus führen wird, läßt sich noch nicht über sehen. Es ist möglich, daß dies in un mittelbarer Anlehnung an die schon gelan deten französischen und englischen Truppenteile erfolgt, sei es auf der Halbinsel Gallipoli selber oder in deren nächster Nähe. Dies würde für die Westmächte das Vorteilhafteste sein. Es ist aber auch möglich, daß die Landung an einer weiter entfernt gelegenen Stelle erfolgt. Die ausländische Presse und auch die italienischen Zeitungen haben wiederholt die Besetzung eines Teiles der kleinajiatischen Küste oder der syrischen Küste als das nächste Operations ziel der Italiener bezeichnet. Es ist bekannt, daß diese Gebiete schon lange das sehnsüchtige Ziel der italienischen Politik darstellen, und es ist wohl möglich, daß die Italiener sich durch ihre Besetzung ein Faustpfand sichern wollen, das sie bei den späteren Friedensverhandlungen in die Wagjchale werfen können. Mögen die Italiener aber an dieser oder jener Stelle landen, so wird die türkische Heeresleitung darauf vorbereitet sein und rechtzeitig die notwendigen Gegenmaßregeln getroffen haben. Das türkische Heer ist so stark und zahlreich, daß es auch an mehreren Stellen zugleich genügende Kräfte zur Abwehr feindlicher Angriffe bereitstellen kann. Es ist vorzüglich ausgebildet und ausgerüstet. Die Führung äußerst geschickt und energisch, das ganze Heer ist von Kampfesmut erfüllt und der einzelne Soldat außerordentlich tapfer. In zahlreichen Kämpfen und Gefechten haben die Türken schon bisher ihre Ueberlegenheit über den Gegner bewiesen. Den Engländern und Franzosen ist es deshalb auch nicht möglich ge wesen, von ihren Landungsstellen aus in das Innere des Landes vorzudringen. Es kann zwar nicht bestritten »werden, daß durch den Hinzutritt eines neuen, dritten Gegners sich die Lage für die Türkei schwieriger und ungünstiger gestaltet hat, und daß es erhöhter und erneuter Anstrengungen bedürfen wird, um auch die neuen feindlichen Verstärkungen nieder zukämpfen. Daß dies aber schließlich erfolgen wird, kann nach dem ganzen Gange der bis herigen kriegerischen Ereignisse als sicher an genommen werden. Was den vereinten Eng ländern und Franzosen bisher nicht gelungen ist, wird sich auch durch den Hinzutritt der Italiener nicht erreichen lassen. Die Türken werden nach wie vor ihre Stellungen behaupten, ihre Befestigungen schützen und dem Feinde den Weg nach Konstantinopel versperren. Die Italiener haben sich somit auf ein Unternehmen eingelassen, das sehr schwierig ist und wenig Aussicht auf Erfolg verspricht. Es bringt aber auch noch einen andern Nachteil für sie mit, und dieser liegt in Libyen. Die dortigen Eingeborenen haben fick schon seil längerer Zeit gegen die italienische Herrschaft empört, die Italiener aus dem Innern des Landes vertrieben, so daß die italienischen Truppen nur noch einen schmalen Küstenstreifen behaupten konnten, und auch in ihm sind sie schon arg bedrängt. Nachdem jetzt die Kriegs erklärung gegen die Türkei erfolgt ist, können die Türken die Eingeborenen ohne jede Rück sicht unterstützen. Wenn sie ihnen auch keine Truppen zuschicken können, weil der Seeweg versperrt ist, so können doch immer einzelne Offiziere dorthin gelangen, die den Eingeborenen als Führer und Organisatoren dienen. Der Widerstand der Bevölkerung gegen die ita lienische Heerschaft wird auch einen neuen An sporn erhalten, sowie es bekannt ist, daß die Türkei sich im Kriege mit Italien befindet, und wenn der Sultan die mohammedanische Be völkerung zum Heiligen Kriege gegen die Ita liener aufruft. Dadurch kann sich die Lage der Italiener in Libyen noch außerordentlich verschlimmern. Wohin man auch blickt, erkennt man nur große Schwierigkeiten, die den Italienern jetzt neu erwachsen, ohne daß eigentliche Vorteile ihnen winken. Und das alles zu einer Zeit, da die italienischen Angriffe an der österreichischen Grenze überall unter schwersten Verlusten zurück geschlagen werden, und da die Verbündeten infolge der günstigen Kriegslage im Osten frei in der Verwendung ihrer Heeresteile geworden sind. Wenn trotz alledem die Italiener sich zur Unterstützung der Westmächte bereit erklärt haben, so zeigt dies nur den ungeheuer starken Druck, den England und Frankreich ausgeübt haben. Eine allgemeine Aenderung der Kriegs lage wird durch das Eingreifen Italiens in die Kämpfe gegen die Türkei nicht erfolgen, und wir können mit voller Zuversicht