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Nr. 155 (R. 105). Leipzig, Donnerstag den 6. Juli 1922. 89. Jahrgang. Redaktioneller Teil. Provinzialverein der Schlesischen Buchhändler (E. V.). Bericht über die 42. ordentliche Hauptversammlung zu Breslau am 7. Mai 1922. Der Vorsitzende Herr Beruh. Ansner eröffnete die recht zahlreich besuchte Versammlung pünktlich, begrüßte die Erschte- nenen, darunter unser Ehrenmitglied Herrn Gerhard Kauffmann d. Ä., stellte die form- und fristgerechte Einberufung der Ver sammlung fest und trat in die Verhandlungen ein. Der erste und wichtigste Punkt war der nachstehende Geschäftsbericht über das Jahr 1921/1922. Das 42. Vereinsjahr unseres Provinzial-Vereins geht zur Neige. Leider haben sich die Hoffnungen, die wir auf die Kan tateversammlung 1921 in Leipzig und in die außerordentliche Hauptversammlung der Kreis- und Ortsvereine in Heidelberg ge setzt hatten, in keiner Weise verwirklicht. Der Kampf zwischen Verlag und Sortiment tobte immer weiter, und heftiger wurde der Streit um die Aufhebung des Teuerungszuschlages. Der Friede, den wir alle so sehnsüchtig erwarteten, kam weder im Buchhandel, noch auch im lieben deutschen Vatcrlande. Und doch hätten ihn beide so überaus nötig. Auf der Kantateversammlung 1921 in Leipzig wurde die Rotslandsordnung bis Kantate 1922 verlängert. Alle Hoffnun gen wurden nun aus die außerordentliche Hauptversammlung der Kreis« und Ortsvereine dom 10. und 11. September 1921 in Heidelberg gesetzt, an der als Abgeordnete des Vereins der Vor sitzende und Herr Schirdcwahn-Gleiwitz tcilnahmen. Leider ver lies die Tagung beinahe ohne jeden praktischen Nutzen. Der ein zige Erfolg war die Einsetzung eines paritätischen Ausschusses seitens des Börsenvereins, der Richtlinien sestsetzen sollte, die als Grundlage von Abkommen von Firma zu Firma zwecks Wegfall der Teuerungszuschläge dienen sollten. Diese Richtlinien wur den dann im Bbl. Nr. 234 vom 8. Oktober 1921 veröffentlicht. Sie dürften allgemein bekannt sein, sodaß es sich erübrigt, sie noch einmal hier zu nennen. Neben der Gruppe der wissen schaftlichen Verleger und der schönwissenschaft- lichen Verleger hatte sich auch noch eine Gruppe der litera - risch-kulturellen Verleger gebildet, die ihrerseits an eine Anzahl Sortimentsfirmen herantrat und Sonderabkommcn abschloß. Unterdessen hatte sich auch noch die Arbeitsge meinschaft für die Regulierung der Verkaufs preise im Buchhandel (Gruppe um Quelle) gebildet, die die Bildung von Ortsgruppen empfahl und regional den Schutz der Teuerungszuschläge einführen wollte. Der Breslauer Buch händler-Verein ist dieser Gruppe beigetreten und hat auch durch ein Rundschreiben die Kollegen in der Provinz gebeten, sich ört lich zusammenzuschlteßen und der Gruppe Quelle beizutreten. Soweit wir wissen, ist dies auch vom Verein der Buchhändler Oberschlesiens und dem Ortsverein Brieg geschehen. Wir kön nen nicht umhin, dem Börsenverein einen leisen Vorwurf zu machen, daß er in der Frage der Teuerungszuschläge zu sehr drr Geführte statt der Führende ist, und daß er, statt die Teuerungs- zuschläge zu schützen, in einem Gutachten des Herrn Syndikus vr. Ackermann erklärt, Teuerungszuschläge sind gesetzlich nicht zu schützen. Damit war der Wirrwarr noch größer geworden, da nun auch dem Provinzial-Verein die Machtmittel fehlen, die Kol legen, die Bücher ohne Zuschlag verkauften, zur Rechen schaft zu ziehen. Ans der Heidelberger Tagung kam auch zur Sprache, daß einzelne Warenhäuser öffentliche Ankündigung'» erlassen hätten, wonach sie ohne jeden Aufschlag verkaufen und das Publikum in den Glauben versetzen, die Warenhäuser seien besonders wohlseil und ein einheitlicher Ladenpreis bestehe nicht mehr. Der Börsenvereinsvorstand ist ersucht worden, in dieser Angelegenheit an de» Verband der Warenhäuser heranzutreten, und es ist auch erreicht worden, daß derartige Anzeigen fürder hin unterblieben sind. Wir wollen an dieser Stelle noch erwäh nen, daß rühmlichcrweise das führende Warenhaus in Breslau daran nicht beteiligt war, sondern ganz auf unserer Seite ge standen hat. Gegen das Vorgehen der Schutzveretnigung des Berliner Großsortimcnts haben wir unterm 7. März 1922 ener gischen Protest beim Börsenverein erhoben und eine Abschrift dieses Protestes an den Verband der Kreis- und Ortsvereine so wie auch an die Buchhändlergilde gesandt. Eine Antwort vom Börscnverein und dem Verband der Kreis- und Ortsvereine ist nicht erfolgt. Die Gilde antwortete, daß Verhandlungen zwi schen ihr und der Schutzveretnigung schweben, deren Resultat wir aber bis jetzt noch nicht erfahren haben. Zu der W i r 1 s ch a s l s k o n f e r e n z, die am 5. u. 8. April 1922 in Leipzig getagt hat, waren wir nicht eingeladen und auch nicht einmal davon verständigt. Wir können nicht umhin, dar über unser Bedauern auszusprechen. Hoffentlich bringt die Kan tateversammlung 1922 eine Klärung in den verschiedenen hier angeführten Fragen. Übertretungen der Verkaussbesttmmungen haben im Laufe des Vereinsjahres den Vorstand wieder in sehr vielen Fällen beschäftigt. Zum Teil nötigten sie zu längerem Schriftwechsel, zum Teil zu persönlichen Verhandlungen. Mei stens handelte cs sich um Nichterhebung der Sortüncuts-Teue- rungszuschläge, wobei zumeist nicht böswillige Ab sicht, sondern Unachtsamkeit des Personals vorlag. Vielfach war auch vergessen worden, Bücher umzu zeichnen, die die Verleger inzwischen im Preise erhöht hatten. Wir möchten nur einige markante Fälle hier anführen. Eine Breslauer Firma war angezeigt worden, daß sie alle Bücher ohne Ausschlag verkaufe. Der Vorsitzende begab sich in Beglei tung eines zweiten Vorstandsmitgliedes, unseres Herrn G. Kaufs- mann, zu dem Inhaber dieser Firma, der auch ohne weiteres zu gab, die Bücher ohne Aufschlag verkauft zu haben, und zwar bis Ende des Jahres 1921, uns aber versicherte, daß er seit Januar 1922 den Aufschlag von 20?S erhebe, und uns freiwillig sein Ehrenwort gab, daß er dies auch fernerhin strikt durchführen würde. In einer Provinzstadt hatten sich bei Lieferung an eine Po lizeischule zwei Firmen geeinigt, Lehrbücher an die einzelnen Schüler unter dem vom Verleger festgesetzten Ladenpreise abzu geben. Dann hatte die eine Firma die andere noch unterboten. Der Ladenpreis des einen Lehrbuches betrug zurzeit 50 .11. Die Firmen waren übereingekommen, das Buch an die Schüler zu