darauf rechnen, daß die Türkei auch diesem neuen Gegner gegenüber siegreich bleiben wird. Französischer Seneralsiabsberlcht vtb. Paris, 23. August. Amtlicher Bericht von Sonntag nachmittag: Im Artois nördlich von Souchez wurde xin von schwachen Kräften ausgeführter deutscher Angriffs versuch leicht und schnell angehalten. Im Laby rinth dauert der Kampf mit großen Bomben an. Im Gebiet von Roye heftige beiderseitige Kano nade. In den Vogesen griff der Feind unsere Stellungen auf dem Kamm von Sondernach an. Er wurde vollkommen zurückgeworfen. Auf dem Ge lände, welcl>es wir am 18. August in dieser Gegend erobert haben, zählten wir Hunderte von toten Deut schen. Auf der übrigen Front verlief die Nacht ohne Zwischenfall. vvtb. Paris, 23. August. Amtlicher Bericht von Sonntag abend: Im Artois, besonders im Gebiet von Neuville und Roclincourt, lebhafte Tätigkeit der feind lichen Batterien, die von unserer Artillerie kräftig bekämpft wurden. Gegenseitige ziemlich heftige Kanonade im Gebiet von Noye, am Plateau von Qu e n n e o i ö r e s, an der Aisnefront und um Reims. In den Argonnen meldet man nur Kämpfe mit Schützengrabenkampfwerkzeugen, besonders um Courtechaussö. Im Wo eure nördlich Flirey Kämpfe mit Bomben und Handgranaten. In den Vogesen im Fechtgcbiet einfache Kanonade. Französische Sorge um das Schicksal -es russischen Heeres (2.) Eens, 23. August. (Eigene Drahtnachricht.) Die Pariser und die französische Prooinzpresse ist über die nunmehr ihr vorliegenden Einzelheiten der deutschen Siegesbeute in Nowo-Georgicwsk w i e kon sterniert. Der „Matin" schreibt kurz und viel sagend: Die Hiobspost en aus dem Osten wollen kein Ende nehmen. „Petit Journal" schreibt: Rußland hat seine stärkste Stütze an der Westfront verloren, und die Deut schen und Oesterrcicher triumphieren, wie die Russen triumphierten, als sie Galizien erobert hatten. — Die schweizerischen Korrespondenten in Paris mel den, daß zum ersten Male seit den Septembertagen 1914 in Paris eine überall sichtbare Niedergeschlagen heit herrscht und daß man in allen Volksschichten die Sorge sich äußern hört Uber das Schicksal des russischen Heeres. Die Einschließung von Sresi-Litowjk Zur Umzingelung von Brcst-Litowsk heißt es in einem Telegramm des „Lok.-Anz." aus dem Kriegs pressequartier: Trotz des Widerstandes der Russen kann das System des gleichmäßigen Vor rückens der Verbündeten nicht gehemmt werden. Beiderseits des Bug arbeiten sich Truppen der Armee Mackensen an die Südwerke der Festung heran. Nördlich des Bug gewinnt die Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand an Raum. Deutsche Flugzeuge über Mga Nach dem „Berl. Tagebl." erfahren englische Blätter, daß in Riga die Stadtteile aufdem linken Dwina-Ufer nahezu verlassen seien. Zeppeline und Tauben stellten regelmäßig über den Forts an der Dwina-Mündung Erkun dungen an. venizelos Ministerpräsident vtb. Athen, 22. August. sTelegramm unseres Privatlorrespondenten.) Venizelos übernahm die Bildung des Ministeriums. Die neue Mi, nisterliste wird heute nachmittag dem König vor gelegt werden. Die Verständigung zwischen dem König Konstantin und Venizelos kann unseres Erachtens nur auf der Grundlage erfolgt sein, daß sich Venizelos zu der vom König bisher schon vertretenen Auffassung bekehrt hat: keine Abtretung griechischen Ge bietes und Bewahrung strengster Neutra lität. Damit ist die Hoffnung des Vier Ver bandes, die neutralen Dalkanstaatcn gegen die Zentralmächte und gegen die Türkei aufzuwiegeln, gescheitert. Einberufung -er Ungedienten in Italien (r.) Lugan «, 23. August. (Eigene Drahtnach richt) Das römische Am.sblatt veröffentlicht die Einberufung sämtlicher Jahrgänge »er »ritten Kate« orte <Nnge»iente) »er Derrit-rtalmtltz. Mus belgischen Archiven II. In dieser kritischen Zeit bebt der belgische Gesandte Baron Beyens die Friedfertigkeit Deutsch lands hervor. Er schreibt: „Es besteht kein Zweifel, daß der Kaiser, der Kanzler und der Staatssekretär des Auswärtigen leidenschaftliche Anhänger des Frie dens sind. Welches auch die Pläne sein mögen, die Herr von Kiderlen-Waechter, der sich mit grotzcn Ge danken trägt, im Sinne hat, um seinem Lande die Sympathien der jungen Balkanmächte zu gewinnen, eines ist ganz sicher, nämlich, daß er fest entschlossen ist, einen europäischen Brand zu vermeiden." Um so nachdrücklicher hebt er das unsichere Schwanken Herrn Ssaionows hervor: „Ende der vorigen Woche lief in den Kanzleien Europas das Gerücht um, daß Herr Ssasonow den Kampf gegen die H 0 fpartei aufgegcben habe, die Rußland in einen Krieg treiben will, wiewohl ter Boden des russischen Reiches durch die Revolution unterminiert und seine militärischen Vorbereitungen noch ungenügend sind. Aber seit zwei Tagen ... ist auf die Beunruhigung der letzten Woche ein Gefühl des Vertrauens gefolgt. Herr Ssasonow hat sich, so scheint es, wieder gefaßt und spielt beim Belgrader Hose mit Eifer die gleiche Nolle, wie die deutsche Diplomatie am Wiener Hofe." Die Kriegsgefahr wurde ganz allgemein an den europäischen Höfen im Größenwahn Serbiens erkannt, dagegen ist nicht zweifelhaft, daß die pan- slawistischc Partei in Rußland das serbische Feuer schürte, wobei Herr Hartwig, der russische Ge sandte in Belgrad, mit Eifer sekundierte. Auch er gehörte zu den Politikern, von denen Baron Beyens sagt, daß sie wie Tittoni und Iswolski in der aus wärtigen Politik ihres Landes „eine Kampfrolle" spielten. Man kann jedoch sagen, daß die Tätigkeit all dieser Männer kaum so verhängnisvoll sein konnte, wie die des neuen Präsidenten der fran zösischen Republik, des Herrn Raimond Poincarö, der am 18. Februar 1913 ins Elysee einzog. Eine ungeheure Reklame war seiner Wahl vorausgegangen: es war, als sei der zu großen Ent scheidungen drängenden Zeit der Führer geoeben wor den. Aber Baron Guillaume, der von seinem Pariser Posten aus die Stimmung der Franzosen genau verfolgen konnte, war von vornherein miß trauisch. Er sagte bezüglich der Wahl: Diese Be liebtheit des Präsidenten hat verschiedene Ursachen: seine Wahl war geschickt vorbereitet worden: man weiß ihm Dank dafür, daß er während seines Mini steriums geschickt genug operierte, um Frankreich im europäischen Konzert in den Vordergrund zu bringen: er hatte einige Male Glück mit seinen Aussprüchen, die großen Eindruck machten. „In erster Linie muß man darin eine Kundgebung jenes alten französischen Chauvinismus erblicken, der lange Jahre hindurch ganz znrückgetreten war. aber seit den Zwischenfällen von Agadir wieder an Kraft gewonnen hat. Herr Poincarö ist Lothringer und läßt keine Gelegenheit vorübergehen, daran zu erinnern: er war der Mitarbeiter und der Anstifter der militari st ischen Poli tik Herrn Millerands." Daß es sich bei der Agitation für die drei jährige Dienstzeit nicht um eine Antwort auf das deutsch« Wehraesetz. sondern um eine längst vor- bereitete Maßregel handele, spricht der Gesandte direkt aus, indem er sagt: „Die Zeitungen hab:n übrigens unrecht, wenn sie bei Besprechung der Pläne der französischen Rcgie- rur.o dieselben als Antwort aus die deutscherseits er griffenen Maßnahmen darstellen. Viele sind nur das Ergebnis seit langer Zeit unternommener Studien." Im März, als die gefährliche Schärfung der öster reichisch-russischen Beziehungen durch eine Verständi gung über Verminderung der beiderseitigen Grenz truppen verdeckt wurde und Freiherr von Schoen sich Baron Guillaume gegenüber sehr besorgt über das Zunehmen des Chauvinismus in Frankreich äußerte, gab dieser 'hm vollkommen recht. „Ich bemerke täg lich/ berichtet er, „wie die öffentliche Meinung in Frankreich alle Tage argwöhnischer und chanvinistiicker wird. Man begegnet nur Leuten, die versichern, daß ein baldiger Krieg mitDeutscbland ge wiß, ja unvermeidlich sei." Auch Pichon denke so. Gewiß hatte die zweideutige Haltung Ruß lands dazu wesentlich beigetragen. Baron Beyens wußte davon das Folgende zu erzählen: „In einem mitteilsamen Moment hat mir der französische Botschafter m Berlin nicht verhehlt, wie schwer es sei. auf die hochbegabten, aber wankel mütigen Politiker, die das mit Frankreich ver bündete Kaiserreich leiten, zu zahlen, denn sie spielten auch mit ihm ein doppeltes Spiel. Herr Cambon hat sich insbesondere über den Einfluß beklagt, den Herr Iswolski bebalten hat. der sich persönlich an Oesterreich-Ungarn rächen will und sich Mühe gibt, das Spiel zu verderben, wenn es den Anschein hat, daß jenes die Partie ge winnt." Er erkannte auch ganz richtig, daß die Rolle, die Iswolski in Paris spielte, von Hartwig, dem russt. chen Gesandten in Belgrad, Serbien gegenüber ge piekt wurde; der serbische Geschäftsträger in Berlin >abe es offen ausgesprochen, daß Serbien nicht echs Monate lang vorgegangen wäre, ohne sich um
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